Nein, wie gesagt, ich finde nicht, daß „die Politiker“ übertrieben ehrlich sein müssen.
Auch
wenn es viele Urnenpöbler anders sehen mögen; ich verstehe durchaus die komplexen
Interessengeflechte und weiß, daß Abgeordnete taktieren müssen, um sich
durchzusetzen. Wenn sie immer nur stur die reine Lehre vertreten, setzen sie am
Ende gar nichts durch.
Der
Kompromiss macht’s.
In einer
Koalitionsregierung aus drei unterschiedlichen Parteien mit drei unterschiedlichen
Wahlprogrammen ist es sogar systemimmanent politische Positionen mittragen zu
müssen, die man vorher sogar bekämpft hat.
Ich
verstehe nur nicht wieso Parteiführungsfiguren mit der Unterschrift unter den
Koalitionsvertrag davon besessen sind sich als harmonische Einheit zu
präsentieren.
Wie
peinlich war es, als Westerwelle 2009 nach dem Abschluss der schwarzgelben
Verhandlungen verkündete, der CSU-Chef und er sagten nun „Horst und Guido
zueinander!“
Offenbar
verwechseln Wähler und Journalisten Harmonie zwischen den handelnden Ministern
mit guter Regierung.
Dabei
ist das weitgehend irrelevant, wie gut sich Minister privat miteinander
verstehen.
Mit dem
Schmusekurs soll doch offensichtlich Wählerwohlwollen generiert werden. Das
zahlt sich aber ebenso offensichtlich nicht für die SPD aus.
Warum
also sagen die Sozen dann nicht offen und deutlich welches die Konfliktpunkte
sind und wieso sie gezwungen sind gegen ihre Überzeugungen zu stimmen?
Ich bin
überzeugt davon, daß man diese Abwägung öffentlich transportieren könnte.
Herr
Oppermann könnte an das Rednerpult des Bundestages gehen und dort eines Tages
verkünden:
„Sehr verehrte Damen und Herren, liebe Kollegen!
Heute wird meine Fraktion für den Koalitionsentwurf der Antiausländermaut nach den Vorstellungen des Verkehrsministers Dobrindt stimmen. Wir als SPD halten das Vorhaben für Europa-feindlich, finanzpolitisch irrsinnig und schon ob des Verwaltungsaufwandes für nicht zu rechtfertigen. Unsere Zustimmung erfolgt wider besseres Wissens aus Koalitionsraison. Nur als Teil der Regierungskoalition war es uns möglich mehrere Ministerposten zu besetzen und damit die weitaus bedeutenderen Themen Mindestlohn, Rentenreform und Staatsbürgerschaftsrecht zu bestimmen. Als Gegenleistung für die Gaga-Maut besetzen wir ferner den Posten des Außenministers und können somit mäßigend auf eine kriegsfreudige Stimmung in NATO Und Russland einwirken. In diesen entscheidenden Fragen um Krieg und Frieden mitzuwirken halten wir für so bedeutend, daß wir dafür in Kauf nehmen kontraproduktive Gaga-Gesetze wie die Herdprämie mit durchzuwinken!“
Einige
Angesprochene würden sicherlich Zeter und Mordio schreien.
„Wer hat
uns verraten? - Sozialdemokraten!“
Aber wer
so borniert denkt, wählt ja ohnehin nicht (mehr) die SPD.
Also braucht man auf sie auch keine taktische Rücksicht zu nehmen.
Also braucht man auf sie auch keine taktische Rücksicht zu nehmen.
Besser
wäre es stattdessen zu versuchen durch offenes Bekenntnis zur Taktik neue
Wähler anzusprechen.
Und
außerdem wüßte der Bürger wem er was verdankt.
Warum
wollen sich so viele hinter einem scheinbar monolithischen 80%-GroKo-Block
verstecken?
Soll
doch jede Partei klar sagen, daß sie mit der Groko stimmt, weil sie a, b und c
rausgeholt hat, dafür aber leider x, y und z zustimmen musste.
Nicht
zielführend ist es hingegen, wenn SPD-Groko-Minister plötzlich Dinge vertreten,
die niemand an der Parteibasis will und nicht begründet wird, wie es zu dem
Sinneswandel an der Spitze kam.
Gabriel
oder Nahles könnten einerseits durch Fakten zu einer anderen Beurteilung
gelangt sein. Dann sollen sie diese Fakten vorlegen.
Oder
aber es ist ein politisches Geschäft wie bei Maut und Herdprämie: Man hebt sein
Händchen dafür, weil man etwas noch wichtigeres der CDU/CSU dafür abgehandelt
hat.
Aber
wieso schwenkte Gabriel in der Ceta-TTIP-Frage auf Merkel-Kurs um?
Wieso
ist die Bundesregierung plötzlich nicht mehr gegen Gentechnik auf den Äckern?
[…]
[Die] Bundesregierung. Sie rückt nach
SZ-Informationen immer mehr von ihrem Versprechen ab, ein möglichst strenges
Anbauverbot in Brüssel durchzusetzen - obwohl 90 Prozent der Bundesbürger
Gentechnik in ihren Lebensmitteln ablehnen.
Besonders umstritten
ist der Plan der EU-Umweltminister, Agrarkonzernen wie Monsanto, Syngenta oder
Bayer ein Mitspracherecht bei Anbauverboten einzuräumen. Dafür ist ein
zweistufiges Verfahren vorgesehen: Beantragt zum Beispiel eine Firma die
Zulassung einer neuen Genmaissorte in der EU, sind die Länder am Zug. Erwägt
etwa Deutschland ein Anbauverbot, muss die Bundesregierung die Firma
auffordern, speziell bei dieser Sorte keine Zulassung für Deutschland zu
beantragen. Dem Wunsch kann das Unternehmen nachkommen oder nicht. Die Anfrage
ist aber Voraussetzung dafür, dass Deutschland in einem zweiten Schritt den
Anbau verbieten kann, sollte der Konzern nicht auf eine Zulassung hierzulande
verzichten wollen.
Dieses Prozedere ist
ein Novum in der EU-Politik, weil Konzerne so direkt Einfluss auf
Regulierungsprozesse nehmen können. Vom EU-Rat, also den Länderregierungen,
wird das gebilligt. Doch Gentechnikkritiker und das EU-Parlament wehren sich
dagegen. "Es darf nicht sein, dass souveräne Staaten erst bei den
Gentech-Multis fragen müssen, bevor sie ein Genmais-Verbot aussprechen
dürfen", kritisiert Harald Ebner, Gentechnikexperte der Grünen im
Bundestag.
Verhindern will die
Bundesregierung in Brüssel zudem EU-Haftungsregeln. Sie sollen diejenigen
Länder schützen, die Gentechnik auf ihren Äckern verbieten, aber Gefahr laufen,
dass sich Pflanzen aus dem Nachbarland im Grenzgebiet ausbreiten. Diese
Haftregeln seien nicht notwendig, heißt es dazu aus dem Agrarministerium in
Berlin. Damit verstößt die Bundesregierung ganz klar gegen einen Beschluss des
Bundestages vom Mai 2014, der diese Haftungsregelung ausdrücklich fordert.
Vorgesehen ist, dass sich EU-Parlament und -Rat am Mittwoch auf einen
Kompromiss einigen. Wie der am Ende aussieht, ist allerdings unklar. […]
Wieso
stört man sich plötzlich nicht mehr daran finanzielle Belastungen für den
kleinen Mann festzuschreiben, während man weiterhin die Milliardäre mit lumpigen
25% Kapitalertragsteuer (KESt) erheblich besser behandelt als die Menschen, die
durch Erwerbsarbeit ihr Geld verdienen?
Wieso
verabschiedet die linke Sozialdemokratin ein Rentenkonzept, bei dem wieder nur
die abhängig beschäftigten Erwerbsarbeiter einseitig über ihre Beiträge
belastet werden, während Frau Klatten, Herr Porsche, die Albrechts, die
Unternehmer und die Bundestagsabgeordneten keinen Cent bezahlen müssen?
Was
kriegen wir als SPD dafür, daß wir sowas mitmachen?
Kann das
vielleicht endlich mal jemand im Willy Brandt-Haus erklären?
[…]
Und plötzlich ist da ein neues Wort in
der Debatte um die Ausländer-Maut der CSU: Einführung heißt es. Das Versprechen
nämlich, die Maut werde Deutsche nicht belasten, das gelte ja nur "mit der
Einführung" der Maut. So sagte es an diesem Morgen die durchaus mächtige
CSU-Landesgruppenchefin im Bundestag, Gerda Hasselfeldt.
Ach so? Nur mit der
Einführung? Nie vorher gehört. Bisher hatte es immer geheißen, die Maut werde
zu keiner Mehrbelastung für deutsche Autofahrer führen. Egal wann. Das war das
Versprechen. Was hätten die Leute auf den Markplätzen von München bis
Regensburg und Nürnberg bis Lindau denn gedacht, wenn CSU-Chef Horst Seehofer
ihnen da im Bundestagswahlkampf zugerufen hätte: "Liebe Bayern, wir wollen
eine Maut für Ausländer, die die Deutschen im Moment der Einführung dieser Maut
nicht zusätzlich belastet, aber natürlich für die Jahre danach die Türen
sperrangelweit auflässt, um sie dann doch für alle erhöhen zu können!" […] Und weil es so schön ist, kommt gleich die zweite große Lüge hinterher:
der Soli. Wenn es nach Hasselfeldt, nach den Ländern, nach der gesamten großen
Koalition geht - und es geht nach all denen -, dann wird der Soli wieder nicht
abgeschafft. […] Na, na, na, da will
doch nicht jemand die Steuern erhöhen? Doch, will. Das ganze Rumgemurkse mit
Maut und Soli ist doch nichts anderes, als um wirklich jeden Preis das
Igittibäh-Wort Steuererhöhungen zu umgehen. Mit dem Zusatz, dass die Mauthöhe
für die Zukunft nicht mit der Kfz-Steuer verrechnet wird, gibt es ein neues
tolles Instrument, das Wort Steuererhöhungen zu umgehen. […]