Mittwoch, 27. November 2024

Kommt jetzt endlich die Wähler-Lektion?

Es ist keine neue Erkenntnis, sondern wird seit Jahren diagnostiziert und prophezeit:

2016 rechnete Trump a) gar nicht mit seinem Wahlsieg und hatte b) keine Ahnung, wie parlamentarische Politik funktioniert, geschweige denn, was ein Präsident zu tun hat. Plötzlich hatte er tausende Top-Positionen in der US-Regierung zu besetzen – „I hire only the best people!“ – kannte aber keine geeigneten Leute und konnte auch bei Einstellungsgesprächen zukünftigen Behördenchefs nicht erklären, was er von ihnen erwartete, weil er keine Ahnung hatte, womit die sich beschäftigen.

Also baute er einerseits auf seine Familie – Ivanka und Jared – und überließ andererseits alles seiner Partei. Ein Glücksfall für „die alte Krähe“ Mitch McConnell, der im Schatten Trumps, der ihm die entsprechenden Mehrheiten verschaffte, alle seine Lieblingsprojekte durchsetzen konnte. Wer sollte ihn aufhalten? Trump war nicht nur zu verblödet, um zu begreifen, was hinter den Kulissen im Senat ausgehandelt wurde, sondern insbesondere auch viel zu faul. Trump liest nicht und hat keine Geduld, sich Informationen vortragen zu lassen. Er verdaddelte seine Zeit mit Golfspielen, Twittern, Fast-Food fressen und stundenlang FOX glotzen. Während die alte GOP-Garde regierte – Sean Spicer oder Reince Priebus oder Rick Perry sind die Namen, die für diese erste Phase des praktischen Trumpismus standen.

Gelegentlich haute er eine einer unfassbar idiotischen Ideen raus – Hurrikans mit Atombomben stoppen, Grönland kaufen, Corona mit Bleichmittelinfektionen kurieren – konnte aber von seinem Umfeld gestoppt werden.

Auch im 6.500 km entfernten Hamburg wusste man schon 2015/2016, daß Trump ein verlogener, bornierter Vollidiot ist. Aber man ahnte noch nicht, wie toxisch und debil der Opa mit den orange geschminkten Gesicht wirklich war.

Das zeigt sich erst an den 40 seiner 44 engsten Mitarbeiter – alles handverlesene Trump-Fans - die ihn aus nächster Nähe erlebten und zu dem klaren Schluß kamen, der Mann dürfe nie wieder Präsident werden.

Während der vier Jahre seiner ersten Amtszeit, Januar 2017 bis Januar 2021, sowie der Biden-Präsidentschaft, veränderte sich Trumps Approach aber grundlegend. War das Projekt Präsidentschaftswahlkampf 2015 als reines Ego-Projekt gestartet, um seinen Marktwert zu erhöhen, sich die Taschen zu füllen und nebenher seinem sadistischen gruppenbezogenen Menschenhass zu frönen, sammelte sich später Frust darüber an, nicht wie ein garstiges Kleinkind mit absolutistischer Macht alles tun zu können, was er will. Außerdem führte sein zutiefst krimineller Charakter zu zwei Impeachmentverfahren, zahllosen Gerichtsverhandlungen, sowie einigen sehr teuren Urteilen.

Der debil-dumme Trump von 2015/2016 ist nun zusätzlich frustriert, senil und musste wiedergewählt werden, um nicht in den Knast zu kommen. Statt mit voller Borniertheit in seine Amtszeit zu stolpern, gibt es nun das demokratie- und verfassungszerstörende Project 25, welches detailliert ausarbeitete, wie man die zersetzende faschistische Agenda umsetzt. Gab es im Januar 2017 noch wichtige Posten für erfahrene Republikaner, die immerhin ganz grob verstanden, wie ihre Jobbeschreibung aussieht – Verteidigungsminister James N. Mattis oder Stabschef John F. Kelly (Parteilos) oder den Director of National Intelligence Dan Coats – spielen Qualifikation oder Integrität inzwischen gar keine Rolle mehr. Das einzige Kriterium, um einen wichtigen Posten im Trump-Kabinett zu bekommen, ist Trump-Hörigkeit bis zur Selbstaufgabe. Der 78-Jährige Orang verbittet sich nicht nur jeden Widerspruch, sondern muss rund um die Uhr von allen Anwesenden in den höchsten Tönen gelobt und gepriesen werden. Sein fragiles soziopathisches Ego ist das einzige, das zählt.

Selbstverständlich hätte Trump in einer Nation mit halbwegs intelligenten und aufgeklärten Wählern, am 05.11.2024 keine einzige Stimme bekommen.

Wie wir wissen, ist das aber nicht so. Eine mit Milliarden-Aufwand betriebene Trump-Aufklärungskampagne, die beispielsweise zu erklären versuchte, daß nicht „die bösen Chinesen“ Trumps Zölle zum Wohle der amerikanischen Nation zahlen werden, sondern die Verbraucher mit höheren Preisen bei Wal Mart, lief ins Leere.

77.088.226 waren bösartig, dumm oder beides genug, um ihr Kreuz bei dem Weltenvernichter zu machen.

Immerhin wissen wir nun, daß jede Hoffnung auf Gesamt-Verstand bei der US-amerikanischen Wählerschaft völlig vergeblich ist.

Meine Landsleute sind zu über 50% massiv verblödet und nicht mehr durch Informationen oder Fakten zu erreichen.

Die einzige – kleine – Hoffnung auf Besserung besteht in sehr viel bitterer Medizin. Trumps Kabinett der Radikalen und Wahnsinnigen wird mit einiger Wahrscheinlichkeit (nicht nur) die USA in eine schwere ökonomische Krise steuern.

[….] Massenabschiebungen würden US-Wirtschaft schwer schaden

Der designierte US-Präsident plant, Ausländer*innen ohne Papiere massenhaft abzuschieben. Vielen Branchen würden damit Arbeitskräfte fehlen. [….] Setzt er seine Pläne für Massenabschiebungen von Ausländer*innen ohne Papiere als Präsident tatsächlich um, drohe den Vereinigten Staaten schwerer wirtschaftlicher Schaden, warnen Expert*innen. Denn viele Branchen sind auf die ausländischen Arbeitskräfte dringend angewiesen.

„Wird diese Politik Wirklichkeit, wird das einen verheerenden Effekt auf die Wirtschaft haben“, sagt die Expertin Elora Mukherjee von der Columbia University. Etwa elf Millionen Menschen ohne Aufenthaltsgenehmigung leben laut Schätzungen der Behörden in den USA.

Die meisten von ihnen stammen aus Mexiko. Etwa 8,3 Millionen dieser Migrantinnen und Migranten waren 2022 nach Angaben des Instituts Pew Research Center erwerbstätig. Das entspricht knapp fünf Prozent aller Arbeitskräfte. [….] „Das Baugewerbe und die Landwirtschaft würden mindestens jeden achten Arbeitnehmer verlieren, während im Gastgewerbe etwa jeder 14. Arbeitnehmer aufgrund seines Status ohne Papiere abgeschoben werden würde“, heißt es in einem kürzlich veröffentlichten Bericht zu Trumps Migrationspolitik der gemeinnützigen Organisation American Immigration Council (AIC).

In bestimmten Berufsgruppen wären demnach jedoch noch viel mehr Menschen von den Abschiebungen betroffen: mehr als 30 Prozent der Dachdecker, Stuckateure und Maler und ein Viertel der Reinigungskräfte. [….] Das Thinktank Peterson Institute for International Economics berechnete die wirtschaftlichen Folgen für den extremen Fall, dass alle 8,3 Millionen Arbeitskräfte ohne Aufenthaltsgenehmigung ausgewiesen würden. Bei einem solchen Szenario würde die Wirtschaft in Trumps Amtszeit gar nicht mehr wachsen. Gleichzeitig würde die Inflation bis 2026 um 3,5 Prozentpunkte höher liegen als erwartet, weil die Unternehmen höhere Löhne zahlen müssten, um die ausländischen durch US-Arbeitskräfte ersetzen zu können. [….]

(taz, 27.11.2024)

Insbesondere Trumps Allheilmittel Zölle werden den Verbrauchern schwer zu schaffen machen.

[….] Es ist Liebe. So könnte man Donald Trumps Beziehung zu Zöllen beschreiben. Den „schönsten Begriff im Wörterbuch“ nannte er sie neulich. Nun will er eines seiner wichtigsten Wahlkampfversprechen umsetzen, und zwar so schnell wie möglich. Er werde noch „am ersten Tag“ seiner zweiten Amtszeit umfassende Zölle anordnen, schrieb Trump am Montagabend auf Truth Social. Kommt es wirklich so, könnten diese also schon Ende Januar in Kraft treten.

Die Zölle sollen nach Trumps Willen für drei Länder gelten: Mexiko, Kanada und China. [….] Schon im Wahlkampf hatte Trump kaum Zweifel daran gelassen, dass er Zölle zum zentralen Baustein seiner Politik machen würde, sollte er erneut ins Weiße Haus gewählt werden. Mal sprach Trump von allgemeinen Zöllen, zehn bis 20 Prozent auf alle ausländischen Importe. Dann wieder zogen Elektroautos aus China seinen Zorn auf sich. Diese werde er mit Zöllen von bis zu 1000 Prozent belegen, drohte Trump einmal. Meist redete er im Zusammenhang mit China aber von 60-prozentigen Zöllen. [….] Wenn Trump seine Drohungen wahr macht, würde das in Kanada und in Mexiko wohl zu mittelschweren wirtschaftlichen Problemen führen. Kanada exportiert neben Maschinen und Autoteilen vor allem Öl in großer Menge in die USA. Die amerikanische Autohauptstadt Detroit liegt direkt an der kanadischen Grenze, die Autoindustrien beider Länder sind nicht nur dort eng miteinander verzahnt. [….] In Mexiko haben sich in den vergangenen Jahren etliche internationale Autobauer angesiedelt. Sie stellten in den ersten neun Monaten dieses Jahres drei Millionen Fahrzeuge her. Zwei Millionen davon wurden in die USA exportiert. [….] Dabei hätten umfangreiche Zölle auch für die US-Wirtschaft negative Folgen. Die amerikanischen Verbraucher würden ebenfalls unter ihnen leiden. Ökonomen warnen davor, dass Firmen die Zölle einfach an ihre Kunden weitergeben würden. Der Finanzchef der US-Supermarktkette Walmart bestätigte dies nun: Zölle würden „zweifellos“ zu einer höheren Inflation führen, sagte er. „Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Verbraucher höhere Preise zahlen.“ So deutlich hatte es zuvor kein Konzernvertreter formuliert.

Ökonomen haben inzwischen gut erforscht, dass Handelszölle, anders als von Trump behauptet, nicht zu mehr, sondern zu weniger Wachstum und Wohlstand führen. Das liegt unter anderem daran, dass die betroffenen Länder in der Regel mit Gegenzöllen reagieren. US-Unternehmen hätten es dann ebenfalls schwerer, Geschäfte zu machen. Im Fall von China, Kanada und Mexiko wäre das für die USA nicht zu vernachlässigen. 2022 exportierten amerikanische Firmen Güter im Wert von 830 Milliarden Dollar in diese drei Länder. [….]

(Ann-Kathrin Nezik, 26.11.2024)

Weder Trump, noch seine Wähler, haben begriffen, was „Zoll“ bedeutet.

Ich kann ihnen nur wünschen – ZU IHREM EIGENEN WOHL – in eine tiefe ökonomische Depression zu stürzen. Sie müssen am eigenen Leib erfahren, was ihr Wahlkreuz bei dem Namen „Donald J Trump“ anrichtet. Anders lernen sie es nicht. 

Hoffen wir also, daß Trump und Vance die Wirtschaft so massiv tanken, daß schon die Midterms 2026 den Demokraten wieder House und Senat bescheren.

[….]Der mexikanische Abgeordnete Ricardo Monreal schrieb auf X, die angekündigten Zölle würden keines der Grenzprobleme der beiden Länder lösen. Die Zölle würden lediglich das Leben der Menschen aller betroffenen Länder verteuern, so Monreal.

Diese Sicht bestätigt Julian Hinz vom Kieler Institut für Weltwirtschaft. Ihm zufolge würden die Zölle der US-Wirtschaft selbst extrem schaden. Die Effekte davon würden nicht nur Bürger*innen treffen, sondern auch US-Unternehmen: „Die Handelsbeziehungen zwischen den USA, Mexiko und Kanada sind sehr eng“, betont der Ökonom. Der Agentur Trading Economics zufolge beziehen die USA 16 Prozent aller importierten Produkte aus Mexiko, 14 Prozent aus Kanada. 15 Prozent kommen zudem aus China.

Hinz rechnet deshalb mit Widerstand US-amerikanischer Unternehmen gegen die angekündigten Zölle. So seien beispielsweise gerade die kanadische und US-amerikanische Automobilindustrie miteinander verflochten. „Für die Fertigung eines amerikanischen Autos gibt es oft gleich mehrfache Grenzübertritte von Produktionsteilen“, so Hinz. Zölle würden die Produktion entsprechend erheblich verteuern. Trump würde mit deren Einführung zudem gegen das Freihandelsabkommen USMCA verstoßen, das er in seiner letzten Präsidentschaft selbst noch mit Kanada und Mexiko geschlossen hatte.

Dass Trumps Zollpolitik der US-Wirtschaft mehr schaden als nutzen würde, haben Ökonom*innen schon im Vorfeld der Wahl prognostiziert. Beispielsweise veröffentlichte das Peterson Institute im Mai eine Studie, der zufolge gerade das Leben von US-Amerikaner*innen mit geringem Einkommen durch hohe Zölle auf US-Importe teurer würde. [….]

(Marie Gogol, 26.11.2024)

Andere Zeiten

Als Teenager fühlte ich mich stets sehr erwachsen, aber in meinen 20ern und 30ern fragte ich mich heimlich, wann dieser Zustand des „Erwachsenseins“ eigentlich wirklich eintritt. Eine überzeugende Definition kenne ich, während mein nächster runder Geburtstag die „60“ sein wird, immer noch nicht. Aber ich fühle immer wieder indirekte Hinweise, daß ich wohl erwachsen sein muss, wenn ich beobachte wie Gewissheiten meines Lebens, bei heute Jungen nicht mehr zutreffen.

Als Teenager lebten meine Freunde und ich vergleichsweise selbstständig. Man war dauernd irgendwo und da es bekanntlich keine Mobiltelefone gab, teilte man auch nicht permanent öffentlich mit, wo man sich gerade befand. Weder beeinflussten Influencer/Likes was man anzog, oder wie man sich die Haare „stylte“, noch fungierten die Eltern als Taxis. Dabei strebten wir alle danach möglichst schnell noch unabhängiger zu werden. Das Elternhaus ließ das entweder zu oder aber man nutzte den 18. Geburtstag als Kickstart. Bevor ich 19 wurde, machte ich Abitur, begann ein Studium, bekam den Führerschein, eine eigene Wohnung und auch mein erstes Auto.

Passend zu meinen US-amerikanischen und deutschen Wurzeln, wurde mir das Auto als sichtbares Zeichen meiner Selbstständigkeit, tatsächlich von der Familie geschenkt. Ein Neuwagen, der mit Schleife und Blumenstrauß auf dem Lenkrad geliefert wurde. Alexey! Ein schwarzer FIAT Panda mit 0,7 Liter Hubraum, 34 PS, einem Scheibenwischer, einem Außenspiegel und dem größten Fahrspaß meines Lebens. Er kostete 9.800 DM, also knapp 5.000 Euro. Das war der Neupreis und ich fühlte mich durchaus privilegiert, ein jungfräuliches Modell frisch aus der Fabrik zu fahren.

Später, als mein jüngerer Bruder 18 wurde, der allerdings deutlich weniger erfolgreich in der Schule war, bekam er zwar einen größeren, schwereren und kräftigeren Wagen – einen Toyota – aber der war auch schon durch einige Hände gegangen.

Ich hatte für andere Autos gar keine Augen. Meins war schließlich das Schönste und außerdem so flott. Im Fahrzeugschein war zwar 120 km/h als Höchstgeschwindigkeit angegeben, aber was wußten die schon?
Auf der Autobahn, mit Rückenwind und leicht abschüssiger Fahrbahn konnte ich an die 140 km/h erreichen. Die Trabbis und Wartburgs auf der Transitstrecke nach Berlin verheizte ich locker, raste an ihnen vorbei, während ich johlend genoss von Windböen hin und her geschleudert zu werden. Gern hörte ich dabei Musik aus einem alten batteriebetriebenen Cassettenrekorder, der in dieser beigen Stofffalte vor dem Beifahrersitz, die als Ablage fungierte, hin und her rutschte.

Meistens hielten die Batterien nicht sehr lange. Wenn man die Grenze Berlin-Reinickendorf passierte, leierten The Cure und B-52s schon bedenklich.

Mein zweites Auto, Nikolai, war wieder ein schwarzer FIAT und wieder ein Neuwagen. Diesmal bezahlte ich ihn aber selbst, hatte gespart und legte unglaubliche 7.300 Euro auf den Tisch. Der Uno, Sondermodell Hobby, war allerdings auch schon ein ganz anderes Kaliber. Er hatte einen rechten Außenspiegel, ein geschlossenes Handschuhfach, ein kleines Dachfenster, unfassbarerweise sogar ein eingebautes Autoradio und konnte mit seinen sagenhaften 70PS raketenartige Geschwindigkeit erreichen. Autoradio mit zwei Boxen links und rechts in den Türen boten ein völlig neues Klangerlebnis. Nun konnte man sogar die Texte der Songs verstehen. Der Clou war aber, daß es von der Autobatterie gespeist wurde. Nun durfte ich plötzlich meine Musik-Cassetten sogar IM Auto vor und zurückspulen. Das galt es vorher mit „Tiny“, dem Küchen-Cassettenradio mit der abgebrochenen Antenne, in der ein Stück Kleiderbügel steckte, stets zu vermeiden, weil damit zu viel Batterie verbraucht wurde.

Mein drittes Auto blieb zwar schwarz, italienisch und war ebenfalls ein Neuwagen, aber ich wechselte die Marke und vollzog einen Quantensprung bei Preis und Leistung.

Es kostete mehr als 21.000 Euro. „Das sind vier Alexeys!“ stellte ich völlig schockiert fest. Ein Auto, das so viel wie vier Autos kostet. Von dem Wahnsinn galt es sich erst mal zu erholen. Es war außerdem die bis dahin teuerste Anschaffung meines Lebens. Ich wußte gar nicht, wie man eine derart astronomische Summe bezahlt. Bar? Per Scheck? So viel ließ mein Überweisungslimit meines Girokontos nicht zu.

Allerdings hatte ich, mittlerweile im Gerontenalter angekommen, auch andere Maßstäbe angesetzt. Ich wollte ein Auto, das ich wirklich hübsch finde. Ein überzeugendes Design, das heraussticht und das man nicht überall sieht. Das aber gleichzeitig auch funktional ist. Vier Leute sollten reinpassen. Eigentlich liebte ich den FIAT-Barchetta meiner Mutter. Schwarz mit einem Hardtop. Ein echtes Schmuckstück, das enormen Fahrspaß bot. Aber eben auch ein Zweisitzer mit kleinem Gepäckraum. Das brachte einen beim Einkaufen schon an gewisse Grenzen. Darin konnte man kein Altglas und Altpapier zwischenlagern.

Bei den ersten drei Autos meines Lebens gab es noch keine Frage der Antriebsart.

Die Kriterien waren einerseits selbstverständlich der Preis und natürlich der persönliche Geschmack. Sofern es die finanziellen Möglichkeiten zuließen, seinen ästhetischen Vorstellungen zu folgen, konnte man Autobauer meiden, die hohe Summen an CDUCSUFDP spenden, häßliche Kreischfarben umschiffen und eine ansprechende Form und Größe finden.

Weiter bin ich noch nicht gekommen. Fast vierzig Jahre nach einem Führerscheinerwerb, fahre ich immer noch mein drittes Auto. Mehr als vier werde ich wohl in meinem ganzen Leben nicht schaffen. Wenn überhaupt.

Müsste ich heute ein neues Auto kaufen, stellen sich ganz andere Probleme. Die erste Frage ist die des umweltfreundlichen, nachhaltigen Antriebes, die aber nicht von meiner Nachfrage, sondern dem limitierten Angebot abhängig ist. Das zweite Problem, sind die astronomischen Preise. Ein neues E-Model kostet inzwischen ZEHN Alexeys. Abgesehen davon, daß man das Geld erst mal haben muss, bereitet es mir grundsätzlich Bauchschmerzen, für ein Ding, das mich genau wie Alexy von A nach B bringt, den zehnfachen Preis zu zahlen. Weiterhin scheiden viele Hersteller aus. Ich werde keinesfalls Myriaden zahlen, die in der Tasche von Trump-Liebchen Elon Musk, Lindner-Liebchen Oliver Blume oder Merz-Liebchen Susanne Klatten landen.

Ich müsste einen Neuwagen schon extrem lieben, um über meine finanziellen und politischen Schatten zu springen.

Hier liegt aber eins der weiteren Auto-Probleme. Die Blumes dieser Welt produzieren vollständig an meinem Geschmack vorbei. 

Alle Neuwagen der 2020er Jahre sind von blinden und blöden Designern entwickelt worden. Sie sehen völlig einheitlich aus. Alles SUVs. Sogar die Klein- und Mittelwagenklasse sieht aus wie kleine SUVs. Grauenvoll. Es ist wohl die angebotsorientierte Marktwirtschaft, von der Merz und Lindner faseln. Nur daß die „Leistungsträger“, die Unternehmer an der Spitze, zu dumm sind, um zu wissen, was gefällt und was in die Zeit passt.

[….] Dafür gibt es einen Autofriedhof. In Essen. Im Norden der Stadt. Gelegen zwischen Stadthafen und Autobahnkreuz. Mit Blick auf das vom Areal der Logistikfirma per Drohne aufgenommene Foto in wagnerianischer Todessehnsucht muss man sagen: Was für ein grandios schreckliches Sterben!

Zu sehen ist Blech. Blech. Und Blech. Gibt es ein grausam stimmigeres Bild, um das Elend der deutschen Kfz-Branche zu illustrieren? Oder wie Bild titelt: „Hier parkt die deutsche Autokrise“. Wagentür an Wagentür, Stoßfänger an Stoßfänger, Audi an Audi und Volkswagen an Volkswagen. Wahnsinn an Irrsinn. [….] Die Autos wirken, als warteten sie geduldig auf den Tod. Das Bild passt zu den täglichen Horrornachrichten aus einer Welt von Transformation und Disruption. Recaro, ein Hersteller von Autositzen: Insolvenzantrag. Bosch als Autozulieferer: Personalabbau. Der Batteriehersteller Northvolt: Insolvenzantrag. Schaeffler, ZF, Conti oder Volkswagen, BMW, Mercedes, Audi: „Das Auto“ (aus der VW-Kampagne) befindet sich als Kulturgut im freien Fall. Die Krise ist dramatisch.

Zum Teil ist das selbstverschuldet (falsche Modelle, falsche Preise), [….] Und ist es eigentlich ein Naturgesetz, dass es deutsche Autos nur noch in den Kategorien „superteuer“ und (nicht: oder) „superhässlich“ gibt? [….]

(Gerhard Matzig, 26.11.2024)