Montag, 28. August 2023

Die Komödiantin Ángeles Béjar

Nein, Fußball interessiert mich nach wie vor gar nicht.

Ich halte es auch für müßig, über Korruption, Geldgier und Machtmissbrauch unter Fußballfunktionären zu berichten. Das ist schließlich genau die Stellenbeschreibung der konservativen alten Säcke, die sich immer den miesesten Regimen mit den prallsten Geldkoffern zu wenden.

Insofern erscheint es mir auch nur minderwichtig, wenn die spanische Fußballwelt nach dem Weltmeistertitel der Frauen bebt, weil Luis Rubiales, der Macho an der Verbandsspitze, Jennifer Hermoso, eine der Spielerinnen, coram publico sexuell belästigte.

Relativ neu ist nur, daß sie sich wehrte und zum Entsetzen der Verbandsfunktionäre, sich der größte Teil der Öffentlichkeit auf ihre Seite stellt.

Sogar die spanischen Männer und Spielerinnen anderer Nationen zeigen sich mit Hermoso solidarisch.

Unrühmliche Dinosaurier-Ausnahme sind selbstredend die deutschen Korruptionäre, wie Karl-Heinz Rummenigge.

Frauenrechte sind unter Sportfunktionären genauso wenig ein Thema wie schwule Bundesligaspieler.

[….] Das dröhnende Schweigen im deutschen Fußball

Seit einer Woche wird über den übergriffigen Kuss des spanischen Verbandsbosses Luis Rubiales diskutiert. Den deutschen Fußball scheint das nicht groß zu interessieren. Solidarität bleibt ein Fremdwort.  [….]

(Peter Ahrens, SPON, 28.08.2023)

Wer sich, anders als ich, für Fußball interessiert, kann gegenwärtig noch einmal rekapitulieren, welche Art Typen den Fußball repräsentieren. Typen, die übrigens nicht vom Himmel fallen, sondern von all den Millionen Fußballfans, die Vereinsmitglieder sind, in ihre Machtpositionen gewählt werden.

Beim Fußball ist es so, wie mit der katholischen Kirche: Es gibt keine moralische Rechtfertigung dafür, mit seinen Mitgliedsbeiträgen, die erzkorrupten Widerlinge an der Spitze zu finanzieren. Man kann nur eins tun: Sofort aus den Vereinen austreten.

[….] Die Kommentare reichen von »inakzeptabel« bis »unverschämt«. Linke, sozialdemokratische und konservative Politiker fordern seinen Rücktritt. Nur die Rechtsaußenpartei Vox, die zehn bis fünfzehn Prozent der Spanier repräsentiert, kritisiert ihn nicht.

Die Fifa hat Rubiales vorläufig suspendiert, die spanische Regierung seine Absetzung beantragt und die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen des Verdachts einer möglichen »sexuellen Aggression«. Selbst Herrentrainer Luis de la Fuente und Frauentrainer Jorge Vilda verurteilten am Wochenende sein Verhalten. Beide hatten noch applaudiert, als ihr Präsident am Freitag vor einem »falschen Feminismus« und seiner »sozialen Ermordung« warnte. Nun distanzieren auch sie sich.

Luis Rubiales hat in seiner Karriere schon viele Skandale überstanden. Auf Kosten des Verbands soll er eine Frau nach New York eingeladen und Sexorgien gefeiert haben. Ihm wird vorgeworfen, Einfluss auf Schiedsrichter genommen und den spanischen Pokalwettbewerb Supercopa um des eigenen Vorteils willen nach Saudi-Arabien verkauft zu haben. Eine Mitarbeiterin zeigte ihn einst wegen sexuell konnotierter Demütigungen an. Im Fernsehen erzählte sie in diesen Tagen, welche ungeheuren Sätze Rubiales ihr entgegengeschleudert haben soll. Nun dürfte ihm ein Kuss zum Verhängnis werden. Es ist schwer vorstellbar, dass er noch einmal auf seinen Posten zurückkehrt.  [….]

(Steffen Lüdke, 28.08.2023)

Insbesondere schwule Männer und Frauen, die grundsätzlich in Fußball und Katholizismus diskriminierten Gruppen, sollten schon gar nicht dabei mitmachen und die Unrechtssystem finanzieren.

Als echte Komikerin erweist sich Ángeles Béjar, die Mutter des Verbandschefs, die sich offenbar an die Aktionen des irren Schlagerhansels Christian Anders erinnert.

[….] Sänger Christian Anders , ja richtig, der Mann, der sich 1994 nackt an die Eingangstür der Justizvollzugsanstalt Aschaffenburg kettete, um für die Freilassung seines dort (wegen Falschgeld-Transfers) inhaftierten Bruders Dieter zu demonstrieren. Der Mann, der im Jahr 2001 durch einen angeblichen Vertrag seine Freundin Jenna einem Bochumer Millionär für ein Jahr gegen Zahlung von 500 000 Mark «überlassen» wollte. Der Christian Anders («Es fährt ein Zug nach Nirgendwo») also versuchte Pfingstsonntag noch einmal Gehör zu finden. Mit einer an Geschmack- und Niveaulosigkeit nicht mehr zu übertreffenden Aktion am Alexanderplatz. «Um 11 Uhr schneidet sich Christian Anders bei einer Großdemonstration für den Tierschutz die Kehle mit einem scharfen Messer durch», ließ der inzwischen ins Nichts abgetauchte Schlagersänger mit Hilfe seines Berliner Kollegen Andy Moor per Fax verlauten. «Auch seine Freundin Jenna wird anwesend sein. Erwartet werden mehrere hunderttausend Menschen», ließ uns die «Moor-Production Berlin» mit angehängten freundlichen Grüßen wissen. Ein peinlicher Wunschtraum. 25 Zuschauer zählte die Polizei um 10.52 Uhr am Alex, gegen Ende, um 12.20 Uhr, seien es etwa achtzig gewesen. Und die mussten zuschauen, wie Christian Anders so tat, als nehme er sich das Leben. So weit, so lächerlich - und auch traurig.  [….]

(BMoPo, 21.05.2002)

Ángeles Béjar behält zwar ihre Klamotten an, verbarrikadiert sich aber in der neben dem Verband ihres Sohnes misogynsten Organisation: Der katholischen Kirche.

[….] Nachdem die Vormittagsmesse vom Montag gesungen war, verschanzte sich Mamá Rubiales zusammen mit ihrer Schwester in der "Iglesia de la Divina Pastora", der Kirche der Göttlichen Hirtin, im Stadtteil Los Capuchinos der andalusischen Ortschaft Motril. Sie werde dort "Tag und Nacht" ausharren, bis ihrem Sohn Gerechtigkeit widerfahren sei, erklärte Béjar, und kündigte zudem einen unbefristeten Hungerstreik an. Der spanischen Nachrichtenagentur Efe erklärte Béjar, dass sie damit gegen die "unmenschliche und blutige Hetzjagd" protestieren wolle, der ihr Sohn ausgesetzt sei. Dies habe er nicht verdient.  [….]

(Javier Cáceres, 28.08.2023)

Mit Mutter und Cousine im Kirchenasyl-Hungerstreik, wird die spanische Öffentlichkeit sicher ganz bald wieder auf die Rubiales-Seite einschwenken, den Grabscher unterstützen.

[…]  Speaking outside the church in the southern town of Motril, Rubiales' cousin, Vanessa Ruiz, joined his mother in calling on the player, Jenni Hermoso, to "tell the truth." She said the family was suffering greatly and she described Rubiales as "a beautiful person." […]  Earlier during the celebrations, Rubiales also grabbed his crotch in a victory gesture while in the presidential box and close to the queen of Spain and her teenage princess daughter. […]  

(VOA, 28.08.2023)