Mittwoch, 30. Juli 2025

Superselektive Tierretter

In meiner Selbstwahrnehmung brauche ich keine Nachhilfe beim Thema Tierfreundlichkeit. Ich bin seit 30 Jahren Vegetarier, weil ich es unmoralisch finde, ohne Not Tiere zu töten und aufzufressen. Ich lebe sehr nachhaltig, meide Zoos, achte auf Tierversuchsfreiheit, unterstütze Greenpeace und weitere Naturschutzvereine finanziell. Man könnte natürlich noch mehr machen. Zum Beispiel vegan leben. Aber leider komme ich nicht ohne Käse aus Kuh- oder Schafsmilch aus. Man könnte sich auch radikaleren Organisationen anschließen, die Versuchstiere befreien, oder bei Geflügelmästern einbrechen, um die grausigen Bilder zu veröffentlichen. Dazu bin ich aber nicht mutig genug.

Ich verachte populistische Wurstfresser, wie Markus Söder, mit seiner Obsession gegen Vegetarier. Unglücklicherweise gibt es aber wirklich Veganer, die öffentlich so unsympathisch-fundamentalistisch auftreten, daß B-Promis, die zusammen mit Tessa Bergmeier im Dschungelcamp hockten, aus Notwehr verkünden, anschließend erst mal ein riesiges Steak essen zu gehen.

[…] Mit Jana Pallaske und Tessa ziehen dieses Mal gleich zwei Veganerinnen ins Camp, und man hätte diese Bühne wunderbar nutzen können, um zu zeigen: Das geht, das ist gar nicht kompliziert, und vor allem: nicht anstrengend für alle anderen, auch wenn Stumpfkomödianten an diesem ausgelutschten Gag unverdrossen weiter herumzuzeln. »Mein Körper ist kein Grab«, verkündet Tessa allerdings schon beim ersten Kennenlernen noch vor dem Einzug, als Gigi Birofio von einem Steak fantasiert. Im Camp angekommen, gibt sie sich dann so enervierend missionarisch, dass man auch als Nichtinsassin wütend wird, weil sie diese Chance derart versemmelt. Tessa knallt ihren omnivoren Mitcampern Sätze wie »Am Tag werden in Deutschland zwei Millionen Hähnchen getötet« und »Ein Kuhbaby fängt Schneeflocken mit der Zunge« vor den Kopf und verschreckt sie mit Aggressivarroganz: »Weißt du, was Aktivismus ist, schon mal gehört?« Sie hat natürlich völlig recht, wenn sie bei der Prüfung fast unter Tränen sagt: »Das sind Leichenteile von fühlenden Individuen, und es ist nicht okay, so was zu töten und zu essen«, und es wäre eine zeitgemäße Innovation für das Format gewesen, hätte man sich bemüht, den Tote-Tiere-Anteil bei den Prüfungsrequisiten etwas herunterzufahren. Claudia bemängelt nach der Prüfung erwartungsgemäß mangelnden Teamgeist bei Verena, weil die (wie Jana) kategorisch ablehnte, Tiere zu essen. Man könnte aber auch den restlichen Campern vorwerfen, nicht im Sinne des Teams gehandelt zu haben: Statt den Veganerinnen das einzige pflanzliche Ekelgericht zu überlassen (Kotzfrucht mit fermentierten Sojabohnen), spuckten Gigi und Verena es lieber selbst aus. Ein bisschen lustig: Das Dschungelcamp wird diesmal präsentiert vom »veganen Räucherlachs« einer Geflügelverarbeitungsfirma. [….]

(Anja Rützel, 14.01.2023)

Wie so oft, finden die schwersten Grabenkämpfe mit ähnlich tickenden Nachbarn statt.  USPD gegen SPD, Linke gegen SPD. Man verachtet denjenigen am meisten, der nicht ganz auf Linie zu sein scheint, statt anzuerkennen, wie groß die Gemeinsamkeiten sind und sich zusammen gegen CDUAfD zu stellen.

Als Vegetarier freue ich mich über Flexitarier, die wenigstens nicht mehr jeden Tag Fleisch essen und ein Bewußtsein für Tierleid entwickeln. Sinnvollerweise versucht man, sympathisch zu wirken, wenn man für seine Lebensweise wirbt. Veganer sollten nicht ihre Energie damit verschwenden, Krieg gegen die aus ihrer Sicht inkonsequenten Vegetarier Krieg zu führen. Das schadet nur der gemeinsamen Sache.

[….]  In ihrer Prüfung muss sie sich durch das hinlänglich bekannte unterirdische Rohrsystem schlängeln, teilgeflutet und voller Maden, Krebse und anderer Tiere. Drei Sterne holt Tessa und bewegt sich behutsam durch den Untergrund, weil sie als Veganerin die Bedingungen nicht mit ihren Werten vertreten kann: »Es ist nicht möglich, den Tieren nicht weh zu tun. Ich trete auf sie drauf, ich will das nicht.« Später gerät sie im Camp mit Cosimo aneinander, der kein Veganer ist und zumindest deutsche Bauernhöfe für »Fünfsternehotels« für Tiere hält.

Natürlich ist Tessa in ihrer gänzlich ungepolsterten, rempeligen Kommunikationsweise oft anstrengend, aber es bestürzt einen beim Zuschauen schon, wie schnell die anderen sie als Störenfried wegschubladisieren. »Wegen solchen Menschen gab es Kriege«, sagt Cosimo. »Tessa passt hier auch nicht rein«, befindet Claudia. Und Djamila nennt ihre »Angriffspunkte« nervig: »Immer Tier, Tod, vegan – schwierig.«   Dabei müsste gerade sie verstehen, dass auch Tessa ernst genommen und gesehen werden will.  […..]

(Anja Rützel, 15.01.2023)

Als Tierfreund hat es für mich die allerhöchste Priorität, den Lebensraum für Wild-Tiere zu erhalten. Keine Schleppnetzfischerei, Dschungel nicht abholzen, Boden aufkaufen, um Reservate zu schaffen, Reduzierung der menschlichen Überbevölkerung.

Tierfreund zu sein, bedeutet für mich aber keineswegs, daß ich beim Einkaufen von sabbernden Kläffern angesprungen werden mag oder überall die schwarzen Hundescheiße-Tüten rumliegen sehen will.

Tierfreund zu sein, bedeutet Prioritäten zu setzen und sich nicht von subjektiven menschlichen Motiven leiten zu lassen. Delphine lieben und sich darüber empören, wenn sie beim Thunfischfang verenden, weil man als Kind so gern „Flipper“ sah und die Tiere so nett lächeln, während man fleißig Thunfisch frisst und nicht dagegen hat, wenn Millionen Haie jährlich elend verenden, weil ihnen lebendig die Flossen abgeschnitten wurden.

(….) Es begann mit der Bibel, die Schlangen Niedertracht und Kriechertum andichtete.

Die diebische Elster, der verschlagene Fuchs, der Dreckspatz, der böse Wolf – all dieser Unsinn trägt dazu bei ganze Gattungen ausrotten.

Das beste Beispiel sind Haie und Delfine, deren charakterliche Zuordnung lediglich anhand ihrer Mundwinkel erfolgt:
Haie mit ihren heruntergezogenen Mundwinkeln gucken aus menschlicher Perspektive grimmig, gelten daher als zutiefst bösartige Fressmaschinen und werden mit Akribie weltweit ausgerottet.

Delfine hingegen wirken auf Homo Demens so, als ob sie immer lächelten und daher als die Gut-Tiere schlechthin.

Dabei fressen Haie als Kaltblüter viel weniger als ihre säugenden und lächelnden Wasser-Kollegen.

[….] Menschen sind nun einmal nicht konsequent in ihrer Tierliebe. Sie lieben niedliche Tiere, die sie maximal vermenschlichen können.

Der Hund, der wie ein Familienmitglied behandelt wird und dessen vermeidlich menschliche Eigenschaften gelobt werden. „Wie ein richtiger Mensch!“ klatschen die öffentlichen Tierhalter Glööckler, Moshammer vor Entzücken, wenn ihre Daisy am Tisch sitzt. Unter welchen Bedingungen die Tiere geschlachtet werden, aus denen Daisys Hundefutter produziert wird, interessiert nicht.

Man möchte Robbenbabies schützen, weil sie so flauschig sind und niedliche Knopfaugen im Kindchenschema-Kopf haben. Deren Haut darf nicht zur Kleidung von Menschen verwendet werden.

Schweinen und  Kühen die Haut abzuziehen ist uns aber völlig egal, weil wir halt gerne die coolen Lederhandtaschen und Lederjacken tragen.

Voller Empörung werden bayerische Uralt-Bauern mit Strafandrohungen überzogen, wenn die sich erdreisten sollten, ihren Hofhund zu kochen.

Wenn derselbe Bauer aber mal eben 20.000 Puten oder 500 Schweine „keulen“ muss, weil irgendeine Pharmakonzern Mist gebaut hat, schert es niemand.

Wir boykottieren jahrelang erfolgreich Thunfisch, weil die bösen bösen Thunfischer als Beifang gelegentlich einen Delphin erwischen, der dann sterben muss. Unmoralisch, denn wir lieben doch Flipper.

Die Thunfische selbst haben aber keinen Wert?

Was sind Menschen nur für erbärmliche Schwachköpfe.

Tiere haben keine unterschiedliche Moral, weil sie in unseren subjektiven Augen „gut“ oder „schlecht“ sind.

Niedlichkeit ist kein ethisches Kriterium, um ein Leben weniger wertvoll zu machen. Hunde sind nicht grundsätzlich schützenswerter als Schweine. [….]

(Viecherhalter, 07.02.2018)

Der ganze Irrsinn der menschlichen Perspektive wird bei selbsternannten Tierfreunden sichtbar, die ihre Tierliebe an ihrer Zuneigung zu ihrem Hund oder ihrer Katze messen, während sie selbst aber täglich billiges Fleisch fressen und damit direkt zu grauenvollem Tierleid beitragen. (….)

(Menschen sind Tiere. Tiere sind keine Menschen, 13.09.2019)

Hund gut, Schwein schlecht? Delphin gut, Hai schlecht? Wer so redet, kann sicher kein Tierfreund sein.

(….) Wer weiß was „finning“ ist?

Dabei handelt es sich um eine besonders perfide Grausamkeit des Homo Sapiens. Ob des Irrglaubens Haifischflossen steigerten die Potenz, werden in allen Weltmeeren Haie mit Langleinen gefischt, kurz raufgezogen und dann schneidet man den armen Viechern während sie noch an der Leine hängen bei lebendigem Leibe die Finne (Rückenflosse) und anderen Flossen ab und entsorgt sie im Meer. Der Hai lebt dann immer noch, ist danach jedoch logischerweise schwimmunfähig und sinkt erstickend im Todeskampf zu Boden, wo er qualvoll verendet.

Da ein Kilo Haifischflossen an die 1000 Dollar bringt werden jährlich zwischen 100 und 200 Millionen Haie gefinnt. Fast alle Bestände der größeren Arten sind um mindestens 90% geschrumpft.

Das alles juckt uns nicht, weil Haie nun mal kein süßes Kindchenschema zu bieten haben.

Dank Spielberg hält man Haie immer noch für furchtbar gefährlich und berichtet über jeden Haibiss weltweit.

Pro Jahr werden ungefähr fünf Menschen durch Haie getötet.

Damit sind sie im Vergleich zu Löwen sehr harmlos.

Löwen töten 50-100 Menschen im Jahr.

Aber Löwen haben ein gutes Image.

Bei ihnen akzeptiert jeder Mensch voller Verständnis, daß sie die Top-Prädatoren des Landes sind und geht ihnen aus dem Weg. Nicht einmal der Dümmste würde sich zu einem Löwenrudel fahren lassen und vor ihren Nasen rumhopsen.

Haie sind die Top-Prädatoren des Wassers, aber ihnen springt man vors Maul, plantscht umher und ist zutiefst schockiert, wenn so ein Hai mal zuschnappt.

Homo sapiens hat großes Glück, daß Haie viel vorsichtiger und friedlicher als Löwen sind.

 Noch viel gefährlicher sind Nilpferde, die bei ihren nächtlichen Landausflügen doppelt so viele Menschen killen wie Löwen.

Und selbst Nilpferde sind noch harmlos im Vergleich zu Kokospalmen.

Das sind erst Mistdinger.

 Es werden weltweit im Jahr unter zehn Menschen von Haien getötet, während über hundert Sonnenbadende dadurch sterben, daß ihnen am Strand eine Kokosnuss auf den Kopf fällt. (….)

(Irrationale Irre, 26.03.2015)

Wer zu betäubungsloser Ferkelkastration und zig Millionenfachem Kükenschreddern „Ja“ sagt, indem er günstig Fleisch- und Eierprodukte beim Discounter kauft, verliert darüber seine Glaubhaftigkeit als Tierfreund.

Wer sich auf die wenigen flauschigen Tiere konzentriert, die er persönlich niedlich findet, ist ein Heuchler.

(….) Ukrainische Kinder, die massakriert werden, Ukrainische Frauen, die vergewaltigt werden, Ukrainische Großeltern, die ausgebombt werden und auch Ukrainische Männer, die an der Front zerschossen werden, sind uns offensichtlich inzwischen egal. Deutsche Wohnungssuchende und Sozialhilfeempfänger sind gar nicht gut auf die eine Million Ukrainer in Deutschland zu sprechen, wenn sich herausstellt, daß diese auch eine Wohnung und finanzielle Hilfe benötigen.

Anders sieht es aber bei Ukrainischen Vierbeinern aus! Für Hunde und Katzen aus dem Donbass opfern wir uns gern auf. So rauscht die tränenrührige Geschichte von der Ukrainischen Terrier-Mischung Bim durch den Blätterwald. Er wurde and Kopf und Schwanz verletzt, verlor auch noch alle vier Pfoten. Statt das arme quadrupelamputierte Tier von seinem Elend zu erlösen, wurde es nach Deutschland geflogen und bekam alle nur erdenklichen Behandlungen.

[….] Tierschützer Ralf Seeger – TV-bekannt aus der Vox-Dokuserie „Harte Hunde“ – nahm ihn mit nach Deutschland. Und am Niederrhein kommt der kleine Kläffer jetzt wieder auf die Beine, im wahrsten Sinne: „Ein Freund, Orthopädie-Techniker, hat ihm vier Beinprothesen angefertigt“, erzählte Seeger der dpa. Jetzt übt Bim auf seinen neuen Silikon-Pfoten das Laufen.  Seit einigen Wochen wird der schwarz-weiße Rüde im Verein „Helden für Tiere – Tierhilfe International“ versorgt. „Er hat schwere Verstümmelungen erlitten. Ein Freund, Orthopädie-Techniker, hat ihm vier Beinprothesen angefertigt“, so Ralf Seeger.  Gerade wurden Röntgenaufnahmen gemacht – und glücklicherweise bleibt dem Hund eine weitere OP erspart. Eine Prothese musste nachträglich noch angepasst werden, Bim hatte Schmerzen. Das Laufen mit den künstlichen Pfoten sei auch sehr gewöhnungsbedürftig für den Kleinen. [….]

(Mopo, 21.09.2022)

Weswegen die Zeitungen diese Story prominent verbreiten, ist völlig klar. Die Deutschen sind Hundenarren und verwerfen sofort jede Rationalität, wenn es um Hunde geht. Ich bestreite ausdrücklich, daß es hier um Tierliebe geht. Wer Mitgefühl hat, hätte das arme Wesen eingeschläfert und wer ein wahrer Tierfreund ist, kann sich nicht auf diese eine Art fixieren, während es ihm offensichtlich vollkommen egal ist, wie Schweine, Rinder oder Puten behandelt werden. Dann hätten wir keine Massentierhaltung.  (…)

(Falsche Hilfsbereitschaft, 21.09.2022)

Wir leben im Anthropozän. Der moderne Mensch verursacht gegenwärtig ein Massenaussterben von Fauna und Flora. Hunderte Arten verschwinden jeden Tag unwiederbringlich von diesem Planeten. Durch uns. Wir sind viel zu viele. Nur eine drastische Reduktion der menschlichen Bevölkerung könnte die Natur retten. Dazu sind wir aber nicht bereit und so gleicht jeder Tier- und Naturschutz einem Pflaster auf einem blutigen Unfallopfer mit multiplen Knochenbrüchen.

Zoos können einige Arten formal vom Aussterben bewahren, wenn es in der Natur gar keine sicheren Lebensraum mehr gibt. Ob es wünschenswert ist, eine Art nur noch in Gefangenschaft zu erhalten, ist eine ethische Frage.

Im Nürnberger Tiergarten zwölf gesunde Guinea-Paviane zu töten, die als potentiell gefährdet gelten und anschließend zu verfüttern, nur weil es keinen Platz gibt, ist zweifellos ethisch schwierig, aber Zoo-Direktor Dag Enke beschäftigt sich schon lange auf vorbildliche Weise mit dieser moralischen Frage, hat alle anderen Optionen, um die Tiere am Leben zu lassen, versucht.

Man kann sie nicht auswildern, weil es nirgendwo mehr Lebensraum gibt, in dem sie überleben könnten. Kein anderer Zoo der Welt erklärte sich bereit, Guinea-Paviane aufzunehmen. Kastration der Tiere funktioniert nicht, da damit das soziale Gruppengefüge zerstört wird und die Tiere sich gegenseitig töten. Auch der Bau weiterer Pavian-Gehege in Nürnberg ist ausgeschlossen, weil man dafür andere Tierarten opfern müsste. Der weltweite Wirbel um die 12 getöteten Affen besteht nur deswegen, weil Primaten juristisch anders als Kühe oder Schweine oder Esel bewertet werden. Die Tiere werden zu Millionen jeden Tag getötet. Auch für die Raubtiere im Zoo, die mit Fleisch gefüttert werden. Das humane Jura-System sagt: Schwein killen, um damit Zoo-Löwen zu füttern ist gut. Pavian zu töten, um damit Zoo-Geier zu füttern, ist moralisch ganz anders. Darf man Paviane töten?

[….] Ob man das im juristischen Sinne darf, ist unklar. Es ist nicht verboten, Paviane zu töten, es muss aber gut begründet sein. Ethisch, das ist klar, ist die Sache zumindest bedenklich, auch wenn es etwas willkürlich ist, Primaten so strikt anders zu bewerten als andere Tiere. Aber vor allem: Lohnt es sich wirklich, sich ausgerechnet über diesen Fall aufzuregen? Es gibt ja keine überzeugenden Alternativen. Es hat sich kein Zoo gefunden, der die Paviane aufnehmen könnte, auswildern kommt nicht infrage, Gehege-Erweiterung würde das Problem auf Dauer nicht lösen, Verhütung hat der Zoo bereits versucht.

In dieser verfahrenen Lage drängt sich im Sinne der Priorisierung doch etwas Whataboutismus auf, auch wenn der eigentlich verpönt ist: Was ist mit den Qualen, die Kühe, Schweine und Hühner – auch alles intelligente, empfindsame Tiere – millionenfach in Ställen und Schlachthöfen erleiden? Was ist mit dem Lebensraumverlust, den so viele Tier- und Pflanzenarten in freier Wildbahn erleiden und der Haupttreiber des dramatischen Artensterbens ist? Was ist mit der Jagd auf jene Guinea-Paviane, die nicht im Zoo, sondern in der Wildnis leben? [….]

Der Mensch führt seit Langem einen abscheulichen Feldzug gegen die Natur, der übrigens auf Dauer schlicht existenzbedrohend ist. Das Schicksal der Paviane in Nürnberg ist traurig, aber momentan wirklich nicht das größte Problem. [….]

(Marlene Weiß, 29.07.2025)

Weiß hat mit der Einschätzung „nicht schön, aber es gibt schlimmeres“ völlig Recht. Tierschützer, die jetzt den Nürnberger Zoo mit Hass, Klagen und Demonstrationen überziehen, sind leider offenkundig genauso verblödet, wie die Typen, die Flugzeuge chartern, um humpelnden Hunde aus einem Kriegsgebiet auszufliegen.

[….] Unabhängig davon, wie man zu der Tötung steht – über eines sollte Konsens herrschen: Der Streit darum  ist ein gutes Zeichen. Er ist Ausdruck gelebter Demokratie. [….] Allerdings war am Dienstag auch zu beobachten, wie schwer das einigen fällt: miteinander in den Austausch zu treten, sich zuzuhören und miteinander zu diskutieren. Da war der Zoo-Mitarbeiter, der versuchte, mit den Aktivisten am Eingang eine inhaltliche Debatte zu führen. Und da waren einige Aktivisten, die das ebenfalls versuchten. Da waren aber auch diejenigen, die gar nicht zuhören wollten. Die stupide ihre Parolen dazwischen blökten. Solche Aktivisten dienen ihrer eigenen Sache nicht.

Ebenso wenig wie die Kommentarschreiber im Internet. Nochmals: Es ist legitim, die Tötung der Paviane im Tiergarten, ja selbstverständlich auch das Modell Zoo grundsätzlich abzulehnen und scharf zu kritisieren. Wer aber auf Instagram schreibt, die Mitarbeiter des Tiergartens „sollte man beseitigen“, sie seien „Abschaum“ und „Drecks Massenmörder“, hat nichts verstanden. Er schadet der Demokratie. Er schadet den eigenen Anliegen. Und er schadet allen – sachlich argumentierenden – Mitstreitern. [….]

(Max Weinhold, 30.07.2025)

Diese Pöbler schaden dem Tierschutz, wie Tessa Bergmeier dem Veganismus schadet.