Für die Bürger auf Sylt scheint das Internet immer noch #Neuland zu sein.
Mit dem 9-Euroticket, welches ausgerechnet ihr Heiratsboy und Porschefan Chris Linder finanzierte, verfielen sie in Panik. Und traten in ihrer akuten Angst einen veritablen Streisand-Effekt los.
Bisher blieben die Kampener immer unter sich – Champagner, Diamanten, Porsches, Rolex, Villen zu einem Quadratmeterpreis von über 30.000 Euro, mindestens achtstelliger Bankkontostand. Diese exklusive Umgebung aus Superreichen sorgte dafür, daß Di,Mi,Do-Bürgermeister von Beust stets ein Viertage-Wochenende unter den Millionären verbrachte, statt bei der lästigen Arbeit im Hamburger Rathaus zu sitzen. Deswegen setzt sich Lindner mit seinen jungen Gespielinnen nach Sylt ab, wenn es an der politischen Front brenzlig wird.
Nichts fürchten diese Menschen so sehr wie den Kontakt zur Mittelschicht.
Daß bei neun Euro Fahrtkosten sogar Geringverdiener auf die Insel geraten könnten, war einfach zu viel für sie. Proaktives Handeln war gefragt.
(….) Als Barbra Streisand unbeabsichtigt 2003 den nach ihr benannten Effekt inventete, war möglicherweise wirklich noch nicht jedem digital immigrant klar wie der Schwarm des Internets funktioniert. Mrs. Streisand hatte damals die die Website Pictopia.com verklagt, weil diese zwischen 12.000 anderen Bildern auch ihr Haus veröffentlicht hatte. Nicht jeder Mensch klickt täglich auf Pictopia und selbst von denen, die es tun, macht sich kaum einer die Mühe nachzuvollziehen, wer die Besitzer der einzelnen Häuser sind. Nachdem Streisand aber eine 50-Millionen-Dollar-Klage darüber angestrengt hatte, machte der Fall Schlagzeilen, so daß das inkriminierte Bild rasend schnell im Netz verbreitete und nun wirklich jeder wußte in welchem Haus die Kult-Sängerin und demokratische Aktivistin wohnte. Sie erreichte also das diametrale Gegenteil dessen, was sie wollte. Die Diva lernte daraus und tat es nie wieder. (….)
(Streisand extrem, 28.03.2019)
Nun gibt es für den gemeinen Punkus Teutonicus wenig Anlaß nach Sylt zu fahren, wenn man doch überall sein könnte. Die Fahrt dahin dauert lang, die Orte sind winzig und Gleichgesinnte trifft man dort auch nicht.
Aber nachdem die Sylter so laut bundesweit jammerten, sich vor Punks zu fürchten, fühlten sich auch diejenigen von ihnen, die nie von Sylt gehört hatten, regelrecht verpflichtet, der Promi-Insel einen Besuch abzustatten.
Ein lehrbuchartiger Streisand-Effekt. Mit ihrem Agieren erreichten die Sylter Bürgermeister genau das, was sie verhindern wollten – eine Punkerwelle.
Während einige Touristen sich entsprechend trollen ließen und brav den konservativen Journalisten in die Kameras sprachen, wie unpassend dieses Publikum für einen so exklusiven Kurort wäre, erleben die Sylter Eingeborenen eine Art Wacken-Effekt. Sie waren nett zu den Punks und die Punks waren nett zu ihnen.
ermeister von Westerland verharrte allerdings im Lindner-Modus und wehrte sich mit Anti-Terror-Pollern und Bauzäunen gegen Punks. Daß sich Nicht-Millionäre auf seiner Insel einfinden, konnte er einfach nicht ertragen.
So startete er eine Markus-Schreiber-Gedächtnis-Aktion. Wir erinnern uns; Schreiber war der legendäre Möchtegern-Sheriff, der im Jahr 2011 als Bezirksbürgermeister von Hamburg-Mitte ein Vermögen ausgab, um ein paar Obdachlos daran zu hindern unter einer Brücke unweit der Reeperbahn zu übernachten.
(…) Aber eins haßt
Ordnungsfanatiker mehr als alles andere: Obdachlose!
Die müssen weg - koste es was es wolle.
Besonders die Wohnungslosen, die unweit des berühmten Bismarckdenkmals beim
Kiez unter der Kersten-Miles-Brücke übernachten, lassen Schreibers Hirn glühen.
Im Juni frohlockte er kurz, nachdem er glaubte die Schläfer, die außer ihm
selbst niemanden stören, endgültig vertrieben zu haben.
100.000 Euro ließ der durchgedrehte Bezirksamtsmann dafür
springen die Fläche unter der Brücke obdachlosophob
umzugestalten. Ein künstlicher Bach und viele einbetonierte Steinklumpen sollen
die Wohnungslosen daran hindern hier zu nächtigen.
Die skurrile Maßnahme war vollkommen nutzlos. […] Gelagert hatten die
Obdachlosen auf den Dächern von Bunkern unter der Brücke. Die Weltkriegs-Schutzräume
ließ Schreiber aufwendig abbrechen. Dann schafften Arbeiter Felssteine heran,
die auf der neu geschaffenen unebenen Fläche ausgelegt wurden. Außerdem
entstand auf behördliche Weisung eine Art Bachlauf, der bei starkem Regen
Wasser führt. Doch die Obdachlosen ließen sich nicht abschrecken, lagern nun
zwischen den Steinen. Bei Regen sitzen sie am Rand des „Bachs“, trinken Bier
und werfen Stöckchen ins Wasser. Von der MOPO darauf angesprochen sagt
Schreiber: „Dann müssen wir eben noch mehr Steine aufstellen.“
(Mopo 30.06.11)
Für 100.000 Euro Baumzuschuss könnte Hamburg 200 große Staßenbäume pflanzen lassen. Aber nicht mit Schreiber; der betoniert lieber ein paar Quadratmeter unter einer Brücke extra obdachlosenfrei. Jetzt hat Schreiber, der offensichtlich annimmt in den Kassen seines Bezirks gäbe es Geld wie Heu, nachgelegt und für knapp 20.000 Euro noch einen Alu-Zaun um die Obdachlosen-Abwehr-Steinklumpen bauen lassen.
Aufgeschüttete Wackersteine (Kosten: 100.000 Euro) haben nichts bewirkt, nun
ließ er für 18.000 Euro einen Stahlzaun errichten: Bezirksamtsleiter Markus
Schreibers neuester Streich, um Obdachlose unter der Kersten-Miles-Brücke am
Bismarck-Denkmal zu vertreiben. Dienstag waren Arbeiter angerückt und hatten
die massive Stahlkonstruktion montiert. Sie soll verhindern, dass Obdachlose
unter der Brücke im Alten Elbpark nächtigen.
(HH MoPo 22.09.2011) (….)
(Leidensfähigkeit – Teil IV, 23.09.2011)
Westerlands Bürgermeister Nikolas Häckel (parteilos) ließ sich also von Schreiber inspirieren und baute.
[…] Bürgermeister Nikolas Häckel (parteilos) hat die Wand aus Betonblöcken, die den privaten Zugang neben einem Crêpe-Laden schützen soll, jetzt verteidigt. „Natürlich ist die Abgrenzung heiß diskutiert, polarisiert und die ,Punks‘ gehen damit auf ihre Weise polarisierend um. Dennoch war dieses Zeichen wichtig, denke ich“, sagte Häckel am Samstag. Ordnungsamt und Polizei gingen seinen Worten nach mit Augenmaß aber konsequent mit der Lage um. […]
Und tatsächlich, einer der Punks beging ein schweres Verbrechen. Er pinkelte gegen eine Hauswand. Aber Häckel legte nach.
[….] Wie die »Sylter Zeitung « berichtet, setzt die Gemeinde auch auf noch massivere Barrikaden: Mit mehreren Betonblöcken wird der Weg zu einem Privatweg versperrt. Der Lokalzeitung zufolge war der Ort zuvor zum »Wildpinkeln« missbraucht worden. Dem Bericht zufolge gibt es aber weiter einen kleinen Durchlass in der Absperrung, es dürfe bezweifelt werden, ob die Maßnahme hilfreich ist, schrieb das Blatt. Auch seien Punker bereits auf die Betonquader geklettert. […]
Blöd nur, daß die Punks sich als völlig harmlose Zeitgenossen herausstellten.
Die Mauern wurden wieder abgebaut.
[…] Die Absperrungen rund um den bei Punks beliebten Brunnen in Westerland auf Sylt sind nach wenigen Tagen wieder entfernt worden. „Die Situation hat sich über das Wochenende weiter entspannt, daher wurde der Zaun rund um den Wilhelminenbrunnen zurückgebaut“, teilte der Bürgermeister der Gemeinde Sylt, Nikolas Häckel, mit. […]
Westerland ist zu öde für Punks. Bald sind Lindner, Beust und die Millionäre wieder unter sich!