Sonntag, 31. März 2024

Das geht böse aus in Kyjiw

Meine gestern beschriebene optimistische Weltsicht zeigt sich gerade besonders deutlich in der Ukraine.

Die Menschen stehen vor dem Megaproblem Klimaerhitzung, welches alle ökonomischen und finanziellen Ressourcen aller Nationen gemeinsam erfordert, um möglichweise die schlimmsten Folgen abzumildern.

Aber nicht nur gibt es kein gemeinsames Handeln, nein, wir prassen sogar aberwitzige Summen raus, um das Klima drastisch weiter anzuheizen – in Form von Waffen und Explosivkörpern, die nicht nur für den sprichwörtlichen „heißen Krieg“ stehen, sondern auch einen katastrophalen CO2-Ausstoß haben. Das geschieht durch den Treibstoffverbrauch, die Explosionsgase, die Brände und schließlich auch durch den Material- und Energieverbrauch beim Wiederaufbau.

[….] Einen massiven Klimaschaden, den Russlands Krieg in der Ukraine angerichtet hat, errechnet die zivilgesellschaftlich organisierte internationale "Initiative on GHG accounting of war". Das schlimmste Einzelereignis ist für die Wissenschaftler die Zerstörung des Kachowka-Staudamms im Juni 2023. Vor dem internationalen Strafgericht in Den Haag, der gegen Russlands Präsident Wladimir Putin einen Haftbefehl erlassen hat, könnte das noch zusätzlich als "Ökozid" verfolgt werden.

Der Bruch des Damms führte zu einer zerstörerischen Flut und einem Totalverlust dieses Wasserreservoirs. Weitere Großereignisse sind die Anschläge auf die Nord-Stream-Pipelines und die dadurch verursachten Treibhausgasemissionen, die ebenfalls in der Studie berücksichtigt wurden.

Insgesamt kommt die zivilgesellschaftlich organisierte Initiative in ihrer nunmehr dritten Studie über die Umweltfolgen des Ukraine-Kriegs zu dem Ergebnis, dass der Klimaschaden einem Äquivalent von 150 Millionen Tonnen CO2 entspricht, soviel wie die jährlichen CO2-Emissionen Belgiens.  [….]

(Tagesschau, 04.12.2024)

Daß auch Grüne und SPD sich für die so offensichtlich klimapolitisch katastrophale Waffenproduktion, Aufrüstung und militärische Unterstützung der Ukraine einsetzen, zeigt daß Klimarettung mindestens auf Priorität Zwei abgerutscht ist; womöglich sogar als noch nachrangiger betrachtet wird. Diese Kurzsichtigkeit ist zutiefst menschlich. Man will schließlich den angegriffenen Ukrainern helfen und Putin keineswegs gewinnen lassen. Auch im eigenen Interesse.

Willy Brandt sagte einst:

„Frieden ist nicht alles, aber ohne Frieden ist alles nichts.“

Das sind weise Worte, die aber im 21. Jahrhundert ergänzt werden müssen:

„Frieden ist nichts, wenn sich unsere Affenkugel in einen unbewohnbaren Glutball verwandelt hat!“

Die kurzsichtige „Logik“ der massiven militärischen Unterstützung für die Ukraine, lautet offenkundig, daß gebremste Erderwärmung nicht mehr wichtig ist, wenn Moskaus Truppen ante Portas stehen und unsere demokratische Existenz entziehen.

Ein Dilemma ohne Ausweg. Ich fürchte Russlands Sieg ungefähr genauso, wie Russlands Niederlage.

Letzteres ist gefährlich, weil Putin auf einem Atomwaffenarsenal sitzt und wohl kaum achselzuckend die Schande der Niederlage akzeptieren würde.

(….) Die Taurus-Fans Merz, Hofreiter und Strack-Zimmermann reden nicht drüber, aber ganz offenbar hält die US-Regierung einen russischen Atomschlag für absolut möglich. Es ist sogar noch schlimmer; schon zweimal herrschte Alarmstufe Rot, so daß Biden Olaf Scholz kontaktierte, um ihn auf diese bevorstehende Gefahr hinzuweisen.

[….] Olaf Scholz zieht die Konsequenzen aus der realen Gefahr atomarer Eskalation

Mehrfach stand die Welt am Abgrund, weil Wladimir Putin den Einsatz von taktischen Atomwaffen in der Ukraine erwog. Olaf Scholz hat daraus in der Taurus-Frage die Konsequenzen gezogen – und gewinnt plötzlich an Statur als Friedenskanzler

Im Herbst 2022 stand die Welt am Rande eines Atomkriegs. Zum ersten Mal seit den Tagen der Kubakrise 1962. Das enthüllten jetzt gemeinsam die New York Times und der Sender CNN.

US-Präsident Joe Biden war am 6. Oktober 2022 von seinen Geheimdiensten darüber informiert worden, dass hohe russische Militärs aufgrund des ukrainischen Vormarschs in Richtung Krim den Einsatz taktischer Atomwaffen erwägen würden. Biden war alarmiert. Er fürchtete eine Eskalation zum nuklearen „Armageddon“. Der Nationale Sicherheitsrat trat zusammen, es wurden Notfallpläne für den Ernstfall ausgearbeitet. […..]

(Der Freitag, Ausgabe 11/2024)

Freitag-Autor Wolfgang Michal denkt sich das nicht aus, sondern bezieht sich auf seriöse Recherchen der New York Times und CNN, die von Biden’s Armageddon Moment im Oktober 2022 berichten. Letztlich kam es nicht zum russischen Atomschlag, weil die Ukraine doch nicht erfolgreich die Krim rückerobern konnte. (….)

(Ausweg Atomweltkrieg, 14.03.2024)

Derzeit scheint dieses Szenario aber eher unwahrscheinlich, da Putin seinen wichtigsten Unterstützer Donald Trump dazu manipuliert, die US-Unterstützung für die Ukraine zu stoppen. Trump bewundert Putin grenzenlos.

[…..]  Angesichts der für die Ukraine immer schwierigeren Lage an der Front hat Präsident Wolodymyr Selenskyj eine deutliche Warnung an die USA ausgesprochen. Sein Land sei auf die Militärhilfe aus den USA angewiesen, sagte der Präsident in einem Interview mit der Washington Post. Wenn der Kongress die Lieferung weiter blockiere, bliebe seinen Truppen bald nur noch der Rückzug. An eine Gegenoffensive sei ohne die entsprechenden Waffen gar nicht zu denken, fügte er hinzu: Das Militär könne kein Vorrücken planen, weil es nicht wisse, ob es die dafür nötigen Waffen haben werde, sagte er.

Nach der erfolglosen Gegenoffensive der Ukraine im vergangenen Jahr rücken die russischen Streitkräfte an der Front erneut vor. Außerdem haben sie die Raketen- und Drohnenangriffe auf ukrainische Städte und die zivile Infrastruktur verstärkt. Den ukrainischen Truppen fällt es zunehmend schwer, sie zurückzudrängen, vor allem aufgrund von Munitionsmangel. […..] Selenskyj forderte Demokraten und Republikanern in Washington auf, das politische "Gezänk" um die Militärhilfe zu beenden, weil viel mehr auf dem Spiel stehe. "Wenn die Ukraine fällt, wird Putin die Welt spalten", sagte er.

Der US-Senat hatte die Militärhilfe im Wert von 60 Milliarden Dollar schon im Februar gebilligt, doch im Kongress blockieren die Republikaner die Zahlung – vor allem unter Druck von Abgeordneten, die dem Ex-Präsidenten Donald Trump nahestehen. […..]

(Zeit, 30.03.2024)

Die Ukrainischen Soldaten sind, wenig überraschend, nach zwei Jahren im Dauereinsatz, demoralisiert und müde. Putin hingegen sitzt auf den größeren (menschlichen) Ressourcen und rekrutiert jeden Monat weitere 30.000 russische Kämpfer. Das meldet der britische Geheimdienst. Außerdem gibt es schwere Angriffe auf die Ukrainische Energieinfrastruktur. Viele Gebiete sind ohne Strom.

[…..] Wie sehr die Ukraine von den US-Militärhilfen abhängt, hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj noch einmal in einem Interview mit der Washington Post verdeutlicht. Eine weitere Blockade im Kongress bedeute nach Selenskyjs Worten, dass sich die Streitkräfte mehr und mehr zurückziehen müssten.

"Wenn es keine US-Unterstützung gibt, bedeutet das, dass wir keine Flugabwehr haben, keine Patriot-Raketen, keine Störsender für die elektronische Kriegsführung, keine 155-Millimeter-Artilleriegeschosse", sagt er. "Das bedeutet, dass wir zurückweichen, uns zurückziehen, Schritt für Schritt, in kleinen Schritten", sagte er. […..]  Heute hat Selenskyj angekündigt, weitere Mitarbeiter zu entlassen. Ihren Hut nehmen mussten Selenskyjs langjähriger Assistent Serhij Schefir, der dem ukrainischen Staatschef seit 2019 gedient hatte, sowie drei Berater und zwei Vertreter des Präsidialbüros. […..] Die Entlassungen erfolgten in einer Phase, in der die Ukraine wieder verstärkt von Russland angegriffen wird. In der Nacht hat Russland nach ukrainischen Angaben zwölf Drohnen des Typs "Schahed" und vier Raketen auf den Osten des Landes abgefeuert. Neun der Drohnen seien abgefangen worden. Die ukrainische Armee sprach in Social-Media-Beiträgen von 38 Raketen, 75 Luftangriffen und 98 Attacken mit Mehrfachraketenwerfern binnen 24 Stunden. […..] Das ukrainische Energieunternehmen Centrenergo gab bekannt, dass eines der größten Wärmekraftwerke in der Region Charkiw durch russischen Beschuss vollständig zerstört worden sei. […..] Russland hat in den vergangenen Tagen an der ukrainischen Energieinfrastruktur erheblichen Schaden verursacht. Behördenvertreter in der Region Poltawa sagten, eine Infrastruktureinrichtung sei mehrfach getroffen geworden. […..]

(Tagesschau, 30.03.2024)

Trump und seine putinophilen Jünger werfen sich in die Bresche für Russland. Moskau-Mitch und Leningrad-Lindsey, Putins Trolle im US-Kongress,  arbeiten also weltweit an der Abschaffung von Demokratie und Freiheit. 

Das geht böse aus in der Ukraine. Putins Sieg hätte schlimme Folgen.

(….) Putin hätte freie Bahn, könnte sich in den nächsten Jahren weitere Länder einverleiben.

Andere Diktatoren, wie Kim Jong Un, Xi und Erdoğan wären ermutigt, ebenfalls Angriffskriege zu beginnen, wenn sie lernen, daß sich Aggressivität und Skrupellosigkeit auszahlt, weil die Demokraten der Welt nicht in der Lage, oder Willens sind, so ein Vorgehen aufzuhalten.

Die unmittelbare Folge für die EU wäre aber ein gewaltiger Flüchtlingsstrom. Analysten rechnen mit zehn Millionen weiteren Ukrainern, die ihr Land verließen. Niemand könnte ihren Asylwunsch abschlagen; zu offensichtlich wäre die reale Gefahr für ihr Leben, wenn sie unter Putins Schlächtern bleiben müssten.

Einige AfD-Ministerpräsidenten mögen das Kriegsende und den russischen Sieg bejubeln. Fragt sich, ob sie das auch noch tun, wenn sie weitere zwei, oder drei Millionen Ukrainer in Deutschland mit Obdach und Sozialleistungen versorgen müssen. (….)

(Ausweg Atomweltkrieg, 14.03.2024)