Als SPD-Mitglied muss man leidensfähig sein.
Dieser Satz bezieht sich vor allem auf die legendäre Streitsucht der Mitglieder, die alle so engagiert sind, daß sie ihren Unmut auch sofort lautstark an die eigene Führung richten, wenn ihnen eine Kleinigkeit nicht passt.
Er bezieht sich aber auch auf das seit etwa dreißig Jahren sagenhaft unfähige Willy-Brandt-Haus, das so kampagnenunfähig ist, daß ein erfolgreicher Bundestagswahlkampf wie der von Gerd Schröder, nur funktioniert, wenn man die Kampagne auslagert („Kampa“) und peinlich genau darauf achtet, niemanden mit dem Wahlkampf in Verbindung zu bringen, der eigentlich dafür zuständig ist.
Die Apotheose der WBH-Fehlbesetzungen war Andrea Nahles, die als
Generalsekretärin systematisch in jeder Hinsicht so massiv versagte:
Sarrazin-Rauswurf, Verprellen säkularer Wählern, Müntefering-Sturz, Totalversagen
in der 2013ner Steinbrück-Kampagne („Das wir entscheidet“).
Als Konsequenz aus derartiger Unfähigkeit wurde sie später zur Parteichefin befördert. Und sie lieferte zuverlässig ab, lieferte Eselei um Eselei, bis sie selbst nur noch als absolute Witzfigur gesehen wurde und die SPD auf einen Allzeit-Niedrigstand geschrumpft hatte.
Die dritte Bedeutung der SPD-Leidensfähigkeit bezieht sich auf Deutschland als sehr strukturkonservatives saturiertes, zufriedenes und reformunwilliges Volk.
Wer wie die Union stets damit wirbt nichts zu verändern – keine Experimente! – sie kennen mich! – weiter so! – wird fast automatisch gewählt.
Unions-Kanzlerkandidaten können tatsächlich im sprichwörtlichen Schlafwagen ins Kanzleramt gleiten.
Ewiger Kanzler wie Kohl, Adenauer und Merkel, die schon seit Jahren nicht mehr politisch aktiv waren und nur im Kanzleramt vor sich hinschlummern, werden tumb immer wieder gewählt.
Es macht auch rein gar nichts aus, wenn Unionsminister wie Kristina Schröder, Dobrindt, Scheuer, oder Ministerpräsidenten wie Roland Koch von Skandal zu Skandal springen oder auch wie Seehofer, Michl Glos, Herman Gröhe, Anja Karliczek, Johanna Wanka, Annette Schavan gar nicht arbeiten.
Keiner weiß wo die sind. Möglicherweise sind sie schon gestorben. Die Mehrheit der deutschen Wähler ist so konservative, daß sie diese Nichtse immer wiederwählt. Das Posten besetzen an sich reicht Rechten als Qualifikation. Hauptsache, es ist einer von den Schwarzen an der Macht und es bricht kein „rotgrünes Chaos“ aus.
Die SPD-Kanzler hatten es sehr viel schwerer. Sie wurden für Krisen gebraucht, mussten Reformstaus auflösen und konnten nur Kanzlermehrheiten erringen, weil sie ganz besonders außergewöhnliche, fähige und intelligente Menschen waren.
Wenn die SPD Mehrheiten erringt, muss alles stimmen. Der Kandidat, die Kampagne, es dürfen keine Fehler vorkommen und dann muss noch Glück dazu kommen. Die Medien, die Fernsehsender, die großen Zeitungskonzerne sind fast alle konservativ. Die Mächtigsten von ihnen – Liz Mohn/Bertelsmann, Friede Springer, FUNKE, Bauer, Burda – sind alle klar für die CDU engagiert, persönlich eng mit Merkel befreundet.
Es ist so ähnlich wie mit Atheisten in Talkshows, Rundfunkräten und Ethikkommissionen. Wir sind zwar eine relative Mehrheit, werden aber so gut wie gar nicht repräsentiert. Überall dominieren zahlenmäßig die organisierten Kirchenvertreter.
Angela Merkel ist immer noch die beliebteste Politikerin Deutschlands. Machen wir uns nichts vor; träte sie doch für eine fünfte Amtszeit an, würde sie auch gewählt.
Offenbar will sie aber wirklich nicht mehr, so daß nach alter Gewohnheit der nächste CDU-Mensch nachrutschen könnte.
Durch außergewöhnliche Umstände wurden nun aber schon zwei Nachfolger des CDU-Parteivorsitzes – AKK und Laschet – mit einer medial sehr beobachteten Großkrise konfrontiert, standen auf einmal im Rampenlicht und versagten dabei so drastisch, daß selbst konservativste Zeitungen es nicht mehr schönreden können.
Armin Laschet bekommt morgen eine grausame SPIEGEL-Titelgeschichte auf den Leib geschrieben.
Es kündigte sich schon lange an, Armin Laschet kann es einfach nicht.
Vor einigen Tagen hob Sascha Lobo bereits zu einem vernichtenden Schlag an.
Sein OFFENER BRIEF AN LASCHET ist deswegen so brutal, weil Lobo nicht aus der Wut heraus schreibt, weil er Laschet nicht beschimpft, sondern eine Perspektive des Mitleids mit einem offenbar hoffnungslos überforderten und minderbemittelten Mannes einnimmt.
Die CDU-Parlamentarier sind berühmt dafür bis zur Selbstverleugnung führungstreu zu sein.
Niemals würden sie sich wie Sozis an jedem gewöhnlichen Tag gegen ihre Chefs stellen. Nun aber sind Laschets Schwächen so offensichtlich, daß immer mehr Unionsabgeordnete aus Angst vor ihrem Mandatsverlust an die Öffentlichkeit gehen und ihrem eigenen Vorsitzenden in den Rücken fallen.
Es scheint fast so, als wären die Dämme gebrochen und die CDUCSU, gebeutelt vom mannigfachen Maskenskandal verfällt endgültig in den Hühnerhofmodus.
Währenddessen steht die SPD geschlossen und konsolidiert zu ihrem Spitzenkandidaten.
Verdrehte Welt, das seh‘ ich gern.
Da heißt es für jeden Sozialdemokraten: Zurücklehnen und genießen, so lange es andauert.
[…..] Ab in die Opposition!
Weder CDU noch CSU haben einen geeigneten Kanzlerkandidaten. Nach 16 Jahren ist die Union verbraucht, es wird Zeit für einen Neuanfang jenseits der Regierung. [….]