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Dienstag, 9. September 2025

Friedenswille

Wenn ein Land, wie Deutschland, am 01.09.1939, einen Krieg beginnt, will es keinen Frieden.

Wenn ein Land sich militärisch extrem überlegen fühlt, wie die USA im Februar 1965 bei der Bombardierung Nordvietnams, der Shock-and-Awe-Operation im März 2003 gegen den Irak, oder Russland im Februar 2022 gegen die Ukraine, will es keinen Frieden.

Wenn ein Land sich auf der Siegerstraße fühlt und die Gegner die allermeisten Verluste erleiden, wie Deutschland 1940, will es keinen Frieden. Da war Oberst Claus Graf Schenk von Stauffenberg auch noch treuer Wehrmachtsoffizier.

Wenn ein Land einen fanatischen Sadisten als Oberbefehlshaber agieren lässt, wie Deutschland 1933-1945, will es keinen Frieden.

Ich glaube ohnehin nicht an eine friedliche Natur des Menschen. Homo Sapiens strebte seit seiner Sesshaftigkeit vor 20.000 Jahren nach Eroberung und verwandte enorme Energie darauf, seine Artgenossen zu massakrieren. Mit der Entstehung der monotheistischen Ideologien, wurde das gegenseitige Abmurxen regelrecht zur Pflicht. Deus lo vult.

Einen kriegswilligen Angreifer bekommt man in einigen Fällen nie zur Friedenswilligkeit. Allgemein wird die vernichtenden Niederlage der Wehrmacht in Stalingrad im Februar 1943 als der Zeitpunkt verstanden, an dem Deutschland den Weltkrieg nicht mehr gewinnen konnte. Offiziere begannen sich abzuwenden, sahen die unausweichliche Vernichtung ihrer Heimat kommen und versuchten daher ein Ende des Krieges zu erreichen. So kam es zum 20.Juli 1944. Indem man der Schlange den Kopf abschlug, wollte man zumindest England, Frankreich und der USA gegenüber die Kämpfe einstellen. Allein, der Kriegswille erwies sich immer noch als stärker. Und so starben in den neun Monaten bis zum 08.05.1945 mehr Deutsche, als in der gesamten Zeit von September 1939 bis Juli 1944. Offenkundig musste erst ein Kontinent dem Erdboden gleich gemacht werden, um endlich Frieden zu erreichen.

Wenn Anführer keine Psychopathen wie Hitler sind und den Krieg nicht persönlich angefangen haben, können sie zum Einlenken gebracht werden. Sie ziehen ihre Truppen zurück, wenn der Krieg extrem teuer and Geld und Menschenleben wird.

Beispiele sind der sowjetische Rückzug aus Afghanistan 1989, der US-Rückzug aus Afghanistan 2021, oder der US-Rückzug aus Vietnam 1973-75.

Erst wenn ein totales Desaster angerichtet ist, lenken Staaten ein.

[…] Etwa 2,7 Millionen Amerikaner waren während des Vietnamkrieges als Soldaten in Vietnam, davon 1,6 Millionen im Kampfeinsatz. Es gab die Wehrpflicht, aber das System war höchst ungerecht: Wer die finanziellen Mittel hatte, konnte sich dem Militärdienst in Vietnam (durch Studium etc.) entziehen. Von jenen, die ihren Wehrdienst ableisteten und in Vietnam kämpften und starben, waren unverhältnismäßig viele arm, schlecht gebildet und schwarz. Es war eine Armee von Teenagern – mehr als 60 % starben im Alter von 18 bis 21 Jahren, das Durchschnittsalter der US-Truppe war 19.

Der Vietnamkrieg bleibt eines der größten Desaster der US-Geschichte und ein Trauma für die Weltmacht. Er war ein "furchtbarer Irrtum", wie Verteidigungsminister Robert McNamara (1961 – 1968) ihn 1995 in seinen "Erinnerungen" bezeichnete. Es war bis zu dem Zeitpunkt Amerikas längster Krieg und der erste, der verloren gegangen war. Mit furchtbaren Folgen: 58.269 amerikanische Soldaten waren gestorben, 304.704 verletzt, mehr als 33.000 blieben gelähmt. In seiner Folge begingen mehr Veteranen Selbstmord, als Soldaten in Vietnam gefallen waren. In der Heimat fanden sich viele im Zivilleben nicht mehr zurecht. 500.000 – 800.000 von ihnen litten und leiden unter einem posttraumatischen Stresssyndrom. Anfang der neunziger Jahre waren von den etwa 750.000 Obdachlosen in den USA ein Viertel bis ein Drittel Vietnamveteranen. Der Vietnamkrieg wurde der Albtraum der Amerikaner, der die Nation so spaltete wie nichts mehr seit dem Bürgerkrieg 100 Jahre zuvor.

Im Unterbewusstsein wirkte und wirkt dieser Krieg fort und bestimmte für die nächsten Jahre die amerikanische Außenpolitik. Die unmittelbare Konsequenz der Niederlage für die USA formulierte der deutsche Botschafter in Washington, Berndt von Staden, 1975 so: "Die ‚missionarische‘ Phase der amerikanischen Außenpolitik, die vom Willen zum eigenen Einsatz getragen war, scheint sich ihrem Ende zuzuneigen."

Der Krieg in Südostasien war allerdings nicht nur eine Katastrophe für die USA: eine Million südvietnamesische Soldaten starben, etwa zwei Millionen tote Zivilisten waren zu beklagen; Zwei Millionen Menschen wurden verstümmelt. Es ist anzunehmen, dass in Nordvietnam mindestens genauso viele Menschen ihr Leben lassen mussten. Die USA warfen viermal so viele Bomben ab wie während des gesamten Zweiten Weltkrieges – mit einer Zerstörungskraft von etwa 600 Hiroshima-Atombomben und 20 Millionen Bombenkratern. 50 Millionen Liter des hochgiftigen Agent Orange wurden zur Entlaubung der Wälder versprüht, um den Feind besser bekämpfen zu können – mit Auswirkungen bis auf den heutigen Tag. [….]

(bpb, 21.10.2020)

Die genauen Verluste an russischen Menschenleben während des gegenwärtigen Ukrainekrieges werden wir vermutlich nie erfahren. Sie sind aber exorbitant. Zahlen von bis zu 1.000 Toten täglich; insgesamt 120.000-200.000, kursieren.

Offenkundig sind das aber zu wenig Tote, um Putin zum Einlenken zu bewegen oder seine Herrschaft zu gefährden. Im Gegenteil; im Moment läuft es prima für ihn; er sitzt fest im Sattel und wird international hofiert. Hier ist jemand erkennbar nicht friedenswillig.

Darin steht ihm Bibi Netanjahu in nichts nach. Auch er demonstriert deutlich, wie wenig ihn die Kosten des Krieges – in seinem Fall finanzielle und diplomatische Kosten – anhaben können. Das israelische Volk steht schon mehrheitlich gegen ihn, Demonstriert täglich für ein Ende des Gaza-Krieges. Die Juden in der Diaspora verzweifeln zunehmend.

[….] »Vielleicht bringt das Bibi (Netanyahu) endlich zum Umdenken«, hoffte meine Tochter Yael-Emily. Sie meinte die jüngste Entscheidung von Bundeskanzler Friedrich Merz, den Export deutscher Waffen, die Israels Armee für Militäraktionen im Gazastreifen einsetzen könnte, vorläufig zu unterbinden. [….] Die Verzweiflung über eine israelische Regierung, deren Handlungen sich immer weiter von den Interessen des Landes zu entfernen scheint, befällt mehr und mehr Juden, nicht nur in Israel, sondern auf der ganzen Welt. Gleichzeitig beobachte ich ein anderes Phänomen: Juden auf der ganzen Welt werden für das Handeln dieser Regierung in Mithaftung genommen.

Auch die deutschen Juden sehen sich zunehmend erdrückt zwischen interner Kritik an der ausweglosen Kriegsführung Israels und wachsender Feindseligkeit gegenüber Israel und den Juden. Wir werden in Geiselhaft für Israel genommen. [….]

(Rafael Seligmann, 09.09.2025)

Aber trotz des massiven internationalen Drucks, des internationalen Haftbefehls und der katastrophalen Stimmung im eigenen Volk, lässt Bibi nicht vom Krieg ab. Im Gegenteil. Er weitet ihn aus, zündelt manisch immer weiter, offenbar nur getrieben von der Angst, bei Neuwahlen sein Amt, mitsamt der Immunität zu verlieren und im Gefängnis zu landen. Daher der unverantwortliche Angriff heute auf Katar, der selbst Donald Trump verärgert.

[….] Feige, heimtückisch, inakzeptabel: Vor allem arabische Staaten verurteilen Israels Angriff auf ranghohe Hamas-Funktionäre in Katar. Außenminister Wadephul sieht Katars territoriale Souveränität verletzt.

Die arabische Welt verurteilt den israelischen Militärschlag gegen Hamas-Funktionäre im Golfstaat Katar. Der Angriff in einem der wichtigsten Vermittlerstaaten in der Krisenregion dürfte die Spannungen weiter verschärfen - und Israel international noch weiter isolieren.

Ägypten bezeichnet den Angriff in Doha als "inakzeptable Entwicklung". Der Angriff habe einem Treffen von "palästinensischen Führern" gegolten, "bei dem über Möglichkeiten zur Erreichung eines Waffenstillstandsabkommens" in Gaza beraten werden sollte. Ägypten forderte die internationale Gemeinschaft auf zu handeln und Verantwortliche zur Rechenschaft zu ziehen. Der Angriff stelle einen "gefährlichen Präzedenzfall" dar, teilte das Büro des Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi mit. Ägypten und Katar sind neben den USA die zentralen Vermittler zwischen der Hamas und Israel.

Das einflussreiche Saudi-Arabien sprach von einem eklatanten Verstoß gegen die katarische Souveränität. Das Außenministerium warnte vor "schwerwiegenden Folgen" für die Region und bekundete volle Solidarität mit Katar. Saudi-Arabiens Kronprinz und faktischer Herrscher, Mohammed bin Salman, bekräftigte, dass das Königreich alle Mittel einsetzt, um Katar bei der Wahrung seiner Sicherheit und Souveränität zu unterstützen. Das Außenministerium im türkischen Ankara nannte den Angriff "niederträchtig", er sei ein "Beleg für Israels expansionistische Politik und seine Anwendung von Staatsterrorismus". "Der gezielte Angriff auf die Verhandlungsdelegation der Hamas während der andauernden Waffenstillstandsverhandlungen zeigt, dass Israel keinen Frieden anstrebt, sondern eine Fortsetzung des Krieges beabsichtigt", hieß es. [….]

(Tagesschau, 09.09.2025)

Selbstverständlich wünsche ich mir Frieden und eine diplomatische Lösung. Die Waffen sollen schweigen. Aber ob es nun das größte Land der Erde, Russland, oder die Mini-Nation Israel ist: Was nützen Verhandlungen, wenn der Kriegstreiber keinen Frieden will und ganz offensichtlich nicht genug Druck aufgebaut wurde, um Frieden zu erzwingen?

[….] Ministerpräsident Netanjahu provoziert mit dem jüngsten Luftschlag arabische Staaten, die ihre Beziehungen zum jüdischen Staat eigentlich normalisieren wollten.

Viel deutlicher kann man es nicht machen, dass man gar nicht an einem Waffenstillstand interessiert ist oder gar an einer Zukunft für Gaza, die auch die Palästinenser beinhaltet. [….] Katar hat angekündigt, seine Vermittlungsbemühungen in Gaza erst einmal einzustellen. Ägypten, dem anderen Vermittler, hat Netanjahu in den vergangenen Tage immer wieder gedroht. Bald ist womöglich niemand mehr da, der noch vermitteln kann. Und auch niemand bei der Hamas, der den Vorschlägen noch zustimmen könnte. Das scheint das eigentliche Ziel Netanjahus zu sein.   […]

(Bernd Dörries, 09.09.2025)

Mittwoch, 16. April 2025

Pacta non adhaerendum

Soweit, wie in Ungarn, der Türkei, oder gar der USA, sind wir noch nicht.

Wahlergebnisse werden akzeptiert, nervende Pressevertreter werden nicht in den Knast geworfen und der Kanzler kann sich auch keine Gerichtsurteile wünschen.

 Es gibt vereinzelte Bundesrichter, die Trump Grenzen aufzeigen wollen. Aber die Regierung ignoriert Gerichte, die ihr nicht gefallen.

Auf seinem Weg in den Faschismus, crasht Trump gerade die Verfassung. Da er auch die Legislative und große Teile der Presse nach Belieben dominiert, sehe ich niemanden, der den Commander in Chief aufhalten könnte.

[….] Der Konflikt zwischen US-Präsident Donald Trumps Regierung und der Justiz spitzt sich aufgrund der umstrittenen Abschiebungen nach El Salvador weiter zu. Die Regierung hat nach Auffassung eines Richters mit Abschiebeflügen in das zentralamerikanische Land wohl vorsätzlich gegen seine Anordnung verstoßen. Es bestehe ein hinreichender Anfangsverdacht für ein mögliches Strafverfahren wegen Missachtung des Gerichts gegen Mitglieder der Regierung, erklärte Richter James Boasberg.

Die Entscheidung ist ein herber Dämpfer für Trumps Regierung – und dürfte sie in Bedrängnis bringen. Hintergrund der Entscheidung ist die Abschiebung von rund 200 Migranten – überwiegend aus Venezuela – nach El Salvador im März.

Die US-Regierung wirft den abgeschobenen Männern vor, Mitglieder krimineller Banden zu sein, und ließ sie in das berüchtigte Hochsicherheitsgefängnis Cecot in El Salvador überstellen. Richter Boasberg hatte jedoch zuvor angeordnet, die Abschiebungen vorerst zu stoppen, solange die rechtliche Grundlage dafür noch gerichtlich geprüft werde. Die Flieger hoben trotzdem ab.

Das Gericht komme zu dem Schluss, dass ein hinreichender Grund vorliege, die Regierung wegen strafbarer Missachtung zu belangen, schrieb Richter Boasberg in seiner Entscheidung. „Das Gericht kommt nicht leichtfertig oder voreilig zu dieser Schlussfolgerung; vielmehr hat es den Beklagten reichlich Gelegenheit gegeben, ihre Handlungen zu korrigieren oder zu erklären.“ Keine der Antworten der Regierung sei zufriedenstellend gewesen, so Boasberg. [….]

(SZ Liveblog, 16.04.2025)

Die Einhaltung der Verfassung, die zu schützen Trump bei seinem Amtseid schwor, obliegt hier also offenkundig nicht nur den Institutionen, sondern der Persönlichkeit des Präsidenten.

Die demokratischen Spielregeln in Deutschland erscheinen stabiler. Allerdings sind sie auch noch nie so getestet worden, wie es ein Trump täte. Grund zur Besorgnis gibt es durchaus. So wird die ARD unter dem Direktorat der erzkonservativen Schäuble-Tochter Christine Strobl deutlich AfD-freundlicher. Außerdem verweigern sich die demokratischen Parteien, endlich ein verfassungsgemäßes Verbotsverfahren gegen die in mehreren Ländern gesichert rechtsextreme verfassungsfeindliche AfD einzuläuten, obwohl sich diese Leute bereits bewaffnen.

[…..] Personen aus dem direkten Umfeld des Landesverbandes der Thüringer AfD besitzen 154 scharfe Schusswaffen. Dabei handelt es sich um 87 Langwaffen wie Flinten und Büchsen sowie 67 Kurzwaffen wie Pistolen und Revolver. Neun Personen aus dem Parteiverband von Björn Höcke, der vom Verfassungsschutz seit 2021 als »erwiesen rechtsextremistische Bestrebung« eingestuft ist, haben zudem eine staatliche Erlaubnis, mit Sprengstoffen zu hantieren.  Die Zahlen gehen aus der Antwort des Thüringer Innenministeriums auf eine Anfrage der Linken-Landtagsabgeordneten Katharina König-Preuss hervor. Demnach befinden sich die 154 Waffen im Besitz von 34 Personen, »die dem Thüringer Landesverband der AfD zuzurechnen sind«.  [….]  Im Jahr 2023, aus dem die aktuellsten Zahlen vorliegen, sind laut Ministerium 30 Ermittlungsverfahren wegen Straftaten der extrem rechten Szene mit legalen und illegalen Waffen oder Sprengstoffen eingeleitet worden.  König-Preuss sieht in dem Waffenarsenal ein »enormes Sicherheitsrisiko«. Der »Nationalsozialistische Untergrund«, die Morde von Halle, Hanau und an Walter Lübcke hätten gezeigt, welche Gefahren durch Waffen »in den Händen der extrem rechten Szene entstehen« könnten. »Es braucht eine Null-Toleranz-Strategie«, so König-Preuss.  […..]

(Steffen Winter, der SPIEGEL 17/2025)

Die CDU will diese Leute „normalisieren“ und mit Ausschussvorsitz-Posten belohnen. Hochverrat am Geiste der deutschen Verfassung. Merz ist das offenkundig völlig egal.

Es wird also auch in Deutschland auf die persönliche Integrität des Bundeskanzlers ankommen und die läßt beim mutmaßlich nächsten Kanzler stark zu wünschen übrig.

 Der Mann lügt gewohnheitsmäßig und übernimmt immer wieder volksverhetzende Propaganda der AfD-Nazis. 

Stichworte „Zahnarzttermine“ oder „täglich stattfindende Gruppenvergewaltigungen“.


Es sind die „they are eating the dogs, they are eating the cats”-Momente des Fritze Merz. Die Stories sind zwar reine Fiktion, werden aber a posteriori damit gerechtfertigt, daß ihre Wähler es als wahr empfänden.

Ungeniert bricht Merz seine zentralen Politikversprechen, nicht mit der AfD zusammen zu arbeiten oder an der Schuldenbremse festzuhalten.

Auch das internationale Recht, betrachtet der Sudel-Sauerländer lediglich als Option. Den mit internationalem Haftbefehl gesuchten mutmaßlichen Kriegsverbrecher Bibi Netanyahu will Merz in Deutschland empfangen und damit den internationalen Strafgerichtshof demonstrativ hintergehen.

(….) Dem heimischen Ärger durch nette Auslandsreisen zu entfliehen, kommt für Bibi kaum noch in Frage, da die 125 Länder, die Mitglieder des IStGH sind, verpflichtet sind, Bibi zu verhaften, sobald er deren Staatsgebiet betritt. Willkommen ist Netanyahu nur noch in Schurkenstaaten, mit denen er nicht zufällig gerade Krieg führt. Da kann man nicht allzu wählerisch sein und so lässt er es sich gerade bei dem Antisemiten Orbán gut gehen.

[….] Es hat immer etwas Historisches, wenn Benjamin Netanjahu nach Ungarn kommt. Als er 2017 anreiste, war er der erste israelische Ministerpräsident nach dem Fall des Eisernen Vorhangs, der das Land besuchte. Besonders wird auch sein Besuch von diesem Mittwoch an sein, wenngleich aus anderen Gründen. Denn gegen Netanjahu gibt es einen internationalen Haftbefehl. [….] Theoretisch müsste Netanjahu also festgenommen werden, sobald er in Budapest aus dem Flugzeug steigt.

Praktisch hat der ungarische Regierungschef Viktor Orbán den Haftbefehl jedoch von Anfang an abgelehnt, weil er seiner Ansicht nach politisch motiviert ist. Und nicht nur das: Orbán lud Netanjahu auch nach Ungarn ein. [….] Der Haftbefehl, so Orbán, werde für Netanjahu „keine Konsequenzen“ haben.  Das kann Orbán auch deswegen so leichtherzig sagen, weil derzeit noch eine rechtliche Grauzone existiert. Israel hat, wie es aus dem Auswärtigen Amt in Berlin heißt, Rechtsmittel gegen den Haftbefehl beim IStGH eingelegt, und die Prüfung dauert noch an. Solange darüber nicht entschieden wurde und die Mitgliedstaaten aus Den Haag kein Rechtshilfeersuchen für die Verhaftung bekommen, muss Netanjahu nicht festgenommen werden. [….] In den USA hatte Präsident Donald Trump Anfang Februar, kurz nach dem Besuch von Benjamin Netanjahu im Weißen Haus, Sanktionen gegen Mitarbeiter des Strafgerichtshofs in Den Haag verhängt. Sie beinhalten Einreiseverbote in die USA und könnten das Einfrieren von Vermögen zur Folge haben. Die USA haben das Gericht genauso wie Israel nicht anerkannt. In Ungarn ist das offiziell anders, auch in Deutschland. Doch selbst hier hatte der künftige CDU-Kanzler Friedrich Merz kurz nach der Bundestagswahl angekündigt, „Mittel und Wege“ zu finden, um Netanjahu dennoch in Deutschland zu empfangen – wie auch immer diese dann aussehen mögen. Wenn der Haftbefehl in Deutschland rechtswirksam wird, dürfte es für Merz schwierig werden, sich über Strafverfolgungsbehörden hinwegzusetzen. Aus dem IStGH kommt auf SZ-Anfrage der allgemeine Hinweis, es sei nicht die Sache einzelner Staaten, über die Rechtmäßigkeit der Gerichtsentscheidungen zu befinden. [….]

(SZ, 02.04.2025)

Es gibt sie also noch, Bibis Buddys, die genauso korrupt und rechtsextrem wie er sind und den internationalen Haftbefehl ignorieren, weil ihnen internationale Rechtsstaatlichkeit nichts bedeutet: Orbán, Trump und demnächst auch Merz.

Zum Mitschämen:

[…] Mit seiner ausgesprochenen Einladung an den israelischen Regierungschef stellt sich Friedrich Merz bewusst in eine Reihe mit Autokraten. Und die SPD guckt zu. [….] Benjamin Netanjahu wird bei seinem Besuch in Ungarn nicht festgenommen [….] Klar, Autokraten, die Autokraten schützen – da ist niemand überrascht. Immerhin ist Viktor Orbán konsequent, bei ihm gilt gleiches Unrecht für alle. Nicht nur Netanjahu, sondern auch Wladimir Putin wird von ihm nicht dem Gericht in Den Haag ausgeliefert.

Das Schweigen der Bundesregierung, die sonst sehr gerne scharfe Worte in Richtung Orbán schickt, spricht Bände. [….] Jetzt, da der Koalitionspartner in spe Friedrich Merz den mutmaßlichen Kriegsverbrecher auch nach Deutschland eingeladen hat, wird es ein solches Bekenntnis von den Sozialdemokraten erst recht nicht mehr geben.  Wenn der künftige Bundeskanzler sagt, er werde Wege finden, um die Festnahme zu verhindern, sind sich Rechtsexperten einig: Diese Wege gibt es, aber sie sind illegal. Insbesondere, weil sich die Bundesregierung zur Frage einer Putin-Festnahme deutlich positioniert hatte, muss sie den Fall Netanjahu laut Einschätzung des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages gleich behandeln. Merz reiht sich mit seiner Ansage wissentlich hinter den Autokraten Trump und Orbán ein. [….]

(Pauline Jäckels, 02.04.2025)

Legal, illegal, scheißegal – so lautet das Motto der CDUCSU-Korrupties, die mit Amthor, Bareiß und Spahn demonstrativ juristisch dubiose Typen in die Koalitionsverhandlungen schickten.  (….)

(Bibis Buddys, 02.04.2025)

Internationales Recht und internationale Zusagen bricht Merz auch bezüglich Afghanistans.

[….] Gefährdete Afghanen kommen nach Deutschland – und Medien und Politik kübeln ihren Hass aus. Dabei sollten noch mehr Menschen in Sicherheit gebracht werden.

Die Noch-Bundesregierung evakuiert in ihren letzten Tagen gefährdete Afghaninnen und Afghanen aus Pakistan – und die Angst- und Panikmache könnten wieder einmal nicht größer sein. Mehrere Medien, allen voran die Bild, bemühen Begriffe wie „Flüchtlings-Jets“, „Baerbock-Flieger“ oder „Afghanen-Flieger“, während führende Politiker sich echauffieren.

„Ich finde das grundfalsch und anmaßend“, meinte etwa CDU-Fraktionsvize Jens Spahn. Er will in Zukunft keine Menschen mehr aus Afghanistan aufnehmen, sondern „Straftäter und Gefährder“ dorthin abschieben. Natürlich würde dies einen Deal mit den militant-islamistischen Taliban, die derzeit das Land regieren, erfordern, doch darüber will niemand sprechen. Stattdessen geht es in erster Linie um Stimmungsmache und Entmenschlichung.

Dies wird allein schon daran deutlich, wie über Menschen, die vor Krieg, Terror und Unterdrückung flüchten müssen, gesprochen wird. Man könnte meinen, dass es sich bei den Journalisten, Menschenrechtsaktivisten, Lehrerinnen, Universitätsdozenten oder ehemaligen Ortskräften, die seit Monaten, teils sogar Jahren auf ihre Weiterreise warten, um Pest, Cholera und eine barbarische Horde von Terroristen und Messerstechern handeln würde.  Es sind Afghanen und Afghaninnen, die vor Katastrophen fliehen, doch im „politischen Berlin“ und anderswo wird suggeriert, dass die Katastrophe nun per Direktflug über Deutschland hereinfällt, was natürlich die Rechten und Rechtsextremen stärker machen würde.

Dieser Diskurs, der seit Monaten geführt wird, könnte gar nicht menschenfeindlicher und ignoranter sein. Dabei war es der absolut gescheiterte „War on Terror“, der die Taliban nicht besiegte, sondern zurück an die Macht brachte.

Jeder Mensch aus Afghanistan, der für dieses vermeintliche Demokratieprojekt sein Leben riskierte, hat das Recht, nach Deutschland zu kommen. Und ja, das betrifft nicht nur die Dolmetscher der Bundeswehr, sondern auch jeden Koch und Taxifahrer, der für westliche Truppen, NGOs oder Journalisten tätig war. Jeglicher Klassismus ist fehl am Platz. [….]

(Emran Feroz, 16.04.2025)

Donnerstag, 20. Februar 2025

Von der Autokratie in die Religion.

Schon in seiner ersten Amtszeit, Januar 2017 – Januar 2021, begann die Metamorphose des politischen Trumpismus zu einem messianischen Kult, welcher der Realität immer mehr entrückte. Je mehr man sich den Absurditäten des Mar A Lago-Palastes unterwarf, je mehr man bereit war, seine Ratio zu opfern, desto angesehener wurde man in den Augen des golfenden orangen Abgottes. Seine Jünger lassen es sich durch ihr Opfer (Aufgabe ihrer Aufrichtigkeit) etwas kosten, ihm zu gefallen.

(…..) Ich war noch nie Pfau oder unechte Korallenschlange, aber das Prinzip der „kostspieligen Signale“ ist mir aus der jahrzehntelangen Betrachtung von Religionen und Kulten wohl bekannt.

Man unterstreicht seine Zugehörigkeit zu einer Sekte, indem man etwas sehr „kostspieliges“ opfert. Das kann mit großem Aufwand, Schmerzen, Enthaltsamkeit oder aber auch ganz profan finanziellen Opfern verbunden sein.

Ein Guru/Priester/Cult-Leader wäre für seine Jünger weniger überzeugend, wenn er seine Lehre anstrengungslos verträte.

Es wäre schließlich nichts Besonderes Katholik zu sein, wenn man masturbieren, verhüten und sonntags ausschlafen könnte wie alle anderen auch.
Man muss dem Kult diese Anstrengung opfern, um die anderen Gläubigen zu signalisieren dazu zu gehören. Nur so stellt sich das Gefühl der Exklusivität ein.

Und das ist schließlich der Kern eines jeden religiösen Kultes: Wir sind besser als die.

Daraus speist sich das wohlige Gefühl mehr als die anderen zu dürfen, mehr wert zu sein, im Recht zu sein, nicht zweifeln zu müssen.

Die religiösen Führer müssen noch mehr als gewöhnliche Mitglieder opfern, um glaubhaft zu sein.  Daher gibt es den katholischen Zölibat, daher sitzen Gurus auf Nadelbrettern, fasten Imame  - ganz zu schweigen von den 613 Mizwot-Regeln der Juden.

[…..] Heute  gibt  es  keine  Menschenpopulation,  in  deren  Mitte  nicht  kostspieliges, religiöses Verhalten auftritt. Neuere interdisziplinäre   Forschungen, beispielsweise im Rahmen des Netzwerks der Evolutionary Religious Studies, haben in den letzten Jahren ein völlig neues Bild der   konvergenten und „biologischen“ Emergenz  von  Religiosität  entstehen  lassen. Der gemeinsame Glaube an übernatürliche  Akteure, die soziales  und insbesondere sexuelles Verhalten beobachtend, belohnend und bestrafend geglaubt werden, stiftet unter den Glaubenden Vertrauen und  damit  Kooperationschancen. Die Einforderung kostspieliger Signale (wie  Rituale, Ge- und Verbote) wehrt  Trittbrettfahrer ab. […..] Im Zentrum der  religiösen Vergemeinschaftung steht dabei neben dem Überleben  insbesondere die Reproduktion. […..]

(Michael Blume 2008)

Es ging ursprünglich um biologische Grundtriebe wie Fortpflanzung und Fressen, bei denen die Zugehörig zu einem Kult helfen kann.

Heutige Gläubige wählen gern für Außenstehende besonders absurd und anstrengende, jedenfalls aber sinnlose Beweise für ihre Treue zum Kult. Pilgerfahrten, die Hadsch, Geißelungen, Bußgürtel und Fasten sind Beispiele für kostspielige Signale.

Schon seit Beginn seiner Amtszeit sehe ich Trump-Anhänger weniger als politische Gruppe, denn als Kult an. (….)

(Kostspielige Signale, 23.07.2020)

Die Republikaner waren unter GWB eine ideologische, interventionistische Neocon-Partei, die neben ihren absurden steuerpolitischen Trickle-Down-Prinzipien, durchaus auch außenpolitischen Wertvorstellungen frönte. Wertvorstellungen, die ich rundherum ablehnte und für gefährlich hielt. Wertvorstellungen, die im Nahen Osten und am Hindukusch massiven Schaden anrichteten; die das Ansehen der USA international schwer beschädigten. Wertvorstellungen, die aber berechenbar waren. Wäre GWB im Januar 2002 wirklich an seiner „deadly pretzel“ erstickt, hätte es unter seinem Nachfolger Dick Cheney keine außenpolitischen Veränderungen gegeben. Die Top-Republikaner von damals (Cheney, Rumsfeld, Gates, Rice, Powell, Hastert, Frist) hätten den Irak oder die EU genauso behandelt, wie GWB, weil sie von der (falschen) Politik überzeugt waren. Mehr noch; hätte GWB über Nacht seine Meinung geändert und Saddam Hussein plötzlich als engsten Freund begrüßt oder wäre nach Nordkorea geflogen, um vor Kim Jong Il zu salutieren, hätten die anderen Republikaner laut aufgejault, ihren Chef heftig kritisiert, womöglich zu stürzen versucht.

20 Jahre später sieht das ganz anders aus. Für die GOP gibt es weder fiskalische, noch ökonomische, oder gar außenpolitische Überzeugungen. Das gesamte politische Grundgerüst wurde von der orangen Qualle und seiner 77 Millionen Airbrain-Fußtruppe weggeätzt. Nun warten Trumpanzees lediglich auf den neuesten irren Hirnfurz ihres golfenden Messias, um ihn Papagei-artig nachzuplappern. Je absurder, desto besser. Denn indem man bereit ist, sich für den orangen Cult-leader lächerlich zu machen, zeigt man seine Opferbereitschaft.

Der Trumpismus ist keine politische, sondern eine religiöse Ideologie. Das war schon 2017-2021 mehr als offensichtlich:

[…..] Es macht keinen Sinn sich wie die Anhänger des Opus Dei selbst zu geißeln, sich die Neunschwänzige zum Gefallen Gottes auf den Rücken zu knallen, einen Bußgürtel mit nach innen gerichteten rostigen Stacheln zu tragen, auf Knien tagelang zur Fatima in Portugal zu rutschen, oder auf Knien die unzähligen Stufen zur Schwarzen Madonna von Częstochowa (Tschenstochau) hochzukraxeln. Vier Millionen Katholiken tun es aber dennoch jedes Jahr, weil sie damit in ihrer Gemeinschaft beweisen welche Strapazen sie für den Glauben auf sich nehmen.

In Manila lassen sich Katholiken sogar mit echten Nägeln zu Ostern an ein Kreuz nageln, um Jesus zu ehren.

Derlei Leidensbeweise gibt es in allen Religionen.

Schiiten fügen sich blutige Verletzungen durch Peitschen und Säbel zu, um ihre Zugehörigkeit zum Kult zu demonstrieren. Erst wenn alle blutig sind hören sie auf.

Trumps aberwitzige Lügen zu glauben, ihn kollektiv anzufeuern, auf seinen Rallys in einen Massenwahn zu geraten folgt dem gleichen psychologischen Prinzip.

[…..] Das Si­gnal der kost­spie­li­gen Hin­ga­be schafft ei­nen star­ken Zu­sam­men­halt. Es er­mög­licht Frem­den der glei­chen Fik­ti­ons­ge­mein­schaft, ein­an­der mit Ver­trau­en zu be­geg­nen; und es hält Tritt­brett­fah­rer fern, die nichts bei­tra­gen und im Zwei­fels­fall schnell wie­der weg sind. Un­ter güns­ti­gen Um­stän­den kön­nen auf die­se Wei­se gro­ße ver­schwo­re­ne Grup­pen her­an­wach­sen – und die ge­teil­te Fik­ti­on wird zur his­to­ri­schen Macht.
Da­von pro­fi­tie­ren nicht nur Re­li­gio­nen, son­dern in glei­chem Maß po­li­ti­sche Sek­ten. Denn auch die Be­reit­schaft, ge­gen jede Evi­denz zu lü­gen, ist ein fäl­schungs­si­che­res Si­gnal der Hin­ga­be – je kras­ser, des­to bes­ser.
Ab­sur­de Ge­schich­ten sind in der An­hän­ger­schaft im­mer ge­fragt, und sie ver­brei­ten sich auch noch be­son­ders gut. Das ist kein Zu­fall. Das Un­glaub­li­che er­staunt, es bleibt leicht hän­gen – bes­ter Er­zähl­stoff, so­lan­ge es noch ir­gend­wie stim­mig scheint.
[…..]

(SPIEGEL Nr. 50, 08.12.2018, s.108 ff)

So wenig man einen überzeugten Christen/Juden/Muslimen mit wissenschaftlichen Fakten und klaren Beweisen dazu bringen kann sich aus seiner andere extrem exkludierenden Fiktionsgemeinschaft zu lösen, so sehr ist es auch zum Scheitern verurteilt Impfgegner, Homöopathie-Anhänger, Aldebaraner-Jünger, Soros-Verteuflern, Gauland-Fans oder Trump-Wählern von ihrem offensichtlichen Irrsinn abzubringen. Wer sich die „Beweise“ für eine gefakte Mondlandung oder eine Unterwanderung durch extra-terrestrische Reptilien einmal als Beitrittsgeschenk zu einer Hassgruppe verinnerlicht hat, bleibt auch dabei, weil er die Sphäre des Realen für seinen Glauben verlassen hat. [….]

(Die Trump-Sekte, 26.12.2018)

Im Jahr 2025 wurde Trumps kontrafaktischer Irrsinn zu dem Herrschaftsinstrument schlechthin.

[….] Die Lüge im Autoritarismus hingegen folgt einem anderen, ungleich schädlicheren Muster. Sie zielt einerseits auf die Erschaffung einer Fakerealität ab, die jedes eigene Vorgehen zu rechtfertigen scheint. Gleichzeitig aber ist die Lüge eines der wirkmächtigsten Loyalitätsinstrumente. Und Loyalität ist aus Sicht der Führung im Autoritarismus wichtiger als buchstäblich alles andere.

In dieser Hinsicht ergibt sich besonders aus Donald Trumps offensichtlichen Lügen eine interessante Erkenntnis. Je offensichtlicher die Lüge ist, desto besser eignet sie sich zur Loyalitätsbestimmung. Bei ihm war es in Vorwahlkampfzeiten perfekt nachvollziehbar anhand der großen Lüge der gestohlenen Wahl 2020. Wer bei Trump irgendetwas werden wollte, wer nicht in seinen destruktiven Bannstrahl geraten wollte, musste sich diese Lüge zu eigen machen. Wenn das Publikum sieht, dass jemand eine offenkundige Lüge stützt, ist die implizite Botschaft: Auch ich stelle die Loyalität über die Realität, auch für mich ist die Wahrheit Macht- und Verhandlungssache. »Der Himmel ist grün«, sagt Trump, »der Himmel ist grün«, beten seine Untergebenen (und solche, die es werden wollen) nach. Eine offene, gut erkennbare Lüge in der Öffentlichkeit zu wiederholen, ist die maximale Unterwerfung. Für Außenstehende, Unbedarfte und Radikalisierte ist es zugleich ein weiterer Baustein einer Fakerealität.  [….]

(Sascha Lobo, 19.02.2025)

Wir Linksgrünversifften hängen der politischen Realität weit hinterher, wenn wir immer noch glauben, mit dem Entlarven der Merz-, Söder-, Lindner-, Weidel-, Spahn-Lügen automatisch zu punkten.

Durch den Trumpismus wurde die Lüge an sich, sowohl zu einem Herrschaftsinstrument, als auch Wahlwerbung. Ratio und Faktentreue haben dagegen keine Chance.

Dienstag, 3. Dezember 2024

Olive Spiele

 Fritze Merz sieht sich schon fast am Ziel. Endlich Bundeskanzler, endlich die Schmach überwunden, einer ostdeutschen protestantischen Frau unterlegen zu sein, endlich das Trauma hinter sich gelassen, mit fast 70 Jahren noch keinen einzigen Tag ein Regierungsamt ausgeübt zu haben; endlich nicht mehr der einzige Loser des Andenpaktes. 

Auch wenn ich mir so sehr wünsche, Merz möge auf den letzten  Metern noch den Laschet machen und wieder in der Opposition landen; leider ist die Wahrscheinlichkeit für eine erneute Scholz- oder eine Habeck-Kanzlerschaft sehr gering.  Aber immerhin sorgt seine charakterliche Verderbtheit und chronische Unbeliebtheit dafür, daß sein Traum von einer absoluten CDUCSU-Mehrheit oder einer Koalition mit Linocchio ebenfalls höchst unwahrscheinlich ist.

 Der xenophobe Urnenpöbel wird eine braunschwarze Mehrheit wählen und dem CDU-Chef damit ein enormes Stink-Ei ins Nest legen. Ostdeutsche CDUler werden ihn bedrängen, eine Haselnuss-Koalition zu bilden. Weidel wird ihm immer wieder unter die Nase reiben, wie nah sich ihre Parteien in gesellschaftlichen Fragen liegen. Ihm vorwerfen, die „bürgerliche Mehrheit“ nicht zu nutzen. Merz könnte mit der AfD all seine Lieblingsprojekte im Handumdrehen umsetzen: Bürgergeld abschaffen, Erbschaftssteuer auf Null setzen, totales Abtreibungsverbot, Fleischfresspflicht, Verbot veganer Produkte, Ende der Homo-Ehe, Abschaffung aller Trans-Rechte, Straffreiheit von Vergewaltigung in der Ehe, Cannabis-Verbot, Ende aller Klimaschutzmaßnahmen, Grenzen zu, Ausländer raus, Steuergeschenke an Superreiche, Prämien für Trad-Wifes, Kitas schließen, etc pp.

Blöderweise hat Merz aber Koalitionen mit der AfD auf Bundesebene deutlich ausgeschlossen und bekäme in der Tat enorme außenpolitische Probleme mit den Höckenianern, die ganz anders als Merz, aus der NATO und der EU aussteigen wollen und dafür rund um die Uhr Wladimir Putin den Hintern küssen möchten.

Der garstige Sauerländer wird realistischerweise Schwarzgrün oder Schwarzrot regieren.

Mit beiden theoretischen Partnern werden sich die mittelalterlichen AfDesken Wünsche nicht umsetzen lassen. Aber wer ist aus Merz-Sicht das kleinere Übel?

Die meisten Journalisten tippen auf die SPD, da sie pragmatischer und weniger aufmüpfig wäre. Außerdem hasst Merz die Grünen, erkor sie - und nicht etwa die AfD - zum Hauptgegner. Tatsächlich könnte es zu enormen Friktionen mit den schrillen Bayern führen.

[….]  Die CSU hat erneut ihre Skepsis betont, was die Möglichkeit einer Zusammenarbeit mit den Grünen angeht. Schwarz-Grün sei nicht vorstellbar, sagte CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt in Berlin. "Mein Eindruck ist, dass bei allen Grundfragen, die anstehen, die Grünen nicht zur Verfügung stehen."  Mit den Grünen gebe es "keine Gemeinsamkeiten" in der Migrationspolitik, bei der inneren Sicherheit und in der Wirtschaftspolitik, führte Dobrindt aus. Darauf bereits im Wahlkampf hinzuweisen, sei "Teil einer transparenten Wahlkampfführung".  CSU-Parteichef Markus Söder betont seit Langem, dass aus seiner Sicht eine Zusammenarbeit mit den Grünen nicht in Frage komme. Als einen Konfliktpunkt nannte er zuletzt die Verkehrspolitik. "Wenn es eine Partei gibt, die wirklich voll gegen das Auto ist, dann sind es die Grünen", sagte Söder im Deutschlandfunk. In dem Punkt gebe es mehr Gemeinsamkeiten mit der SPD. [….]

(Tagesschau, 03.12.2024)

In Wahrheit dürfte es Söder relativ egal sein, ob CDU-SPD-CSU oder CDU-Grüne-CSU regieren. Ihn treibt nur eins um: Nicht selbst Kanzlerkandidat zu sein und ausgerechnet bei so einer Ausgangslage, die fast sicher einen C-Mann ins Bundeskanzleramt führt, hinter Merz zurück zu stehen. Das kann der bajuwarische Mega-Egomane nicht ertragen und muss zwanghaft quertreiben, der CDU Knüppel zwischen die Beine werfen. Dafür sind die Grünen sein perfektes Vehikel, weil er damit der tumben CSU-Basis aus der Seele spricht und sein eigentliches Motiv verschleiert.

Merz hingegen bevorzugt offenbar eine schwarz-grüne Regierung, weil er die Professionalität der SPD fürchtet, die immerhin seit 1998 ganze 23 von 27 Jahren Mitglied der Bundesregierung war, während er selbst über NULL Erfahrung verfügt.

Zudem kommt die SPD aus dem Kanzleramt und ginge zwar wegen der berüchtigten „staatspolitischen Verantwortung“ eine schwarzrote Koalition ein, wäre dabei aber höchst unglücklich, sich dem verhassten Fritz unterzuordnen. Scholz und Merz harmonieren auf persönlicher Ebene überhaupt nicht. SPD-Minister würden am CDU-geführten Kabinettstisch stets ihr Handschrift wahren wollen und sich ihre Mitarbeit teuer bezahlen lassen. Ob Scholz, Heil, Klingbeil – wer auch immer Hauptverhandler wäre – sie alles wissen sich durchzusetzen.

Ganz anders die Grünen, die schon 2017 bei den Jamaika-Verhandlungen so gierig Kröten fraßen, daß Merkel bis heute bedauert, nicht mit Habeck regiert zu haben.

Auch in den Ampel-Koalitionsausschüssen gingen die Grünen regelmäßig als Verlierer aus dem Saal, gaben scheinbar ohne Gegenwehr ihre Basics auf.

Baerbock lässt Myriaden Frauen eiskalt im Stich, liefert sie de facto dem Tod aus.

Ausgerechnet eine GRÜNE Außenministerin, die von "wertegeleiteter und feministischer Außenpolitik" spricht, kassierte das Versprechen, die afghanischen Ortskräfte nach Deutschland zu holen, weil sie vor der xenophoben Mehrheitsmeinung hierzulande einknickt.

[….] Besonders gefährdete Afghanen können über das Bundesaufnahmeprogramm nach Deutschland kommen. Bisher sind so 860 Menschen eingereist. Andere warten darauf seit Monaten - unter schwierigen Bedingungen.

Mehr als drei Jahre nach der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan warten nach Angaben des Bundesinnenministeriums noch etwa 3.600 gefährdete Afghanen in Pakistan auf ihre Ausreise nach Deutschland.

Die Verfahren beschreiben Betroffene als langwierig. Dabei könnten sie gar nicht nach Afghanistan zurück. "In Afghanistan werde ich getötet", sagt ein junger Afghane, der nach Deutschland ausgeflogen wurde.   "Meine Schwester ist sehr verängstigt. Wenn sie nach Afghanistan deportiert wird, sind ihr Reisepass und ihre Dokumente in der deutschen Botschaft in Pakistan. Sie würde alles verlieren", sagt Ahmad.  Seine Schwester sei fast mittellos nach Pakistan gekommen. Um Ahmads Angehörige zu schützen, wird der volle Name des ehemaligen Bundeswehr-Übersetzers nicht veröffentlicht. Der 32-jährige Afghane hat es schon vor mehr als drei Jahren nach Deutschland geschafft und lebt inzwischen in Niedersachsen. Aber seine Schwester harre seit neun Monaten in Pakistan aus und warte auf ihre Ausreise im Rahmen des Bundesaufnahmeprogramms. Bevor die Taliban an die Macht kamen, hatte sie als Strafverfolgerin beim afghanischen Militär gearbeitet.  […..]

(Tagesschau, 28.11.2024)

Keiner will so eifrig Waffen exportieren, wie die Grünen.

Baerbock kündigt gar ohne Not schon an, die Bundeswehr könnte in der Ukraine eingesetzt werden.

[….] Baerbock schließt Bundeswehreinsatz zur Friedenssicherung nicht aus

Im Fall eines Waffenstillstandes zwischen der Ukraine und Russland könnten nach den Worten von Bundesaußenministerin Annalena Baerbock auch deutsche Soldaten zur Friedenssicherung eingesetzt werden. Neben Sicherheitsgarantien wie einer Nato-Mitgliedschaft stehe auch eine internationale Präsenz zur Absicherung eines Waffenstillstandes im Raum, sagte die Grünen-Politikerin bei einem Nato-Außenministertreffen in Brüssel. Auf die Frage nach einer möglichen deutschen Rolle dabei sagte sie, man werde natürlich alles, was dem Frieden in der Zukunft diene, „von deutscher Seite mit allen Kräften unterstützen“.  […]

(SZ-Liveblog, 03.12.2024)

All das ist Musik in Merzens Ohren.

Insbesondere aber der zutiefst schwarzgrüne Habeck, der für CDU-Mann Daniel Günther schwärmt, wäre ein Wunschpartner.

Seine Vertraute Franziska Brantner, just zur Grünen Parteichefin aufgestiegen, schlägt sofort Pflöcke ein. Mit dem Segen des Vizekanzlers wanzt sie sich ungeniert an die CDU heran. Ausgerechnet bei Springers Hetz-Postille BILD. Shame on you, Grüne!

[….] Am Wochenende hatte bereits die Grünen-Chefin Franziska Brantner im Konflikt mit Russland eine größere Nähe zu Merz als zu Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) signalisiert. Auf die Frage "Was können Sie mit Herrn Merz besser als mit Herrn Scholz?" sagte Brantner der "Bild am Sonntag": "Frieden, Freiheit in Europa und klar an der Seite der Ukrainer stehen."

Der Grünen-Spitzenkandidat Robert Habeck und der Grünen-Co-Parteichef Felix Banaszak äußerten sich am Montag ebenfalls kritisch zum Ukraine-Kurs des Kanzlers und der SPD.  [….]

(dpa, 01.12.2024) 

Merz, der Scholz-Hasser, hört das Werben von Habecks Staatssekretärin und flirtet offensiv zurück.

[….] Die Union teilt nach Einschätzung ihres Kanzlerkandidaten Friedrich Merz außenpolitisch mehr Positionen mit den Grünen als mit der SPD.

Auf die Frage, mit wem er nach einer erfolgreichen Bundestagswahl besser zusammenarbeiten könnte, sagte der CDU-Politiker der "Bild": "In der Außen- und Sicherheitspolitik gibt es sicher mit den Grünen mehr Gemeinsamkeiten als mit der SPD.  [….]

(GMX, 03.12.2024)

Deswegen muss ich auch nach wie vor keine Sekunde überlegen, wen ich bei meiner ersten Bundestagswahl wähle. Es kommen ohnehin nur Grüne und Rote in Frage.

Aber Grüne, die jetzt schon schleimspurziehend auf Knien in Richtung des Merzschen Mastdarms kriechen, kann ich nicht wählen. Wir haben schon in Bundesländern erlebt, wie Grüne trotz linkerer Mehrheiten, lieber mit der CDU regierten – zuletzt in Baden Württemberg.

Ich will aber so wenig CDU, wie irgend möglich.

Montag, 14. Oktober 2024

Die Guten gibt es nicht

Wie ich vorgestern bereits andeutete, war der vorletzte Pressclub zum Thema Pulverfass Nahost, sehr sehenswert.

Sebastian Engelbrecht vom Deutschlandfunk und Kristin Helberg von der ARD, beide zweifellos kenntnisreiche und seriöse Journalisten, vertraten drastisch unterschiedliche Ansichten zum Thema, was Israel darf und sollte und muss.

Für die einfach gestrickten Geister wird die Diskussion schnell ungemütlich, weil man nicht mehr klar definieren kann, wer Aggressor und wer Verteidiger ist.

In einem Weltkriegsfilm ist das immer so schön einfach: Die Deutschen sind (1939-1945) die Angreifer UND vertreten auch eine extrem toxische Ideologie. Das sind die Bösen. Französische Resistance, polnische Partisanen oder Rote Armee, die sich gegen die genozidal-Christliche DesLoVult-Wehrmacht wehren, sind eindeutig die Guten.

Im amerikanischen Bürgerkrieg 1861-1865 steht man an der Seite der Unionsstaaten gegen die zutiefst rassistischen Konföderierten, die für die Sklaverei stritten.

Im Vietnamkrieg 1955-1975 bezieht man gern Position für die auch von China und der Sowjetunion unterstützte Nationale Front für die Befreiung Südvietnams (NLF, „Vietcong“), weil Amerika mit den Südvietnamesen unfassbare Gräueltaten beging und die USA, ganz anders als zehn Jahre zuvor in Europa, absolut nichts in Vietnam verloren hatten.

Das gilt auch für den Koreakrieg 1950-1953, bei dem sich die USA als koloniale Besatzer gerierten.

Alle Europäischen Kolonialstaaten, christliche Conquistadores und päpstlichen Kreuzfahrer waren Kriegsverbrechermächte; jede regionale Befreiungsarmee hatte Recht und Moral auf ihrer Seite.

Aber die Guten bleiben leider nicht immer die Guten. Außerdem gibt es sehr Böse, die sich einer guten Sache annehmen. Auch Demokratien irren ganz fürchterlich bei der Wahl ihrer Alliierten. So unterstützten USA und CIA massiv von 1980-1988 Saddam Husseins Irak, sowie die Taliban und Mujahedin im Afghanistankrieg 1979-1989. In beiden Fällen marschierten sie einige Jahre nach Ende des Krieges selbst dort ein, um genau diejenigen, die sie aufgerüstet hatten, selbst zu bekriegen.

In beiden Fällen scheitere Washington dramatisch bei der Durchsetzung seiner Kriegsziele – ebenso wie schon zuvor in Korea und Vietnam.

Die ganz simpel gestrickten Geister gönnen George W. Bush die Niederlagen, wegen seiner Hybris und seiner Lügen. Aber die Sieger, die im Land blieben, nachdem die US-Truppen verjagt und die Kämpfe beendet waren – IS, das Kalifat, der Iran, die Taliban zum Beispiel – erwiesen sich als „Frieden in der Hölle“.

 In einem Jahrzehnte währenden Konflikt, wie in Israel und Palästina, haben a) beide Seiten so viel Unmoralisches verbrochen, daß man sie nicht mehr mögen mag. Außerdem sind b) beide Seiten so heterogen, daß eine moralische Parteinahmen ohnehin ausgeschlossen sind.

Bibi Netanyahu, Itamar Ben-Gvir, der Minister für öffentliche Sicherheit, Yitzhak Wasserlauf, der Minister für die Peripherie, Kulturminister Amihai Eliyahu, oder der rechtsextremer Finanzminister Bezalel Smotrich sind echte Verbrecher, die ich nur verachten kann. Das gilt auch für die fanatisch-aggressiven ultraorthodoxen Siedler im Westjordanland, die bis heute das Haupthindernis für den Frieden sind.

Aber den vielen säkularen Israelis in Tel Aviv, die jeden Tag gegen Bibi demonstrieren, den friedensbewegten Kibbuzniks, den jungen Festivalbesucher, die am 07.10.2023 von der Hamas abgeschlachtet wurden, gilt meine ganze Sympathie. Ich wünsche mir nichts mehr, als daß sich ihre Version eines liberalen, demokratischen, queerfreundlichen, technologieaffinen und religionsfernen Staates erfüllt.

Selbstverständlich hasse, verachte und verabscheue ich die Hamas-Kommandeure, die sadistisch, vergewaltigend und ultrabrutal möglichst viele Juden umbringen, weil es ihr religiöses Ziel ist. Diese skrupellose Hamas, die ihre Waffenlager in Schulen und Krankenhäuser legt und sich diebisch über viele tote palästinensische Kinder freut, weil sie damit Propaganda machen. Genauso gilt aber meine Sympathie allen friedlichen palästinensischen Händlern, Bauern und Handwerkern, die von Israelischen Siedlern drangsaliert und vertrieben werden; Myriaden Kindern, die in Gaza von israelischen Bomben zerfetzt werden.

Liebe junge queere Aktivisten und liebe US-Studenten, die nun in Israel die Wurzel allen Übels erkannt haben und ihr Herz für Hamas und Hisbollah entdecken:

Ihr seid echte Vollidioten, die als TikTok-Trottel viel zu verblödet und borniert seid, um irgendetwas beurteilen zu können. Hört Euch bitte genau an, was Bill Maher zu dem Thema Chappell Roan zu sagen hat.

Ich jedenfalls kann nicht pauschal Partei ergreifen für ein Volk oder eine Nation.

So leicht kann ich es mir nicht machen.

[…..] Das deutsche Image in der Welt ist davon geprägt, dass unter der adretten Bach-und-Beethoven-Fassade im 20. Jahrhundert die Bereitschaft von Millionen Bürgern schlummerte, ihre Nachbarn industriell ermorden zu lassen. Das ist der Hintergrund, weshalb manche Deutsche jetzt ganz besonders viel daransetzen, in den Besitz von jüdischen Freunden zu kommen. Zumindest von solchen zum Vorzeigen. Es ist auch der Hintergrund dafür, dass manche Deutsche wie zur Beruhigung eines tief sitzenden – und achtenswerten – Selbstmisstrauens die Entscheidung treffen, „an Israels Seite zu stehen“. Ganz gleich, was geschieht – Augen zu. Im Wissenschaftsministerium von Bettina Stark-Watzinger von der FDP erwog man in diesem Sinne sogar, kritischere Meinungen an Universitäten und Hochschulen zu sanktionieren.

Zugleich bildet diese deutsche Historie den Hintergrund dafür, dass – auf der anderen Seite – viele, sehr viele Landsleute ihre Kritik am Staat der Juden besonders lustvoll üben. In einer Intensität, die nach Obsession aussieht. Subtext: Die da unten in ihrem Judenstaat sind auch nicht besser als unsere Großeltern, also können die ruhig mal aufhören, uns hier mit ihrer vermeintlichen moralischen Überlegenheit zu nerven. „Was der Staat Israel heute mit den Palästinensern macht, ist im Prinzip auch nichts anderes als das, was die Nazis im Dritten Reich mit den Juden gemacht haben“: Dieser dummen, falschen Aussage stimmen in Deutschland 43 Prozent der Befragten zu, wie im vergangenen Jahr eine Befragung der Bertelsmann-Stiftung ergab.

Jüdische Deutsche sind keine Regierungsvertreter Israels. Jüdische Deutsche haften auch nicht für Israels Politik. Dennoch, jüdische Deutsche werden jetzt laufend in Haftung genommen, das haben viele von ihnen in diesem vergangenen Jahr so deutlich gespürt wie noch nie in ihrem Leben. Viele Betroffene halten noch mit Argumenten dagegen. Aber manche sind es allmählich auch leid. Von der deutsch-jüdischen Denkerin Hannah Arendt gibt es den Satz: Wer als Jude angegriffen wird, muss sich als Jude verteidigen. Unter dem Druck der Vorurteile scheinen manche diesen Satz heute für sich abzuwandeln. Etwa so: Wer als Botschafter Israels angegriffen wird, muss sich als Botschafter Israels verteidigen. […..] Einsamer geworden ist es in diesem Jahr dann in dem großen Raum zwischen all diesen zunehmend verhärteten Identitäten. Also unter jenen Menschen, die sich weiterhin zumuten, sich nicht „auf eine Seite“ zu stellen – und zu denen auch viele jüdische und arabischstämmige Menschen gehören, die angesichts ihrer Ratlosigkeit eher noch leiser geworden sind als ohnehin schon. Ein politisches Nachdenken, dessen Ergebnis schon vorab feststeht und das auch auf aktuelle Neuigkeiten nur noch in Nuancen reagiert, wäre natürlich gemütlicher. […..] Wie wenig Applaus es für solche Differenzierung gibt, das heißt: wie wenig dies innenpolitisch gewinnbringend ist, zeigt sich am Beispiel der Bundesaußenministerin Annalena Baerbock von den Grünen. Aus der sogenannten israelsolidarischen Ecke wird sie beschimpft, sie lasse Israel angeblich im Regen stehen – weil Deutschland keine Waffen mehr für Gaza-Bombardements liefert. Aus der sogenannten propalästinensischen Ecke wird sie gleichzeitig für das Gegenteil beschimpft: Sie tanze nach Israels Pfeife – weil sie nicht mit Israel bricht. Es sich in keiner Ecke bequem zu machen, ist heute vielleicht schwieriger denn je. Richtig bleibt es trotzdem.   […..]

(Ronen Steinke, 06.10.2024)

Ich gebe zu, solche Worte gern von einem Journalisten zu lesen, der eine israelische Mutter hat. Denn auch, wenn ich erst ein Jahr einen deutschen Pass habe: Für mich wiegt die deutsche Vergangenheit schwer. Ich gehöre der (schrumpfenden) Fraktion derer an, die der deutschen Außenpolitik äußerste Zurückhaltung bei der moralischen Bewertung der israelischen Sicherheitspolitik empfehlen. Natürlich können und dürfen „wir“ Netanyahu kritisieren, aber wir sollten nicht die ersten und lautesten sein. Und es darf nie in eine Rechtfertigungshaltung hineingleiten; „sieh an, die Israelis sind ja auch nicht viel besser als wir damals im WKII.“ Hier handelt es sich um unvergleichbare Dinge. So schwer es auch einzelnen fallen mag; es gilt immer: Israelkritik Ja! Antisemitismus NEIN!

Nur in einem Aspekt bleibt es einfach: Meine Verachtung gilt voll und ganz dem rechtsradikalen Pascha Friedrich Merz, der das ultrakomplizierte Thema Waffenlieferungen auf primitivste Weise parteipolitisch ausnutzt, um Scholz und Baerbock ans Bein zu pinkeln.

Die Sitzungen des Bundessicherheitsrates sind geheim. Niemand kennt die Bedingungen, die Deutschland an Waffenlieferungen knüpfte. Falls es so sein sollte, wie gemunkelt wird, daß Baerbock und Habeck Garantien dafür verlangten, deutsche Waffen nicht bei völkerrechtswidrigen Aktionen einzusetzen, hatten sie völlig Recht, Herr Merz!

[….] Die Bundesregierung will durch die Zusicherungen, die auch in Lieferverträgen etwa mit der Ukraine enthalten sind, dem Risiko entgegenwirken, dass internationale Gerichte oder deutsche Verwaltungsgerichte im Zuge einer einstweiligen Verfügung Rüstungsexporte nach Israel teilweise oder ganz untersagen. Das Verwaltungsgericht Berlin hatte im Juni in einem Beschluss einen entsprechenden Antrag von Palästinensern aus dem Gazastreifen zwar zurückgewiesen. Diese hatten verlangt, grundsätzlich Lieferungen nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz zu untersagen. Das Gericht hatte aber ausgeführt, dass die Bundesregierung die „Haltung des Empfängerlandes zu den einschlägigen Grundsätzen der Übereinkünfte des humanitären Völkerrechts“ berücksichtigen und Ausfuhrgenehmigungen verweigern müsse, wenn „eindeutig das Risiko besteht“, dass Rüstungsgüter verwendet werden, um schwere Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht zu begehen. Es hat sich in seiner Argumentation dabei an entsprechende Entscheidungen des Internationalen Gerichtshofs (IGH) in Den Haag angelehnt, wo Nicaragua die Bundesregierung verklagt hatte.

Menschenrechtsanwälte hatten in der vergangenen Woche bereits neue Klagen angekündigt, nachdem Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) im Bundestag klargestellt hatte, dass die Bundesregierung Waffen geliefert habe und dies weiter tun werde. „Wir haben Entscheidungen getroffen in der Regierung, die auch sicherstellen, dass es demnächst weitere Lieferungen geben wird“, hatte Scholz auf Kritik von Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU) entgegnet. Dieser hatte der Bundesregierung vorgeworfen, seit Monaten nicht die nötigen „Exportgenehmigungen für Munition und Ersatzteile von Panzern“ für die Ausfuhr nach Israel zu erteilen.  [….]

(SZ, 14.10.2024)

Der moralisch verkommene Merz darf niemals Bundeskanzler werden.

Für den islamophoben Egomanen scheint das alles nur ein Spiel zu sein, um die Ampel zu ärgern und um selbst Bundeskanzler zu werden.

Der Mann hat sich – wieder einmal – völlig für das höchste Regierungsamt disqualifiziert. Gerade für Deutschland darf es natürlich nicht völlig egal sein, wie die Lage in Israel ist, Herr Merz!

Wenn eine Regierung wiederholt UN-Blauhelme ermordet, darf schon mal die Frage gestellt werden, ob man sie weiterhin bewaffnen sollte, Herr Merz!

[…..] Mindestens viermal haben israelische Soldaten in der vergangenen Woche UN-Blauhelme angegriffen, sie haben Soldaten aus Sri Lanka von einem Wachturm gebombt und sogar UN-Soldaten beschossen, die in einem Bunker Schutz gesucht haben. Wieder ist eine rote Linie überschritten, wieder werden weltweit „Bedenken“ geäußert. So geht das nun seit einem Jahr: Europa und die USA fordern Israel auf, weniger Zivilisten zu töten, mehr humanitäre Hilfe zu leisten und sich an das Völkerrecht zu halten. Wenig ist passiert, Konsequenzen gibt es keine. Die USA brachten am Wochenende das Kunststück fertig, ihren Sondergesandten Amos Hochstein verkünden zu lassen, dass der Beschuss eines Wohnhauses in der Innenstadt von Beirut „völlig inakzeptabel“ sei – während fast zeitgleich ein Journalist des britischen Guardian die Überreste einer in den USA gefertigten Bombe aus den Trümmern zog, die 22 Menschen tötete.

Man muss wenig Mitleid haben mit den Hisbollah-Kämpfern, die Israel ohne Grund angegriffen haben und nun ihren lang ersehnten Märtyrertod finden. Natürlich darf sich Israel dagegen verteidigen. Doch der Angriff gilt mittlerweile ganz Libanon, die Fehler von Gaza scheinen sich zu wiederholen. Sie werden in Israel gemacht, das offenbar ewigen Krieg sucht, anstatt die berechtigte militärische Selbstverteidigung durch ein Konzept für die Zukunft zu ergänzen. […..] Nun muss auch Israel klargemacht werden, dass Deutschland keine weiteren Waffen in ein Land liefern will, das UN-Blauhelme angreift und kein Konzept vorlegt, wie es diesen Krieg auch wieder beenden wird.  […]

(SZ, 13.10.2024)

Donnerstag, 15. August 2024

Echte Bauchschmerzen.

Selbstverständlich lassen eine die ungeheuerlichen rechtsfaschistischen Umtriebe von CDUCSUAFDPFWBSW gar keine andere Wahl, als sein Kreuz bei SPD oder Grünen zu machen. Dabei bleibe ich auch und werbe deswegen kontinuierlich gegen jeden Trend für die beiden Ampelparteien. Aus echter Überzeugung.

Aber, psst, mal unter uns Pastorentöchtern: Manchmal muss ich mir schon extrem auf die Lippen beißen.

Ausgerechnet die deutsche Regierung, die sich so viel darauf einbildet, der große Ukraine-Unterstützer in der EU zu sein, blockiert in Brüssel hartnäckig wirksame Sanktionen gegen Russland. Es ist absolut erbärmlich, wie sich Berlin von Lobbyinteresse einspannen lässt.

Ausgerechnet die deutsche Regierung mit ihrer wertegeleiteten Außenpolitik, segnet die Lieferung geächteter Streumunition ab.

Ausgerechnet die deutsche Regierung und an vorderster Front Außenministerin Annalena Baerbock, zeigt sich gegenüber den afghanischen Ortskräften, die ihr Leben einsetzten, um den deutschen Bundeswehrangehörigen zu helfen, von ihrer widerlichsten antihumanistischen Seite.

Ich schäme mich für die Grünen. Ich schäme mich für die Bundesregierung. Schande über Baerbock!

[…..]  Rettung von Afghanen: Wieder ein gebrochenes Versprechen […..] Familie Mohammadi ist neuerdings eine Gefahr für Deutschland, zumindest laut deutscher Behörden. Dabei wollten wir sie eigentlich retten. Nach der Machtübernahme durch die Taliban vor drei Jahren fliehen sie aus Afghanistan in den Iran. Der Vater, Abdul Khaliq Mohammadi, war Militärstaatsanwalt in Herat, hatte sich für ein demokratisches Afghanistan eingesetzt. 2017 und 2018 überlebt er mehrere Attentate.

Damals verspricht die Bundesregierung, Menschen wie ihn in Sicherheit zu bringen. Mit dem Bundesaufnahmeprogramm sollten besonders gefährdete Afghaninnen und Afghanen ein Visum für Deutschland erhalten. Familie Mohammadi wird 2022 als schutzbedürftig anerkannt und erhält eine Aufnahmezusage. Sie hoffen, bald nach Deutschland ausreisen zu können. Von Teheran reisen sie nach Pakistan. "Alles, was wir hatten, haben wir verkauft, und die restliche Reise durch Schulden finanziert", erzählt Abdul Khaliq Mohammadi. In der deutschen Botschaft in Islamabad müssen sie dann überraschenderweise noch sogenannte "Sicherheitsinterviews" durchlaufen. Diese sind ein neues Instrument im Aufnahmeverfahren, 2023 in Deutschland eingeführt nach neu aufflammenden Debatten über islamistische Gefährder.

Panorama offenbart erstmals Inhalte der "Sicherheitsüberprüfung". Darin werden Fragen gestellt wie: "Dürfte Ihre Tochter in einem Bikini am Schwimmunterricht teilnehmen? Wie fänden Sie es, wenn Ihr Sohn in Deutschland einen Mann heiratet?"

Den Mohammadis werden unter anderem Fragen zu Sexualität oder politischer Einstellung gestellt. "Sie fragten, was mein Problem mit Israel ist", sagt der 19-jährige Sohn Shirzad. "Ich sagte, dass ich überhaupt kein Problem mit Israel habe." Auch seine Mutter, Shahbobo Mohammadi, wird befragt. "Sie fragten, ob mein Mann mich zwingt, ein Kopftuch zu tragen". Sie verneint. Der 21-Jährige Asef hat den Eindruck: "Sie haben die Fragen mehrmals wiederholt, um meine Antworten zu ändern".

Familie Mohammadi wird nach den Sicherheitsinterviews die Aufnahmezusage entzogen. Ohne Begründung. Erst durch die Panorama-Recherche erfahren sie: das Bundesinnenministerium stuft den Familienvater als Sicherheitsrisiko für Deutschland ein. […..] Hans-Hermann Dube ist im Deutschen Bundestag Sachverständiger im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu Afghanistan und war zwölf Jahre lang für die deutsche Entwicklungszusammenarbeit in Afghanistan zuständig. Das Programm sei von der Bundesregierung nicht mehr gewollt, sagt er. "Man versucht es zu diskreditieren, indem man feststellt, dass es ganz viele Gefährder gibt, die garantiert keine Gefährder sind." Die Bundesregierung habe ihr Versprechen gebrochen, sagt Dube. "Im internen Gespräch mit Beamten in verschiedenen Ministerien höre ich immer wieder heraus, dass die sich dafür schämen, wie wir uns derzeit den Afghanen gegenüber benehmen."

In Pakistan warten mehr als 3.000 Afghaninnen und Afghanen im Rahmen des Bundesaufnahmeprogramms auf ihre Ausreise. Bisher hat Deutschland nur zwei Prozent der versprochenen 20.000 Aufnahmen eingelöst: nur 533 sind in anderthalb Jahren eingereist. […..]

(Panorama, 04.07.2024)

Das Verhalten der Ampel ist unverzeihlich. Eigentlich darf man so handelnden Regierungsparteien nie wieder eine Stimme geben.

Wenn da nicht das sichere Wissen wäre, daß CDUCSUAFDPFWBSW noch viel abscheulicher und menschenverachtender handeln.

SPD und Grüne sind und bleiben das kleinere Übel und daher momentan die einzig wählbaren Parteien in Deutschland.

 […..] »Hab Geduld. Es wird schon werden«, sind die Worte, die ich gegenüber meinem Kollegen Ahmad Zubair seit nunmehr drei Jahren ständig wiederhole. Mittlerweile glaube ich selbst kaum noch daran.

Zubair ist Journalist und in Afghanistan tätig. Er gehört zu meinen engsten Mitarbeitern. Gemeinsam haben wir für den SPIEGEL berichtet; er war auch für die »New York Times« und andere Medien unterwegs. Zubair hat, ähnlich wie zahlreiche andere Medienschaffende im Land, für kritischen Journalismus und freie Berichterstattung sein Leben riskiert. Seit der Rückkehr der militant-islamistischen Taliban wurde er mehrmals bedroht, eingesperrt, verfolgt und geschlagen. […..] Vor drei Jahren zog die Nato unter der Führung der USA aus Afghanistan ab. Noch bevor der letzte US-Soldat das Land verlassen hatte, überrannten die Taliban Kabul. Sie nahmen den Arg, den afghanischen Präsidentenpalast, ein. Ashraf Ghani, der letzte Präsident des Landes, war zu diesem Zeitpunkt schon längst ins Ausland geflüchtet. Die Extremisten verkündeten die Wiedergeburt ihres Emirats und erklärten Presse- und Meinungsfreiheit den Krieg. Damals waren es in erster Linie westliche Korrespondenten, die die »Taliban 2.0« falsch einschätzten, für moderner und fortschrittlicher hielten. […..] Zubairs letzte Hoffnung bis heute: das Aufnahmeprogramm der Bundesregierung für Afghanistan. 2022 wurde es vom Auswärtigen Amt ausgerufen, weil man Afghanistan und all die Zurückgelassenen nach dem Abzug nicht vergessen wollte. Doch es hätte chaotischer kaum sein können. Anstelle der 1000 Menschen, die monatlich nach Deutschland kommen sollten, sind es bis dato knapp über 500 insgesamt. Der Grund hierfür ist nicht nur die altbekannte deutsche Bürokratie, die in vielerlei Hinsicht den afghanischen Realitäten kaum gerecht wird, sondern die massive Diskursverschiebung nach rechts.

Um die Menschen aus Afghanistan und die Gefahren, denen sie ausgesetzt sind, geht es nämlich schon lange nicht mehr. Stattdessen sind es rechte und rechtskonservative Medien wie »Tichys Einblick«, »Cicero« und andere oder die AfD, die seit Monaten das Narrativ rund um sämtliche Migrations- und Fluchtdebatten gekapert haben. Sie greifen Annalena Baerbocks Ministerium an. […..]

(Emran Feroz, 15.08.2024)

Natürlich wähle ich SPD und natürlich verteidige ich auch Annalena Baerbock im Netz gegen die rechtsradikal-konservative perfide Hetze, die ihr entgegenschlägt.

Aber mit Bauchschmerzen.