Dienstag, 31. Dezember 2019

Zurück ins Loch!

Scham, Schüchternheit, Sozialphobie, Selbstzweifel, Ängste, Introvertiertheit, Hemmungen werden gemeinhin als zu überwindende Charakterschwächen angesehen.
Coaches und Therapeuten stürzen sich darauf. „Du schaffst das!“.
Überall wird die Selbstoptimierung gepriesen. Neue Frisuren, Muskeln oder in der kostengünstigen Variante Motoröl-Injektionen in Arsch und Lippen – irgendwie wird man schon so hübsch und selbstsicher, daß man im Selfie-Zeitalter mithalten kann und seinen Beitrag zur sekündlichen Grinsebilderflut im Internet leistet.
Offensichtlich fruchten die Therapien wider die Scham ganz hervorragend.
Die TV-Reality-Formate fluten den Bildschirmen mit einem nie enden wollenden Strom kleiner Selbstdarsteller, die völlig talent- und sinnfrei vor den Kameras turnen und dem Irrglauben erliegen die Welt warte nur auf sie.
Wer nur irgendwie verschwippschwägert mit einem C-Trashpromi ist, weil er beispielsweise „einmal den Wendler gebumst hat“, ist schon so berühmt, daß er es in die Königsdisziplin aller Promis, das RTL-Dschungelcamp, geschafft hat.
Die Exen von Wendler und Büchner? Wenn das später mal auf dem Grabstein steht, hat man sein Leben wirklich sinnvoll genutzt.

Scham, Schüchternheit, Sozialphobie, Selbstzweifel, Ängste, Introvertiertheit und Hemmungen unter allen Umständen zu bekämpfen und ins Gegenteil zu verkehren ist so sehr Allgemeingut geworden, daß man zum Jahreswechsel nach nur drei Minuten Social-Media bereits eine Coaching-Floskel-Überdosis erleidet.

Wir sind alle Kämpfer! Niemals aufgeben! Ich stehe zu mir! Ich bin wie ich bin! Ich bin nur ehrlich! Ich ziehe keine Show ab! Fallen ist OK – liegenbleiben ist eine Sünde. Entdecke Dein Potential. Kopf hoch, Brust raus!

Ich kann es nicht mehr hören. Coaching und Therapien sollten für diejenigen reserviert bleiben, die psychisch erkrankt sind; da besteht ausreichend Bedarf.
Natürliche Scham und Schüchternheit haben sich inzwischen zur echten Mangelware entwickelt.
Dabei wäre sie vielfach durchaus wünschenswert. Ich möchte nicht von jedem „Promi“, Nachbarn, Bekannten Details aus seinem Sexualleben, Kostproben seiner nicht vorhandenen Gesangs- oder Poetryslamtalente, Nahaufnahmen von Tattoos, Narben oder Piercings, Penislängen, Brustumfänge und Bilder sämtlicher Haustiere sehen.
Sicherlich gibt es immer Menschen, die genau das interessiert, aber das gilt nicht grundsätzlich für alle.

Das von der Süddeutschen Zeitung zum „Jahr der Scham“ ausgerufene 2019 ist in dieser Hinsicht durchaus zu begrüßen.
Scham ist gut. Ich plädiere für noch viel mehr Scham.
Homo Sapiens sollte sich wirklich schämen.

[…..] 2019 war das Jahr der Scham. Doch nicht jeder empfand Scham gleichermaßen. Der eine errötete, wenn er in ein Flugzeug stieg (Flugscham). Der andere, wenn er in ein Schnitzel biss (Fleisch-Scham). Manchen reichte es auch einfach nur, sich Cristiano Ronaldos Jahresendzeit-Grüße auf Twitter anzusehen (mit Freundin, Cola und Kleenex-Tüchern im der Stretch-Limo, Fremdscham also). Der Mensch, er ist halt "Ehre und Scham des Universums" zugleich (Blaise Pascal). Haben wir gerade der gesagt? Pardon, auch sie und es natürlich (Gender-Scham). […..] Vermehrungs-Scham     Was das ist: Der Erdüberlastungstag, berechnet von der Organisation „Global Footprint“, fiel 2019 auf den 29. Juli – früher als je zuvor in der Geschichte der Menschheit. Das Budget der Natur für das ganze Jahr ist also immer früher aufgebraucht, auch durch steigende Bevölkerungszahlen. 2100 sollen laut UN elf Milliarden Menschen auf der Erde leben.
[…..]   Müll-Scham Was das ist: Eigentlich müsste man jetzt noch den Tesa-Film von der Verpackung reißen und die Metallklammer vom Teebeutel lösen. […..] Fleisch-Scham
[…..] Internet-Scham    Was das ist: Einmal googeln verbraucht ebenso viel Energie wie eine 11-Watt-Energie-Sparlampe in einer Stunde. Zeit also, sich endlich einmal zu schämen für die dämliche Dauer-Klickerei. Und völlig egal, mit welchem Endgerät wir gerade durchs Netz surfen: Digitale Technologien tragen zu vier Prozent der globalen Treibhaus-Emissionen bei.
[…..]  Geschlechter-Scham
[…..] Haustier-Scham     Was das ist: Je größer das Haustier, desto schlechter für die Umwelt. Ein Labrador gilt im Vergleich mit einem Goldhamster, einem Wellensittich oder einem Goldfisch als Klimasünder – in der Jahresbilanz ist er so umweltschädlich wie eine 3700 Kilometer lange Autofahrt. Das ist das Ergebnis einer Schweizer Studie zur Ökobilanz von Haustieren.
 […..] Fußball-Scham
[…..] Heizpilz-Scham
[…..] Weltkonzern-Scham […..]

Bleibt nur zu hoffen, daß sich Vermehrungsscham, Flugscham, Müllscham und Haustierscham 2020 prächtig weiter entwickeln. Bisher war die Scham noch zu rudimentär; es folgten keine Konsequenzen. Wir fliegen immer mehr, fressen immer mehr Fleisch, verbrauchen mehr Ressourcen.

Montag, 30. Dezember 2019

Hühnerauge zudrücken.


Californische Youtuber erscheinen aus Perspektive der Ost-Küste und erst Recht von Europa aus betrachtet extreme Blasen-Wesen zu sein, die jeden LALA-Land-Witz verdienen.
Extreme Beschäftigung mit sich selbst und dazu eine bizarre Mischung aus politischem Desinteresse und gleichzeitiger Hypersensibilität für politische Correctness.
Da machen aufgeklärte, ökobewußte, genderfluide Leute täglich Videos für ihre 10, 20 oder 30 Millionen Follower ohne ein Wort darüber zu verlieren, daß Präsidentschafts- oder Kongresswahlen sind.
Trump finden sie zwar alle doof, aber wichtiger sind ihre neuen Schminkutensilien, Tiktok-Videos, Gucci-Sandalen oder Feuchtigkeitsmasken nach dem Gym.
Das völlig aus dem Ruder geratene Influencer-Wesen führt dabei zu einer Geschmacks-Nivellierung, die ich so noch nie irgendwo beobachtet habe. Die Häuser haben alle den gleichen Schnitt, die Frauen die gleichen Lippen und Brüste, die Männer die gleichen Figuren, die Kinder die gleichen Interessen. Alle fahren die immer gleichen SUVs, tragen dieselben Farben und streben nach dem Einheits-Lifestyle.
Wieso einen das kümmern muss?
Muss es nicht, aber Kalifornien mit seinen 40 Millionen Einwohnern ist auch eine ökonomische und kulturelle Supermacht.
Mit beinahe drei Billionen Dollar Bruttoinlandsprodukt ist der Westküstenstreifen die mit Abstand wichtigste Wirtschaftsregion der USA und wäre für sich allein betrachtet nach den USA, Japan, China und Deutschland die fünftgrößte Macht der Welt.
Diese eben noch so geschmähten ewig lächelnden sonnigen Youtuber beeinflussen nicht nur die Jugend weltweit, sondern machen dabei auch noch zig Millionen Dollar allein mit der Youtube-Werbung, let alone die vielfache Summe, die sie mit Merch und Werbedeals einkassieren.
Man kann diese schillernde Glitzerwelt belächeln.
Aber immerhin können die exaltierten Wesen, die wie zum Beispiel die Dolan-Twins, zwei Teenager mit elf Millionen Followern, die nichts besonders vollbringen, sondern einfach für ihr Berühmt-Sein berühmt sind, oder James Charles, der immerhin schon reife 20 Jahre alt ist und seine mehr als 16 Millionen Follower mit Variationen seines Lidschattens entzückt, durch ihren gewaltigen Einfluss auch zur Liberalisierung der Gesellschaft beitragen, indem sie konsequent gegen Fat-Shaming, Rassismus und andere Formen der Diskriminierung vorgehen. Da haben die Heten-Jungs keinerlei Berührungsängste mit ihrem Homo-Altersgenossen, sie fahren Tesla, um die Umwelt zu retten und betonen bei all ihren Merch-Produkten „it is vegan! It is cruelty-free!“
Sie sorgen sich um die Waldbrandgefahr und essen gluten-free.
Man kann das natürlich belächeln.     
Aber als Gegenpol zu den Abscheulich-Amerikanern wie Don Trump Jr., der als lupenreiner Rassist den Klimawandel für eine „hoax“ hält, als Waffenlobbyist auftritt und durch die Welt reist, um vom Aussterben bedrohte Tierarten wie das Argali abzuknallen, lobe ich mir jeden angeökten gelifteten Jung-Kalifornier mit Louis-Vuitton-Täschchen und lackierten Fingernägeln.
Allzu kritisch darf man natürlich nicht hinsehen, wenn diese Menschen Pro-Greta-Thunberg-Memes teilen, während sie im Privatjet von LA nach Las Vegas fliegen, um sich zu schminken.
Oder aber nur so ein bißchen im eigenen Jet rumfliegen, um zu sehen wie viele Hamburger man währenddessen fressen kann.
Aber zum Glück sparen sie ja wieder mit der Tesla-Flotte beim CO2-Ausstoß.
Die konsequente Umsetzung ihrer modernen Überzeugungen ist natürlich so eine Sache, wenn das neue Wangen-Glitter-Zeug für 50 Dollar als „it’s vegan!“ beworben wird und in einer Lederschachtel verschickt wird.
Während in Deutschland Veganer und Vegetarier eifersüchtig um die Deutungshoheit streiten und Veganer mit anderen Veganern darüber debattieren, ob man Äpfel vom Baum pflücken darf oder warten muss, bis sie von allein abfallen, wird in Kalifornien so gut wie alles unter „organic food“ subsummiert.
A „nice vegan meal“ kann dann schon mal Käse aus Kuhmilch, Lachs und Hühnerbruststreifen enthalten.
Da ist alles vegan, wenn nicht gerade ein riesiges blutiges Rindersteak in der Mitte liegt.

Ökologisch betrachtet ist der Wasserverbrauch bei der Rindfleischproduktion einer der Höchsten. Ein katastrophaler „Footprint“.
Aber mit der ökologischen Moral ist es kompliziert.

[….] Platz 1 für den größten tierischen Klimaschädling geht somit an das Rind mit etwa 15 Kilogramm sogenannter CO2-Äquivalente pro Kilo Fleisch; das Schwein folgt mit weitem Abstand und 4,2 Kilo, dicht gefolgt vom Geflügel mit etwa 3,5 Kilo CO2 pro Kilo Fleisch. Zum Vergleich: Gemüse verursacht im Schnitt nur etwa 150 Gramm CO2 pro Kilo.
Ganz anders sieht das Fleischranking aus, wenn man die ethische Seite betrachtet, also die Frage, wie viele Tiere ihr Leben lassen müssen, damit der Mensch satt wird. Das Magazin „Scientific American“ hat dazu eine Studie veröffentlicht, die der Vegetarierbund vebu aufgegriffen hat. Die provokante Frage lautete, wie viel Töten mit dem Konsum einer bestimmten Menge an Energie aus Fleisch, Milch und Eiern verbunden ist. Hier nun steht Hühnerfleisch bei weitem am schlechtesten dar, da jedes geschlachtete Federvieh lediglich 3.000 Kalorien auf die Teller bringt. Im Gegensatz dazu liefert das Schlachten eines Rindes über 400.000 Kalorien. Ein Schwein macht mit 84.000 Kalorien „pro Tod“ immerhin noch so satt wie 28 Hühner. […..]

Bedenkt man also wie viele Individuen für eine menschliche Mahlzeit getötet werden, sollte man insbesondere auf Hühnerfleisch verzichten.
Also ist es völlig absurd wie so viele ums Tierwohl Besorgte bei „weißem Fleisch“ alle Augen zuzudrücken, während man einen Bogen um das böse „rote Fleisch“ macht.

Aber als Vogelfreund bin ich ohnehin nicht neutral. Ich liebe alle Piepsis und würde dafür plädieren statt der allgegenwärtigen Hühnerbruststreifen lieber Hunde und Katzen zu essen.
Watschelige Vögel finde ich zwar noch großartiger – wie kann man bitte sehr Enten nicht lieben? – aber das Haushuhn wird auch extrem unterschätzt.
Ich empfehle dazu die hervorragende Reportage der hervorragenden Schriftstellerin/Journalistin Anja Rützel über Hühnerdressur.

[….] Aufs Huhn gekommen
Wer Hunde dressieren will, soll sich erst einmal an Hühnern versuchen. Unsere Autorin hat am Hühnerkurs einer weltberühmten Tiertrainerin teilgenommen – und sieht das Geflügel seitdem mit anderen Augen.
Das klügste Huhn der Welt heißt Buffy. Es hat Federn, die in der Sonne aussehen wie das Fell eines Füchsleins. Es kann Rot, Blau und Grün unterscheiden und, wenn es sich anstrengt, einen gezeichneten Adler von einem gezeichneten Häschen. Es mag Mais, und es mag nicht, wenn man es zu fest unter den Arm klemmt.
Ich lerne Buffy kennen, als ich einen Hühnerdressurkurs in Bayern besuche. Bei dem ich mich nicht – obwohl das an manchen Tagen wie ein absolut plausibler Plan erscheint – angemeldet habe, weil ich vorhabe, mich mit einer gemischten Hühner-Alpaka-Ameisenbär-Dressurnummer und ein bisschen Messerwerferei dem fahrenden Volk anzuschließen. Ich mache den Kurs, um meinen Hund besser trainieren zu können. Wer lernen will, wie man Tieren etwas beibringt, fängt am besten mit einem Huhn an.
Das sagt Terry Ryan, Wissenschaftlerin, in Tiertrainerkreisen ein Guru. Auf der ganzen Welt veranstaltet sie »Chicken Camps«, dabei will sie ja eigentlich nicht Hühnern etwas beibringen, sondern Hunden, oder noch besser gesagt: den Menschen. […..]

Jeder sollte die Geschichte von Buffy kennen und sich fragen weshalb wir eigentlich nicht den ganzen Tag vor dem Ministerium der Großbauern-Lobbyisten Julia Klöckner demonstrieren, die immer noch für betäubungslose Ferkelkastration und Kükenschreddern sorgt.

[…..] Das ganze Jahr lang haben die Menschen über das Klima diskutiert. Über die Flugscham und das Artensterben. Über Elektroautos, SUVs und Kohlekraftwerke. Sie haben wütender und lauter diskutiert als je zuvor. Wen das Klima bewegt, den bewegt die Frage, wie wir mit der Welt umgehen, und vor allem: wie lange noch?
Der Mensch, die Welt, der Untergang. Große Worte. Dabei reicht es zu fragen, wie der Mensch mit seiner Umgebung umgeht. Zum Beispiel mit dem Haushuhn, Gallus gallus domesticus.
Jedes Jahr werden in Deutschland rund 45 Millionen männliche Küken getötet. Sie werden vergast oder geschreddert, meistens kurz nachdem sie geschlüpft sind. Es sind die Brüder der Legehennen, die, Überraschung, keine Eier legen und nur wenig Fleisch ansetzen. Beides ist nicht gut fürs Geschäft. Und tote Küken kosten nichts.
45 Millionen, das sind etwa 123 288 Küken am Tag.
45 Millionen, das sind etwa 1,43 Küken in der Sekunde. […..]

Sonntag, 29. Dezember 2019

Wie die Kirche verschwulte


Wenn man sich neue Sach-Bücher nach dem Kriterium aussucht etwas dazu zu lernen und nicht nur das bestätigt haben will, was man ohnehin schon lange weiß, kann man sich Frédéric Martels „Sodom. Macht, Homosexualität und Doppelmoral im Vatikan“ natürlich sparen.
Überraschung, die meisten Kurialen sind extreme Heuchler, die tagsüber ihre Homophobie artikulieren und sobald die Mikrophone aus sind, ihrer Geilheit nach Penissen nachgehen.
Wer das wissen wollte, weiß das schon sehr lange.

Es ist genau 20 Jahre her, daß ich außerordentlich amüsiert Nigel Cawthornes „Das Sexualleben der Päpste“ las. Dabei handelte es sich keineswegs um einen Geheimtipp, sondern eine Rezension erschien 1997 im SPIEGEL, der vor dem Internet nicht nur ein Nachrichtenmagazin, sondern DIE große seriöse Informationsquelle mit gewaltiger Reichweite war.

(….) Hier ein paar meiner Lieblingspäpste – zitiert aus dem Spiegel, Nr 11/1997 – „Opfer am Altar der Liebe“
Pikanteste Tatsachen, wie z.B. daß
-Papst Innozenz I. (401 bis 417) sich ausnahmslos an präpubeszenten Mädchen vergnügte, während Sixtus III. (432 bis 440) die reifere Nonnenschaft an seiner Manneskraft teilhaben ließ;
- Papst Johannes XII. (955 bis 963) in der Peterskirche ein Bordell betrieb - bis er beim Koitalvollzug vom Ehemann einer seiner vielen Buhlerinnen erstochen wurde;
- Papst Paul II. (1464 bis 1471) sich am Folterschmerz von nackten Männern erregte, bevor er es mit seinen Lustknaben trieb - er schied durch mors in paedicatio, den Tod beim Verkehr zwischen Mann und Mann;
- Papst Gregor XVI. (1831 bis 1846) die Frau seines Barbiers neben seinen Privaträumen einquartierte - ihre sieben Kinder waren die wahrscheinlich letzten von vielen, die ihr irdisches Dasein päpstlichen Keimdrüsen verdankten.
Einfachen Priestern hingegen , die sich eine Konkubine hielten, drohte gar die Kastration; erlaubt war ihnen die Wollust nur, wenn sie dem Papst das „Cullagium“ zahlten - eine Art Sex-Steuer, mit der sie sich von ihrem Keuschheitsgelübde freikaufen konnten. Fast alle Pfarrer griffen zu diesem Zweck in den Klingelbeutel. Denn sie trieben es so wild wie ihre Oberen, kein Gemeindeglied, ob weiblich oder männlich, war vor ihren Übergriffen sicher. Als sich kaum noch jemand zur Beichte traute, die der Priester bis dahin in einem abgeschiedenen Winkel der Kirche hörte, wurde 1614 der Beichtstuhl eingeführt.
Potent war auch Innozenz VIII. (1484 bis 1492), der sich an seinen acht Töchtern ebenso verging wie Julius III. (1550 bis 1555) an seinen zwei Söhnen - zum Lohn für ihre sexuellen Frondienste weihte er sie 15jährig zu Kardinälen. Zu ihrem Höhepunkt gelangte die papale Pornokratie unter Alexander VI. (1492 bis 1503), der den Heiligen Stuhl endgültig zum Sündenpfuhl machte. Er war ein Unverwüstling sondergleichen, der jede Nacht 25 der formschönsten Freudenmädchen Roms zu sich befahl. Daneben verfügte der Papst aus der berüchtigten Familie der Borgias noch über genügend Ausdauer, um mit seiner Kindsbraut Giulia, seiner Tochter Lucrezia sowie deren Mutter und Großmutter zu konkubieren. [….]

Heute ist das Allgemeinwissen, die wüsten Orgien Papst Alexanders VI. sind Gegenstand mehrerer Prime-Time-Produktionen, die im Free-TV liefen.

Während es aber im Mittelalter wegen des weniger strengen Zölibats auch sehr viele Hetero-Sexorgien mit Kardinälen gab, führte die immer rabiatere Vertreibung von Frauen aus den Pfarrhäusern dazu, daß es immer mehr Schwule in den Priesterberuf zog. Den Päpsten konnte es nur Recht sein, denn abgesehen von der biblischen Misogynie – schon Jesus duldete unter seinen Jüngern keine Frauen – haben Ehefrauen im Pfarrhaus aus Vatikanischer Sicht den entscheidenden Nachteil Uteri zu besitzen. Es werden Kinder und damit auch ERBEN geboren. Das hätte auf Dauer das kirchliche Vermögen geschmälert – und die Kirchenfürsten waren durch ihre weltliche Macht, den Ablass- und Reliquienhandel sehr reich. Nur bei kinderlosen Geistlichen blieb das Geld in der Kirche.
Bis in die jüngste Zeit ist „katholischer Priester“ der Beruf der Wahl für ungeoutete Schwule. Nur als katholischer Geistlicher vermeidet man die peinlichen Fragen wieso man eigentlich keine Frau und Kinder hat und lieber „unter Brüdern“ bleibt. Besonders viele Klemmschwestern in den eigenen Reihen zu haben, ist auch heute noch von Vorteil für die Bischöfe. Sie müssen weniger Alimente für die heimlich gezeugten Kinder zahlen und verfügen zudem auch noch über Erpressungspotential gegenüber den heimlich ihre Messdiener vögelnden Soutanen-Schlawiner, um sie kirchenpolitisch auf Linie zu halten.
Diese seit Jahrhunderten effektive Strategie ist nun erstmal in Gefahr und zwar durch die gesellschaftliche Liberalisierung in den westlichen Demokratien.
In Nordamerika, Australien und Westeuropa, aber auch teilweise in Südamerika und Südafrika werden Schwule immer mehr akzeptiert.
Ein 17- oder 18-Jähriger, der in einem kleinen konservativen Dorf Bayerns oder Alabamas aufwächst, bemerkt, daß er mit Frauen wirklich nichts anfangen kann und deswegen von seinen Schulfreunden schon schräg angeguckt wird, muss nicht mehr seinen einzigen Ausweg im Priesterseminar sehen, sondern kann sich im Internet mit beliebig vielen Altersgenossen in derselben Lage vernetzen, sich outen und schließlich völlig normal weiterleben. Er wird dann vielleicht Tischler, oder Arzt oder Bauer oder Mechatroniker.
Die Folgen sind klar: Gähnenden Leere in den westlichen Priesterseminaren und hysterischer Kampf der Alt-Kleriker wider die „Ehe für Alle!“

Solange aber Homosexualität noch in genügend Ecken der Welt verdammt wird oder Kleriker aus anderen Zeiten existieren, bleibt natürlich auch der Vatikan ein Homo-Hotspot.

(…..) Zuweilen hat man den Eindruck, der ganze Petersdom sei wie zu früheren Jahrhunderten üblich ohnehin eine einzige Callboy-Börse - ähnlich den Republikaner in den USA, deren Spitzenvertreter massiv gegen die same-sex-marriage vorgehen und gleichzeitig dermaßen viele Gay-sex-Skandale produzieren, daß man sie satt "Grand old party" nur noch "Gay old party" nennt.

"Tutti perversi?" fragt das italienische politische Wochenmagazin "Panorama" angesichts des vatikanischen Stricherrings, der im März 2010 aufflog.

Chinedu Thomas Ehiem, der vatikanische Chorsänger, organisiert für die Herren in den Soutanen neben den gesanglichen auch andere orale Freuden.
Pfaffen lieben es oral.
Ehiem vermittelt Callboys.

"Im Vergleich zu dem bin ich bloß normal ausgestattet, er hat einen unglaublichen Körper. Ab zehn Uhr hat er Zeit, er ist ein Freund von mir und tut, was ich ihm sage." Solche Mitschnitte aus Telefonaten, aus sehr delikaten Telefonaten, haben dem Vatikan einen deftigen Skandal um Sex und Prostitution beschert.

Angehende Priester wurden ebenfalls von dem Vatikanischen Chorsänger als Lustknaben an den höheren Klerus vermittelt:

Und Ehiem ist äußerst rührig: "Ich habe da einen aus Neapel, einen Kubaner, einen Deutschen, gerade aus Deutschland eingetroffen, zwei Schwarze, einen Fußballer, einen Tänzer der RAI", heißt es laut der Tageszeitung "Libero" in einem Mitschnitt. Einmal wird der Kuppler konkret und bietet einen Prostituierten an, "zwei Meter groß, 97 Kilogramm schwer, 33 Jahre alt." Auch Priester-Seminaristen sollen zu den jungen Männern gehört haben, die Ehiem an Balducci weiterreichte; in einem Gespräch jedenfalls kommt die Frage auf, wann denn der Jüngling "wieder im Seminar" sein müsse.

Als Zuhälter für schwule sexuelle Dienstleistungen im Vatikan fungierte hauptsächlich Angelo Balducci; "Gentiluomini di Sua Santità" ("Ehrenmänner Seiner Heiligkeit") des Papstes und Präsident des Obersten Rates für Öffentliche Arbeiten.

Die "Gentiluomini di Sua Santità" hatte Papst Paul VI. im Jahr 1968 statt des früheren Hofstaates eingesetzt. Um einer der 147 "Ehrenmänner Seiner Heiligkeit" zu werden, muß man ganz besondere Verdienste gegenüber dem Heiligen Stuhl erworben haben - eine Voraussetzung, die Baldulucci offensichtlich erfüllte.

Sexuelle Dienstleistungen durch junge hübsche Männer sind im Staat der Zölibatären heiß begehrt.
Sich die Stricher selbst in einer der vielen Schwulenbars rund um den Vatikan aufzugreifen, ist erstens umständlich, zweitens zeitaufreibend, drittens indiskret und viertens mitunter auch gefährlich, wie das Schicksal des adeligen Herrn Luzi beweist.

Auch Luzi, a Roman nobleman, war einer der "Ehrenmänner Seiner Heiligkeit"; ein Kollege Angelo Balduccis.

The Vatican yearbook notes that Mr. Sini Luzi began service as a Gentleman of His Holiness in April 1989, and today national newspapers published photographs of him, a smiling, bespectacled man, with Pope John Paul II, or standing in the Vatican clad in the black cutaway and decorations of his office.

Der Kammerherr des Papstes, Enrico Sini Luzi, ist 1998 in einer Vatikanwohnung bei schwulen SM-Spielchen umgekommen.
Der in den römischen Schwulenbars stadtbekannte Papst-Freund hatte sich einen Stricher aufgegabelt und wurde dann in Reizwäsche mit einem Kerzenleuchter erschlagen gefunden – der Videorekorder mit den Homopornos lief noch. (….)

Die sexuelle Liberalisierung wird gegenwärtig noch von fast allen 4.000 Bischöfen der Welt verzweifelt bekämpft, da sie um ihre Pfründe fürchten.
So wie nur die Prohibition die illegalen Alkohol-Lieferanten und Groß-Gangster wie Al Capone reich gemacht hat, fürchten auch heutige Drogenkartelle die Liberalisierung von Cannabis.
Ihr Geschäftsmodell bräche schlagartig zusammen. Nicht auszudenken, auf welche Einnahmen sie verzichten müssten, wenn eines Tages die Regierungen so klug sein könnten auch Opioide generell zu legalisieren.
Es ist genau dieser Profit durch Verbot-Mechanismus, der die Kurialen dazu bewegt auch heute noch Schwule zu verdammen.

 […..] Nachts schleichen sie sich heimlich aus dem Vatikan und suchen Stricher von der Straße auf. Oder sie leben mehr oder weniger offen mit einem „Assistenten“ zusammen. Wieder andere belästigen junge attraktive Schweizergardisten mit ihren Avancen. Und nicht wenige nutzen ihre Reisen, um in der Ferne ungestört und hemmungslos ihren homosexuellen Neigungen frönen zu können. Auch schwule Pornografie wird hinter den Mauern des Vatikans eifrig konsumiert, manche Prälaten scheinen regelrecht süchtig danach zu sein. „Der Vatikan ist eine der größten homosexuellen Communitys der Welt“, schreibt der Franzose Frédéric Martel in seinem Buch „Sodom. Macht, Homosexualität und Doppelmoral im Vatikan“.
Selbst in San Francisco gebe es nicht so viele Schwule wie hier. Mit dem Unterschied allerdings, dass der Vatikan auch eine Hochburg der Heuchelei sei. Denn das homosexuelle Doppelleben vieler Priester oder gar Kardinäle sei oft in der Öffentlichkeit mit einer „äußerst atemberaubenden Homophobie“ gepaart. […..] Martel ist dabei kein windiger Schreiberling und auch kein Eiferer. Sein Buch ist das Ergebnis jahrelanger Recherche, die er in 30 Ländern zusammen mit vielen Helfern unternahm. Seine Belege sind erdrückend. 1500 Interviews wurden geführt, und zwar alle vor Ort und persönlich. Sogar 41 Kardinäle waren zu Aussagen bereit. […..] Manche Stellen in dem Buch lesen sich wie in einem schlechten Film. So erzählt Martel in dem Kapitel „Der Ring der Wollust“ von zwei schwulen Kardinälen, die ihre „Glanzzeit“ unter Papst Johannes Paul II. hatten. Sie firmieren im Vatikan unter den Pseudonymen „Platinette“ - nach einer bekannten Dragqueen - und „La Mongolfiera“. Über einen anderen Bischof kursiert intern der Spruch „Spitze bei Tag, Leder bei Nacht“. […..] Ein besonders krasser Fall ist der des 2008 verstorbenen mächtigen kolumbianischen Kardinals López Trujillo. Unter Johannes Paul II. war er ein erbitterter Kämpfer gegen „Safer Sex“ und führte einen Feldzug gegen Kondome. Dabei lebte er selbst zügellos und mit brutalen Mitteln seine Homosexualität aus. Anwerber in der ganzen Welt führten ihm junge Männer zu. […..]

Nur die totale Tabuisierung von Sexualität und insbesondere Gleichgeschlechtlicher garantiert das für die Kirchenfürsten so befriedigende frauenfreie Biotop.  Gay Marriage und Frauenordinierung sind eine echte Gefahr für die bisher Allmächtigen in ihrem paradiesischen Leben in der Vatikanstadt mit laufenden Messdiener-Nachschub, vielen knackigen Schweizer Gardisten und einer schwulen Callboy-Infrastruktur.

(…..) Man kann nur hoffen, daß die Messdienerchen im Petersdom etwas sicherer leben, obwohl sie von derart vielen Priestern umgeben sind, wenn es in der heiligen Stadt genügend Stricher gibt.

Ob die Anzahl schwuler Sexworker in der Vatikanstadt ausreicht, muss allerdings bezweifelt werden, denn die Geistlichen sind trotzdem noch spitz wie Nachbars Lumpi und stellen den Schweizer Gardisten nach.
Lauter junge, durchtrainierte, ledige Männer in fescher Uniform sind das.
Die 135 Männer der Pontificia Cohors Helvetica sind genau das was sich so eine Klemmschwester im Kleid sexuell erträumt.
Neben den Offizieren gibt es 8 Wachtmeister, 12 Korporäle, 13 Vizekorporäle, 78 Hellebardiere.
Sie alle müssen männliche Schweizer, zwischen 19 und 30 Jahren alt, mindestens 1,74 m groß, sehr sportlich und nicht verheiratet sein.
(Nur die Offiziere dürfen Frauen heiraten).
Wenig überraschend, daß die kopulationsaffinen Kleriker da nicht nur gern zugreifen würden, sondern das offensichtlich auch fleißig tun.

[…..] Im Vatikan sorgt derzeit ein Buch für Aufregung. Schweizer Gardisten erzählen darin, wie sie von Kirchenvertretern sexuell belästigt werden.
[…..]  Dass sich das Umfeld für die kleinste Armee der Welt tatsächlich verändert hat, zeigt das Buch «Sodom» von Frédéric Martel. Der Journalist bezeichnet den Vatikan darin als eine Metropole schwuler Priester, Bischöfe und Kardinäle.
[…..] Dies bekommen auch die Gardisten zu spüren. Von Dutzenden Kirchenführer sollen sie belästigt und sogar genötigt worden sein. Die jungen Katholiken seien schockiert und traumatisiert. Die Anmache werde kaum verborgen, meint ein anonymer Gardist.
[…..]  Ein Kardinal hätte einen seiner Kollegen regelmässig mitten in der Nacht angerufen. Dieser erklärte dann, er brauche ihn in seinem Schlafgemach.
Drastischere Worte findet ein anderer Beschützer des Heiligen Stuhls: «Ich habe lange gebraucht, bis mir klar war, dass wir im Vatikan umgeben sind von frustrierten Alten. Die Schweizergardisten als Frischfleisch ansehen».[…..]

Samstag, 28. Dezember 2019

Kirchenfesseln

Christina Fleischmann, *1988, arbeitet seit sieben Jahren als freie Kulturjournalistin. Streng katholisch in einem kleinen bayerischen Ort aufgewachsen, las sie als Abiturientin Nietzsche und Feuerbach, brach mit ihrem Glauben, studierte Theater-, Medienwissenschaften und Anglistik in Bayreuth und Barcelona.
Es passierte das, was immer passiert, wenn ein frommes Kirchenmitglied aus der Provinz intelligent ist, sich bildet und hinaus in die große Welt geht: Sie wurde ungläubig.
Nicht nur das, wie jeder anständige Mensch empörte sie sich über die ungeheuerlichen Machenschaften ihrer Kirche.

[…..] Die Argumente gegen die Kirche gehen mir leichter von der Hand. Der sexuelle Missbrauch und seine Aufarbeitung erbosen mich am meisten. Als ich mit Opfern sprach, war ich erschüttert, wie institutionalisiert die Übergriffe stattfanden. Ein Betroffener sagte: »Ich glaube an Gott, aber sein Bodenpersonal ist grottenschlecht.« Die Heuchelei dieser Institution widert mich an, dieser Größenwahn! All das Leid, die unmenschliche Ignoranz gegenüber wehrlosen Kindern, die trägen Versuche der Wiedergutmachung.
Doch nach außen hin die Moral hochhalten, sexuelle Bedürfnisse missbilligen, Verhütung verteufeln. Die Frau als untergeordnetes Geschlecht ansehen, sie von sämtlichen Ämtern ausschließen. Auch das bringt mich zum Schäumen. Weil diese apodiktischen Grundsätze rückständig und fernab der Lebensrealität sind. Ja, ich empfinde sie sogar als menschenfeindlich. Als aufgeklärte Frau muss es schwerfallen, die Überzeugungen dieses Männervereins zu akzeptieren. [….]

Da ich schon eine Generation älter als die Autorin bin, kann ich all die Argumente schon singen.
Um sich vor Wut zu schütteln, muss man nur an einem beliebigen Tag wie heute die Medien verfolgen. Dieser ganze Blog ist voll mit den ungeheuerlichen Verbrechen der katholischen Kirche.

Einige willkürlich ausgewählte Meldungen nur aus dieser Woche:

1.)

Kinderficker Theodore Kardinal McCarrick konnte so lange unbehelligt bleiben, weil er Papst und Kurie bestach.

[…] Der wegen Missbrauchs entlassene Ex-Kardinal Theodore McCarrick hat laut "Washington Post" über Jahre Hunderttausende Dollar an Kleriker gespendet. Auch Papst Benedikt XVI. soll profitiert haben.
[…]McCarrick soll demnach zwischen 2001 und 2018 knapp 200 Schecks im Wert von insgesamt rund 600.000 Dollar an mächtige Kleriker geschickt haben, von denen einige mit innerkirchlichen Ermittlungen in seinem Missbrauchsfall betraut waren.   Der ehemalige Erzbischof von Washington soll zwischen 1970 und 1990 zahlreiche Priesteramtskandidaten und mindestens zwei Minderjährige sexuell missbraucht haben. Wegen eines Übergriffs auf einen Messdiener im Jahr 1971 wurde er im Juni 2018 suspendiert und schied kurz darauf aus dem Kardinalsstand aus. […] Unter den Empfängern sollen aber auch zwei Päpste gewesen sein: Johannes Paul II. habe zwischen 2001 und 2005 rund 90.000 Dollar erhalten, heißt es in dem Zeitungsbericht, der sich auf Bankdokumente beruft. Benedikt XVI. soll 291.000 Dollar bekommen haben - den Großteil davon im Jahr 2005, einen Monat nach seinem Amtsantritt. [….]

2.)

[…] Spektakulärer Mord in Frankreich. […]
In Frankreich steht ein Teenager im Verdacht, einen 91 Jahre alten Geistlichen aus Rache brutal getötet zu haben. Der Leichnam des katholischen Priesters namens Roger Matassoli war bereits am 4. November in seinem Haus […] entdeckt worden. […]
Gerichtsmediziner hatten bei dem Geistlichen im Ruhestand Tod durch Ersticken festgestellt. Unter anderem war ein Kruzifix in die Kehle gerammt worden. […] Verantwortlich für die Tat soll ein 19-Jähriger namens Alexandre V. sein. […] „Dieser Mann hat eine ganze Familie geschreddert“, sagte Alexandres Vater, der Stephane genannt wurde, der Zeitung „Le Parisien“ über Matassoli. Sein eigener Vater, also der Großvater von Alexandre, habe sich das Leben genommen, nachdem er von dem Missbrauch durch den Priester erfahren habe.
Roger Matassoli war bereits zuvor des Missbrauchs an zahlreichen Jungen zwischen den Jahren 1960 und 2000 beschuldigt worden. Mehrere Männer haben sich mittlerweile geoutet. Trotzdem soll der Priester über vier Jahrzehnte von der Kirche gedeckt worden sein. Ein juristisches Verfahren oder eine Aufarbeitung durch die Kirche gab es offenbar nie.
Nach Bekanntwerden der Vorwürfe bereits im Jahr 1967 war er stattdessen von der Diözese Clermont in eine andere nach Saint-Andre-Farivillers versetzt worden. Schließlich wurde er nach Agnetz im Nordwesten Frankreichs geschickt. Bis 2018 blieb er auf der Gehaltsliste der Diözese Beauvais. […]

3.)

[…] Mindestens 175 Missbrauchsfälle bei den Legionären Christi
Mitglieder des katholischen Ordens Legionäre Christi haben in den vergangenen acht Jahrzehnten Kinder sexuell missbraucht. Verantwortlich seien 33 Priester und Diakone, heißt es in einem Untersuchungsbericht.
Die Opfer waren der Untersuchung zufolge zumeist Jungen im Alter zwischen elf und 16 Jahren. […] Aus dem Bericht geht hervor, dass 18 der 33 beschuldigten Männer immer noch Teil der Organisation sind. […]

4.)

[…] Rom Es ist ein trauriger Rekord: In diesem Jahr wurden weltweit etwa 1000 Fälle von sexuellem Missbrauch durch Geistliche gemeldet. Die Behörde im Vatikan, die solchen Vorwürfen nachgehen soll, ist angesichts dieser Entwicklung unterbesetzt. „Im Moment stehen wir vor einem regelrechten Tsunami von Fällen, vor allem aus Ländern, aus denen wir bisher nie etwas gehört hatten“, sagt John Kennedy, Leiter der Disziplinar-Abteilung der Kongregation für die Glaubenslehre. […] Seit 2001 hat die Glaubenskongregation schon 6000 Fälle bearbeitet. Trotzdem gibt es einen erheblichen Rückstau – 2000 Vorwürfe konnten bisher nicht überprüft werden. Mit nur 17 festen Mitarbeitern ist die Behörde schlicht überlastet. [….]

Welcher denkende und mitfühlende Mensch möchte da noch gern in der Kirche bleiben?
Christina Fleischmann gehört auch nicht dazu. Zumal sie die strenge Kirchentreue in ihrer Jugend keineswegs genoss, sondern eher darunter litt.

[…..] Oft fühlte ich Beklemmung in der Kirche, diesem großen, kalten Raum mit seinen Heiligenfiguren, die vorwurfsvoll leidend auf mich herabschauten. Auf mich in meinen herausgeputzten Sonntagskleidern. Die Gläubigen saßen steif und andächtig in den unbequemen Holzbänken, zum Orgelspiel leierten sie ihre Lobgesänge, meine Großmutter neben mir besonders laut. […] Sicher prägte die strenge Haltung unseres Dorfpfarrers mein Bild von der katholischen Kirche. Neben ihm immer dieselben beiden Ministranten. […]  Kurz vor der Erstkommunion zählte ich ihm im Beichtstuhl meine Sünden auf, die ich mir vorher zurechtgelegt hatte: Ich habe meinen Bruder geärgert, zu meinen Eltern war ich nicht immer brav. Zur Absolution sollte ich ein paar Vaterunser und Ave Maria beten. Mit dem letzten »Amen« fühlte ich mich von ­einer Last befreit, die ich zuvor nicht gespürt hatte. Den endlos langen Predigten unseres Pfarrers wollte ich nicht folgen, ich fand sie langweilig, weil sie nichts mit meiner kindlichen Welt gemein hatten. Um die Zeit rumzukriegen, blätterte ich im Liederbuch und schaute mir Heiligenbilder an. Diese Gottesdienste hatten nichts Fröhliches, keine Liebe erfüllte den Raum, Lachen oder Klatschen waren verboten, die Schafe hatten zu schweigen und zu lauschen.
So zwang mir die Messe eineinhalb Stunden pro Woche eine Bedeutungsschwere auf, die mich einschüchterte. Ich fühlte mich klein, schlecht, unwohl in meiner Haut. Doch meinen Eltern war es wichtig, sonntags in die Kirche zu gehen. Sie meinten, das gehöre zur guten Erziehung. […]

In dem Essay aus dem vorletzten SZ-Magazin, aus dem ich hier zitiere, geht Fleischmann der Frage nach wieso sie eigentlich immer noch zahlendes Mitglied der RKK ist und es nicht fertig bringt tatsächlich auszutreten.
Für den Artikel machte sie sich auf die Reise, um Pro- und Contra-Argumente einzusammeln.
Hätte sie mich gefragt, den alten Sack, der sich schon einige Jahrzehnte länger mit der Kirche beschäftigt, wäre sie sicherlich nicht ausgerechnet zu Margot Käßmann gegangen, um sich dort den Rat zu holen Kirchenmitglied zu bleiben, damit der „bürokratische und institutionalisierte“ Apparat Kirche von Innen reformiert werde.
Offenbar weiß Fleischmann nicht um die gravierenden intellektuellen Unzulänglichkeiten der Botschafterin des nach Hitler zweitschlimmsten Antisemiten (Luther), die in sagenhafter Einfältigkeit massakrierten, vergewaltigten und vertriebenen Opfern zuruft „Man kann nie tiefer fallen als in Gottes Arme.“

Fleischmanns vom Religionspsychologen Sebastian Murken übernommene Idee einer Pro-und-Contra-Liste Kirche mag schon eher zielführend sein, aber ihre Pro-Seite der Tabelle spricht leider auch für eine zu schwache Durchdringung der Materie.

Pro:
Vermittlung moralischer Ideale
soziales Engagement weltweit
Gemeinschaftsgefühl
Familientradition

Contra:
tatsächlich gelebte Moral
sexueller Missbrauch, Umgang damit
undurchsichtige Strukturen
Männerverein
Unterordnung der Frau
Ablehnung von Sexualität

Die moralischen Ideale mussten allesamt gegen den erbitterten Widerstand der Kirche von Humanisten und Aufklärern erkämpft werden.
Kirchenmoral hingegen sind Sklaverei, Misogynie, drastischer Antisemitismus, Rache, Kinderschlagen, Ungleicheit.
Und wem soziales Engagement wichtig ist, der sollte sein Geld dringend anderen Organisationen geben, denn nirgendwo ist die Quote so mies wie bei den Kirchen, die über 90% des Geldes für sich und ihre eigene Prunksucht behält.

Ich begann mich, wie so oft, schon über diesen zu wenig substantiellen Artikel zu ärgern.

Aber immerhin, mir gefiel die Definition der Punkte, die sie als „Gemeinschaftsgefühl und Familientradition“ subsummiert.
Etwas von dem ich, Darwin sei Dank, verschont blieb.

[…..]  Präverbale Prägung. So erklärt es der Religionspsychologe Sebastian Murken. Noch bevor wir zu sprechen lernen, verbinden wir demnach mit der Kirche vertraute Geräusche, Gerüche und damit ein Gefühl von Heimat. Dagegen anzukämpfen sei schwierig. »Diese Prägung setzt sich tief im Gehirn fest. Sie kann über das Kognitive, die Großhirnrinde, kaum gelöscht werden«, sagt Murken. In jungen Jahren setze sich der Einfluss der Kirche fort: mit Erstkommunion und Firmung, die noch vor der rebellischen Phase der Jugend stattfinden.  Klingt nach systematischer Gehirnwäsche, denke ich. [….]

Präverbale Prägung.
Ein schöner Terminus Technicus, noch dazu alliteriert, den ich gern in meinen Wortschatz übernehme.