Montag, 21. Oktober 2013

Mit Verspätung über den Teich


Die armen US-GOPer bekommen nun die Quittung dafür, daß sie sich während der letzten Jahre von der parlamentarischen Politik verabschiedeten und Teebeutel-getrieben ins Comedy-Fach abglitten.
Inzwischen sind weite Teile der republikanischen Kongressfraktion so radikal rechtsextrem, daß sie sich nun sogar von den noch einigermaßen normal gebliebenen Parteifreunden schreiend abwenden.
Dabei sind selbst die „normalen Republikaner“ nach deutschen Maßstäben schon weit rechts von der CDU. Die fanatischen Teebeutler scheinen aber tatsächlich ihr Blatt überreizt zu haben. Daß sie permanent Staatserpressung begehen, weil sie demokratisch zustande gekommene Gesetze aushebeln wollen, nervt die Amis.
Sie haben keine Lust mehr darauf, daß andauernd das halbe Land gelähmt ist, daß „Gods Own Country“ von einer Etatkrise in die Nächste taumelt.

Wie auch immer das Feilschen um Haushalt und Schuldenobergrenze nun weitergeht: Die Republikaner haben einsehen müssen, dass ihre Taktik der vergangenen Wochen gescheitert ist. [….]
Das Scheitern des republikanischen Plans hat mehrere Ursachen. Die erste ist freilich, dass der Plan schlecht war, weil er sich kaum anders denn als Erpressung deuten ließ. Wie schon bei einer ähnlichen Eskalation in den Neunzigerjahren werden der Streit und seine Folgen jetzt überwiegend den Republikanern angelastet.
Sieben von zehn Amerikanern erklären in einer Umfrage des Senders NBC, die Republikaner stellten ihre Agenda vor das Wohl des Landes. Das Institut Gallup hat jüngst eine Zustimmungsrate für die Republikaner von 28 Prozent ermittelt - der niedrigste Wert in der Geschichte dieser Erhebung.
Grund zwei: Das Erscheinungsbild der so genannten Grand Old Party hat jüngst stark gelitten, war gezeichnet von Zwietracht und gegenseitigen Vorwürfen, vor allem zwischen den Gemäßigten und dem rechten Rand. Der Hardliner-Senator Ted Cruz spielte den Ersatz-Parteichef im Kampf gegen Obama, gewann aber nicht einmal in der eigenen Partei Sympathie. [….]

Muß man sich jetzt etwa Sorgen machen?
Wird es die schöne Tea-Party bald gar nicht mehr geben?

Man denkt unwillkürlich die FDP, die es auch einst mit radikalem Geschrei zu Spitzenzustimmungswerten brachte und schließlich so sehr zum Anus der Politik wurde, daß sie ganz aus dem Parlament verschwand.
Droht den Teebeuteln auch das parlamentarische Aus?

Um den vorzubeugen, lagert die GOP nun ihre „Ideen“ nach Deutschland aus lebt in der FDP-Jugendorganisation „Julis“ weiter. Irgendwann schwappt eben jede US-amerikanische Idee über den Teich rüber nach Deutschland.

Nun also Lasse Becker. Nachdem in der FDP seit der Bundestagswahl alle möglichen Personen an der Spitze zurückgetreten sind, wird auch der Vorsitzende der Jungen Liberalen (Julis) seinen Stuhl räumen. [….]  Hinter dem Verzicht des 30-Jährigen steckt mehr. Da gibt es private Gründe. Alte Scharmützel mit Gegnern. Und die Tatsache, dass sich bei den Julis eine sehr konservative, sehr wirtschaftsliberale, teilweise fast libertäre Strömung derzeit immer mehr Gehör verschafft. Mancher besorgte Liberale in der FDP-Spitze denkt dabei leise schon an eine Stimmung, wie sie in den USA die erzkonservative Tea Party verbreitet. Kein gutes Omen für den designierten Chef Christian Lindner.
[….]  Eine offenbar wachsende Truppe liebäugelt oder kämpft offen für scharfe Positionierungen. Ihre Zielrichtung: Wir sind nicht für Freiheit zu etwas, sondern für eine Freiheit von etwas. Freiheit vom Staat, von Verantwortung. Das schlägt sich nieder in Rufen nach einem harten Kurs beim Euro, einem Nein zum Mindestlohn oder zu Anträgen auf Juli-Treffen, die das 'Homeschooling' propagieren, also den Bruch mit der Schulpflicht. Dahinter steht die Überzeugung, dass alles am besten läuft, wenn sich der Staat raushält und jeder sich vor allem um sich selbst kümmert.
 (Stefan Braun, SZ vom 21.10.2013)