Dienstag, 12. Dezember 2023

Ukraine im Pech

Militärische Prognosen sind immer schwierig; insbesondere wenn sie die Zukunft betreffen. Da auch echte Militärexperten und hochrangige Offiziere mit sagenhaften Fehleinschätzungen an die Medien gehen, erspare ich mir meine eigenen Laienprognosen. Besser als Brigadegeneral a. D. Erich Emmerich Hugo Vad (*1957), (von 2006 bis 2013 Gruppenleiter im Bundeskanzleramt, Sekretär des Bundessicherheitsrates und militärpolitischer Berater der Bundeskanzlerin Merkel), kenne ich mich sicher nicht aus und der lag nicht nur mit allen Prognosen falsch, sondern schwurbelt nun mit Sahra Sarrazin und Alice Schwarzer.

A posteriori läßt sich allerdings sicher einiges feststellen. Die vor einem knappen Jahr angekündigte und vorab bejubelte Ukrainische Offensive, die Russland vom Ukrainischen Staatsgebiet verjagen werde, weil Putin die Soldaten und die Moral ausginge, war offensichtlich ein totaler Flop.

[….] Die ukrainische Offensive hat ihre Ziele deutlich verfehlt. Die politische Führung in Kiew zeigt sich selbstkritisch und formuliert klare Erwartungen an das Militär. [….] Die ukrainische Offensive blieb ohne durchschlagenden Erfolg. Die Gründe dafür sind vielschichtig. Im Westen wurde viel und lange diskutiert. Ob, welche und wie viele Waffen geliefert werden können. Auf Zusagen folgten keine sofortigen Lieferungen.

Fakt ist: Das gab Russland ausreichend Zeit, eigene Stellungen auszubauen, massive Minenfelder anzulegen. Die Erwartungen an die ukrainische Offensive waren nach Ansicht vieler Militärexperten überhöht. [….] Fakt ist auch: Die Ukraine selbst hat eindeutig mehr erwartet. Daraus macht niemand mehr ein Geheimnis. Walerij Saluschnyj, Oberkommandierender der ukrainischen Streitkräfte, gesteht in einem viel diskutierten Beitrag für den britischen "Economist" Fehler ein, spricht von einem drohenden Patt und zieht Vergleiche zum Ersten Weltkrieg. [….]

(Vassili Golod, ARD, Kiew, 18.11.2023)

Apropos Vassili Golod; ich empfehle dringend den Internationalen Frühschoppen vom 10.12.2023.

Der letzte Zuschaueranruf brachte auf den Punkt, was ich schon lange sage: Wieso wird so eine wichtige Informationssendung im Phoenix-Morgenprogramm bei homöopathischen Einschaltquoten versteckt, statt das zur Anne Will-Primetime in der ARD auszustrahlen?

Aber die bräsigen deutschen Talker holen sich lieber Wagenknecht, Chrupalla und Precht ins Studio, wenn ein Millionenpublikum zusieht.

Über „den Westen“ kann man nur staunen. Mit der hundertfachen Wirtschaftskraft, der russischen Munitionslieferanten Nordkorea und Iran, schafft er es nicht, auch nur ansatzweise genügend Artilleriegeschosse herzustellen.

[….] Die EU wird zugesicherte Rüstungsexporte an die Ukraine wohl nicht einhalten können. [….] Seit Beginn der Invasion der Ukraine durch Russland hat die ukrainische Armee täglich Tausende Artilleriegeschosse abgefeuert und damit die Vorräte schneller verbraucht, als die Verbündeten sie hätten produzieren können. Man zweifelt auf ukrainischer Seite gegenwärtig am Versprechen der EU, die Armee des Landes innerhalb der kommenden fünf Monate mit der Lieferung von insgesamt einer Million neuen Artilleriegeschossen zu unterstützen.  Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba betonte gegenüber der Online-Zeitung Ukrainska Pravda, die EU werde es „aufgrund des Zustands der Rüstungsproduktion und bürokratischen Hindernissen“ nicht schaffen, die zuvor versprochenen Artilleriegeschütze bis Ende März 2024 an die Ukraine auszuliefern. Einen mangelnden politischen Willen seitens der EU sieht Kuleba hierfür nicht als Grund – sondern vielmehr den „bedauernswerten Zustand der Rüstungsindustrie“. [….] Die vereinbarten Waffenlieferungen seitens der EU an die Ukraine gehen auf Vereinbarungen vom März dieses Jahres zurück. Damals sicherte die EU der Ukraine zu, das Land für einen Zeitraum von zwölf Monaten mit der Lieferung von Artillerie zu unterstützen. Durchgeführt werden sollte dies durch gemeinsame Beschaffungsverträge und den Rückgriff auf bereits vorhandene Munitionsbestände. [….] Verteidigungsminister Boris Pistorius stellte derweil infrage, ob das Ziel, das sich die EU mit der Unterstützung der Ukraine durch Waffenlieferungen gesetzt hatte, jemals realistisch war. „Die eine Million werden nicht erreicht. Davon muss man ausgehen“, sagte der SPD-Politiker bei einem EU-Verteidigungsministertreffen am Dienstag in Brüssel. Grund seien unzureichende Produktionskapazitäten. Deutschland habe mit dem Abschluss von Rahmenverträgen einen großen Teil dazu beigetragen, dass die Kapazitäten vergrößert werden können, erklärte Pistorius. Die Produktionsprozesse seien aber „wie sie sind“. [….] Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell betonte, das Problem sei seiner Auffassung nach nicht die Industriekapazitäten. [….] Nach seinen Angaben konnten bislang erst etwa 300.000 der in Aussicht gestellten Artilleriegranaten geliefert werden.  [….]

(FR, 15.11.2023)

Dadurch kann die Ukraine an der Ostfront jetzt nicht mehr zurück schießen.  Russland produziert inzwischen die siebenfache Munitionsmenge des gesamten Westens. Putin fertigt im Dreischichtensystem rund um die Uhr, stampft neue Munitionsfabriken aus dem Boden. Die Ukraine hat die G7 und NATO im Rücken. Aber wir als Westen sind offenbar generell verblödet. Alle zusammen schaffen es nicht, auch nur ein Siebtel der Granaten zu produzieren, wie das so isolierte, angeblich kurz vorm ökonomischen Kollaps stehende Russland. Putin braucht Trumps Wahlsieg vielleicht gar nicht. Wir, die  EU und die NATO, sind lächerliche Witzfiguren.

Wenn Putin die Ukraine massakriert hat, kann er gleich weiter bis nach Berlin marschieren. Die Rumpelbundeswehr kann ohnehin keine Gegenwehr mehr leisten, weil alle Waffen schon in der Ukraine geschrottet wurden. Nach 36 Stunden Krieg ist die deutsche Munition aufgebraucht. Mehr haben wir nicht.

Wir können leider auch nicht aufrüsten können, weil unser Beschaffungswesen dafür zu bürokratisch ist. Der Bundeswehr-Wumms ist schon verpufft. Es ist Deutschland hier. Dann werden wir Teil von Großrußland. Sahra Sarrazin und die AfD wird es freuen. Und Lindi auch, weil wir wenigstens die Schuldenbremse eingehalten haben.

[….] Die Ukraine steht vor dramatisch schweren Kriegsmonaten. Die Armeeführung erwartet eine neue Welle von russischen Terrorangriffen gegen die Zivilbevölkerung und die Energieversorgung. Diese Schläge könnten jeden Tag beginnen, warnt Luftwaffensprecher Jurij Ihnat. Präsident Wolodymyr Selenskyj sagt eine neue düstere Phase des Krieges voraus. Die ukrainische Gegenoffensive ist weitgehend gescheitert, es fehlt an Waffen, Munition und Geld. [….] 1. Russland verfügt über einen großen Raketenvorrat.  Russland hat in den vergangenen Monaten gezielt Marschflugkörper zurückgehalten und einen großen Raketenvorrat aufgebaut, mit dem es die Ukraine im Winter „in Dunkelheit und Kälte schießen will“, sagt Nato-Chef Stoltenberg. Nach Schätzungen westlicher Geheimdienste verfügt die Armee über mindestens 900 Marschflugkörper und hochpräzise strategische Raketen, mit denen gezielt Energieinfrastruktur zerstört werden kann; monatlich kommen knapp hundert Raketen hinzu. [….] Zum Arsenal gehören auch tausende Drohnen. Der Iran hat Putin mindestens 3000 Shahid-Drohnen geliefert, die eine wichtige Rolle bei den Luftangriffen spielen: Das relativ billige, aber effiziente Waffensystem bindet die ukrainische Luftabwehr, im gestaffelten Einsatz folgen dann Marschflugkörper. [….]

2. Russland hat die Produktion von Munition hochgefahren

[….] Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un liefert nach einem Treffen mit Putin Nachschub: Nach Angaben des südkoreanischen Geheimdienstes trafen innerhalb von zwei Monaten in Russland eine Million Artillerie-Granaten ein. Damit schickt Kim kurzfristig so viel, wie die Europäische Union für ein ganzes Jahr versprochen hat, aber ziemlich sicher nicht liefern kann: Im März wird abgerechnet, aktuell hat die EU nur rund 300.000 Schuss bereitgestellt. [….] 3. Russland hat trotz hoher Verluste viel mehr Soldaten [….]

4. Russlands Kriegswirtschaft läuft auf Hochtouren

Russland hat seinen Verteidigungsetat für nächstes Jahr massiv auf 112 Milliarden Dollar erhöht, ins Militär gehen jetzt fast 40 Prozent der Staatsausgaben. „Russland hat den militärisch-industriellen Komplex ausgebaut, um einen Zermürbungskrieg zu gewinnen“, sagt Gustav Gressel vom Think-Tank European Council on Foreign Relations (ECFR) in Berlin. Es könne diesen Krieg bis 2027 fortsetzen und auch eine Verlängerung vorbereiten. [….]

5. Die westlichen Sanktionen gegen Russland sind zu löchrig [….]Im ersten Kriegsjahr nahm Russland umgerechnet fast 550 Milliarden Euro aus dem Export vor allem von Öl und Gas ein, dieses Jahr dürften die Erlöse bei 460 Milliarden Dollar liegen – immer noch ein Mehrfaches der jährlichen Kriegskosten. […..]

(Christian Kerl, FUNKE, 6. Dezember 2023)

Die Presseberichte, auch in den Medien, die am lautesten für die unbedingte militärische Unterstützung der Ukraine trommelten, häufen sich. Offensichtlich geht dem Westen der Optimismus aus.

[….]  Russlands neue Stärke auf dem Schlachtfeld

Fast auf den Tag genau ein Jahr ist es her, dass Wolodymyr Selenskyj sich seinem Ziel nahe wähnte. Gerade erst hatten seine Streitkräfte zwei Offensiven erfolgreich zu Ende gebracht, die Großstadt Cherson vom Aggressor Russland befreit. Dies sei, so sagte der ukrainische Präsident, der »Anfang vom Ende«  des Krieges.

Einen Winter später ist die Hoffnung Ernüchterung gewichen. Die neue ukrainische Gegenoffensive blieb aus einer Vielzahl von Gründen selbst hinter den pessimistischsten Erwartungen zurück. Inzwischen sieht es gar danach aus, dass die Russen sich anschicken, wieder das Schlachtfeld zu dominieren.

»Die Russen haben wahrscheinlich Offensivoperationen in mehreren Abschnitten der Front begonnen«, schreibt das Institute for the Study of War  (ISW). »Damit wollen sie die Initiative vor den Präsidentschaftswahlen im März 2024 ergreifen und behalten.« Auch wenn sich die Russen mit dem Ende der Schlammsaison die komplizierteste Jahreszeit für solche Aktionen ausgesucht haben, nannte der ukrainische General Oleksandr Syrskyj die Lage an der Front »schwierig«.

Die Ukrainer sind aktuell von der langen und intensiven Gegenoffensive erschöpft. […]

(SPON, 12.12.2023)