Mittwoch, 24. April 2019

In der christlichen Blase


Nach 20 Jahren hat mein Zeitungszusteller gewechselt.
Der Neue  ist leider nicht so Uhrwerk-zuverlässig und wirft mir schon mal eine „WELT“ statt des Abendblattes oder eine „FAZ“ statt der SZ auf die Fußmatte.
Einmal hatte ich sogar schon die BILD statt der MoPo.

Das war übrigens eine schockierende Erfahrung. Man ahnt ja welch großer Mist die BILD ist, stolpert im Netz immer mal wieder über BILD-Schlagzeilen.
Aber so eine ganze Zeitung zu „lesen“ und sich dabei vorzustellen, daß Millionen Menschen das täglich tun, verursacht augenblicklich schwere Depressionen. Das ist purer Dreck mit Hetze.

Jedenfalls merkte ich mal wieder wie wichtig mir die gedruckte Süddeutsche Zeitung ist.
Die Gatekeeper-Funktion ist durch den ganzen unwichtigen Mist, der uns via Notebook und Klugtelefon überflutet, wichtiger denn je.
Wer einmal am Tag die SZ liest, hat einen seriösen Überblick des Weltgeschehens mit dem genau richtigen Maß an Hintergrundinformationen.
Feuilleton, Kultur, Wissenschaft, Politik, Wirtschaft – alle Ressorts sind kompetent besetzt und vertrauenswürdig. Das Sport-Ressort kann ich natürlich nicht beurteilen, weil ich daraus noch nie einen Artikel gelesen habe.

Wenn bloß Matthias Drobinski nicht wäre, der als frommer SZ-Katholik alle Kirchenthemen beackert und im stets gleichen latent larmoyanten Ton leise Kritik übt, die Kirchenferne der Menschen beklagt und ansonsten unerträglich ausgewogen nacherzählt was so los ist.
Es gibt nie einen provokanten Satz, nie eine steile These, nie eine scharfe Formulierung und natürlich würde ihm nie, nie, nie, nie in den Sinn kommen etwas Positives in Kirchenaustritten zu sehen.

Nach den Anschlägen von Sri Lanka, erschien in der SZ nach Ostern natürlich ein ausführlicher Meinungs-Artikel von dem frommen Redakteur.

Drobinski ist kein Rechtsradikaler, der wie David Berger bösartige Attacken gegen die Muslime loslassen würde.
Er ist natürlich auch kein Spinner wie die amerikanischen Evangelikalen, die Kirchenanschläge und Erdbeben mit der Homoehe erklären.

Nein, Drobinski ist schon aufgeklärt und schreibt nichts, wovon man graue Haare bekäme.
Seine Artikel plätschern dahin und man liest sie garantiert ohne Erkenntnisgewinn zu Ende, ohne daß ein einziger zusätzlicher Neurotransmitter in die Hirn-Synapsen gelangt.
Ich bin meistens sogar enttäuscht, daß ich mich noch nicht mal ärgern kann, wenn ich seine Konvolute quer lese.
Man wird nur sanft vom religiös-liberalen pseudosachlichen Ton eingeschläfert und kann gerade noch denken, „dieser Text wäre der fröhlichen-rheinischen Spaßkatholikin Nahles aber zu traurig“.
Liest man einen Drobinski-Kommentar allerdings ein zweites mal und versucht sich genau vorzustellen was mit den Worthülsen gemeint sein könnte, packt einen allerdings doch sowas wie Zorn. Nun produziert der Körper doch ein paar Cortisol- und Noradrenalin-Moleküle.

[…..] Christen im Visier.
Die Attentäter von Sri Lanka haben den Tag des Mordens - das Osterfest - mit zynischer Berechnung gewählt.
[Und wir alle wissen wie viel sympathischer massenmordende Attentäter sind, die wenigstens nichts zynisch agieren]
 Wer betende Menschen umbringt, hat die Menschlichkeit insgesamt im Visier.
[Halb so schlimm ist es hingegen schlafende oder essende Menschen umzubringen]
Besser - in einem ebenso zynischen wie makaberen Sinn - hätten die angeblich islamistischen Attentäter in Sri Lanka ihre Mordtaten nicht planen können. Sie schlugen zu, als die Christen dort Ostern feierten, das Fest der Auferstehung und der Hoffnung darauf, dass Tod und Leid, Hass, Gewalt und Ungerechtigkeit nicht das letzte Wort in der Geschichte haben werden.
[Ob das christliche Versprechen, die Hoffnung auf das Leben nach dem Tod sich erfüllt, werden die Ermordeten bald erfahren?] Die Gewalt gegen die Betenden ist der nihilistische Gegenentwurf zu diesem Osterglauben.
[Gegenentwurf? Gott ließ doch sogar seinen eigenen Sohn qualvoll töten und zeigt bis heute weltweit Abbilder von dessen blutenden, gefolterten Gestalt. Wenn das nicht nihilistisch ist!]
Und die Täter haben bewusst und unter Beachtung der Gesetze der weltweiten Medienaufmerksamkeit die Christen im Land zum Ziel gewählt.
[Donnerschlach! Terroristen wollen Aufmerksamkeit erregen? Das gab es ja noch nie!] […..] Es vergeht kaum noch eines der Hauptfeste der Christenheit, ohne dass von irgendwoher Gewalt und Terror gegen Christen und ihre Kirchen gemeldet wird. [So viel zum Gottvertrauen!] […..]
Wer betende Menschen ermordet, hat die Menschlichkeit insgesamt im Visier; und dort, wo die Religionsfreiheit getreten wird, geht es meist auch den anderen Menschenrechten schlecht. [Deswegen mussten Religionsfreiheit und Menschenrechte auch über 200 Jahre gegen den erbitterten Widerstand der Christen; insbesondere der Katholiken und Päpste erkämpft werden]
Papst Franziskus, der Erschütterte, hat am Ostersonntag deshalb die richtige Antwort auf die Ermordung der Betenden gegeben: Er hat gebetet, für alle Menschen. [Endlich mal etwas ganz Neues vom Papst! Die Gebete haben sich ja als beste Waffe gegen Terror erwiesen. Ebenso wie nur „thoughts and prayers“ gegen die Schulmassaker in den USA wirken.]
Ja, Polizisten und Ermittler müssen ihre Arbeit tun, und auch in Deutschland ist ein hartes Nein nötig zu jedem aggressiven religiösen Fundamentalismus, der dem Nicht- und Andersgläubigen das Existenzrecht bestreitet.
[Deswegen muss die Macht der katholischen Kirchen massiv eingeschränkt werden.] […..]