Heribert
Prantl besuchte für zwei Tage Sebastian Edathy im Exil und schilderte
eindrücklich wie vollständig dessen Leben in finanzieller, politischer, beruflicher und psychologischer
Hinsicht zerstört ist.
Daß der
Mann nicht vorbestraft ist, eben gerade kein strafrechtlich relevantes Material
ansah, spielt keine Rolle.
Bilder nackter
Jungs anzusehen führt zu gesellschaftlich maximaler Ächtung.
„Der
Pädophile“ wird ewig an Edathy kleben, obwohl der Begriff in seinem Fall ganz
falsch ist.
Pädophilie ist aber das sexuelle Interesse an vorpubertären
Kindern - unabhängig vom Geschlecht. Es gibt homo-, hetero- und bisexuelle
Pädophile; letztere sind aber deutlich seltener als die ersten beiden.
Bezieht sich
der Sexualtrieb auf vorpubertäre Jungs spricht man von Androphilie; sind Mädchen vor der Geschlechtsreife Objekt der
Begierde, handelt es sich um Gynäkophilie.
Tatsächlich
sind übergriffige Sexpastoren aber meistens ephebophil - also sexuell an männlichen Pubertierenden und
Heranwachsenden interessiert.
Seltener kommt
bei Priestern Parthenophilie vor,
also sexuelles Interesse an weiblichen Jugendlichen.
Der Begriff
pädophil wird sehr häufig falsch verwendet und ist zudem den Opfern gegenüber
beleidigend, da das Wort „Philos“, also Liebe, den falschen Eindruck einer
positiven, gegenseitigen Angelegenheit erweckt.
Der
angebrachtere Oberbegriff lautet also „Pädosexualität“.
Pädosexualität ist in der Regel nicht der
ausschließliche Aspekt der Sexualität eines Mannes. In mehreren
phallometrischen Studien konnte nachgewiesen werden, dass ein hoher Prozentsatz
erwachsener Männer durch präpubertäre Stimuli sexuell erregt wurde. So kam
Wolfgang Berner in entsprechenden Studien auf einen Anteil von 25 %.
Im Unterschied zu Pädophilen jedoch interessieren sie
sich sexuell in erster Linie für Erwachsene. Ebenso sind Pädophile teils auch
durch Erwachsene stimulierbar, interessieren sich aber in erster Linie für
Kinder.
(Wolfgang Berner: Pedophilic Sexual Orientation: A Fuzzy Expression. Archivies of
Sexual Behavior, 31)
Männliche
Homosexualität ist also etwas ganz anderes als Androphilie (vulgo: Pädophilie)
und auch etwas anderes als Ephebophilie - allerdings schließen sich diese
Veranlagungen nicht gegenseitig aus.
Das gilt genau
entsprechend bei Heterosexualität, die etwas anderes als Gynäkophilie und etwas
anderes als Parthenophilie ist. Einige Heterosexuelle haben aber zusätzlich
auch gynäkophile und/oder parenthophile Neigungen. (……………………….)
Ein
bißchen wundere ich mich schon, wie extrem im Fall Edathy der Hass auch noch
über zwei Jahre später ausgekübelt wird.
Klar wird
er Gegenstand von Witzen bei Jan Böhmermann; das ist für einen bekannten
Politiker das klassische Berufsrisiko, aber das Ausmaß des Nachtretens verwundert.
Solange er aber zu
einer ehrlichen Aufarbeitung der Affäre nicht bereit ist, fällt es schwer,
Mitleid zu haben.
Das ist
eine sehr persönliche, gefühlige Sichtweise des Spiegel-Autors, die aber mit
Fakten nichts zu tun hat.
Mitleid
ist auch ein „Gefühl“, das also von einem anderen gewährt wird und nicht an
Bedingungen geknüpft ist. Mitleid „verdient“ man sich nicht, es ist eine
unabhängig von dem zu Bemitleideten empfundene Regung.
Mitleid
oder Mitleidlosigkeit ist eine Angelegenheit des Betrachters. Als vor 100
Jahren die Hamburger zur „Völkerschau“ in den Hamburger Tierpark gingen, um
sich eingepferchte Menschen aus Afrika anzusehen empfanden sie kein Mitleid für aus heutiger Sicht bemitleidenswerte Menschen.
Noch
heute empfindet die große Mehrheit der Deutschen offensichtlich kein Mitleid
mit den 20.000 jeden Tag verhungernden Kindern auf der Welt, oder den 60
Millionen geschredderten Küken, oder den Obdachlosen auf der Straße.
Einige
wenige empfinden hingegen so starkes Mitleid, daß sie ihr Verhalten radikal
ändern.
Um es
klar zu sagen: Mir tut Edathy leid, so wie mir auch Saddam im Erdloch leid tat,
als er dann bei der Hinrichtung gefoltert wurde, obwohl er es „nicht verdient“
hatte.
Ich kann aber an meinen Empfindungen nichts
ändern. Menschen/Tiere in schlimmen Situationen tun mir Leid.
Andere
empfinden für anderes Mitleid. Völlig OK.
Auch
wenn man mich dafür hassen und der gefährlichen Relativierung schelten wird, so
kann ich mir die Bemerkung nicht verkneifen, daß andere bekannte Menschen sehr
viel Schlimmeres als Edathy taten.
Die
Causa Ratzinger halte ich für erheblich dramatischer.
Hier
ging es nicht um das Betrachten von Bildern, die mutmaßlich „nur“ Nacktheit und
keine sexuellen Handlungen zeigten, sondern es ging um hundertfachen oder tausendfachen
sexuellen Missbrauch seiner Priester.
Ratzinger
sorgte als Glaubenspräfekt aktiv dafür, daß Menschen, die Jungs gequält,
geprügelt, vergewaltigt, penetriert hatten, nicht polizeilich verfolgt wurden,
sondern weiter machen konnten, daß ihnen sogar von der Kirchenleitung aktiv
neue Opfer zugeführt wurden.
Warum
sitzen Ratzinger und sein cholerisch prügelnder Bruder nicht verarmt und anonym
in einer schäbigen arabischen Exilwohnung und bedauern ihr Schicksal?
Ratzinger
machte einen gewissen Bischof Müller, der selbst dafür sorgte, daß ein
Sexualstraftäter erneut Jungs vergewaltigen konnte und darüber hinaus auch noch
die Opferfamilie bedrohte, demonstrativ zum neuen Präfekten der
Glaubenskongregation.
Müller,
inzwischen von Franzl zum Kardinal erhoben, ist nun derjenige, der dafür sorgt,
daß Ratzis Bruder für seine Jahrzehnte andauernden gewalttätigen Übergriffe und
seine mutmaßliche Mitwisserschaft an sexuellen Übergriffen bei den Regensburger
Domspatzen, straflos bleibt.
Nein,
natürlich macht das Edathy nicht sympathischer, aber wieso konzentriert sich
das journalistische Hassfeuer nach wie vor so auf ihn, während allgemein
wohlwollend über den Katholikentag in Leipzig geschrieben wird?
Bundespräsidenten
geben sich dort die Klinke in die Hand und niemand fühlt sich bemüßigt die
Verbrechen der RKK-Führung überhaupt zu erwähnen.