Lange Nacht gehabt, viele Informationen und Reaktionen
liegen quer im Magen.
Frankreich erfuhr viele Worte des Mitgefühls und der
Solidarität.
Und wer würde nicht „mitfühlen“ bei den sagenhaften
Grausamkeiten, die sich gestern im Bataclan abspielten?
Schaltet man aber die moralische und emotionale Ebene
aus, erkennt man wie effektiv der IS agiert.
Mit einem Minimum an Aufwand, lediglich acht Menschen
und ein paar AK47s, wird die gesamte westliche Welt völlig durchgeschüttelt.
Natürlich sind die Anschläge von Freitag, dem 13. aus Sicht
der Terroristen ein enormer „Erfolg“ – insbesondere, wenn man dagegen setzt wie
viele zig Milliarden Dollar „der Westen“ im Kampf gegen „den Islamismus“
ausgibt und damit im Grunde nichts erreicht.
Der IS ist stärker denn je.
Wir, der Westen, sehen langsam unser gewaltiges
Dilemma ein:
Im Gegensatz zu fanatisierten Möchtegern-Märtyrern, die auf ihre 72 Jungfrauen und ein Dasein im Paradies vertrauen, hängen wir an unserem diesseitigen Leben und verspüren den überwältigenden Drang in totaler Sicherheit vor Terrorismus zu leben. Aber genau diese totale Sicherheit kann es gar nicht mehr geben.
Im Gegensatz zu fanatisierten Möchtegern-Märtyrern, die auf ihre 72 Jungfrauen und ein Dasein im Paradies vertrauen, hängen wir an unserem diesseitigen Leben und verspüren den überwältigenden Drang in totaler Sicherheit vor Terrorismus zu leben. Aber genau diese totale Sicherheit kann es gar nicht mehr geben.
Was also tun?
Für viele GOPer, Front Nationaler und andere rechte
Irre liegt der Rachegedanke nahe. Ein antizivilisatorisches Verhaltensmuster,
das Bibi Netanjahu mit seinen vielen „Vergeltungsaktionen“ längst zur
offiziellen Politik gemacht hat und damit eindrucksvoll die völlige
Sinnlosigkeit und Kontraproduktivität dessen bewies.
Selbst in der George W. Bush-Administration konnte
sich der durchaus ernsthaft diskutierte Vorschlag die Kaaba in Mekka weg zu bomben
nicht durchsetzen.
Sarah Palin plädierte einst pro Todesstrafe für Selbstmordattentäter.
Es ist unbekannt, ob sie die Dummheit ihres Vorschlages inzwischen begriffen
hat, aber das Dilemma ist klar: Wenn man auf Selbstmordanschläge mit
Racheaktionen reagiert, trifft man notwendigerweise immer Unschuldige, da die
eigentlichen Täter bereits tot sind. Die Lage eskaliert nur immer weiter und
somit hilft man der Todesideologie des IS sogar noch.
Die terroristische Gefahr ist nicht abzustellen.
Man kann keinen „war on Terror“ führen, weil Terror
der Krieg derjenigen ist, die sich nicht solche Militärmaschinen wie der Westen
leisten können.
"Der Terrorismus, der im furchtbaren 11. September kulminierte, ist
ein Krieg der Armen gegen die Reichen. Der Krieg ist ein Terrorismus der
Reichen gegen die Armen."
(Peter Ustinov)
So lange die Reichen die Armen der Welt systematisch
ausbeuten, ihnen Waffen verkaufen und militärisch intervenieren, wird es Terror
geben.
Ob wir es „asymmetrischer Krieg“ oder „Guerilla-Taktik“
nennen – gegen diese Art der Kriegsführung, in der eine Seite dem eigenen Leben
keine Bedeutung mehr beimisst, ist keine noch so hochgerüstete westliche Armee
gewachsen.
Wir scheitern in Afghanistan, dem Irak, Syrien,
Libyen, Mali und Somalia.
Das Nichtfunktionieren des Drohnenkrieges ist
eindrucksvoll bewiesen.
Wenn es nicht so traurig wäre, könnte man über die Plagiatorin
von der Leyen lachen, daß sie nun auch ein großes Kampfdrohnenprojekt für Deutschland
gestartet hat. Das sind ja mal sinnig ausgegebene Milliarden.
Wir können lediglich mittelbar gegen islamistischen
Terror vorgehen. Dazu gehört, daß wir nicht gerade immer mehr Waffen mitten in
die Krisengebiete exportieren; so wie es derzeit geschieht.
Und wir könnten vor der eigenen Tür kehren; unsere
sozialpolitischen und edukativen Hausaufgaben machen:
Abertausende IS-Kämpfer stammen aus Westeuropa und der USA.
Abertausende IS-Kämpfer stammen aus Westeuropa und der USA.
Das sind also „im Westen“ aufgewachsene Kinder, die
unsere Schulen absolviert haben, „unsere Werte“ kennenlernten und denen ihr
Leben so abgrundtief perspektivlos erschien, daß sie sich zum kollektiven
Morden in die Levante begaben.
Da ist etwas katastrophal schief gelaufen.
Nicht weniger katastrophal ist das tausend-fache
Abgleiten europäischer Jugendlicher in den militanten Rechtsextremismus.
Wieso sind in Deutschland immer noch die Schulen
personell so sagenhaft unterversorgt, daß sehenden Auges kleine NPD-Fans
produziert werden, die ungeniert ihrer Hitler-Verehrung frönen, ohne daß
rechtzeitig eingegriffen wird?
Wie kann es angehen, daß sogar eine völlig kontraproduktive Maßnahme wie die Verdummungsprämie an Eltern ausgezahlt wird, wenn sie ihre Kinder von Bildung und sozialer Entwicklung fernhalten?
Wer so eine Politik betreibt – in diesem Fall also auch CDU und SPD, die den CSU-Unsinn abnickten – macht sich mitschuldig an der Zunahme rechtsradikaler Anschläge und abgedrifteten IS-Fans.
Wie kann es angehen, daß sogar eine völlig kontraproduktive Maßnahme wie die Verdummungsprämie an Eltern ausgezahlt wird, wenn sie ihre Kinder von Bildung und sozialer Entwicklung fernhalten?
Wer so eine Politik betreibt – in diesem Fall also auch CDU und SPD, die den CSU-Unsinn abnickten – macht sich mitschuldig an der Zunahme rechtsradikaler Anschläge und abgedrifteten IS-Fans.
Schließlich sollten wir im Moment alle unsere Worte
sorgsam abwägen.
Niemand ist religionskritischer als ich, aber in
dieser superaufgeheizten Stimmung ist es nicht sinnvoll mit pauschalem
Islam-Bashing AfD, CSU und PEGIDA stark zu machen.
Nur wenige Stunden nach den Terroranschlägen in Paris hat sich die
Organisation „Islamischer Staat“ in einem Video an einen Teil der deutschen
Bevölkerung gewandt. In dem kurzen Clip, der in sozialen Netzwerken verbreitet
wurde, bedanken sich mehrere schwer bewaffnete und vermummte Gestalten bei der
AfD, den Pegida-Demonstranten und allen anderen „besorgten Bürgern auf Facebook
und an den Stammtischen.“
Wir sollten stattdessen aufklären und die Menschen ganz im Sinne Helmut Schmidts über die Rolle der
Religionen insgesamt informieren.
Wir müssen Druck auf unsere Kanzlerin und unsere
Bundestagsabgeordneten ausüben, daß Brandstifter wie Wolfgang Schäuble, Markus
Söder und Horst Seehofer in ihre Schranken gewiesen werden.
Diese Menschen sind Abschaum.
Manche Menschen haben die Nacht durchwacht, aus Sorge, aus Ratlosigkeit und
aus Angst, einzuschlafen und von noch schlimmeren Nachrichten geweckt zu
werden.
Und dann gibt es Menschen wie Markus Söder (CSU) und den
"Welt"-Autor Matthias Matussek. Nie um eine schnelle und simple
Antwort auf jede noch so komplexe Frage verlegen, mit einem untrüglichen
Gespür, jede sich bietende Gelegenheit dafür zu nutzen, die eigene politische
Agenda voranzutreiben.
Ich plädiere dafür vor unserer eigenen Tür zu kehren
und erbärmlichen christlichen Hetzern entgegen zu treten, die wie Matthias Matussek, Horst
Seehofer, Markus Söder oder der so „seriösen“
FAZ nun den Opfern des IS, die vor dem IS zu uns fliehen,
eine Mitschuld für den Tod der Opfer von Paris zuzuschieben.
Gerade CSU-Politiker betreiben eine bemerkenswert
perfide Volksverdummung, wenn sie suggerieren die totalen Kontrollen könnten
Terroristen aus Deutschland fernhalten.
Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer hat nach der Anschlagsserie von
Paris verstärkte Kontrollen an den europäischen Außengrenzen und den nationalen
Grenzen gefordert. "Wir müssen sehr, sehr schnell festlegen, wie das mit
den Grenzkontrollen in Europa und an unseren Binnengrenzen weitergeht", sagte
Seehofer am Rande des Landesparteitags der CDU Sachsen. Das müsse "in
Tagen" geschehen. Es seien dringend zusätzliche Sicherheitsanforderungen
nötig. Dazu gehöre "auch eine stärkere Kontrolle der europäischen Grenzen,
aber auch der nationalen Grenzen", so Seehofer.
(NTV, 14.11.15)
Als es für Terroristen noch viel schwieriger war sich
zu informieren und zu kommunizieren, weil es noch kein Internet gab, als diese
Terroristen noch lange nicht so brutal waren wahllos möglichst viele
Unschuldige zu töten, hatten wir schon einmal total geschlossene Grenzen. Das
war in den 1970er Jahren und wie wir wissen haben sich die RAF-Terroristen
dennoch nahezu ungehindert mit gefälschten Papieren über alle Grenzen bewegt;
reisten quer durch die Welt.
Seehofer und Söder sind widerliche Lügner, die ihr
rechtsradikales Süppchen auf den Rücken der IS-Opfer kochen.
"Und während selbst AfD und Pegida so etwas wie eine Schamfrist
wahren... stoßen Söder und Seehofer noch im weltweiten Luftanhalten schon als
selbsternannte Touretter des Abendlandes ins rechte Horn.
Das ist erbärmlich in so vielen Facetten."
(Jens Oliver Haas)
Noch macht uns das
Entsetzen über die feigen Anschläge von Paris
fassungslos. Noch trauern wir um unschuldige Opfer einer menschenverachtenden
Ideologie, die im Namen eines Gottes mordet, den sie selbst erschaffen hat. Und
schon kriechen sie wieder aus ihren Löchern, die Parolenschwinger, die sich so
erwartbar bestätigt sehen in Ihrem tumben Hass gegen Flüchtlinge. Welch widerwärtige
Verdrehung! Es sind die Terroristen von Paris, vor denen viele aus Syrien und
dem Irak fliehen. [….]
(Georg
Restle)
Das ist das zusätzlich
Elende an so einem furchtbaren Geschehen wie den Attentaten von Paris. Sie
befördern Vorurteile, bei denen, die davon leben, sich ihre Vorurteile bestätigen
zu lassen. Matthias Matussek zum Beispiel, bisher Kolumnist bei Springers Welt,
schreibt herum, dass sich nach Paris jetzt vielleicht die Debatte über eine
viertel Million junger islamischer Männer in Deutschland in eine "ganz
neue frische Richtung" bewegen werde. Und weil er ein Schalksnarr ist, setzt
er einen Smiley dahinter.
Sicher, am Montag
werden die Dresdner Pegidisten ganz bestimmt in diese Richtung schreien, die
nur keine neue, frische ist, sondern ein alte, modrige. Die Pegidisten nämlich
können ihre schon alte Urangst-Parole (die Islamisierung des Abendlandes) mit
der anderen, etwas neueren Urangst-Parole (unter den Flüchtlingen sind viele
Verbrecher, lauter Schmarotzer, jedenfalls Deutschland-Verderber)
zusammenkleben. Ihre Argumentationskette geht so: Wenn Leute, die sich auf den
Islam berufen, Verbrechen begehen, dann sind nicht diese Leute die wirklichen
Verbrecher, sondern möglicherweise alle, die auch dieser Religion angehören.
Mindestens aber ist die Religion selbst eigentlich ein Verbrechen. [….]