Morgen wird
die Bundesregierung genau fünf Monate im Amt sein.
Die
Bilanz ist parteipolitisch mau.
Merkel
wurschtelt, ganz wie gehabt, irgendwie vor sich hin. Gegenwärtig ist sie im
Urlaub, aber das macht für den von ihr regierten Bundesbürger keinen Unterschied.
Man bemerkt sie ohnehin nicht im Kanzleramt, weil sie nie politische
Akzente setzt.
Also
kein Aufbruch nirgends, wie es zu erwarten war.
Und wie
es eine Majorität der Wähler wollte, anderenfalls hätten sie ja Links, oder
Grün oder SPD wählen können.
„Angela Merkel ist
eine Wellenreiterin, und zwar die beste der Welt“
(Peter
Gauweiler,21.07.2018)
Ebenfalls
zu erwarten war der demoskopische Aufschwung des Justiz- und des
Finanzministers. Scholz und Maas sind nun die beliebtesten deutschen Minister,
die Stars des Kabinetts.
Auch
Barley und Giffey machen ihre Sache recht gut, Schulze ist unauffällig und Heil
eine Pfeife. Auch das war absolut absehbar. Ebenso wie die Tatsache, daß
beliebte Sozi-Minister (auch Außenminister Gabriel war zuletzt der beliebteste
deutsche Minister im Kabinett Merkel III) der Partei bei Wahlen nicht das
geringste bißchen helfen.
Die
einzige politische Auffälligkeit bisher war der erbitterte Schwesternkrieg zwischen Merkel und Seehofer.
Die
Kanzlerin gewann nicht nur, sondern sie demütigte die CSU. Seehofer bekam
nichts, außer den bilateralen Abkommen, die er bis Ende Juli abschließen
wollte.
Geschafft hat er gar nichts. Dank der Kanzlerin gibt es aber
jetzt immerhin so ein Abkommen mit Spanien, das die Rücknahme von bis zu zwei
Flüchtlingen pro Tag regelt.
Auch das
ist weniger ein Erfolg der CSU, als eine Verächtlichmachung des Heimatministers
a posteriori.
Dafür
das ganze Theater, das fast die Bundesregierung gesprengt hätte?
Der völlig
verzweifelte Markus Söder, dessen Landtagswahlergebnis derzeit auf 37% geschätzt
wird, lässt sich inzwischen mit Hundewelpen und Katzenbabys inszenieren, um der
demoskopischen Liga der Kotzbrocken zu entkommen.
Kann man
noch tiefer sinken als stolzer Bayern-MP?
Franz
Josef Strauß wird ihm die Ohren kilometerlang ziehen, wenn Söder dereinst zu
ihm hinab in die Hölle steigt.
Natürlich
möchte man als Linker herzlich über ein derartiges CSU-Eigentor lachen; kein
Zweifel, diese Misere haben sie mit ausgeklügelter Planlosigkeit und Doofheit
ganz allein angerührt.
Aber wir
haben kein Zweiparteiensystem mehr, so daß die SPD davon profitiert.
Im Gegenteil, der große Gewinner in Bayern ist die protofaschistoide AfD, die von der CSU aufgeblasen vermutlich stärker als die SPD durchs Ziel kommen wird. Hinter den Grünen, so daß meinen Sozis mit einiger Wahrscheinlichkeit bei der Landtagswahl am 14.10.2018 der vierte Platz blühen wird.
Im Gegenteil, der große Gewinner in Bayern ist die protofaschistoide AfD, die von der CSU aufgeblasen vermutlich stärker als die SPD durchs Ziel kommen wird. Hinter den Grünen, so daß meinen Sozis mit einiger Wahrscheinlichkeit bei der Landtagswahl am 14.10.2018 der vierte Platz blühen wird.
Auch auf
Bundesebene sieht es sehr übel aus, die SPD kratzt an der 18%-Hürde – von unten.
Der Grüne von und zu Guttenberg aus Schleswig-Holstein
stürmt derzeit die Polithitparade. Gut möglich, daß die inzwischen CDU-affinen
Real-Ökopaxe unter Baerbock und Habeck bald die SPD im Bund überholen.
Der linke Flügel der Sozis gibt sich rechtschaffend entsetzt,
ätzt in den sozialen Netzwerken gegen die eigenen Genossen.
„Ihr
wolltet ja die Groko! Ihr wolltet ja Nahles!“
Sie
hingegen hätten es vorher gewußt.
Keine
Groko, sondern Totalopposition wäre der richtige Weg nach dem Schulz-Zugunglück
gewesen.
Wie
immer ist „dagegen sein“ auch jetzt ganz einfach.
Aber
gemach.
Knackig dagegen
ist die Linke, die gar nicht daran denkt sich an Koalitionen im Bund zu
beteiligen.
Mit dem
Effekt, daß sie ebenfalls weiter abgerutscht ist und von der stärksten
Oppositionskraft im Bundestag 2013-2018 nun an letzte Stelle, deutlich hinter CDU, SPD, AfD und Grünen
weggerutscht ist.
Nahles
habe ich immer und kontinuierlich bekämpft, sie hätte nie Fraktions- oder
Bundesparteivorsitzende werden dürfen. Sie beweist seit 25 Jahren ihre
Unfähigkeit und führt nun die Genossen weiter in den Keller hinab, indem sie
sich den rechtsradikalen Ausfällen der CSU nicht entgegenstellte, sich in Talkshows blamiert und nun auch noch
zum Erstaunen der Kernwähler verkündet, es gäbe eigentlich kaum Armut in
Deutschland.
[….]
Mit 631 Euro pro Person, die den beiden
Rentnern zur Verfügung stehen, sind sie nach Auffassung der SPD-Vorsitzenden
Andrea Nahles aber nicht als arm einzustufen. Die ehemalige Arbeits- und
Sozialministerin negiert die sozialwissenschaftliche These, wonach jeder, der
weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens zur Verfügung hat, arm ist. Und
wo keine Armut ist, gibt es [….] offenbar
keinen Handlungsbedarf. [….]
Mit so
einer personellen Besetzung des Willy-Brandt-Hauses muss man sich nicht wundern,
wenn es in den Umfragen bergab geht.
Auch ich
war instinktiv gegen eine neue Groko, habe aber dafür gestimmt, weil es meiner
Ansicht nach das kleinste Übel ist.
Genau
das wurde sogar noch deutlich bestätigt, indem CDU und CSU mit ihrem xenophoben
Streit ihre Verantwortungslosigkeit gezeigt haben.
Diese
Parteien sind nicht verlässlich und auf internationaler Ebene blamabel.
Insbesondere
die von der CSU verantworteten Bereiche dümpeln seit Jahren vor sich hin. Keine
Lösung bei den Dieselmotoren in Sicht, Toll-Collect-Desaster, Breitbandausbau, Straßensanierung
– was auch immer Dobrindt und Scheuer anfassten gerät zum Desaster.
Insbesondere
der ultra-kameraaffine CDU-Rechtsaußen Gesundheitsminister Jens
Spahn zeigte in den letzten fünf Monaten, wieso solche
Leute niemals allein die Macht an sich reißen dürfen.
Darwin
bewahre Deutschland vor dem Tag, an dem Spahn Bundeskanzler wird. Möge ein
starkes sechsköpfiges SPD-Korrektiv ihn stets im Kabinett einhegen.
Ohne die
SPD in der Groko hätten wir nicht nur sechs gute Minister weniger, sondern auch
sechs Typen à la Spahn/Scheuer/Seehofer mehr, die erstens von niemand im
Kabinett mehr gebremst werden könnten und zweitens auch noch parlamentarisch
als Minderheitsregierung auf das Wohlwollen von FDP und AfD angewiesen wäre,
also sogar noch weiter nach rechts außen getrieben würden, als die Spahn und
Seehofer heute schon tönen.
Mit
Grausen denke ich daran, wer dann Deutschland im Ausland vertreten würde.
Spahn? Wer würde die Finanzen hüten? Dobrindt? Wer stünde dem Sozialministerium
vor? Alexander Mitsch? Typen, die dann Armen- und ausländerfeindlich agieren
müßten, um bei der AfD um Stimmen zu buhlen.
Die
Groko ist als parteipolitisch betrachtet für die SPD ein großer Mist, aber
tatsächlich wenn nicht „alternativlos“, so doch die am wenigsten schlimme
Alternative, nachdem die Jamaika-verhandlungen gescheitert waren.
Verhandlungen,
bei denen sich die Grünen immerhin schon so extrem verbogen hatten, daß sie
rechts von der Union landeten und mal eben ein urgrünes Thema wie den
Klimaschutz aufgaben.
Besonders
bedauerlich ist, daß durch die Groko Merkel III die AfD nun an die acht Millionen Wähler hinter sich vereint, wächst und wächst.
Anders
als die zeternden SPD-Linken behaupten, liegt das aber nicht an der Groko an
sich, sondern an der schlechten Arbeit der Groko.
Sie
haben allesamt die Hosen voll, starren paralysiert auf Gauland, springen über
jedes Stöckchen, das die Braunen ihnen hinhalten und machen auch sonst allerlei
Unsinn.
[….]
Es gehört zu den grundsätzlichen Schwächen dieser
Großen Koalition, dass sie Probleme nicht löst, sondern mit Geld zudeckt.
Im Kampf gegen die Altersarmut hat die schwarz-rote Regierung gerade
die milliardenschwere Mütterrente auf den Weg gebracht, deren Wirkung
auf das soziale Gefälle in der Altersversorgung zumindest fragwürdig
ist. Künftig müssen nämlich arme Mütter mit zwei Kindern die Rentenbezüge
wohlhabender Seniorinnen finanzieren, die drei oder mehr Kinder zur
Welt gebracht haben.
Ähnlich teuer, aber noch unsinniger ist das
sogenannte Baukindergeld, mit dem Union
und SPD angeblich etwas gegen die hohen Mieten in Großstädten unternehmen
wollen. Dummerweise rechnet sich die milliardenschwere Subvention
aber vor allem für Bauherren auf dem Land, weshalb Experten nun mit folgendem
Ergebnis rechnen: Während der Zuschuss in den Städten sogar zu höheren
Immobilienpreisen führen könnte, schafft er neuen Wohnraum vor allem
dort, wo er nicht gebraucht wird, in den abgelegenen Regionen der Republik,
in denen schon heute viele Häuser leer stehen.
Widersinniger geht es kaum. [….]
(Michael Sauga, SPIEGEL-Leitartikel 21.07.2018)
Es handelt sich hier um einen tragischen
Führungsmangel der Kanzlerin und eine tragisch schlechte Personalentscheidung
in der SPD-Spitze.
Mit einem pressierenden Willy-Brandt-Haus, einer
vernünftigen Problem-Analyse und einer mutigen Kanzlerin könnte man selbst in
der parteipolitischen Konstellation von 2017, also dieser Groko, diesem
Kabinett Merkel IV einiges erreichen und die AfD klein bekommen.
Die Groko ist nicht grundsätzlich schlecht und könnte
selbst mit diversen Ausfällen in ihren Reihen (Scheuer, Seehofer,..) viel
bewegen.
Es klappt aber nicht wegen der psychologischen Lähmung
und der an der Spitze handelnden Personen.
Personen, die wir auch nach dem Platzen von Jamaika
und durch ein Groko-Nein der SPD ausgelösten Neuwahlen nicht ausgewechselt
bekommen hätten.
Schulz, Nahles, Merkel, Wagenknecht,
Göring-Kirchentag und Lindner wären einfach wieder angetreten. In keiner
Konstellation hätten diese Pfeifen die AfD klein bekommen; leider eben auch
nicht in der Groko, die mit dem Hauptversprechen angetreten war, der AfD
entgegen zu treten und Neuwahlen zu verhindern, bei der die AfD nur noch mehr
gewonnen hätte.
[….]
Inzwischen sind Union und SPD vier Monate im Amt,
doch wer eine nüchterne Bilanz ihrer bisherigen Arbeit zieht, könnte
den Eindruck gewinnen, dass die Große Koalition das genau entgegengesetzte
Programm verfolgt. Anstatt der AfD die Themen zu nehmen, bläst sie Probleme
künstlich auf, setzt falsche Prioritäten und folgt auf vielen Feldern jenem
Hang zu teurer Symbolpolitik, der schon in der vergangenen Legislaturperiode
die Regierungsarbeit belastet hat.
Die Koalitionsparteien geben viel Geld aus, aber sie folgen keinem
Plan. Nicht die großen Zukunftsfragen von Digitalisierung bis Europa
bestimmen ihre Agenda, sondern die Angst vor der AfD. Eine Mannschaft von
Defensiv-spielern steht in Berlin auf dem Platz, obwohl alle Welt weiß: So
macht man die Populisten nicht klein, sondern groß. [….]
(Michael Sauga, SPIEGEL-Leitartikel 21.07.2018)