Zu den
zivilisatorischen Errungenschaften gehört es, daß wir Menschen nicht mehr
aufgrund ihrer äußerlichen Erscheinung abwerten.
Wir
behandeln Menschen mit dunkler Hautfarbe respektvoll, wir machen uns nicht über
kleine Busen oder dicke Bäuche lustig, wir werfen nicht mit Steinen auf das
Kind, das humpelt, wir schlagen keine Behinderten, wir gehen mit dem Mädchen
aus, das diese dicken Brillengläser hat, wir kriminalisieren niemand aufgrund
seiner sexuellen Orientierung und wir lassen sogar Menschen an Bundestagswahlen
teilnehmen, die gar keinen Penis haben.
Die
längste Zeit war das alles nicht selbstverständlich. Diese gelebte Akzeptanz
mußte über Jahrhunderte gegen den erbitterten Widerstand der organsierten
Christen durchgekämpft werden.
Es gibt
wenige Ausnahmen, die es erlauben explizit auf angeborene Eigenschaften in diskreditierender Weise
hinzuweisen.
Wenn ein
sehr fettleibiger Pastor mit ewiger Höllenstrafe für die Todsünde der Unzucht
droht, darf man ihn öffentlich daran erinnern, daß sein Gott auch Völlerei als
Todsünde ansieht.
Man darf
eine konservative Klemmschwester, die öffentlich homophob auftritt, outen.
Bei dem
Verkäufer für Haarwuchsmittel ist es angebracht darauf zu verweisen, daß er
eine Perücke trägt, wenn er eine Glatze hat.
Und dann
sind da noch die deutschen Schwimm-Olympioniken, die mit Null Medaillen die
Wettkämpfe von Rio beendeten und nun laut beklagen, ihre Siegprämien wären viel
zu schmal bemessen.
Das sagt
Markus Deibler. Deibler? Mußte ich googeln. Der Typ sieht sympathisch aus, ist
26 Jahre alt, lebt in Hamburg und betreibt hier zwei Eisdielen.
Klingt
für mich alles gut. Er war (ist?) außerdem ein international
erfolgreicher Schwimmer und kennt sich aus mit dem
Sportförderungssystem.
[….]
In einem Land, in dem ein Olympiasieger
20.000€ Prämie bekommt und ein Dschungelkönig 150.000€ sollte sich niemand über
fehlende Medaillen wundern.
Deutschland hat eine
schlechte Förderung und sehr gute Dopingkontrollen. Damit können wir nicht mit
Ländern konkurrieren, die sehr viel fördern und beim Thema Doping nicht so
genau hinsehen oder es sogar betreiben. [….]
In
derselben Zeitung, in der ich Deiblers Statement zum ersten Mal las, war auch
ein großes Bild Marco Kochs.
Koch,
26, geboren in Darmstadt, Brustschwimmer, brachte es im Finale auf Platz sieben.
Als
jemand, der wirklich nichts von Schwimmsport versteht, wage ich aber doch
angesichts des Kochschen Hüftgoldes zu bezweifeln, ob es nur an der mangelnden
finanziellen Motivation lag, daß er US-Typen mit Figuren wie Michael Phelps
hinterher schwamm.
Man
macht sich nicht über die Figur anderer Menschen lustig, aber wenn ein Mann mit
Speckrollen beklagt aufgrund des knappen Geldes nicht gewonnen zu haben, muß
ich leider doch diesen Punkt ansprechen.
Deiblers
Vergleich mit dem Dschungelcamp zeugt von einer eigenartigen Selbstwahrnehmung.
So ein
Marco Koch ist ca zwei Minuten unter Wasser zu sehen; da hält sich der
Unterhaltungswert außerordentlich in Grenzen.
Sollten
Deibler oder Koch außer ihrer Fähigkeit zu schwimmen noch
Entertainmentqualitäten entwickeln, können sie wie ihr Kollege Thomas Rupprath im Jahr 2011 auch
beim RTL-Dschungelcamp mitmachen und entsprechend bezahlt werden.
RTL
bietet mit seinem Dschungelcamp 17 Tage durchgehend Unterhaltung, die offensichtlich
viele Millionen Leute interessiert und die ausschließlich privat von einem
Konzern finanziert wird.
Der
Staat gibt keinen Cent dazu.
Für die
Übertragungsrechte an den Olympischen Spielen von 2016 haben ARD und ZDF 130
Millionen Euro quasi aus Steuermitteln gezahlt.
Allein die Sportförderung des Bundesinnenministeriums
beträgt mehrere Hundert Millionen Euro.
Hinzu
kommt eine vielfache Summe aus Länder- und
Gemeindehaushalten, aus der Wirtschaft, von der Bundeswehr, von der Polizei,
aus Stiftungen.
Deibler
und Koch schwimmen freiwillig. Niemand hat sie dazu gezwungen.
Dennoch
müssen sie weder den Trainer, noch ihre Badehose, weder die Flüge, noch die
Unterkünften in den Trainingslagern der Südsee selbst bezahlen.
Ich
finde, Schwimmsportler haben es sehr gut getroffen, daß sie auf Kosten anderer
Menschen in der Welt umhergeflogen und bewundert werden.
Natürlich
verdienen andere Sportler noch mehr Geld, aber wenn es darum geht, steht Herrn
Deibler doch offen Boxer oder Fußballer zu werden.
Es sei
denn, er ist nicht begabt genug, um als Golfer oder Formel1-Pilot zig Millionen
im Jahr zu verdienen.
Das ist
zwar bedauerlich; aber willkommen im Club. So geht es 99,999% der Deutschen,
die sich auch nicht darüber beklagen, daß sie keine sechsstelligen Euro-Prämien
bekommen.
In einem
Punkt will ich allerdings Herr Deibler gern unterstützen.
Die deutschen
Sportfunktionäre machen gerade einen erbärmlichen Job.
Dabei
klammere ich mal die Doping-freundliche Agenda des Putin-Liebchen Thomas Bach
aus.
Ernsthaft
bedenklich finde ich aber, daß sie in Punkto Ästhetik und Humor bei Leni
Riefenstahl stehengeblieben sind.
Da gibt
es einen Christoph Harting (auch 26, offensichtlich sind alle deutschen
Olympioniken 26), der irgendwas geworfen hat und dafür einen dieser Gold-Taler
bekam.
Bei der
obligatorischen Siegerehrung zur deutschen Nationalhymne brachte es Harting
aber nicht fertig mit stählernem Blick zu salutieren oder den Hitlergr..,
sondern er gab sich auf dem Podest betont locker und grinste.
Das ist
der Hamburger Morgenpost heute die gesamten ersten vier Seiten der Ausgabe
wert. Harting habe sich nicht heldenhaft genug verhalten.
Michael
Vesper, einst grüner Bauminister in NRW, inzwischen zum nationalen
Großfunktionär gewandelt, rügte als „Chef de Mission“ sofort, daß Harting nicht
zackig-militärisch genug aufgetreten wäre.
Andere
Sportler, wie die CSU-Wählerin Maria Höfl-Riesch twitterten empört:
Besser Silber mit Stil
als Gold ohne Stil... @AngeliqueKerber
#Harting #Rio2016
Man
staunt.
Nun, er hat
olympisches Gold geholt - und diesen Triumph nicht so gefeiert, wie es 80
Millionen Besserleber für angemessen erachten. [….] Wir sehnen uns nach Typen. Aber wir halten sie im Grunde genommen nicht
aus. Lautstark verlangen wir permanent nach Leuten mit Ecken, Kanten und
erfrischender Persönlichkeit. Wir wollen Zlatan - aber haben gerade mal die
Nerven für Reus. Zu schnell haben wir die Finger am Hashtag, um noch eben
kundzutun, dass "DAS ja mal gar nicht ging!" Und wer denkt da mal
eigentlich an die Kinder! [….]
Noch
absurder der schlimme, schlimme Fall der Zwillinge Lisa und Anna Hahner, die beim
olympischen Marathon Platz 81 und 82 erreichten.
Nicht
der zeitliche Rückstand gereichte zur nationalen Schaden und einem
pangermanischen Shitstorm, sondern daß die zwei verlotterten Hippies es wagten
Hand in Hand über die Ziellinie zu laufen.
Die
deutschen Funktionäre mutierten sofort zur Stahlhelmfraktion des Sports.
In ungewöhnlicher
Schärfe hat der Deutsche Leichtathletik-Verband den Marathon-Auftritt der Hand
ins Hand über die Ziellinie gelaufenen Zwillinge Lisa und Anna Hahner bei den
Olympischen Spielen kritisiert. "Einen olympischen Lorbeer haben sich die
Hahner-Zwillinge mit ihrem Auftritt und ihren Leistungen nicht verdient",
schimpfte DLV-Sportdirektor Thomas Kurschilgen in Rio de Janeiro. "Hand in
Hand geht man spazieren, aber nicht über eine olympische
Marathon-Distanz."
[….]
"Es wirkte so, als absolvierten sie
einen Volkslauf und nicht die olympische Entscheidung", wetterte
Kurschilgen.
Diese
Hahner-Hühner und der unzivilisierte Harting gehören ins Zuchthaus; denen muß
man Anstand eingeprügelt werden.
In
solchen Fällen ist eigentlich die GSG9 gefordert und diese Luschen zu
disziplinieren.
Heil,
Sportminister de Maizière.