Mittwoch, 12. April 2017

Rechte Friktion.



Ob des beklagenswerten „einer links, einer rechts – die Wahrheit liegt in der Mitte“-Systems der politischen Fernsehsender habe ich inzwischen sehr viel mehr rechte und konservative „Influencer“ kennengelernt, als mir lieb ist.
Insbesondere in den USA sind diese Medien-Konservativen intellektuell so unredlich, daß man der Wahrheit am nächsten kommt, wenn man das diametrale Gegenteil des von ihnen behaupteten annimmt.
Zu den ganz wenigen Republikanern, denen ich ein gewisses Vertrauen entgegenbringe gehören die Politanalysten Ana Navarro, 45, und Tara Setmayer, 41.
Vermutlich ist es kein Zufall, daß beide nicht zu den üblichen dürren blonden Blöd-Blinzen (Kayleigh McEnany, Tomi Lahren, Kellyanne Conway, Ann Coulter, Scottie Nell Hughes..) gehören, die üblicherweise Trump im TV lobpreisen.
Navarro wurde in Nicaragua geboren, kam erst im Alter von neun Jahren nach Florida. Setmayer ist Afroamerikanerin. Wieso sich kluge, gebildete und sympathische Amerikanerinnen den Republikanern verschreiben, intensiv für die GOP Wahlkampf treiben und die Demokraten ablehnen, entzieht sich meinem Verständnis.
Immerhin, da Navarro und Setmayer im Gegensatz zu den meisten ihrer republikanischen Parteifreunde bei der Wahrheit bleiben und über menschlichen Anstand verfügen, lehnten sie Trump im Wahlkampf 2016 strikt ab.
Zum Entsetzen der Trumpianer fuhren sie den garstigen Blondinen öffentlich wirksam in die Parade, stellten sich klar gegen die Parteilinie.



Navarro schwor von Anfang an Trump nicht zu wählen; über Monate erklärte sie den Namen ihrer Mutter auf den Wahlzettel zu schreiben. Zwei Tage vor der Wahl verkündete sie sogar das aus ihrer Sicht lange Unvorstellbare; sie werde angesichts der Gefahr, daß Trump tatsächlich siegen könne, Hillary Clinton wählen.

Genutzt hat es bekanntlich nichts; trotz der drei Millionen Wählerstimmen Vorsprung verlor Clinton die Wahl.
Trumps Performance als Präsident entwickelt sich sogar noch katastrophaler als alles, was Navarro und Setmayer prognostizierten.

Sie bleiben allerdings allein auf weiter Flur. Die anderen Republikaner, die im Wahlkampf ebenfalls hart gegen Trump argumentierten – Rubio, Cruz, Ryan – knickten nach der gewonnen Wahl ein. Die GOP-Senatoren nickten devot die geradezu groteske Kabinettsliste ab. Keiner scherte mehr aus.
Ryan exekutierte Trumps absurde Anti-Obamacare-Vorstellungen, scheiterte dabei und machte sich beim öffentlichen Eingeständnis seines Versagens zusätzlich lächerlich, indem er wie ein schwärmender Teenager mit Erektion den Präsidenten über den grünen Klee lobte.
Reince Priebus, der im Wahlkampf als Vorsitzender der republikanischen Partei eins der Hauptziele des Trumpschen Parteien- und Politikerspotts war, rieb sich flugs am ganzen Körper mit Vaseline ein, nahm Kurs auf Trumps Rektum und wurde sein Stabschef im Weißen Haus.

Mit Ryan und Priebus stehen die beiden wichtigsten ehemals Trump-kritischen nun devot an seiner Seite.
Macht korrumpiert, aber Macht bügelt nicht alle Unterschiede aus.
Die alteingesessenen Washingtoner Republikaner sitzen nun in einem Boot mit rechtsradikalen die Realität negierenden Verschwörungstheoretikern wie Bannon und Conway, die ihrerseits mit dem grotesken Einfluss des Ehepaars Kushner-Trump konkurrieren. Wer hat eigentlich das Sagen, wenn der eigentliche Oberbefehlshaber so offensichtlich geistig und moralisch komplett überfordert ist?
Wer bestimmt, wenn der Pussygrabscher in Chief auf dem Golfplatz umherstolpert, oder noch schlimmer, allein Breitbart und Fox guckt, den Unsinn mit der Realität verwechselt und Sinnlosigkeiten per Twitter in die Welt eruktiert?

Die ersten Opfer sind schon zu beklagen; Manafort und Flynn werden wie viele andere Mitglieder des Trump-Wahlkampfteams vom FBI verfolgt.

Ein weiteres Opfer ist Pressesprecher Spicer, der bei seinen hilflosen Versuchen den Chef zu verteidigen zu so einer Witzfigur geworden ist, daß er als Dauerparodie in den Comedy-Shows einen festen Platz eroberte.

Vorgestern erklärte Spicer bei seiner Regierungserklärung Assad sei sogar schlimmer als Hitler, denn immerhin hätte Letzterer nie Giftgas eingesetzt.

Navarro, der ich vertraue, bescheinigte Spicer, den sie lange kenne, sicher kein Holocaustleugner zu sein. Er sei nicht rechtsradikal. Möglich; dafür spricht auch eine beispiellose Entschuldigungs-Kaskade des amerikanischen Regierungssprechers. Möglicherweise tut es ihm wirklich leid; Trumpleute entschuldigen sich sonst nie.

[….] Zuerst folgte der Versuch, sich zu erklären: Assad hätte Giftgas gegen das eigene Volk eingesetzt und "über Städten abgeworfen", während Hitler Gas in "Holocaust-Zentren", gemeint waren Konzentrationslager, habe einsetzen lassen. Wenig später kam dann die Entschuldigung von Spicer selbst: Im Interview mit CNN gestand er ein, einen "Fehler" begangen zu haben. Er habe "fälschlicherweise" einen "unangebrachten und unsensiblen" Bezug zum Holocaust hergestellt.
[….] Doch mit seinen wiederholtem Eingeständnis bringt Spicer die vielfache Kritik an seinem Vergleich nicht zum Verebben. Mehrfach wurde sein Rücktritt gefordert, etwa von der Chefin der Demokraten im Repräsentantenhaus, Nancy Pelosi. "Während jüdische Familien im ganzen Land das Passah-Fest feiern", so Pelosi, "spielt der Sprecher des Präsidenten die Schrecken des Holocaust herunter." Trump müsse seinen Sprecher feuern.
Auch jüdische Einrichtungen zeigten sich schockiert. Die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem zeigte sich "tief besorgt" über die ungenaue und unsensible Verwendung von Begriffen in Zusammenhang mit dem Holocaust". Spicers Worte verdeutlichten seine "großen Wissenslücken in Bezug auf den Zweiten Weltkrieg und den Holocaust". Der Direktor des Anne-Frank-Zentrums in den USA, Steven Goldstein, warf Spicer anhand dieser "üblen Beleidigung" fehlende Integrität vor. [….]

Das Problem ist nur, daß seine Reputation längst aufgebraucht ist. Der Mann hat schon derartig viel und dreist öffentlich für Trump gelogen, daß man ihm nicht mehr glaubt. Er ist wie der Hirte in der Äsop-Fabel, der immer „Wolf!“ schrie, ohne daß es ein Wolf zu sehen war. Als er dann tatsächlich in Not geriet, half ihm keiner mehr.
So weit sind wir nach knapp drei Monaten republikanischer Präsidentschaft – die Regierung hat sich so massiv lächerlich gemacht, daß niemand mehr dem Regierungssprecher glaubt.

[….] Trumps Sprecher ist mit seiner Rolle heillos überfordert. Zumindest die Fernsequoten profitieren: Seine tägliche Pressekonferenz ist die neue Lieblingssendung der Amerikaner. [….]
Seit Trump im Weißen Haus regiert und sein Sprecher Spicer vor die Medien tritt, hat sich die tägliche Pressekonferenz jedenfalls zur neuen Lieblingssendung in den Vereinigten Staaten entwickelt. Hunderttausende sehen ihm zu, wie er sich um Kopf und Kragen redet und zu stottern beginnt, sobald es kompliziert wird. Unter Obama eine eher dröge Veranstaltung, sei Spicers Pressebriefing der "latest shit" im Fernsehmarkt, so sagte es der Komiker Stephen Colbert. Die Einschaltquoten gingen durch die Decke.
Spicers Auftritt vor den Journalisten des Weißen Hauses an diesem Dienstag aber toppt noch einmal alle vorangegangenen. [….][….]
Im Laufe des Gesprächs nahm der überforderte Spicer einen Teil seiner Äußerungen zurück, doch besser wurde es nicht. Er wisse natürlich, dass Hitler Menschen in "Holocaust-Zentren" gebracht habe - womit er offenbar Konzentrationslager meinte.


[….] Spicer sei kein Antisemit, lautet der Tenor. Der Sprecher des Präsidenten sei inkompetent und völlig unfähig.

Spicer ist sicher keins dieser “dunklen Genies”, welches gern im Hintergrund die Fäden zieht und dabei echte Macht ausübt.
Spicer ist ein durch und durch dienender Mensch, der für ein Ein-Mann-Publikum arbeitet.
Er will Trump gefallen und vom Chef gelobt werden. Das ist alles, was ihn antreibt. Spicer, 45, ist recht ungebildet. Mit Mühe und Not schaffte er das College, besuchte nie eine Universität und diente fortan immer als Lautsprecher verschiedener GOP-Gliederungen.
Für seinen jetzigen Job ist er hoffnungslos überfordert. Man kann so einer Witzfigur eigentlich gar nicht richtig böse sein, weil er einfach zu doof ist.

Anders liegt der Fall bei den Eminenzen im Hintergrund; Bannon, 63, strenggläubiger Katholik, Multimillionär und Kushner, 36, strenggläubiger Jude und Multimillionär.
Beide drängt es nicht so sehr vor die Fernsehkameras, aber sie wollen die Richtung vorgeben.
Bannon, der als Verschwörungstheoretiker sowohl mit ultrarechten Kardinälen im Vatikan, als auch mit white supremacits und Altright-Nazis verbandelt ist gewissermaßen ein natürlicher Antagonist zum genauso raffgierigen und ehrgeizigen Strippenzieher Kushner, der aber zufällig Jude ist und somit vermutlich nichts von antisemitischen Ausfällen hält.

Donald Trump, so vermute ich, würde eigentlich eher zu Bannons Ideologie neigen, aber Kushner betrachtet er als sein Blut, weil dieser mit seinem daughter-wife Ivanka verheiratet ist.

Auch hier zeigt sich eine republikanische Friktion. Nach heutigem Stand scheint Kushner der Gewinner zu sein; ihm gelang es Bannon aus dem Nationalen Sicherheitsrat zu verdrängen.

[….] Donald Trumps umstrittener Chefstratege gerät in Washington offenbar immer stärker in Bedrängnis. Erst Anfang April hatte er seinen Posten im Nationalen Sicherheitsrat verloren, jetzt geht der US-Präsident öffentlich auf Distanz zu seinem Top-Berater. Er möge Bannon, aber er sei "sehr spät" in seinen Wahlkampf eingestiegen, sagte Trump der "New York Post". Damit wollte er anscheinend dem Eindruck entgegentreten, dass er seinen Wahlsieg entscheidend Bannon zu verdanken habe.
Mit Blick auf Konflikte mit anderen Mitarbeitern im Weißen Haus, fügte Trump hinzu: "Steve ist ein guter Kerl, aber ich habe ihnen gesagt, sie sollen es in Ordnung bringen, oder ich werde es machen." Damit bezog sich der Präsident offenbar auf Bannons Auseinandersetzungen etwa mit Trumps Schwiegersohn und Berater Jared Kushner, über welche die US-Medien zuletzt viel berichtet hatten.
US-Medien kommentierten, mit diesen Aussagen drohe Bannon ein Abgang aus dem Weißen Haus. Verbündete Bannons hätten überrascht und "verstört" auf den Bericht reagiert, schrieb der politische Newsletter Axios unter Berufung auf Insider.
[….] Seit Tagen mehren sich in den USA Berichte, dass sich ein Machtkampf unter Trumps Top-Beratern im Weißen Haus zuspitzt. Dabei gehe es um einen Richtungsstreit zwischen eher liberalen und moderaten Kräften mit Trumps Schwiegersohn Kushner an der Spitze und nationalistischen Kräften um den umstrittenen Bannon. [….]