“Man soll keine Dummheit zweimal
begehen, die Auswahl ist schließlich groß genug”
(Jean-Paul Satre)
Die SPD ist eine Partei, die traditionell eher viel streitet.
Jeder mehr oder wenig Qualifizierte leistet sich eine eigene Meinung und schon das Partei-interne „Du“ sorgt dafür, daß sich kaum einer scheut auch dem großen Vorsitzenden etwas direkt ins Gesicht zu sagen.
Mit einer gewissen Verachtung
sehen wir Sozialdemokraten rüber zum Kanzlerwahlverein CDU.
Dort leisten sich die Mitglieder
und Delegierten den Luxus Fakten zu ignorieren und den eigenen Denkapparat nur
im absoluten Notfall in Gang zu setzen.
Am Ende nickt man sowieso immer das ab,
was der Parteivorsitzende vorgibt.
Es stört gar nicht wenn es heute das
Gegenteil dessen ist, was man letztes mal beschlossen hatte.
CDU-Mitglieder sind eigentlich
schon zufrieden, wenn überhaupt Schwarze die wichtigen Staatsämter besetzen.
Was
die dann im Einzelnen machen, ist zweitrangig. Es sollte sich nur nicht zu viel
ändern, da den trägen Hirnen leicht schwindelig wird.
Gleichzeitig beneiden die
SPD-Oberen aber auch die CDU für ihre Disziplin.
Da gibt es kaum jemals
Abweichler. Vorstand und Präsidium haben auch Parteitagen nichts zu fürchten,
weil die Diskussionen ohnehin meist vor leeren Rängen stattfinden. Die Delegierten
machen sich währenddessen lieber über den Gratis-Kartoffelsalat her.
Nie
aber wurde die inhaltlich Beliebigkeit so weit getrieben wie unter der
derzeitigen Vorsitzenden, die ihren Gefolgsleuten in einer Woche mehr
Kurswechsel zumutet, als es Helmut Kohl in einer Dekade gewagt hätte.
Früher
einmal hatten Bundeskanzler Richtlinienkompetenz und sprachen Machtworte.
Ihre
Autorität lag entweder in der Partei begründet (Kohl) oder in persönlicher
Integrität und Kompetenz (Schmidt). Was der Kanzler wollte, geschah auch.
Erst
Gerhard Schröder hatte es aufgrund unverschuldeter Umstände (Balkan-Krieg,
Irak-Krieg, Hartz,..) mit so heftigen Entscheidungen zu tun, daß er um seine Autorität
fürchten mußte.
Seine Machtworte („Basta!“) setze er in Wahrheit spärlicher
ein, als man es in Erinnerung hat.
Zudem ging er große Risiken ein, indem er
mehrfach sein Verbleiben im Amt mit Sachfragen verknüpfte.
Ein
Spiel mit dem Feuer.
Man kann nicht allzu oft mit Rücktritt drohen, wenn man es
dann nicht tut (Guttenberg/Opel).
Merkel
hat diese Sorgen nicht.
Sie
hat es tatsächlich geschafft das „Merkel’sche Gesetz“ (Oppermann) zu etablieren;
- „je vehementer die Kanzlerin etwas ausschließt, desto sicherer ist, dass es später doch eintritt“ -
und dennoch von der überragenden Mehrheit des
Volkes als verlässliche Regierungsmutti zu wahrgenommen zu werden.
In
den vergangen Tagen hat die Kanzlerin zwei Machtworte gesprochen.
- „Ja, die Herdprämie kommt!
- „Nein, die Pendlerpauschale wird nicht erhöht!“
Während ich die zweite Aussage unterstütze, halte ich die Erste für katastrophal.
Was
von beiden aber tatsächlich kommen wird, ob sie bei ihrer Linie bleibt, kann
ich aber selbstverständlich nicht prognostizieren.
Es
besteht Hoffnung, daß die Herdprämie scheitert, es steht zu befürchten, daß die
Entfernungspauschale doch aufgeblasen wird.
Denn
für die praktische Politik hat es keine Bedeutung mehr, ob die
Regierungschefin derzeit dafür oder dagegen ist.
Sie
wollte angeblich nach dem Köhler-Rücktritt Gauck als Präsidenten. Dann war sie
aber dagegen, weil ihr Trittin die Personalie vergiftete. Nach dem Wulff-Rücktritt
war sie wieder gegen Gauck und nun ist sie wieder FÜR Gauck.
Sie hat ihre
Positionierung zum eitlen rechten Pfaffen so oft geändert, daß sie nun bequem
mit ihm leben kann.
Versagt er, kann sie behaupten „Seht ihr! Deswegen war ich
immer gegen ihn!“
und falls er ein beliebter Präsident bleiben sollte, sagt sie „seht ihr, deswegen habe ich ihn auch unterstützt!“
In
diese komfortable Position möchte sich gerne auch ihr Partei-Vize Norbert Röttgen manövrieren.
Er will in NRW alles und das Gegenteil versprechen, um
anschließend in einer praktischen Win-Win-Situation zu sein, die ihm erlaubt doch gestärkt in Berlin zu bleiben.
Blöderweise
ist das nicht ganz so einfach, wie sich das Hobby-Landespolitiker Röttgen
denkt.
Es
braucht lange Vorabreit, um sich das Merkel'sche Wunderimage als standhafte
Amöbe zu erschaffen.
Der Umweltminister hingegen geht viel zu plump vor und sitzt nun zwischen allen Stühlen.
Um
des Populismus willen, macht er sich für die Erhöhung der Entfernungspauschale
stark.
Das sieht aber nicht gut aus, wenn die direkte Regierungs- und
Partei-Vorgesetzte genau das kategorisch ablehnt.
Heute
machte er sich bei der Vorstellung seines Schattenkabinetts zudem für die Wirtschaftsprofessorin
Claudia Kemfert als Ministerin für Energie und Klima stark.
Kemfert, die Atom-Lobbyisten passt zwar gut zur CDU, hatte sich aber gerade gestern vehement
gegen die Erhöhung der Entfernungspauschale ausgesprochen.
Dumm gelaufen, Herr
Röttgen.
Die
eigenen Parteifreunde sind ohnehin noch sauer, weil sich der Spitzenkandidat
bis heute beharrlich weigert, mitzuteilen, ob er überhaupt nach NRW gehen will,
oder nicht.
Damit
läßt er den Vorwurf im Raum stehen, sich in Wahrheit überhaupt nicht für Düsseldorf
zu interessieren.
Noch
nicht mal die Wahlliste bekommt der CDU-Landeschef problemlos abgesegnet.
Der Vorsitzende des Parteibezirks Mittelrhein, Axel Voss, rief dazu auf, gegen die von Röttgen angeführte Landesliste zu stimmen. Der Europaabgeordnete sieht seinen Bezirk bei der Verteilung der Listenplätze benachteiligt.Röttgen wies die Vorwürfe zurück. Die Verteilung der Listenplätze sei einstimmig von allen Bezirksvorsitzenden vorgeschlagen und vom Landesvorstand einstimmig beschlossen worden. Im Vorstand habe es lediglich eine Enthaltung gegeben, sie sei nicht von Voss gekommen.[…] Die Bundes-SPD sieht bei Röttgen einen "perfekten Fehlstart" als CDU-Spitzenkandidat im NRW-Wahlkampf. "Röttgen kann sich nicht entscheiden: weder für Berlin oder Düsseldorf noch für Sparen oder Nicht-Sparen", sagte der Parlamentarische Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann in Berlin. So starte er bei der Pendlerpauschale den "hilflosen Versuch", sich gegen die eigene Parteivorsitzende und Kanzlerin Angela Merkel zu profilieren."Mit seinen Pirouetten bringt Röttgen sogar die eigenen Leute gegen sich auf", sagte Oppermann.
Tja,
Zickzack-Kurs will gelernt sein.
Das geht nicht immer so gut, wie bei der Bundesvorsitzenden!
Das geht nicht immer so gut, wie bei der Bundesvorsitzenden!
Doch Röttgen lässt inzwischen Eindeutigkeit auch in einem Punkt vermissen, der bis dato eigentlich Kern seines Wahlkampfs war: in der Haushaltspolitik. Während der CDU-Fraktionsvorsitzende Karl-Josef Laumann vor Wochen im Beisein des Berliner Ministers der Presse noch erklärte, man wolle in Nordrhein-Westfalen rot-grüne Wahlgeschenke zurücknehmen, sieht Norbert Röttgen das inzwischen ganz anders.Am Montag sagte er, nachdem er ausgerechnet Karl-Josef Laumann offiziell als Schattenminister vorgestellt hatte, die CDU werde die von Rot-Grün abgeschafften Studiengebühren nicht wieder einführen: "Wir werden nicht mit Furor rückabwickeln, das ist kein guter Stil", so Röttgen. Laumann saß neben ihm und schwieg.[…] Eine Kehrtwende aber war es trotzdem - weshalb der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Thomas Oppermann, am Mittwoch tönte: "Nobert Röttgen bastelt weiter an dem perfekten Fehlstart in Nordrhein-Westfalen." Der Spitzenkandidat der CDU könne "sich nicht entscheiden: weder für Berlin oder Düsseldorf noch für Sparen oder Nicht-Sparen".