Dienstag, 18. August 2020

Nervosität


Sie wird den 10. Februar 2020, als sie den CDU-Vorsitz und die Kanzlerkandidatur 2021 hinwarf, weil niemand sie mehr ernst nahm und die Werte der CDU hinter die Grünen zurückfielen.
Hätte Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer nur einen Monat weiter tumb ausgeharrt, könnte sie sich im Schein eines gewaltigen demoskopischen CDU-Booms sonnen, wäre unangefochten gewesen und mit hoher Wahrscheinlichkeit nächste Kanzlerin.
Stattdessen versank alles im Chaos. Ihre Ankündigung im Dezember den neuen Chef zu bestimmen und den Auswahlprozess bis dahin zu moderieren, wurde von ihren nordrhein-westfälischen Testosteron-Boys Röttgen, Laschet und Merz in der Luft zerrissen. AKKs Wort hatte gar keine Relevanz mehr; selbst Markus Söder, der Mann, der jahrelang die CSU-Personalpolitik chaotisiert hatte, erklärte gönnerhaft die Personalfrage müsse vor der Sommerpause geklärt sein.
Inzwischen gilt wieder der Dezember-Termin. Frühestens. Gut möglich, daß der CDU-Parteitag Corona-bedingt gar nicht stattfinden kann.
Merz verschwand schnell wieder in der Versenkung, infizierte sich symbolträchtig gleich selbst mit Sars-CoV-II und war auch einmal wieder nur der Typ, der nie eine Wahl gewonnen und nie ein Regierungsamt innehatte.
Auch Röttgen, Vorsitzender des Bundestagsausschusses für Außenpolitik wurde nicht mehr wahrgenommen.
Der Lockdown war die Stunde der Exekutive. Es lief alles auf die Antipoden Laschet und Söder hinaus, die als mächtige Ministerpräsidenten ihre Regierungskunst in Krisen zeigen konnten, während die Konkurrenz tatenlos zusah. Zunächst machte der NRW-MP die großen Fehler, gab eine erbärmliche Figur beim Tönnies-Skandal ab und so stieg schließlich Söder zum haushohen Kanzlerkandidat-Favoriten auf. Aber auch das Mantra „Söder kann Regierung, Söder kann Krise“ wurde diesen Monat im bayerischen Test-Chaos obsolet.
 Und nun? Das CDU-interne Chaos ist so gewaltig, daß keiner mehr weiß, ob die ursprünglichen Drei Plus Eins (Laschet, Merz, Röttgen + Söder) es in die Endrunde schaffen, oder ob doch Spahn zugreift.
Die Parteibasis hat jetzt schon keinen Bock mehr.

[…..] In der CDU wächst der Wunsch nach einem vorzeitigen Ende des Wettrennens zwischen Laschet, Merz und Röttgen um Parteispitze und Kanzlerkandidatur. Doch eine einvernehmliche Lösung ist nicht in Sicht.
[…..] Es gebe "natürlich einen großen Wunsch nach Einigkeit und Einheit in der CDU", gestand Ziemiak ein. Die Partei sollte deshalb auch in Personalfragen möglichst schnell möglichst geschlossen sein. Aber ist eine einvernehmliche Lösung realistisch? […..] Und so war Ziemiaks Antwort auf die Frage, ob es vor dem Parteitag noch zu einer einvernehmlichen Lösung kommen könne, nicht sonderlich erstaunlich. Der Generalsekretär sagte, da verlange man von ihm jetzt "ein Orakel". Er "sehe diese Einigung zum jetzigen Stand" aber nicht - und ihm sei "nichts bekannt, was darauf hinweisen würde".  [….]

Trübsal auch bei den Grünen, die ein grundlegendes Richtungsproblem mit sich herumschleppen.
Die Wähler der Grünen sind mit klarer Mehrheit CDU-affin, wünschen sich eine schwarzgrüne Koalition. Die Parteibasis hingegen hegt immer noch eine Abneigung gegen CDU und CSU, möchte lieber ein GRR-Bündnis. Die Parteiführung aber strebt ganz klar ein Bündnis mit den xenophoben und Klima-schädigen C-Parteien an.
Robert Habeck konnte dieses prinzipielle Problem bisher mit großer Vagheit und wolkigen Wohlfühl-Äußerungen zu Pferde oder in der Natur übertünchen.
Nun rutschen die Grünen aber sogar hinter die SPD zurück und man wüßte doch gern, wie und wer sich für die Grünen zu Olaf Scholz positioniert.
Antworten liefern die Oliven allerdings nicht. Inhaltlich konkret werden mögen sie gar nicht. Aber man weiß immerhin aus den Jamaika-Koalitionsverhandlungen Ende 2017, daß Habeck und Baerbock gern den Klimaschutz opfern, wenn sie dafür mit der CSU auf die Regierungsbank dürfen.

[…..] Baerbock oder Habeck? Die Grünen drücken sich vor einer Antwort auf die Frage, wer für das Kanzleramt kandidieren soll. […..] Nun hat also das große Herumeiern begonnen. Seit Olaf Scholz seine Kanzlerkandidatur verkünden ließ, geraten die Konkurrenten der SPD unter Druck, ihrerseits eine Kandidatin oder einen Kandidaten fürs Kanzleramt zu benennen. Die Union wird nervös, weil kein Mensch weiß, wer Angela Merkel beerben soll.
Aber auch die Grünen geraten in Verlegenheit. Sie werden jetzt wieder bei jeder Gelegenheit gefragt, ob Annalena Baerbock oder Robert Habeck den Wahlkampf anführen soll - und wann? Um die Antwort wird dann herumgeschwafelt. […..] Mal abwarten, gemach, ist ja noch Zeit: So wimmelte Parteichef Robert Habeck die K-Frage am Wochenende ab. Man kämpfe um Platz eins, also gegen die Union. Ebenso stoisch wehrte die Parteivorsitzende Annalena Baerbock die Personalfragen am Montag ab. […..] Wie will die Partei konservative Wähler gewinnen, ohne die linke Parteijugend zu verprellen? Woher kommt ökonomische Kompetenz im Fall einer Wirtschaftskrise? Was wird aus der humanitären Flüchtlingspolitik unter Schwarz-Grün? Gut möglich, dass sie entschlossenerer Klimapolitik geopfert wird.       
Uneingelöst ist auch das Versprechen, People of Colour in der Partei nach vorn zu rücken und für ein zeitgemäßes Bild vom Deutschsein zu kämpfen. Stärkste Kraft im progressiven Lager, wie die Grünen es nennen, wird eine Partei nicht per Selbsternennung. Es muss dafür härter angepackt werden. [….]

Bleibt noch Christian Lindner, der seinen Stunt von 2009, als in seiner Verantwortung als Generalsekretär die FDP nach dem Sensationswahlergebnis von knapp 15% binnen zwei Jahren auf 5% wegbrach.
Am 24.09.2017 kam die FDP aus der außerparlamentarischen Opposition auf 10,7% und zog mit sensationellen 80 Abgeordneten in den Bundestag ein.
Und wieder gelingt es Lindner, diesmal als Parteichef seine FDP binnen zweier Jahre auf die 5%-Hürde hinab zu wirtschaften.
Kein Wunder, Lindner kann eben nicht Krise, kann nicht führen, versagte katastrophal in Thüringen und zu allem Übel zeigt die Corona-Krise auch noch deutlich, daß der Neoliberalismus, das Steuersenkungen-only-Modell der FDP kaputt und untauglich ist.

Wie schon nach der Kemmerich-krise sucht Lindner sein Heil, indem er andere zu Sündenböcken bestimmt.
Die Generalsekretärin muss den Kopf hinhalten und wird für das Versagen ihres Chefs gefeuert.

[….] Lindner lässt Teuteberg fallen
Christian Lindner hat sich durchgesetzt: Die FDP-Generalsekretärin Linda Teuteberg muss ihren Posten räumen. Nachfolger soll der rheinland-pfälzische Wirtschaftsminister Volker Wissing werden. […..]

Der SPD-Coup vom August, als die Parteilinken Olaf Scholz frühzeitig zum Kanzlerkandidaten erkoren, ist zumindest schon einmal insofern ein Erfolg, daß sich die Umfragen in die richtige Richtung entwickeln und die anderen Parteien in den Hühnerhaufenmodus wechseln.


Das könnte für die Sozialdemokraten recht komfortabel werden.

[…..] Vor einer Woche hat mich der Parteivorstand auf Vorschlag von Saskia und Norbert als Kanzlerkandidat nominiert. Meine drei Kernthemen sind: Respekt in der Gesellschaft, ein Programm für eine wirtschaftlich starke und klimafreundliche Zukunft sowie ein soziales und souveränes Europa. […..]