Im Interview mit dem Islamforscher Gilles Kepel* tauchte die
Frage auf wer eigentlich noch handeln könnte, um einen Flächenbrand abzuwenden,
nachdem Donald Trump aus purer Borniertheit zündelt und alle Alliierten vor den
Kopf stieß.
[….] Es ist ohnehin der einzige Weg, im Gespräch zu bleiben. Ich denke,
Macron wird den Kurs von Biarritz weiter fortsetzen. Und angesichts, sagen wir
mal, einer gewissen Schwäche Angela Merkels und des Zusammenbruchs der Politik
in Großbritannien ist er auch der Einzige in Europa, der dazu noch die
politische Kraft hat. [….]
*Gilles Kepel: "Chaos. Die Krisen in Nordafrika und im
Nahen Osten verstehen". Antje Kunstmann, 2019
In dem Interview ging es um den Nahen Osten, aber das Bemerkenswerte
an dem zitierten Satz ist, daß er gar nicht weiter auffiel und auch keinen
Widerspruch erntete.
Dabei wird en passant eine ungeheuerliche Neuerung der
Geschichte erwähnt.
Jahrhunderte dominierten die Europäischen Nationen, sowie
die USA das Weltgeschehen, aber auf einmal fallen sie alle gleichzeitig aus.
Große Reiche überschreiten ihren Zenit durch Überdehnung
oder werden in Kriegen/Revolutionen radikal geschwächt.
Deutschland, England, Italien und die USA haben eine neue
Methode entdeckt sich international zu verzwergen und der Lächerlichkeit
auszusetzen: Demokratische Wahlen.
Trotz ihrer ökonomischen Stärke und der stabilen politischen
Systeme haben die Wähler durch grotesk-debile Fehlentscheidungen an der Urne
völlig ungeeignete und unfähige Regierungen gewählt, die sogleich begannen sich
selbst in den Fuß zu schießen.
Andere Länder schaffen es auch mit der Methode demokratischer
Wahlen den denkbar schlimmsten Regierungschef auszusuchen – Polen, Ungarn,
Türkei, Brasilien, Philippinen, Österreich – aber das sind kleinere (oder zumindest
fernere) Länder, die traditionell nicht so eine ordnungspolitische Rolle bei
internationalen Konflikten spielen.
Diese massive Häufung von gefährlichen Clowns an der Spitze
der Regierung wäre ohne Internet-Filterblasen und soziale Medien kaum möglich.
So sind immer größere Wählergruppen nicht mehr von der
Realität zu erreichen.
Hinzu kommt aber, daß die von Klugtelefonen erzwungene Dauerpräsenz
auf Kandidaten mit Skrupeln und Anstand sehr abschreckend wirkt.
Man muss schon völlig schamlos und psychopathisch sein, um
wie Trump und Johnson ungeniert zu lügen, daß sich die Balken biegen.
Welcher „gute Mensch“ will sich schon mit solchen Typen um
die Wählergunst streiten, wenn a priori fest steht, daß man mit Dreck und
Verleumdungen übergossen wird?
Und so kommt es, daß durchaus schlagbare rechtspopulistische
Spinner (USA/It/GB) oder auch einfach öde Phlegmaten (Dtl.) die Wahlen
gewinnen, weil Linke und Liberale nicht in der Lage sind einen überzeugenden
Gegenkandidaten zu finden.
Der bärtige Martin Würselen („Mr. 100%“), der sich während
des ganzen Wahlkampfes nur jammernd beschwerte ungerecht behandelt zu werden
war genauso eine Fehlbesetzung wie
Jeremy Corbyn.
Klar, beide wären besser als die jeweiligen konservativen
Wahlgewinner und natürlich wäre Hillary Clinton besser als Trump. Aber wieso
mussten die Demokraten unbedingt die unpopulärste Person ihrer Partei
aufstellen?
Das ist eine echte Tragik. Hätte Labour einen auch nur halbwegs
erträglichen Parteichef, wäre dieser längst zum Premier gewählt worden. Immerhin
verfügt Johnsons Opposition über eine Mehrheit im Parlament.
Sie alle sind derartig entsetzt und genervt von den
Konservativen und Johnson, daß sogar Dutzende Tories im Parlament mit Kusshand
einen halbwegs moderaten Labour-Chef zum Premier wählen würden, um Johnsons
Kamikaze-Kurs zu stoppen.
(……) Corbyn ist derartig unfähig
und chaotisch, daß er es geschafft seine Labour-Partei trotz des Lügen-Chaoten
Johnson in Umfragen deutlich hinter die Konservativen zurückfallen zu lassen.
Das muss man erst mal schaffen.
[…..] Corbyn ist sicher das größte Problem für Labour. Die
Antisemitismus-Vorwürfe und sein Image als radikal Linker schaden der Partei.
Für die meisten ist er eben ein weltfremder, bärtiger Sandalenträger, der sich
weigert, sich bei Zeremonien zu verbeugen. Und so oberflächlich das klingt -
auch danach entscheiden Wähler. Labour hätte sicher eine bessere Chance ohne
Corbyn und es gibt Leute in der Partei, die den Job machen könnten. Doch Corbyn
wird bleiben. […..]
Wie konnte es so eine Groteske
Witzfigur an die Labour-Parteispitze bringen?
Ganz einfach, die Spezies der Basis-Mitglieder liebt ihn und wählt ihn immer wieder wider alle Vernunft auf den Chefsessel.
Ganz einfach, die Spezies der Basis-Mitglieder liebt ihn und wählt ihn immer wieder wider alle Vernunft auf den Chefsessel.
Basisdemokratie ist eine üble
Sache. Diktatur der Inkompetenz. (….)
(Basis-Drama, 05.09.2019)
(Basis-Drama, 05.09.2019)
Man kann durchaus sagen, daß Boris Johnson nur noch deswegen
britischer Regierungschef ist, weil Jeremy Corbyn so egoman und borniert ist an
seinem Sitz zu kleben, statt zum Wohle der Partei, der Nation und Europas
endlich seinen Hut zu nehmen und einen konsensfähigen Labour-Parteifreund
übernehmen zu lassen.
Aber der bärtige Trottel ist vollkommen erkenntnisresistent
und zerlegt lieber zusätzlich noch seine eigene Partei, bevor er das einzig
Richtige tut und abtritt.
Brexit? War das was? Kein Grund für Corbyn irgendeine
Position zu beziehen.
[….] Auf dem Labour-Parteitag wird rebelliert und intrigiert. Viele sind
fassungslos über ihre Führung und werfen Jeremy Corbyn vor, Kritiker mundtot zu
machen.
[….] In der Nacht zum Samstag liefen die Drähte in der Partei heiß, die
Empörung war groß, Ex-Parteichef Ed Miliband twitterte, jetzt sei Labour
endgültig von allen guten Geistern verlassen: zu Beginn eines Parteitages, der
einen und heilen und die tiefen Gräben in der Partei überwinden sollte, quasi
aus der Deckung und Vorwarnung einen wichtigen Vertreter der Remain-Seite zu
eliminieren? [….]
Der Parteichef hat sich seit dem
Brexit-Referendum 2016 nicht eindeutig auf eine Seite gestellt. Im vergangenen
Jahr votierte der Parteitag nach langem Ringen dafür, dass sich Labour für ein
zweites Referendum aussprechen wollte - als eines von zwei Mitteln, um den
Brexit abzuwenden. Corbyn plädierte damals für Neuwahlen, gegen ein Referendum.
Jetzt, ein Jahr später und vor dem Parteitag, auf dem Labour sich fit und
bereit zeigen will für Wahlen und den Einzug in die Downing Street, beschloss
Corbyn, das zu tun, was die Briten "auf dem Zaun sitzen" nennen. Er
forderte, die Partei solle die Entscheidung, ob man für oder gegen den
EU-Austritt ist, auf die Zeit nach den Wahlen vertagen.
Der kollektive Aufschrei blieb auch diesmal nicht aus. [….] Derweil plant die Partei schon für die Zeit
nach Corbyn. Der Parteichef ist 71 Jahre alt. In aktuellen Umfragen liegt
Labour bei 22 Prozent und damit 15 Punkte hinter den Tories. Nur 31 Prozent der
Befragten finden die Position von Labour in der Brexit-Frage klar. Die Tories
liegen hier bei 76 Prozent. Die Sympathiewerte für Corbyn in der Bevölkerung
sind desaströs, auch in der Partei halten ihn viele nicht für einen geeigneten
Premierminister. [….]
Bei so einer Opposition hat Gaga-Johnson gut lachen.
Sogar die nicht eben besonders helle Andrea Nahles wußte
irgendwann, daß sie die Sache nur schlimmer macht und nicht bleiben konnte.
Bei Corbyn gibt es gar kein rationales Denken mehr.