Vor
ein paar Jahren wurde eine Freundin von mir 65 und bekam pünktlich zu ihrem
Geburtstag einen Anruf eines lokalen Kabelanbieters.
Nun
wäre sie doch im richtigen Alter, um zu ihnen zu wechseln. Man habe ein
spezielles Seniorenprogramm mit viel Volksmusik und volkstümlicher
Unterhaltung, da man sich doch jetzt verstärkt an die gute alte Zeit erinnere.
Entgeistert
fragte meine Freundin zurück was das mit ihrem Alter zu tun habe?
„Als ich jung war hörten wir die Rolling Stones und Elvis Presley, tanzten Rock n‘ Roll. Was habe ich mit Volksmusik zu tun?“
Das
ist eben das Pech, wenn man etwas älter wird.
Automatisch nimmt die Umwelt an,
daß man geistig retardiert ist.
Dieser
äußere Druck ist so enorm, daß erstaunlich viele Rentner sich bereitwillig
anpassen.
Selbst wenn sie ihr Leben lang schicke Klamotten getragen haben,
fangen sie mit 70 schlagartig an beige oder weiße Gesundheitsschuhe, hüftlange
Steppwesten und Sophia-Petrillo-Einheitsfrisuren zu tragen.
Der Mann jenseits
des Rentenalters schlüpft entsprechend in Sandalen, hellblaue Anoraks und
bindet sich eine Bauchtasche um.
Mit
dieser äußerlichen Metamorphose scheint auch ein gewisser Hang zu
Konservatismus und Frömmigkeit einherzugehen.
Mir
kommt da die Causa Bettina Schardt in den Sinn. Die 79-Jährige hatte sich im
Jahr 2007 mit Hilfe Roger Kuschs das Leben genommen.
Darüber war
Plappermäulchen Margot Käßmann so empört, daß sie gar nicht mehr aufhören
konnte die kranke und inzwischen tote Frau noch a posteriori zu verdammen.
Für
Pflegefälle gilt das Grundgesetz nämlich nicht mehr so ganz.
Die Hannoversche
Bischöfin spie Feuer und Schwefel vor Empörung über Kusch und verlangte, daß er
doch Frau Schardt lieber bei sich zu Hause hätte aufnehmen sollen.
Sie, die Bischöfin wäre in dem Fall zu der 79-Jährigen gegangen, um ihr aus der Bibel vorzulesen.
Sie, die Bischöfin wäre in dem Fall zu der 79-Jährigen gegangen, um ihr aus der Bibel vorzulesen.
Da hat die alte Dame dann noch schneller zu den Pillen
gegriffen - die Vorstellung, daß sie dereinst im Pflegeheim läge und von
predigenden Pfaffen im Zimmer heimgesucht würde - unfähig sich gegen diese
Zwangsbebetung zu wehren - war der letzte Sargnagel.
Wer
könnte Bettina Schardt nicht verstehen?
Nur
weil man alt ist, soll man auf einmal den ganzen Kirchismus-Humbug über sich
ergehen lassen?
Seniorenheime werden nun mal sehr oft von kirchlichen Trägern geführt und das Tagesprogramm, welches beispielsweise die Caritas bietet, ist nicht jedermanns Sache.
Ich
habe mal rein willkürlich ein solches Heim ausgegoogelt. Das St. Cyriak-Altenheim
in Furtwangen im Schwarzwald bietet den Bewohnern:
Gottesdienstmit Pater Hettel und Margarethe DoldMärchen im Kaffeetreffmit Christa LeberZitherspielmit Siegfried EnzBibelgesprächmit Schwester Wilma
Evangl. Gottesdienst
mit Pfarrer Lutz Bauer Kapelle
Tanz im Pfarrsaal
mit Helmut Winterhalder PfarrsaalSingen
mit Schwester martinella
Und all das läuft wieder unter der
Überschrift des menschenverachtenden „Christlichen Menschenbildes“
Grundsätze (aus unserem Leitbild)
Wir sehen unseren Dienst und unsere Dienstgemeinschaft auf der Grundlage des christlichen Menschenbildes. Wir wissen um die Begrenztheit, die uns als Menschen ständig begleitet. Deshalb vertrauen wir darauf, dass der Glaube uns Kraft für den Dienst geben kann. Das Leben eines jeden Menschen verstehen wir als Geschenk Gottes. An jedem Einzelnen liegt es, dieses Leben zu achten und den uns anvertrauten Menschen auch bei Krankheit, physischen und psychischen Veränderungen die Würde zu erhalten. Wichtige Elemente für unseren Dienst sind: Zuwendung, Achtung, Zeit für Gespräche und das Angebot für Gebete und Gottesdienstbesuche.
Der individuelle Wunsch nach seelsorgerlichem Beistand wir selbstverständlich erfüllt. Wir helfen den Bewohnern und ihren Angehörigen mit der Endlichkeit des Lebens umzugehen. Auch Sterben und Tod sind für uns untrennbarer Teil des Lebens. Wir lassen Sterbende nicht allein, sondern begleiten und stützen sie. Die katholische und evangelische Gemeinde und die Ortsgruppe der Deutschen Hospizbewegung unterstützen uns dabei auf eine wunderbare und unschätzbar wertvolle Weise.Die Seelsorger der katholischen und evangelischen Gemeinden und die Patres der Ordensgemeinschaft der Salesianer Don Boscos in Furtwangen sorgen in unserem Hause für eine kontinuierliche seelsorgerische Begleitung. In unserer Kapelle des Altenheimes finden wöchentlich mehrfach Gottesdienste statt. Drei Ehrwürdige Schwestern vom Kloster Hegne am Bodensee begleiten dabei unsere Bewohner und sind darüber hinaus sehr engagiert im gesamten Bereich der Altenbetreuung und der Seelsorge.
Typisch Christen.
An Wehrlose, die zu
alt oder zu jung sind und deshalb nicht weglaufen können, machen sie sich ran. Sobald
man bettlägerig ist, geht die Zwangsbebetung los.
Und
wenn man noch intensivere Pflege braucht wird man von den dem Christlichen Menschenbild Verpflichteten noch weiter gen Osten abgeschoben.
Dies
passierte auch dem 88-jährigen Österreicher Emil
Bergmann, der in die Slowakei verschoben wurde.
Früher, zu Zeiten des Kommunismus, beherbergte der u-förmige Plattenbau noch das Kreiskrankenhaus. Nun steht der eine Teil leer und verfällt langsam. Im anderen Teil ist ein privates Altersheim untergebracht. Die Kunststofffenster sind frisch eingesetzt, die Böden blank geschrubbt, die Betten neu. Aber sonst wirkt das karge Mobiliar billig und abgewohnt.Tut mir leid, dass ich zur Begrüßung nicht aufstehen kann, sagt Herr Bergmann. Um zu verhindern, dass er womöglich umkippt, hat man ihn mit einem improvisierten Sicherheitsgurt aus Stoffresten an seinen Fauteuil gebunden. Vor zwei Jahren hatte er eine schwere Gehirnblutung, wurde über Nacht zum Pflegefall.[…] Heimbetreuung in Österreich oder Deutschland, das kann sich doch keiner mehr leisten, legt der deutsche Geschäftsmann Artur Frank seinen Finger in die tiefste Wunde unseres Sozialsystems. 1.500 bis 3.500 Euro pro Monat bezahlt man in Österreich für die Unterbringung in einem öffentlichen Pflegeheim, in den privaten Residenzen können die Kosten auf bis zu 7.000 Euro steigen. […]Rein rechtlich spricht nichts gegen den organisierten Rentner-Export, ethisch ist das Modell aber höchst umstritten. Pionierarbeit nennt es Frank, Vermögensschonung für Angehörige Johannes Wallner, Präsident des Bundesverbands der Pflegeheime. Ein Grenzgang zwischen Geld und Gewissen.Sechs hochbetagte Österreicher hat Frank, meist auf Betreiben der Angehörigen, bereits in den alles andere als nahen Osten transferiert, weitere sollen bald folgen. Ein Betroffener aus Klagenfurt ist sogar in der Grenzregion zur Ukraine untergebracht, fristet seinen Lebensabend somit 800 Kilometer von zuhause entfernt.Drei der von mir vermittelten Österreicher sind zwar körperlich mobil, leben aber psychisch in ihrer ganz eigenen Welt, erzählt Frank. Bei denen sei es ja letztendlich egal, wo sie untergebracht sind.(