Donnerstag, 5. Juli 2012

Shitstorm. 2. Teil.




Das ist eine etwas verdruxte Diskussion über die Penisbeschneiderei, bei der ÖFFENTLICHE und VERÖFFENTLICHTE Meinung ziemlich stark auseinander driften.
Nach meinem Eindruck halten sich die C-Parteien, sowie FDP und SPD auffällig zurück das Urteil des LG Köln zu bewerten.
Es kommt nicht gut an beim Volk sich pro Beschneidungsfreiheit zu äußern.

Eine deutliche Mehrheit der Deutschen (56 Prozent) sagte in einer Emnid-Umfrage für FOCUS, das Urteil sei richtig. 35 Prozent halten es für nicht richtig, 10 Prozent bildeten sich dazu bislang keine Meinung. Unter allen Parteianhängern finden sich die meisten Befürworter des Urteils bei Wählern der Union mit 69 Prozent, gefolgt von Unterstützern der Linkspartei mit 68 Prozent. Anhänger der SPD bewerten den Richterspruch zu 53 Prozent als richtig.
(Focus 30.06.12)




In allen Parteien antwortet eine deutliche Mehrheit mit „Ja“. Das meiste Verständnis für Juden und Muslime bringen mit jeweils 40% „Nein“-Stimmen die Anhänger von SPD und Grünen auf.

 Neben Volker Beck von den Grünen hat sich auch die Parteivorsitzende Roth deutlich auf die Seite der Beschneidung-im-Babyalter-Befürworter geschlagen.
 Sie äußerte sich am 28.06.12 auf ihrer Facebook-Seite.

Das Urteil des Landgerichts Köln zum Beschneidungsverbot bei Jungen ist einseitig und realitätsfremd. Denn es wirkt ausgrenzend gegenüber der langen kulturellen und religiösen Tradition jüdischen und muslimischen Lebens. Bei Beschneidungen von Jungen geht es um eine Debatte im Spannungsfeld zwischen Religionsfreiheit, Selbstbestimmungsrecht, kulturellen Riten, medizinischer Indizierung und elterlicher Sorge.
(Claudia Roth)

Wie ihr Kollege Beck erntete auch sie einen Shitstorm.
 95% der Kommentare widersprachen ihr deutlich.

Wie ihr Kollege Beck tauchte auch sie ab und gab selbst keine Kommentare mehr ab.

Beide haben sich von ihrer Basis entkoppelt und folgen offenbar ausschließlich den religiösen Lobbyisten, die beispielsweise auf Kath.net oder in der gestrigen „Phoenix-Runde“ mit Verve behaupten das Abschneiden eines Penisteils, in dem mehr als 20.000 Nervenzellen verlaufen sei weder schmerzhaft, noch könne man von einer „traumatischen Erfahrung“ sprechen.

Die Entscheidung spiegele möglicherweise eine tiefer liegende Entwicklung in der Gesellschaft wider, sagte der Philosoph Robert Spaemann der «Zeit» (Donnerstag). «Das Hintergrundargument scheint mir zu sein, dass religiöse Erziehung von Kindern überhaupt verschwinden müsse, weil sie die spätere religiöse Selbstbestimmung präjudiziere und beeinträchtige.» Eine solche Auffassung nannte der 85-Jährige «fatal». […]  Spaemann verglich die bei einer Beschneidung verursachte Körperverletzung mit den Folgen einer Masernimpfung. «Angesichts der fundamentalen Bedeutung der Beschneidung für religiöse Gemeinschaften» sei ein Verbot unter Berufung auf die Schwere des Eingriffs nicht zu rechtfertigen. 

Ich staune über die Chuzpe, mit der Religioten aller Couleur den Eingriff zu einer Petitesse degradieren.
Wenn es denn so wäre, spräche das m.E. erst Recht dafür die Beschneidung auf die Zeit nach dem 18. Geburtstag zu verschieben.

Tatsächlich sieht es allerdings offenbar anders aus. 
Psychologen, Kinderärzte und Urologen berichten Fakten, von denen sich Überzeugte wie Roth und Beck aber nicht verwirren lassen.

Das Kölner Landgericht hat die Beschneidung logisch als das definiert, was sie nun einmal ist: Körperverletzung, nur dann rechtlich unbedenklich, wenn sie von einem mündigen Individuum in freier Entscheidung gewollt wird.
[…]   Beschnittene Männer berichten in Psychotherapien darüber, dass sie unter dem Gefühl leiden, es sei ihnen ohne ihr Einverständnis etwas weggenommen worden. In der Tat hat die Vorhaut wichtige erotische Funktionen: Sie erleichtert die Penetration und erhält die sexuelle Erregbarkeit.
[…] Die Entfernung der Vorhaut von Säuglingen ist buchstäblich einschneidender als die von Erwachsenen oder älteren Kindern. Da Vorhaut und Eichel bei fast allen Neugeborenen noch fest verwachsen sind, ähnlich wie Fingernägel mit dem Nagelbett, müssen diese beiden Strukturen zunächst einmal auseinandergerissen werden. Danach wird - je nach Methode - die Vorhaut längs abgeklemmt und eingeschnitten, mit einem Beschneidungsinstrument rundum für mehrere Minuten gequetscht und schließlich mit einem Skalpell amputiert.
Die gesamte Operation dauert bis zu zwanzig Minuten. Obwohl in medizinischen Studien bewiesen wurde, dass die Neugeborenen extreme Schmerzen erleiden, ist eine adäquate Betäubung auch heute noch eher die Ausnahme als die Regel. Ethisch besonders bedenklich wird RIC [Routine infant circumcision] zudem dadurch, dass es sich um einen medizinisch unnötigen, kosmetischen Eingriff an einem nicht zustimmungsfähigen Patienten handelt.
Kein nachdenklicher und einfühlender Mensch wird es billigen, dass Säuglingen ein Teil ihres Körpers weggeschnitten wird und sie später womöglich in ihren sexuellen Funktionen beeinträchtigt leben müssen. Dass manche dieser Opfer die Beschneidung als sexuelle Bereicherung und hygienische Notwendigkeit propagieren, steht für die Identifikation mit dem Angreifer, die sich bei vielen Traumatisierten beobachten lässt. Sie führt auch zu der merkwürdigen Zähigkeit, mit der Kulturen und Religionen an qualvollen Ritualen festhalten. Ein Lehrbeispiel ist die grausame Genitalverstümmelung, mit der afrikanische Mütter ihre Töchter zu "richtigen" Frauen zu machen behaupten.


Gestern erhielt ich nur einen kommentarlosen Link von ihm:

Tammox:

    Im WDR (diesseits von eden, 1.7.) hieß es, dass in Deutschland nur jeder 5. Jude beschnitten sei. Es ist auch unstrittig, dass man durch eine jüdische Mutter zum Juden wird, nicht erst durch die Beschneidung.

Volker Beck:


Als ob es darum ginge!

(Das Prinzip der praktischen Konkordanz ist ein Fachbegriff des deutschen Verfassungsrechts. Der Begriff wurde von Konrad Hesse geprägt und in der verfassungsrechtlichen Diskussion etabliert. Es handelt sich dabei um eine Methode der Lösung von Normenkollisionen.)

Stattdessen setzte Beck sein von mir schon zitiertes Eingangsstatement unverändert auf seine persönliche homepage.

Auch dort argumentiert der menschenrechtspolitische Sprecher (sic!) seiner Fraktion nun mit dem Alten Testament.
Das Urteil des LG Köln will er weiterhin ganz selbstverständlich dahingehend abändern, daß die religiöse Beschneidung erlaubt wird.

Die Gründung der jüdischen Religion, der Bund Gottes mit Abraham und dem Volk Israels wird in der Genesis, dem 1. Buch Mose, wie folgt geschlossen:

"Und Gott sprach zu Abraham: So halte nun meinen Bund, du und dein Same nach dir, bei ihren Nachkommen.  Das ist aber mein Bund, den ihr halten sollt zwischen mir und euch und deinem Samen nach dir: Alles, was männlich ist unter euch, soll beschnitten werden.  Ihr sollt aber die Vorhaut an eurem Fleisch beschneiden. Das soll ein Zeichen sein des Bundes zwischen mir und euch. Ein jegliches Knäblein, wenn's acht Tage alt ist, sollt ihr beschneiden bei euren Nachkommen."

Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen zitiert hier 1 Mose 17,9-12.

Ich hätte es gern gesehen, wenn er das Zitat etwas ausführlicher gebracht hätte und die nachfolgenden Sätze nicht „abgeschnitten“ hätte.

17:12 Ein jegliches Knäblein, wenn's acht Tage alt ist, sollt ihr beschneiden bei euren Nachkommen.  17:13 Beschnitten werden soll alles Gesinde, das dir daheim geboren oder erkauft ist. Und also soll mein Bund an eurem Fleisch sein zum ewigen Bund.     17:14 Und wo ein Mannsbild nicht wird beschnitten an der Vorhaut seines Fleisches, des Seele soll ausgerottet werden aus seinem Volk, darum daß es meinen Bund unterlassen hat.
(Erstes Buch Mose)

Möchte der Obergrüne die Einhaltung der Anweisungen Gottes ebenfalls in deutsches Recht überführen?
 Ich würde dann zu denjenigen gehören, die ausgerottet werden müßten. 
Ich bin zwar kein Jurist, aber die Maßnahme erscheint mir etwas drastisch, Herr Beck!

Hintergrund für die grün-religiotischen Abwege scheint ein multikulturelles Anschmiegen an Judentum und Islam zu sein. 
Das Kinderwohl darf in der Abwägung der Ökoparteigrößen dabei vernachlässigt werden.

Es sind vier Millionen Wählerstimmen, die die in Umfragen schwächelnden Grünen im Blick haben.

Die Grünen haben eine rechtliche Gleichstellung des Islam mit Christentum und Judentum verlangt. Dies sei „eine wichtige Voraussetzung für eine gelungene Integrationspolitik“, erklärten Grünen-Fraktionschefin Renate Künast und der Parlamentarische Geschäftsführer Volker Beck am Donnerstag in Berlin.

Kinder und Säuglinge haben bekanntlich kein Wahlrecht und sind offenbar dadurch zur irrelevanten Interessengruppe erklärt worden.

Die vier Millionen in Deutschland lebenden Menschen muslimischer Herkunft stellen fünf Prozent der Bevölkerung dar. Sie und ihre Religion sind selbstverständlich Teil dieses Landes, der Kultur und Gesellschaft.
 Muslimas und Muslime möchten gleichberechtigt am gesellschaftlichen Leben in Deutschland teilhaben und sich aktiv einbringen: im karitativen und seelsorgerischen Bereich, in den Medien und in den Schulen. Daher unterstützen wir das Anliegen der Muslimas und Muslime, Religionsgemeinschaft(en) im Sinne und nach den Regeln des Grundgesetzes zu bilden.