So kamen in den habituell konservativen und Jahrzehnte von der CDU regierten Flächenländern Baden Württemberg (2011), Schleswig-Holstein (1988) und Rheinland-Pfalz (1991) die oppositionellen Sozialdemokraten an die Regierung. Im Bund hatte Schwarzgelb nach 16 Jahren des reformunwilligen Kohl-Sumpfs total fertig; die Wähler schickten 1998 die bisherigen Oppositionsparteien SPD und Grüne in die Regierung.
Obgleich ich noch nie in Deutschland wählen durfte, bin ich parteipolitisch ebenfalls gebunden, würde die SPD wählen.
In einer Demokratie gehört es aber dazu, eine Alternative zu haben. Theoretisch könnte ich so unzufrieden mit einer SPD-Regierung sein, daß ich lieber die Opposition ins Kanzleramt schicken wollte.
Bedauerlicherweise fällt für mich diese Option derzeit weg. Es gibt keine wählbare Oppositionspartei. Die Linken befinden sich in Lyse, werden mutmaßlich dem nächsten Bundestag nicht angehören. Das BSW wandelt auf völkischen AfD-Spuren, die Nazis von der AfD sind ohnehin ausgeschlossen.
Damit bliebe außerhalb Bayerns nur noch die CDU, auf die aber leider kein demokratischer Verlass ist.
Immer deutlicher zeigen Merz und Söder, im Zweifelsfall lieber gegen demokratische Strukturen und humanistische Werte zu wettern, sich bei den Nazis anzubiedern, statt unsere Verfassung zu verteidigen. Sie sind unsichere Kontonisten, die ihre staatspolitische Verantwortung aufgegeben haben.
Aber nicht nur das; es kommt erheblich erschwerend hinzu, daß es eben jene CDUCSU und ihre Katastrophen-Minister waren, die fast alle Megakrisen, mit denen die Ampel nun kämpft, erst verursacht haben.
Sie haben nachhaltig bewiesen, es nicht zu können und verzichten demonstrativ darauf, andere Konzepte vorzulegen.
[….] Merz hat sich als CDU-Chef profiliert, er verkörpert mit seinem drögen Jahrtausendwendecharme und seinen gelegentlichen aggressiven Ausfällen hart an der Grenze zur politischen Beleidigung den idealen Oppositionsführer, zumindest in den Augen vieler Anti-Ampelisten. Genau das ist auch sein Problem. Er würde als Kanzler SPD und/oder Grüne benötigen, um regieren zu können. Das sind jene Parteien, deren Vertreter Merz seit Monaten herabsetzt. Merz ist ein Taktiker, der für den Erfolg der Woche die Erfordernisse des Jahres aufs Spiel setzt. Er ist zudem ein Mann alter Prägung, dem es um Macht, seine Macht geht. Für eine moderne CDU steht er nicht [….] Die Merz-CDU steht in erster Linie dafür, was sie alles an Politik der Ampel zurückdrehen möchte. Sie ist eine Zurückdreh-Partei, die kein überzeugendes, finanzierbares Konzept für eine effiziente Klimapolitik hat. Sie kann auch nicht vergessen machen, dass ein großer Teil der bestehenden Sicherheits-, Verkehrs- oder Gesundheitspolitikprobleme auf die Unionsregierungszeit zwischen 2005 und 2021 zurückgehen. Merz ist ein Mann der Konfrontation. In den nächsten Jahren aber wird das Land einen in der Regierung sichtbar werdenden Gemeinsinn brauchen. […..]
Die Merz-CDU ist erkennbar nicht die Kraft des Gemeinsinns, sondern das diametrale Gegenteil: Der Spaltpilz, der um des parteipolitischen Vorteils nach Faschistenvorbild, Menschen ausgrenzt, gegen Minderheiten polemisiert. Mehrere CDU-Gliederungen sind aus dem demokratischen Konsens herausgerutscht.
[…] AfD und CDU: Schwarz zu Blau
Das neue Grundsatzprogramm der CDU deckt sich in weiten Teilen mit den Forderungen der rechten Konkurrenz. [….] Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz und Carsten Linnemann [….] wollen zurück zu einem stramm konservativen Kurs, zur CDU pur eben. Diese Haltung zeigt sich auch im Entwurf für ein neues Grundsatzprogramm. [….] In dem Papier werben die Konservativen im Unternehmerlager mit niedrigeren Steuern. Da eine Gegenfinanzierung fehlt, würde es unter einer CDU-Regierung weitere Kürzungen im Sozialstaat geben. Eine Rückkehr zur Atomenergie ist angedacht. [….] Geflüchtete sollen laut dem Programmentwurf der CDU möglichst weit weg von der Europäischen Union bleiben. Die Konservativen wollen sie in Drittstaaten bringen, wo die Asylanträge bearbeitet werden. [….] Wo es für die Betroffenen hingehen soll, hatte Unionsfraktionsvize Jens Spahn kürzlich erklärt. Er plädierte dafür, Schutzsuchende nach Ghana, Ruanda oder in osteuropäische Nicht-EU-Länder, zum Beispiel in die Republik Moldau, zu bringen. Länder also, aus denen zurzeit viele Menschen vor Verfolgung, Ausgrenzung und damit verbundener Armut fliehen. Von »sicheren Drittstaaten« kann nicht die Rede sein. [….] Das Grundsatzprogramm ist zweifellos eine inhaltliche Annäherung der CDU an die AfD. Das gilt nicht nur für die Asyl- und die Energiepolitik. Ebenso wichtig ist für beide Parteien der Kulturkampf gegen Grüne und Teile der Linken. Dieser entzündet sich etwa an der Frage, ob ein Gendersternchen verwendet werden sollte oder nicht. »Wir wollen, dass in allen Behörden, Schulen, Universitäten und anderen staatlichen Einrichtungen sowie im öffentlich-rechtlichen Rundfunk keine grammatikalisch falsche Gender-Sprache verwendet wird«, heißt es im Entwurf für das neue CDU-Grundsatzprogramm.
Union und AfD könnten sich bei diesem Thema und weiteren schnell einigen. Zudem hätte eine Zusammenarbeit auf Bundesebene den Vorteil für die Konservativen, dass die AfD staatstragend auftreten und ihre Pöbeleien im Parlament, die bei Protestwählern gut ankommen, zumindest reduzieren müsste. Auch den wütenden Mob, den die AfD auf den Straßen mobilisieren kann, wenn es etwa um Geflüchtete geht, würde die Union sehr gerne besänftigen. Für Macht und Posten wären viele Rechte dazu sicherlich bereit. Parteiführerin Alice Weidel hat die Union bereits mehrfach zu einer Zusammenarbeit aufgerufen. [….]
Die gegenwärtige deutsche Opposition ist unwählbar. An der ungeheuerlichen rassistischen Wannseekonferenz 2.0 nahmen viele CDU-Mitglieder teil.
Erhebliche Kräfte in der Ost-CDU möchten lieber mit den Nazis koalieren, als die Demokratie und den Rechtsstaat Deutschland zu erhalten. Das ist nicht neu, sondern wird schon seit Jahren versucht.
[….] In einem gemeinsamen Schreiben haben 17 Thüringer CDU-Funktionäre nach der Schlappe ihrer Partei bei der Landtagswahl Bereitschaft zu Gesprächen mit der AfD im Freistaat gefordert. Der "Appell konservativer Unionsmitglieder in Thüringen" sei in CDU-Kreisen verbreitet worden, berichtete die "Ostthüringer Zeitung". Die Funktionäre empfinden es demnach als undenkbar, dass "fast ein Viertel der Wähler" in Thüringen "bei den Gesprächen außen vor bleiben soll". Damit wählten sie ganz ähnliche Worte wie der CDU-Landtagsabgeordnete Michael Heym, der vergangene Woche mit Blick auf das Stimmenergebnis der AfD von 23,4 Prozent bei der Wahl gesagt hatte: "Man tut der Demokratie keinen Gefallen, wenn man ein Viertel der Wählerschaft verprellt." [….]
Heym sitzt immer noch für die CDU im Landtag, in dem seine CDU inzwischen mehrfach mit den Nazis der Höcke-Fraktion zusammenarbeitete.
Die Nazis in Deutschland marschieren wieder und vor die Frage gestellt, ob man sich dem entgegenstellt, oder lieber mit den Nazis gemeinsam geht, wählt die CDU zumindest nicht klar die erste Option, sondern übernimmt die faschistischen Narrative, den rechtsradikalen Hass und die populistische Staatsverachtung.
[….] Die Beschädigung von demokratischer Zivilität speist sich nicht nur aus der politischen Peripherie, sondern aus jenen Teilen der bürgerlichen Mitte, die alles, was republikanische Bürgerlichkeit im besten Sinne bedeuten könnte, verleugnen. Das zerstörerische Werk der demokratischen Missachtung erledigen mittlerweile alle in Parteien und Redaktionen, die sich einen eigenen Nutzen davon versprechen, populistische Rhetorik und Ressentiments zu kopieren.
Wer sich permanent fragt, ob die eigenen Worte oder Positionen auch ausreichend das AfD-Klientel "abholen" oder besänftigen, hat den eigenen demokratischen Kompass schon verloren. Wer sich permanent fragt, ob die eigenen Aussagen oder Programme auch ausreichend die Anhänger von Verschwörungserzählungen "abholen" oder besänftigen, hat die Wirklichkeit als Maßstab schon verloren. Wer sich nicht traut, Stimmungen und Affekten zu widersprechen, nur weil sie laut sind, verwechselt Volumen und Wahrheit. Wer glaubt, die Prinzipien des Grundgesetzes seien "normalen Leuten" nicht zumutbar, ist nicht "nah an den Sorgen der Menschen", sondern zelebriert lediglich die zynische Gleichgültigkeit einer bürgerlichen Mitte, die nur noch nicht begriffen hat, dass das Grundgesetz das Fundament dieser Republik ist. [….]
Die CDU ist unwählbar. Ich bleibe SPD-Anhänger.