Seit
ein, zwei Jahren wird der alte Begriff „Querfront“, der aus der Weimarer
Republik stammt, als ganz ganz Linke und ganz ganz Rechte gelegentlich Gemeinsamkeiten
im Kampf gegen demokratische Parteien ausloteten, wieder häufiger verwendet.
Anlass
der Wiederentdeckung des Kampfbegriffs waren die sogenannten Berliner „Montagsdemonstrationen“,
weil die Mischung aus Friedensbewegten, Verschwörungstheoretikern,
Kapitalismuskritikern, Putin-Anhängern, Anti-Amerikanern und Rechtsextremen
aller Art schwer zu beschreiben war.
Elsässer
und Matussek marschieren mit Ökopaxen und Chemtrail-Gläubigen?
[….]
Es ist leicht, diese selbst erklärte
Friedensbewegung als Wochenmarkt für Spinner abzutun. Es ist schwerer, zu
verstehen, warum Tausende zusammenkommen, um Frieden in der Ukraine und Syrien
zu fordern – und heftig gegen Presse und Fernsehen zu wettern; Parteien und
Kapitalismus und das Zinswesen zu verdammen; aber Neonazis, die sich unter sie
mischen, zu tolerieren. Was soll das? Was wollen sie? […..]
Ein
Grund für die Existenz dieser bizarren Allianz ist der Verlust eines
allgemeinen Verständnisses der Realität.
Man
sieht es in Reinform in Amerika. Trump lügt wie gedruckt, straft sich
sogar selbst ununterbrochen Lügen, aber Millionen Anhänger jubeln ihm dennoch frenetisch zu.
Möglich
ist das, weil es keinen Konsens darüber gibt was Fakten sind.
Wie viel
sind seriös recherchierte Fakten mit kristallklaren Quellenangaben wert, wenn zig
Millionen Bürger dies bedingt durch ihren grundsätzlichen Fanatismus dennoch nicht
glauben, sondern an ihren irrigen Wahnvorstellungen festhalten?
Die
Kreuz- und Querfront von heute ist eine tagesaktuelle Schnittmenge weit
gestreuter Individuen. Das Internet macht es möglich. Valide Schnittmengen
bewegen sich amöbenartig über das Meinungsspektrum, daß man sich auch als
Vernunftmensch unversehens immer mal wieder in einer dieser Mengen befindet.
Ehe man
sich versieht hat man in den Sozialen Medien irgendeinen Standpunkt unterstützt
und weiterverbreitet.
Und
schon sitzt man mit ganz anderen Typen in einem Boot.
Einer
meiner stärksten inneren Motivationen ist der Atheismus. Da ich in einer
christlich geprägten Kultur lebe, gerate ich argumentativ dauernd mit
Kirchenvertretern aneinander.
Damit
gehe ich oft eine natürliche Allianz mit Schwulen ein, weil Schwule zu den am
stärksten diskriminierten Opfern der Religionen gehören.
Diese
Allianz kommt mir gelegen, da ich wieder jeder vernünftige Mensch keineswegs
homophob bin.
Darüber
darf man aber nicht vergessen, daß Schwule gerade unter katholischen Geistlichen extrem
überrepräsentiert sind.
Ich
unterstütze die Kritik an der homophoben Haltung der RKK, habe deswegen aber
noch lange keine Sympathie für den schwul-klerikalen Islamhasser David Berger.
Als
Atheist, der mit einer deutsch-amerikanischen Sozialisierung zwar am liebsten
vor der eigenen (christlichen) Tür kehrt, lehne ich dennoch andere religiöse
Ideologien gleichermaßen ab.
Sie sind
nicht nur exkludierend und damit gefährlich, sondern auch höchst lächerlich.
[……]
Gott, der lang schon Tote, hat längst zu
stinken begonnen. Seit einigen
Jahrhunderten schon kann jeder halbwegs gebildete Mensch die Idee als unhaltbar
und beschämend kurios erkennen: Ein allmächtiges Wesen, dessen Ursprung niemals
erklärt wurde – lebt es? Ist es unbelebt? Ist es irgendetwas dazwischen? Jenes
Wesen habe also das Universum mit all dessen physikalischen Gesetzen, mit der
betäubenden Unendlichkeit und Milliarden von Sonnen und Planeten erschaffen.
Und das gleiche Wesen
soll nun, im Jahr 2017, ein ernsthaftes Interesse daran haben, dass man, um nur
einige der bizarren Regeln anzuführen, die ihm zugeschrieben werden, a)
Löckchen an den Ohren trage, b) auf gar keinen Fall einen Baconburger bestelle,
sondern wenn, dann einen Lammfleischdöner, c) Statuetten von gefolterten,
halbnackten Bärtigen in jedes Klassenzimmer jeder Schule hänge, d) homosexuelle
Liebe für etwas Schlimmes zu halten habe, etc. pp. Man könnte jetzt seitenlang
groteske Vorschriften aufzählen, die nach Borniertheit, Kleinlichkeit,
Machtgeilheit, Unterdrückungslust, Narzissmus und Dämlichkeit riechen, kurz: nach
Mensch. […..]
Natürlich
sind Atheisten keine Freunde des Korans.
Als
Kritiker der islamischen Ideologie landet man aber schnell in einer Kreuz- und
Querfront mit Rechtsextremen, Nationalisten und Islamophoben, die nicht nur
Islam und Islamismus verwechseln, sondern mit der islamischen Ideologie auch alle
islamisch Gläubigen verachten.
Hier muß
man sehr genau aufpassen sich nicht gemein zu machen.
Ich
hasse und verachte auch deutsche Volksmusik – hege aber keinen Groll gegen das
einzelne Individuum, welches diese Musik
liebt.
Musikalische
Vorlieben sind genauso unergründlich wie religiöse Vorlieben.
Ich verwahre
mich entschieden dagegen, daß Volksmusikanten mich beschallen; schon gar nicht
will ich sie finanzieren.
Genau
wie Katholiban oder Ultraorthodoxe Juden sollen sie aber privat ihrem Hobby
frönen – so viel sie möchten.
Es ist
ihr Recht das zu tun und dieses Recht verteidige ich auch.
Aus
ihren Gefühlen hingegen ergeben sich
keine Sonderrechte.
[…..]
Dennoch scheint ein allgemeines
Einverständnis vorzuherrschen, dass Religionen einen besonderen Schutz zu
genießen hätten. Immer noch umgibt sie die Aura des Ehrwürdigen bis
Unantastbaren, so wie die hundertjährige Erbtante, die zwar nichts mehr sieht
und kaum noch hören kann, dafür aber umso lauter ungefragt reinkrächzt in jedes
Gespräch.
Menschen, die sich als
religiös bezeichnen, genießen ein sonderbares Vorrecht: jede sinnvolle Debatte
unterbinden zu können, wenn sie spüren, dass der argumentative Grund unter
ihren Füßen wackelig wird. Es ist bezeichnend, dass wir Satiriker benötigen, um
das Offensichtliche zu benennen. Im Nachgang des Charlie-Hebdo-Massakers sprach
Oliver Maria Schmitt, ehemaliger Chefredakteur der Titanic, aus, was die
Grundlage einer aufgeklärten Gesellschaft zu sein hätte: „Im Zusammenhang mit
religionskritischer Satire hört man immer wieder den unsinnigen Vorwurf: ‚Aber
damit verletzt ihr doch die religiösen Gefühle anderer.‘ Ich frage mich: Was
soll denn das sein, ein ‚religiöses Gefühl‘? (...) Ist das Gefühl eines
aufgeklärten Geistes weniger wert als das Gefühl eines religiösen
Einfaltspinsels? Es ist aufklärerische Menschenpflicht, jede Religion immer und
überall zu kritisieren.“
[….]
Ja ich
gehöre zur Kreuz- und Querfront der Religionskritiker; bin ein Kritiker des
Islams.
Bösartige Kirchen, Reichsbürger, Dunkelkatholiban und
AfD sind deswegen noch lange keine Alliierten.