Samstag, 25. Februar 2017

Kreuz und Quer-Front.



Seit ein, zwei Jahren wird der alte Begriff „Querfront“, der aus der Weimarer Republik stammt, als ganz ganz Linke und ganz ganz Rechte gelegentlich Gemeinsamkeiten im Kampf gegen demokratische Parteien ausloteten, wieder häufiger verwendet.

Anlass der Wiederentdeckung des Kampfbegriffs waren die sogenannten Berliner „Montagsdemonstrationen“, weil die Mischung aus Friedensbewegten, Verschwörungstheoretikern, Kapitalismuskritikern, Putin-Anhängern, Anti-Amerikanern und Rechtsextremen aller Art schwer zu beschreiben war.
Elsässer und Matussek marschieren mit Ökopaxen und Chemtrail-Gläubigen?

[….] Es ist leicht, diese selbst erklärte Friedensbewegung als Wochenmarkt für Spinner abzutun. Es ist schwerer, zu verstehen, warum Tausende zusammenkommen, um Frieden in der Ukraine und Syrien zu fordern – und heftig gegen Presse und Fernsehen zu wettern; Parteien und Kapitalismus und das Zinswesen zu verdammen; aber Neonazis, die sich unter sie mischen, zu tolerieren. Was soll das? Was wollen sie? […..]

Ein Grund für die Existenz dieser bizarren Allianz ist der Verlust eines allgemeinen Verständnisses der Realität.

Man sieht es in Reinform in Amerika. Trump lügt wie gedruckt, straft sich sogar selbst ununterbrochen Lügen, aber Millionen Anhänger jubeln ihm dennoch frenetisch zu.

Wie viel sind seriös recherchierte Fakten mit kristallklaren Quellenangaben wert, wenn zig Millionen Bürger dies bedingt durch ihren grundsätzlichen Fanatismus dennoch nicht glauben, sondern an ihren irrigen Wahnvorstellungen festhalten?

Die Kreuz- und Querfront von heute ist eine tagesaktuelle Schnittmenge weit gestreuter Individuen. Das Internet macht es möglich. Valide Schnittmengen bewegen sich amöbenartig über das Meinungsspektrum, daß man sich auch als Vernunftmensch unversehens immer mal wieder in einer dieser Mengen befindet.

Ehe man sich versieht hat man in den Sozialen Medien irgendeinen Standpunkt unterstützt und weiterverbreitet.
Und schon sitzt man mit ganz anderen Typen in einem Boot.

Einer meiner stärksten inneren Motivationen ist der Atheismus. Da ich in einer christlich geprägten Kultur lebe, gerate ich argumentativ dauernd mit Kirchenvertretern aneinander.
Damit gehe ich oft eine natürliche Allianz mit Schwulen ein, weil Schwule zu den am stärksten diskriminierten Opfern der Religionen gehören.
Diese Allianz kommt mir gelegen, da ich wieder jeder vernünftige Mensch keineswegs homophob bin.
Darüber darf man aber nicht vergessen, daß Schwule gerade unter katholischen Geistlichen extrem überrepräsentiert sind.
Ich unterstütze die Kritik an der homophoben Haltung der RKK, habe deswegen aber noch lange keine Sympathie für den schwul-klerikalen Islamhasser David Berger.

Als Atheist, der mit einer deutsch-amerikanischen Sozialisierung zwar am liebsten vor der eigenen (christlichen) Tür kehrt, lehne ich dennoch andere religiöse Ideologien gleichermaßen ab.
Sie sind nicht nur exkludierend und damit gefährlich, sondern auch höchst lächerlich.

[……] Gott, der lang schon Tote, hat längst zu stinken begonnen. Seit einigen Jahrhunderten schon kann jeder halbwegs gebildete Mensch die Idee als unhaltbar und beschämend kurios erkennen: Ein allmächtiges Wesen, dessen Ursprung niemals erklärt wurde – lebt es? Ist es unbelebt? Ist es irgendetwas dazwischen? Jenes Wesen habe also das Universum mit all dessen physikalischen Gesetzen, mit der betäubenden Unendlichkeit und Milliarden von Sonnen und Planeten erschaffen.
Und das gleiche Wesen soll nun, im Jahr 2017, ein ernsthaftes Interesse daran haben, dass man, um nur einige der bizarren Regeln anzuführen, die ihm zugeschrieben werden, a) Löckchen an den Ohren trage, b) auf gar keinen Fall einen Baconburger bestelle, sondern wenn, dann einen Lammfleischdöner, c) Statuetten von gefolterten, halbnackten Bärtigen in jedes Klassenzimmer jeder Schule hänge, d) homosexuelle Liebe für etwas Schlimmes zu halten habe, etc. pp. Man könnte jetzt seitenlang groteske Vorschriften aufzählen, die nach Borniertheit, Kleinlichkeit, Machtgeilheit, Unterdrückungslust, Narzissmus und Dämlichkeit riechen, kurz: nach Mensch. […..]

Natürlich sind Atheisten keine Freunde des Korans.
Als Kritiker der islamischen Ideologie landet man aber schnell in einer Kreuz- und Querfront mit Rechtsextremen, Nationalisten und Islamophoben, die nicht nur Islam und Islamismus verwechseln, sondern mit der islamischen Ideologie auch alle islamisch Gläubigen verachten.

Hier muß man sehr genau aufpassen sich nicht gemein zu machen.
Ich hasse und verachte auch deutsche Volksmusik – hege aber keinen Groll gegen das einzelne Individuum, welches diese Musik liebt.

Musikalische Vorlieben sind genauso unergründlich wie religiöse Vorlieben.

Ich verwahre mich entschieden dagegen, daß Volksmusikanten mich beschallen; schon gar nicht will ich sie finanzieren.
Genau wie Katholiban oder Ultraorthodoxe Juden sollen sie aber privat ihrem Hobby frönen – so viel sie möchten.

Es ist ihr Recht das zu tun und dieses Recht verteidige ich auch.
Aus ihren Gefühlen hingegen ergeben sich keine Sonderrechte.

[…..] Dennoch scheint ein allgemeines Einverständnis vorzuherrschen, dass Religionen einen besonderen Schutz zu genießen hätten. Immer noch umgibt sie die Aura des Ehrwürdigen bis Unantastbaren, so wie die hundertjährige Erbtante, die zwar nichts mehr sieht und kaum noch hören kann, dafür aber umso lauter ungefragt reinkrächzt in jedes Gespräch.
Menschen, die sich als religiös bezeichnen, genießen ein sonderbares Vorrecht: jede sinnvolle Debatte unterbinden zu können, wenn sie spüren, dass der argumentative Grund unter ihren Füßen wackelig wird. Es ist bezeichnend, dass wir Satiriker benötigen, um das Offensichtliche zu benennen. Im Nachgang des Charlie-Hebdo-Massakers sprach Oliver Maria Schmitt, ehemaliger Chefredakteur der Titanic, aus, was die Grundlage einer aufgeklärten Gesellschaft zu sein hätte: „Im Zusammenhang mit religionskritischer Satire hört man immer wieder den unsinnigen Vorwurf: ‚Aber damit verletzt ihr doch die religiösen Gefühle anderer.‘ Ich frage mich: Was soll denn das sein, ein ‚religiöses Gefühl‘? (...) Ist das Gefühl eines aufgeklärten Geistes weniger wert als das Gefühl eines religiösen Einfaltspinsels? Es ist aufklärerische Menschenpflicht, jede Religion immer und überall zu kritisieren.“ [….]

Ja ich gehöre zur Kreuz- und Querfront der Religionskritiker; bin ein Kritiker des Islams.
Bösartige Kirchen, Reichsbürger, Dunkelkatholiban und AfD sind deswegen noch lange keine Alliierten.