Montag, 25. März 2013

Geisterbahn



 Der Blick auf das bundespolitische Berlin ist ein bißchen öde im Moment. 
Die Opposition ist mit unfähigem Personal geschlagen – Nahles, Göring-Kirchentag, Kipping, Riexinger – und die Regierenden befinden sich schon seit Oktober 2009 im Winterschlaf.
Glatte Arbeitsverweigerung, die Schwarzgelb vorführt.
Egal ob Rente, Mindestlohn, Klimaschutz, Ökostrom-Reform, Gleichstellung der Homo-Ehe oder Frauenquote - Union und FDP bringen nichts Wichtiges mehr zustande. Besonders deutlich zeigt sich das bei einem für Millionen Bürger existenziellen Thema: der Altersversorgung. Es ist keine fünf Monate her, dass die Koalition beschlossen hat, noch in dieser Legislatur eine Lebensleistungsrente einzuführen. Doch davon will jetzt keiner mehr etwas wissen. Und noch vor zwei Wochen hat Unionsfraktionschef Volker Kauder einen "signifikanten Einstieg" in die Erhöhung der Mütterrenten versprochen. Auch den wird es jetzt nicht mehr geben.   Ohne die alles übertünchende Euro-Krise könnten Union und FDP das morsche Gebälk der Koalition schon lange nicht mehr verstecken. Zu groß sind die Unterschiede zwischen den Partnern geworden. Im Rentenstreit haben es CDU und CSU noch nicht einmal geschafft, sich auf eine unionsinterne Position zu verständigen - von einem Kompromiss mit den Liberalen ganz zu schweigen. [….]  Die Koalition hat kapituliert.
Das Problem ist hauptsächlich die Nullthemenpartei FDP, die in Wahrheit bloß ein vom Höchstbietenden zu mietender Lobbyverein ist.

Ein gutes Geschäft auch für die Käufer. So mußte FDP-„Spender“ Baron von Finck lediglich 1,2 Millionen Euro an die FDP-Parteikasse überweisen, um für seine Hotels eine Steuerermäßigung von über einer Milliarde Euro pro Jahr zu erhalten.
Beispiel Glücksspielautomaten.
Zum zweiten Mal hat Paul Gauselmann, der Obermufti der Geldspielmafia einen siebenstelligen Betrag in die FDP-Parteikasse bugsiert und so dafür gesorgt, daß die Bundesregierung und der Wirtschaftsminister ihn weiterhin arme Süchtige abzocken läßt.
Die Umsätze der Automatenwirtschaft - dramatisch gestiegen. Immer mehr Spielhallen, immer mehr Geldspielgeräte. Jahr für Jahr verlieren Spieler über drei Milliarden Euro. Sogar eine Studie des Ministeriums stellte schon vor Jahren fest, es fehlt an Spielerschutz, an Schutz vor Steuerhinterziehung und Geldwäsche. Die Spielverordnung müsse verschärft werden. Das Problem ist nur, trotz aller Verlautbarungen ist das nicht passiert. Zu diesem Ergebnis kommen etliche Fachleute. Sachverständige, Kriminalbeamte, Suchtexperten.


Wer nicht reich ist und ein paar Milliönchen auf die Konten der Unsympathenpartei überweisen kann, wird auch nicht bedient.
Geht man vom Schlimmsten aus, ist das Spannende an der FDP, daß sie das auch noch unterbietet.
Egal ob es nun um Guidos grottige Außenpolitik geht, die Deutschlands Ansehen nachhaltig ruiniert hat, oder um Bahrs beschämende patientenfeindliche Lobbyistenbeglückungsgesundheitspolitik, oder um Niebels nebulöse Umwidmung eines Ministeriums in ein FDP-Kader-Verwahrungsdepot, oder um Leutheusser-Schnarrenbergers schäbige Bürgerfeindlich-Justiz oder eben um Rösles rabiate Milliardär-pampernden Wirtschaftspolitik geht; wenn die FDP beteiligt ist, kann nur das Übelste daraus werden.

Völlig unverständlicherweise ist nun allerdings einem kleinen Landesverband der FDP aus Versehen ein richtiger Vorschlag rausgerutscht.
Ausgerechnet in Sachsen, wo die Hepatitisgelben zusammen mit den Schwarzen gerne die Bräunlichen fördern und gemeinsam in einer Haselnusskoalition gegen Linke, SPD und Grüne vorgehen.
Vielleicht haben sie die falschen Pillen bekommen?
Ich verstehe es nicht.
Unter dem Titel "Klare Regeln für Verhältnis zwischen Kirche und Staat - Trennung, Akzeptanz und Miteinander" wird auch verlangt, den konfessionellen Religionsunterricht in einen überkonfessionellen Ethikunterricht umzuwandeln. Das kritisiert der FDP-Bundestagsabgeordnete Kober ebenso scharf und erinnert seine ostdeutschen Parteifreunde an die DDR: "Hätten die Kirchen dort das Recht gehabt, an den Schulen konfessionellen Unterricht abzuhalten, wäre die Diktatur der SED so nicht möglich gewesen."

Die FDP in Sachsen stellt auch die im Freistaat gezahlten staatlichen Zuwendungen an die Kirchen - jährlich 23,5 Millionen Euro - in Frage. Diese seien durch die Koppelung an die Beamtenbesoldung ständig weiter gestiegen. "Vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung und der zukünftig sinkenden Finanzausstattung des Freistaats Sachsen gehört diese Regelung auf den Prüfstand", heißt es.
Wie der von mir schon mehrfach sehr gelobte Pascal Kober*, der Christ des Tages Nr. 58, wird der strenggläubige Katholik Fipsi Rösler, der auch im Zentralrat der Katholiken in Deutschland (ZDK) sitzt, die abtrünnigen Ost-Liberalen hoffentlich bald wieder einnorden. Überhaupt ist die FDP voll auf Religiotenkurs.
Vernünftige FDP’ler verwirren mich nämlich zu sehr.

*Zum Christen des Tages Nr. 58.

Es handelt sich um einen Pfarrer, der nebenher auch FDP-Bundestagsabgeordneter ist und zur Gruppe der 42 engagierten Christen der Fraktion gehört. 

Christ des Tages LVIII ist Pascal Kober, geb. 1971, Theologe aus Baden-Württemberg. 
Der Pfarrer vom Neckar ist auch Gründungsmitglied und Theologischer Berater der Christlichen Liberalen – Christen bei den Freien Demokraten Baden-Württemberg.
(Karl-Hermann Flach wird in seinem Grab rotieren.)


Auslöser für diesen Berufswunsch waren die Erfahrungen im Religionsunterricht der Oberstufe, in dem wir gelernt haben, die Dinge nicht einfach hinzunehmen, sondern sie zu hinterfragen und eigene Antworten zu formulieren. Mit Begeisterung habe ich damals im Unterricht die (Auszüge aus der) Schrift von der „Freiheit eines Christenmenschen“ von Martin Luther verschlungen, die wir behandelt haben. Vielleicht ist ja damals mit der Lektüre von Luthers „Freiheitsschrift“ schon ein Grundstein für mein späteres politisches Engagement bei der FDP gelegt worden.

Die FDP, die rigoros Spekulanten vor Börsenumsatzsteuer schützt und Steuergeschenke an die Reichsten weiterreicht, während Westerwelle wider die „spätrömische Dekadenz“ des Prekariats hetzt, empfindet Kober als besonders „sozial kompetent“:

Die FDP redet nicht nur von sozialer Verantwortung und instrumentalisiert sie auch nicht für ihre eigenen Zwecke. Sie macht sich ideenreich und tatkräftig an die Lösung. Dabei verletzt sie nicht die Würde der Betroffenen und gibt das Ideal einer freien Gesellschaft nicht auf. Leitbild der FDP – Sozialpolitik ist die Befähigung zu Eigenverantwortung, zu Teilhabe an der Gesellschaft und zu einem solidarischen Miteinander. Liberale Sozialpolitik begnügt sich nicht damit, die Schwächen Betroffener zu verwalten und materiell auszugleichen, sondern sie will an den Ursachen ansetzen und an den Stärken der Menschen anknüpfen.
  Wie die FDP den Armen helfen will, indem sie den Reichsten Geld zuscheffelt, erklärte der Christ des Tages 58 in der ZEIT.
DIE ZEIT: Herr Kober, wann haben Sie zum letzten Mal gebetet?
Pascal Kober: Heute Nacht. Ich bete jeden Tag.
[…] Natürlich freue ich mich darüber, dass Jochim Gauck Präsident wird.
ZEIT: Warum wollte die FDP einen Pfarrer für dieses Amt?
Kober: Pfarrer wird nur jemand, der die Menschen liebt. [sic!!! - ob das die von Priestern vergewaltigten Jungs auch so sehen? - T. ] Das gilt auch für Joachim Gauck.
[…]
ZEIT: Herr Kober, […] Gibt es zu viele Reiche in Deutschland?
Kober: Nein. Das Entscheidende für mich als Christ ist der Umgang mit dem Reichtum, nicht der Reichtum an sich.
ZEIT: »Ihr sollt euch nicht Schätze sammeln auf Erden, da sie die Motten und der Rost fressen«, steht im Matthäus-Evangelium. Tun aber nicht viele Reiche genau das – sie sammeln Schätze, hocken darauf wie Dagobert Duck und geben nichts ab?
Kober: Wenn jemand tatsächlich zweckfrei Besitz anhäuft – dann entsteht Reichtum, wie er im Neuen Testament kritisiert wird. Man soll ihn in den Dienst einer sinnvollen Sache stellen.
ZEIT: In Deutschland gibt es massenhaft Reiche, die das nicht tun. Wie bekehrt man sie?
Kober: Ich muss ihnen die Augen für die Not der anderen öffnen und dabei wegkommen von einer Zeigefingerpolitik, die suggeriert, dass immer jemand anderes in der Verantwortung steht, meistens der Staat, die Wirtschaft oder die Reichen.
[…]
Schon Martin Luther hat festgestellt, dass es nicht sinnvoll ist, wenn der Reiche sein ganzes Vermögen hergibt und am Ende selbst nichts mehr hat.
ZEIT: Warum?
Kober: Dann habe ich ja einen neuen Armen.
[…]
Kober: Unser Wohlstand ist darauf gegründet, dass Menschen unternehmerische Ideen umsetzen. Wir möchten sie ermutigen, ihre Begabungen und finanziellen Mittel dazu einzusetzen, Arbeitsplätze und gute Produkte zu schaffen.
[…]
ZEIT: Ist Gott ein Liberaler?
Kober: […] Gott hat in jeden Menschen etwas hineingelegt, das ich gerne entdecken würde. Deshalb bin ich Liberaler. Je mehr das Leben reguliert und standardisiert ist, desto weniger gibt es zu entdecken. Institutionen werden individuellen Problemen immer nur oberflächlich gerecht. Am Ende steht eine Entsolidarisierung. Die einen kümmern sich weniger, und die anderen werden zu wenig gefordert, selbst etwas aus ihrem Leben zu machen. Ich glaube übrigens, dass Joachim Gauck ähnlich denkt. Ich habe mit ihm leider nie darüber gesprochen. Aber so verstehe ich seine Warnung, dass der Sozialstaat zu Passivität verleiten kann.
ZEIT: Wollen Sie allen Ernstes behaupten, dass die FDP christliche Nächstenliebe propagiert?
Kober: Jedenfalls finde ich es naheliegend, in einer Partei zu sein, die die persönliche Verantwortung für den Nächsten und sich selbst in den Mittelpunkt stellt.