Jedes
Jahr muß man als Medien-Geront neue Begriffe lernen.
Begriffe,
die auf einmal von allen verwendet werden, ohne daß man sie offiziell
erklärt bekommen hat.
Frontex,
TTIP, Montagsdemonstranten, Pegida, Querfront, Daesh und das letzte, das ich
bewußt lernte war „Gatekeeper“.
Gatekeeping
ist die Auswahl-Funktion des professionellen Journalismus. Sie bewerten,
checken, prüfen und bearbeiten die unüberschaubare Masse der Meldungen, die
täglich in die Welt geblasen werden.
Das ist
eine unverzichtbare Funktion, denn die schiere Quantität der Nachrichten macht
es unmöglich sich selbst das Relevante zuverlässig raus zu filtern.
Diese
Schnittstelle ist aber auch Ausgangspunkt für Verschwörungstheorien aller Art.
Pegisdisten und andere Debile bezweifeln nämlich, daß die klassischen Medien
ihre Gatekeeping-Funktion seriös ausfüllen.
Daher
skandieren sie bei jeder Gelegenheit in klassischem NS-Sprech „Lügenpresse!
Lügenpresse!“
Im
Internet finden sie leicht andere Gatekeeper und landen bei Kopp, PI, Kathnet,
Deutsche Wirtschaftsnachrichten (DWN), Netzfrauen oder Russia Today (RT).
Auf
solchen Plattformen finden sich in der Tat „andere“ Meldungen, die man
üblicherweise nicht in der Tagesschau sieht.
Verschwörungstheoretiker
glauben diesen „alternativen Medienplattformen“ schon deswegen, weil sie nicht
das bringen, was in klassischen Medien berichtet wird. Außerdem passen
diese Dinge so viel besser in das eigene verquere Weltbild.
Der
Haken an der Geschichte ist, daß RT und DWN zwar spannende, aber leider keine
seriösen Nachrichten bringen.
Ich
halte diese Portale aus dem Eso-, Neonazi-, Tradi und Verschwörungsbereich für
äußerst gefährlich, weil so Demagogie und Extremismus die Türen geöffnet
werden. Factchecking und Recherche werden immer mehr in den Hintergrund
gedrängt und am Ende macht sich jeder die Nachrichten so, wie er sie gerne
hätte.
Schon
jetzt leben die Nutzer der sozialen Netzwerke oft in ihren inzestuösen Blasen,
in denen sie nur das wahrnehmen, was in ihr Weltbild passt.
Kommt es
dann zu einem zufälligen Kontakt mit der guten alten 20Uhr-Tagesschau, wirkt
diese so exotisch, daß sie umso leichter als „Lügenpresse“ geschmäht wird.
Dadurch
leben Journalisten gefährlich, werden bei „Montagsdemos“ tätlich angegriffen.
Außerordentlich
bedenklich ist es, wenn zur seriösen Presse gezählte Medien dem Populismus
erliegen, auf einmal auch das bringen, was Peginesen gern hören und dies auch
noch ökonomisch erfolgreich ist.
Das abschreckende Beispiel heißt Focus-Online. Mit xenophoben Flüchtlings-Berichten
und Gerüchten, wurde die Burda-Tochter zur Nummer eins in den sozialen
Netzwerken.
Ich
verurteile das scharf.
Der
einzige Weg mit Lügenpresse-Anfeindungen umzugehen, ist es streng
faktenorientiert zu bleiben, oder wenn möglich noch genauer zu recherchieren
und zu prüfen.
Tendenziöse
journalistische Fehlleistungen, die nur zu offensichtlich einem bestimmten
Freund-Feind-Bild entsprechen, dürfen nicht passieren.
Nach wie
vor beobachte ich im Internet Gruppen wie „die Putinisten“
und staune über die Parallelwelt, in der diese Leute leben.
Dort ist Putin der unumstrittene Held. Jeglicher Widerspruch muß eine
Lüge sein.
In der
Diskussion mit Putinisten, Peginesen und anderen Panikern sind Häme und
Besserwisserei nutzlos. Man kann lediglich die Quellen hinterfragen und
versuchen diese Menschen für Fakten zu sensibilisieren.
Das ist
kein leichtes Unterfangen, denn gerade bei genauer Beachtung der Faktenlage
erkenne ich bei ARD, ZDF und SPIEGEL durchaus auch Parteilichkeit zu Ungunsten Russlands.
Unglücklicherweise sitzen sie damit in einem Boot mit Merkel und Gauck, die
sich beide klar von antirussischen Vorurteilen lenken lassen.
Außerordentlich
kontraproduktiv ist es natürlich gerade beim Themenkomplex „Russland, Ukraine,
Putin“ wenn „Mainstreammedien“ sogar noch bei Falschmeldungen ertappt werden.
Dann sind sie in einer NoWin-Situation. Um den eigenen seriösen Ruf zu retten,
bringen sie üblicherweise a posteriori Korrekturen und Gegendarstellungen. Aber das was als Ausweis der Seriosität
gedacht war, verstehen Verschwörungstheoretiker nur als Beweis ihres
Lügenpresse-Weltbildes.
Beim
Absturz/Abschuss des MH17-Jets über die Ukraine passierten viele dieser
antirussischen Übersprunghandlungen. Unsere seriösen Medien betrachteten die
Darstellungen aus Kiew als Fakten und misstrauten allen Meldungen aus Moskau.
Man hätte aber beides gleichermaßen kritisch überprüfen müssen.
So kam
es zu der bekannten Empörungswelle angesichts eines angeblichen „Pro-Russen“
der hämisch eine Puppe eines der Kinder an Bord in die Kamera
hielt.
ARD,
BILD und Co hätten das Video nur wenige Sekunden länger ansehen müssen, um
festzustellen, daß genau das diametrale Gegenteil richtig war.
Der Rebell legte dann
das Plüschtier auf den Boden zurück, nahm seine Mütze ab und bekreuzigte sich.
Klar ersichtlich wird, dass er tief bewegt ist und trauert.
Auch bei
dem Abschuss des russischen Jets im Grenzgebiet zwischen Syrien und der Türkei
durch die Türkische Luftwaffen, wurde offensichtlich von vielen Medien nicht
sauber gearbeitet.
Schnell
waren die Russen als Luftraum-Rüpel ausgemacht, die schließlich zehnmal gewarnt
worden wären und dann nun wirklich zu Recht abgeschossen wurden.
Recherchiert
man etwas genauer, wie es dankenswerterweise Anja Reschkes PANORAMA-Team
gemacht hat, stellt sich schon bei der Befragung von Jetpiloten der Bundeswehr
schnell heraus, daß die Darstellungen der Türkei und NATO nicht stimmen können.
In
dieser Causa sind offensichtlich eher die zur NATO gehörenden türkischen Jäger
die „Bösen“ und die Russen die Opfer.
[….]
Sprey glaubt auch, eine Erklärung zu
haben, warum die Russen die Warnungen der Türkei über Funk nicht gehört haben.
Das hänge damit zusammen, dass die russischen SU 24 im Regelfall Funksprüche
auf der zivilen Frequenz nicht empfangen können, sondern nur Funksprüche auf
der militärischen Frequenz. [….]
Wolfgang Richter,
Oberst a.D. der Bundeswehr und Mitarbeiter der Stiftung Wissenschaft und Politik,
hat sich die Flugkurven der Russen und Türken angeschaut. Im Detail
unterscheiden sie sich, aber eine Sache könne man allgemein feststellen: Die
russischen Maschinen flogen parallel zur türkisch-syrischen Grenze, stellten
also keine direkte Bedrohung für die Türkei dar. Richter vermutet ein
strategisches Interesse der Türkei für den Abschuss: "Es ist sicherlich
ein beabsichtigter Abschuss gewesen, der auch vorbereitet war. Ich glaube
nicht, dass die Verletzung des Luftraums das eigentliche Problem ist, sondern
es waren die russischen Angriffe auf turkmenische Ziele." [….]
(Anja Reschke ist übrigens Journalistin des Jahres.
Und womit? MIT RECHT!)
Wladimir
Putin selbst wird im deutschen Fernsehen grundsätzlich negativ dargestellt.
In russischen Medien
kursieren schwere Vorwürfe gegen das ZDF. Auslöser ist eine Dokumentation mit
dem Titel "Machtmensch Putin", die der öffentlich-rechtliche Sender
am Dienstag der vergangenen Woche ausgestrahlt hatte.
In dem Film tritt ein
Protagonist namens "Igor" auf, der behauptet, als Freiwilliger an der
Seite der prorussischen Separatisten in der Ostukraine zu kämpfen. Er sagt
auch, dass sich reguläre russische Truppen im Donbass befinden.
Später war dieser Igor
dann unter dem angeblichen Klarnamen "Jurij" im russischen
Fernsehsender Rossija 1 zu sehen, wo er als "Arbeitsloser aus Kaliningrad"
beschrieben wurde. Das berichtet unter anderem der kremltreue Sender Russia
Today in seiner deutschsprachigen Ausgabe. Er gab an, das ZDF habe ihm ein
Drehbuch geschrieben, alles sei gelogen und inszeniert gewesen. Der Produzent,
ein Mann mit Namen "Bob", habe ihm 50 000 Rubel (etwa 650 Euro) dafür
versprochen.
Dem russischen
Fernsehen zufolge ist Bob der Filmemacher Walerie Bobkow. In angeblichem
Rohmaterial soll zu sehen sein, wie Bobkow dem Schauspieler Jurij zeigt, wie er
ein Gewehr zu tragen habe. Bei einem Flüstern im Hintergrund soll es sich um
Regie-Anweisungen für den jungen Mann handeln, der angeblich immer wieder den
vorgegebenen Text vergaß. Diese Anweisungen seien in der später ausgestrahlten
ZDF-Fassung durch die Stimme des Sprechers und dramatische Geräusche übertönt
worden.
Es gibt
weitere Fälle von antirussisch eingefärbter Berichterstattung.
Umso
peinlicher, wenn es ausgerechnet Leute vom RT sind, die das aufdecken.
Liebe
seriöse Presse, ich möchte keinesfalls, daß noch mehr Menschen zu Verschwörungstheoretikern
werden und sich dann Kopp, PI, RT und Co zuwenden.
Um das
zu verhindern, müßt ihr aber dringend besser aufpassen und Euch nicht zu Anti-Putin-Propaganda hinreißen lassen.
Es gibt
auch bei reiner Betrachtung der Fakten genügend an der gegenwärtigen
Kreml-Führung zu kritisieren.
Seriöser
Journalismus soll dazu Hintergründe aufzeigen und Fakten erklären.
Wenn ihr
stattdessen mehrfach bei unsauberer Arbeit ertappt werdet und dies zufällig
immer zu Ungunsten Russlands ausfällt, können sich Kopp, PI, RT und Co bei euch
bedanken, wenn sie immer mehr Zulauf haben.
Dann seid ihr selbst schuld, daß man euch immer weniger glaubt.