Samstag, 12. März 2022

Mächte und Meinungen – Teil II

Gegenwärtig steht Saudi-Arabien auf der Liste der geringsten Pressefreiheit von über 200 Nationen auf Platz 11. Gegenwärtig heißt 2021. De facto-Regierungschef Kronprinz Mohammed bin Salman al-Saud (MBS) bemüht sich aber eifrig darum, die Spitze zu erklimmen.

Einen Tag nachdem Raif Badawi nach zehn Jahren Folterknast entlassen wurde, erfuhr seine in Kanada lebende Frau, daß sie ihn weitere zehn Jahre nicht sehen darf. Badawi muss bis 2032 in Saudi Arabien bleiben und darf kein Internet nutzen, soll komplett von sozialen Medien getrennt bleiben. Von „Freiheit“ kann also beim besten Willen nicht die Rede sein.

[….] Seine Frau und seine Kinder in Kanada kämpfen jedenfalls weiter tapfer für eine Familienzusammenführung in echter Freiheit. Sie wollen ein weiteres Jahrzehnt schmerzhafter Trennung verhindern und haben jede Unterstützung verdient. Dasselbe gilt für die vielen arabischen und internationalen Initiativen und Organisationen, die sich beharrlich für die zahlreichen politischen Häftlinge in Saudi-Arabien einsetzen: Rund 3000 Menschen sollen dies nach Angaben von Amnesty International sein - trotz einer Reihe von positiven, teils gravierenden gesellschaftlichen Veränderungen, die Riad in den vergangenen Jahren umgesetzt hat und für die sich auch Raif Badawi zuvor stets eingesetzt hatte. […]

(Deutsche Welle, 12.03.2022)

Saudi Arabien, mit 585,7 Millionen Tonnen pro Jahr größter Erdöl-Exporteur der Welt, hat aber keine Probleme Abnehmer zu finden.

Im Gegenteil, nachdem sich der zweitgrößte Exporteur Russland zur Persona Non Grata entwickelt (außer beim Hauptimporteur China), wollen die Hauptabnehmerländer das nun auch noch viel teurere Öl vermehrt in Riad bestellen.

Deutschland verbraucht im Jahr rund 100 Millionen Tonnen Erdöl, dabei spielt Riad bisher nur eine kleinere Rolle.

[….] Russland ist für Deutschland der wichtigste Öllieferant. 2016 kam 40 Prozent des Öls aus Russland, 2018 war der Anteil leicht gesunken auf 36,3 Prozent. Damit ist Deutschland aktuell ziemlich abhängig von russischem Öl.

Es gibt aber auch andere Länder, aus denen Deutschland Öl bezieht. Diese sind:

    Norwegen (2018 rund 12 Prozent)

    Libyen (ca. 8,5 Prozent)

    Kasachstan (8,0 Prozent)

    Großbritannien (7,8 Prozent)

    Nigeria (6,4 Prozent)

    USA (4,6 Prozent)

    Aserbaidschan (3,6 Prozent)

    Irak (3,6 Prozent)

    Saudi-Arabien (1,7 Prozent) [….]

(SüdWest-Presse, 08.03.2022)

Die saudischen Reserven sind aber gewaltig, die Produktion ausbaufähig. Also wird MBS‘ Saudi Aramco, die größte Erdölfördergesellschaft der Welt, zukünftig eine größere Rolle in Deutschland spielen.

Deutschland verbraucht im Jahr rund 100 Milliarden Kubikmeter Erdgas, auch dabei spielt Riad bisher nur eine kleinere Rolle.

55% des von Deutschland importierten Erdgases kommt durch Pipelines aus Russland. Weitere 30% aus Norwegen und 13% aus den Niederlanden.

100 Millionen Tonnen Erdöl und 100 Milliarden Kubikmeter Erdgas im Jahr zu verbrennen ist natürlich der absolute Wahnsinn, aber der Wahnsinn ist noch am kleinsten, wenn Deutschland Öl und Gas durch Pipelines aus den Nachbarländern bezieht. Der Transport mit Öl- oder Flüssiggas-Tankern, der Bezug von Fracking-Gas wäre eine weit größere Klimakatastrophe.

Ich sage es ohne Häme und Ironie: Daß es ausgerechnet ein grüner Bundesminister für Wirtschaft und Energie ist, der nun gezwungen ist, auf die ökologisch noch viel schlimmeren Alternativen umzustellen, tut mir Leid.

Habeck muss nun ausbaden, daß in 16-Jahren Merkel-Regierung unter CDU-Führung die Abhängigkeit von Russland immer größer wurde, weil CDU und CSU den Umstieg auf erneuerbare Energien blockierten und der letzte CDU-Wirtschaftsminister Altmaier die deutschen Gas-Speicher ausgerechnet an Gazprom verkaufte.

Die Menschenrechtslage in den Golf-Monarchien, insbesondere in Saudi-Arabien ist dabei noch erheblich schlechter als in Russland, wo immerhin Frauen gleichberechtigt sind und Schwule nicht geköpft werden.

Dem Königshaus Saud zu widersprechen, ist eine besonders schlechte Idee, wie Kashoggi und Bawadi lehren. Auch der Massenmord an 370.000 Opfern im unter saudischen Dauerbeschuss stehenden Jemen übertrifft (noch) die Gräuel in der Ukraine.

MBS zieht die Zügel sogar noch deutlich an.

[….]  In Saudi-Arabien sind am Samstag bei der größten Massenhinrichtung seit Jahrzehnten 81 Menschen getötet worden. Die Männer seien wegen verschiedener Verbrechen verurteilt gewesen, darunter Terrorismus und andere Straftaten, einschließlich »abweichender Überzeugungen«, teilten die Behörden mit.  Unter den Hingerichteten seien auch sieben Jemeniten und ein Syrer. Wie die Männer getötet wurden, wurde nicht mitgeteilt. Menschenrechtsgruppen werfen Saudi-Arabien vor, restriktiv gegen politische und religiöse Meinungsäußerungen vorzugehen.  [….]

(SPON, 12.03.2022)

Abweichende Überzeugungen - das heißt bei MBS schnell mal RÜBE AB!

Nochmal, gänzlich ohne Ironie; ich möchte jetzt kein Bundesminister sein, der Deutschlands Energiepolitik durch diese Alptraum-Alternativen steuern muss.