Früher
dachte ich immer, daß „die Erwachsenen“ all das können, womit ich als Kind
haderte. Also Rechtschreibung. Und Autofahren. Oder kochen.
Ich weiß
nicht mehr wann ich begriff, daß nicht alle Erwachsenen alles können.
Längere
Zeit hielt sich aber mein Vorurteil, daß immerhin die Menschen in gewissen
Berufen – also zum Beispiel Lehrer oder Ärzte – selbstverständlich diese Grundfertigkeiten
beherrschen müßten.
Aber
vielleicht gehört das zu den Dingen, die „früher“ auch einfach anders waren,
die nämlich schon in der „Volksschule“ eingebläut wurden.
Gestern
las ich einige Briefe meines Großvaters aus den 1930er Jahren; recht
ausführliche Beschreibungen, die er auf einer Schreibmaschine tippte, weil er
ja noch die Generation „Sütterlin“ war und daher eine etwas schwer zu
entziffernde Handschrift hatte. Mein Opa war kein gebildeter Mann, sondern
Kaufmann, der wie in seiner Generation üblich schon als Teenager arbeiten ging.
Aber in
diesen langen Briefen ist nicht ein einziger Rechtschreibfehler. Jedes Komma
sitzt perfekt, jede Anrede ist groß geschrieben und jedes „das“ bekommt genau
da ein „ß“ wo es hinmuß.
Mir ist
immer noch nicht klar, wieso diese Fähigkeiten im 21. Jahrhundert allgemein
verloren gehen, obwohl die Menschen doch viel länger in die Schule gehen und viel
besseren Zugang zu Kultur und Bildung haben.
Liegt
das alles nur an den SMS? Kaum vorstellbar.
Anyway.
Als
erwachsener Mann glaube ich, daß Intelligenz und Bildung zwei verschiedene Paar
Schuhe sind. Es überlappt sich allerdings offenbar. Durch eine
bildungsbürgerliche Umgebung oder eben ein bildungsfernen Elternhaus kann der
IQ um +/- 15% beeinflußt werden.
Wer
immer liest und sich kontinuierlich weiter informiert, wird also nicht nur
gebildeter, sondern tatsächlich auch klüger.
Klassische Bildung erschien vor Hundert Jahren vielen Deutschen so
erstrebenswert, daß einfache Arbeiter, die 14 Stunden und sechs Tage die
Woche malochen gingen, dennoch freiwillig auf Abendschulen oder in
sozialistischen Bildungsvereinen dazu lernen wollten. Lernen um des Lernens
willen. Es galt als erstrebenswertes Ziel in sich.
Lernen
war kein Vehikel, um damit Karriere zu machen.
Man
legte sich Nietzsches „Also sprach Zarathustra!“ auf den Nachttisch, weil man gerne
darin las und es genoss seine eigenen Gedanken zu stimulieren.
Heute
legt man die neuen Nietzsche-Ausgaben (gerade sind wieder drei erscheinen) eher
auf den Nachttisch, um damit diejenigen zu beeindrucken, denen man unter
welchen Umständen auch immer sein Schlafzimmer zeigt.
Bildung
verkommt partiell zu einem zweckmäßigen Kleidungsstück.
Der
Dr.-Titel bringt eben nicht nur Prestige, sondern auch deutlich mehr Gehalt –
bei gleicher Qualifikation.
Insofern
ist es durchaus erklärlich wieso 15 konservative Politiker sich ihren akademischen Titel erschummelt haben.
Weniger
erklärlich ist allerdings wie ihnen das so einfach gelingen konnte.
Peter Häberle, Guttenbergs Doktorvater ist ein europaweit hochgeachteter
Spitzenjurist, der seinerseits ein halbes Dutzend Ehrendoktortitel verliehen
bekam. Mehrere Juristische Institute in aller Welt wurden nach ihm benannt.
Und so
einer merkt gar nicht, daß mit KTG jahrelang ein totaler Blender an seinem
Tisch saß, der nie selbst eine Zeile geschrieben hatte und nur zusammenkopiertes
Material abgab?
Bildung
scheint in von Klugheit entkoppelter Form existieren zu können.
Meine
naive Vorstellung, daß es einem dummen Menschen gar nicht gelingen kann bis ihn
die höchsten Staatsämter aufzusteigen, weil sich über die vielen Jahre doch irgendwann
die Spreu vom Weizen trenne, ist angesichts der Minister Friedrich oder
Dobrindt ohnehin ab absurdum geführt.
Es gibt
andererseits Kluge, die nicht den klassischen Bildungsweg gingen, die keinen
bildungsbürgerlichen Hintergrund haben, keine akademische Karriere hinlegten
und sich dennoch zweifellos in ihrem Leben eine immense Bildung zulegten. Dazu
gehören beispielsweise die Bundeskanzler Schröder, Brandt und Schmidt, oder auch
Menschen wie Marcel Reich-Ranicki, die keine Dissertationsschrift verfassten,
aber ein gewaltiges Wissen anhäuften.
Eine
entscheidende Gemeinsamkeit der vier Genannten ist aber ein persönlicher
Grundanstand.
Sie
haben sich ihre Klugheit selbst erarbeitet und dachten nie daran, es genüge
aufgrund ihrer Herkunft Bildung nur zu simulieren.
Die
Dr.-Peinlichkeiten Koch-Mehrin, von und zu Guttenberg und Schavan zeigten
insbesondere während ihrer Enttarnung überdeutlich, daß sie eben NICHT klug
sind.
Sie begriffen offenbar ihre Affären gar nicht.
Ihre
menschliche Kleinheit erwies sich erst richtig, als sie dümmlich lügend die
bittere Realität abstritten und später wie ein beleidigtes Kleinkind auf den
ihnen nicht zustehenden Titeln bestanden.
Wissen
sie denn nicht, daß sie das letzte bißchen Reputation wegwerfen, wenn sie
eingeschnappt ihre Unis verklagen und rumjammern, sie wollten IHREN Titel, den
sie selbst verdient hätten, zurück?
Universitäten
VERLEIHEN Titel. Die erwirbt man nicht wie beim Kaufmann. Man kann sie übrigens
auch nicht zurückgeben.
Diese
spezielle Sorte stolpernder Konservativer scheint nach all den Jahren in der
Politik noch nicht einmal das kleine Einmaleins der Skandalogie zu beherrschen.
Salamitaktik
geht immer nach hinten los und schmollend sein Recht zu verlangen – „das steht
mir aber zu!“ – wird nie vom Publikum goutiert werden.
Koch-Mehrin
fiel schon gewaltig auf die Nase, als sie versuchte ihren zusammengeschummelten
und dann entzogenen Doktor-Titel der Uni Heidelberg zurück zu klagen.
Uli Hoeness
landete im Knast, weil er dachte er brauche die Wahrheit gar nicht offenlegen,
wenn er nur ein Prozent des Betrugsvolumens zugäbe. Er dachte auch, er könne
sich „tätige Reue“ sparen und einfach stur auf all seinen Pöstchen und
Privilegien sitzen bleiben.
Und nun
Schavan, die ehemalige Bildungs- und Wissenschaftsministerin, die als einfache
Abiturientin weiterhin schmollend ihren Professorentitel trägt.
Auch sie
ging mit einem unmöglichen Anliegen vor Gericht und erreichte mit der heutigen
Abschmetterung ihrer Klage, daß ganz Deutschland den Kopf über sie schüttelt
und an ihrem Verstand zweifelt.
Schavan
ist nicht nur nicht gebildet, sondern sie ist ganz offensichtlich auch NICHT
KLUG.
Annette Schavans
Niederlage hätte klarer kaum ausfallen können. All die Argumente ihrer Anwälte
wischten die Düsseldorfer Verwaltungsrichter am Donnerstag zur Seite und wiesen
ihre Klage ab. Es waren die üblichen Ausreden in Plagiatsfällen: Man habe damals
eben anders gearbeitet, es gehe nur um wenige Textstellen – und überhaupt habe
sich die Universität nicht an die Feinheiten der Promotionsordnung gehalten.
Das Gericht aber konzentrierte sich aufs Wesentliche: Hat sie nun getäuscht
oder nicht? Ja. Alles andere sind Nebensächlichkeiten.
Damit hat die frühere
Bildungsministerin das Gegenteil von dem erreicht, was sie wollte, nämlich den
Titelentzug als dilettantische Ungerechtigkeit der Universität Düsseldorf zu
brandmarken. Die viel gescholtene Hochschule kann jetzt auf ein richterliches
Gütesiegel verweisen.
[…]
Erreicht
hat Schavan das, was ihr auch Klein Fritzchen prophezeien konnte: Sie hat sich
noch einmal zur bundesweiten Witzfigur gemacht und zu einem Shitstorm
eingeladen.
Einige Meldungen
des Tages:
Meine Professoren klatschten sich gerade im Sekretariat ab, als es um das Schavan-Urteil ging. Das Leben ist schön.
#Schavan verliert
ihren #Doktortitel wegen 60(!) fragwürdigen Stellen in der Diss. Gut so!
Wissenschaftliches Arbeiten will gelernt sein...
Frau #Schavan,
Herzlichen Glückwunsch, Sie haben wieder Abitur.