Montag, 23. Januar 2017

Bombenliebe



So wie Militärs gelegentlich eine zutiefst erotische Beziehung zu ihren Panzern entwickeln, so wie Kriegsschiffe mit weiblichen Kosenamen versehen werden, so werden auch per se phallische Kriegsmaterialien wie Raketen und Bomben geradezu verehrt.
Für Phalli gilt bei Militärs das einfache Motto „the bigger, the better“.

Bei Atombomben bekommt jede einzelne einen Namen.

Die ersten Atombomben waren Fissionssprengsätze, bei denen sehr dicke schwere Atome wie hoch angereichertes Uran oder reines 239Plutonium gespalten werden. Die Sprengkraft misst man in „Kilotonnen“. Eine Kilotonne entspricht der Sprengkraft von 1000 Tonnen Trinitrotoluol, TNT.
Die Atombombe „Little Boy“ (Sprengstoff: 235Uran), die über Hiroshima abgeworfen wurde und 150.000 Menschen innerhalb weniger Tage tötete, entsprach 13 Kilotonnen TNT.
Die Atombombe „Fat Man“ (Sprengstoff: 239Plutonium), die drei Tage später über Nagasaki gezündet wurde, war mit 21 Kilotonnen TNT viel stärker, verfehlte aber den Stadtkern um mehrere Kilometer, so daß innerhalb einer Woche „nur“ 80.000 Menschen krepierten.

Die später entwickelten Kernfusionswaffen sind deutlich stärker. Bei ihnen werden die kleinen Atömchen Deuterium und Tritium zu 3Helium und schließlich zu 4He verschmolzen. Beides sind Wasserstoffisotope; daher der Name Wasserstoff- oder H-Bombe.
Das erfordert so viel Anfangsenergie, daß man erst mal eine herkömmliche Fissionsbombe zünden muß, um die H-Bombe in Gang zu setzen.
„Vanja“, aka AN602 war die dickste bisher gezündete Wasserstoffbombe. (….)

Dick Cheney, GWBs kriegsbegeisterter persönlicher Halliburton-Lobbyist, signierte im Jahr 2003 im Irak-Krieg verwendete Marschflugkörper liebevoll mit „with Love, Dick“.

Also kann auch ein subhumaner Polit-Furunkel echte Gefühle empfinden, wenn es darum geht, seine eigenen Taschen zu füllen.
Nichts ist für einen Rüstungskonzern so übel wie Frieden, in dem die teure Munition nicht verschossen wird.
So eine kleine BGM-109 Tomahawk-Rakete (Boosted Guided Missile) kostet mindestens eine Million Dollar pro Stück.
15.000 Präzisionsbomben, 8.000 ungesteuerte Sprengkörper und 800 Marschflugkörper wurden von den USA im Irak verschossen – da klingelten bei Cheneys Firma Halliburton die Kassen.
Denkt man in Geld und Macht kann man also viel Liebe empfinden.

Betrachtet man den dritten Irakkrieg allerdings auch unter moralischen und humanitären Gesichtspunkten, sind diese Bomben nicht ganz so gut.

Das nicht unter links-grün-versifften Gutmenschen-Verdacht stehende Bundeswehrjournal klärt auf.

Rund 1,3 Millionen Tote durch „Krieg gegen den Terror“
Die Gesamtzahl der Todesopfer der Kriege und Kriegshandlungen im Irak, in Afghanistan und in Pakistan wird von der Öffentlichkeit erheblich unterschätzt. Sie liegt bei weit über einer Million Toten. Dies ist das Ergebnis einer Untersuchung, die am 19. März zeitgleich in Berlin, Washington und Ottawa veröffentlicht wurde. Die deutsche, die amerikanische und die kanadische Sektion der Vereinigung „Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges“ (International Physicians for the Prevention of Nuclear War, IPPNW) präsentierten die erschreckenden Ergebnisse an diesem Donnerstag – zwölf Jahre nach Beginn des Irakkrieges – in den Hauptstädten ihres Landes.
Die Gesamtzahl der Opfer des „Krieges gegen den Terror“, der von Amerikas damaligem Präsidenten George W. Bush unmittelbar nach den Anschlägen vom 11. September 2001 ausgerufen worden war („Global War on Terrorism“), ist kaum jemals öffentlich diskutiert worden. Offizielle Stellen gaben und geben nur wenig Zahlenmaterial bekannt. Bislang wurden die Opferzahlen meist erheblich zu niedrig angesetzt.
Da die Todesopfer in der Vergangenheit von offizieller Seite nur unzureichend erfasst und dokumentiert worden waren, gründete sich in Großbritannien während des Irakkrieges eine zivilgesellschaftliche Initiative namens „Iraq Body Count“ (IBC). Angaben von IBC zufolge hat der Irakkrieg bis heute etwa 211.000 Menschen das Leben gekostet. IBC addiert die Zahlen von überprüften Mediendaten aus Krankenhäusern und Leichenhäusern, von Nicht-Regierungsorganisationen sowie offizielle Daten.
Erste Studien korrigierten die Opferzahlen dramatisch nach oben. [….]

In Washington rätselt man unterdessen immer noch wie es eigentlich angehen kann, daß „diese Moslems“ die Amerikaner nicht mögen.
Wie kann man sich nur anstellen?
Nur, weil durch die völkerrechtswidrigen Lügentiraden des Weißen Hauses 1,3 Millionen Menschen gekillt wurden und eine vielfache Anzahl vertrieben wurde, gibt es doch keinen Anlass die US-amerikanische Politik abzulehnen.

Natürlich wäre die Situation eine ganz andere, wenn es sich um russische Angriffe gehandelt hätte. Die wären natürlich böse gewesen; so wie es auch böse von Wladimir Putin war so intensiv gegen den Irak-Krieg zu streiten und sein Veto gegen den US-Angriff im UN-Sicherheitsrat einzulegen.

Das wissen zumindest die schlauen Jungs aus der SPRINGER-Redaktion. Genau, das sind die, welche durch die Verlagsstatuten zur Amerika-Freundlichkeit verpflichtet sind.
Julian Reichelt, der Posterboy der neuen Deutschen Kriegsfreudigkeit, stellte das schon vor Monaten in einem Grundsatzkommentar für Europas größte Zeitung richtig: Amerikanische Bomben sind gut, Russische schlecht.
Reichelt, *1980 in Hamburg, Chefredakteur von Bild.de bezeichnet Kai Diekmann als sein großes Vorbild und ist im Begriff so eine Art heterosexueller Milo Yiannopoulos zu werden.
Den Linksgrünversifften und Bahnhofsklatschern zeigt er was eine Harke ist.

Amerikanische Atomwaffen findet er klasse.

[….] Gern jammern Abrüstungs-Groupies, man könne die Welt mehrere Hundert Male mit den vorhandenen Atomwaffen zerstören. Absurde Mathematik: Denn nach dem ersten Mal wäre es eh egal. Die richtige Mathematik muss vielmehr lauten:
Lieber 8000 amerikanische Bomben als eine einzige iranische.
(Julian Reichelt, 19.02.2010)

Klar, daß Reichelt auch die totale Überwachung durch die NSA preist. Snowden dagegen verdammt er, der helfe nur den islamistischen Terroristen.

[….] Wir feiern mit den Falschen. Snowden ist auch ein Held für all jene, die in Berlin, Madrid, London Busse in die Luft sprengen wollen.
(Julian Reichelt, 08.07.2013)

Aber zurück nach Syrien und in den Irak.
Für Reichelt sind die 1,3 Millionen von amerikanischen Bomben Getöteten keine Erwähnung wert.
Aber schlimm sind die russischen Bomben.
Und noch viel schlimmer sind die Linksgrünversifften, die den Unterschied nicht erkennen wollen.

Oh doch, es gibt gute und böse Bomben!
[….] Der derzeit beliebteste und erfolgreichste Satz der staatlich russischen Propaganda lautet: „Es gibt nicht gute und böse Bomben.“
Gemeint ist damit, dass die Bomben der US-geführten Koalition auf die ISIS-Hochburg Mossul kein bisschen besser sind als die russischen Bomben, die seit Monaten auf Aleppo regnen.
Verbreitet wird der Satz nicht nur von den Propaganda-Organen Sputnik und Russia Today, sondern auch von Journalisten, die in Deutschland in unterschiedlichen Kreisen hohes Ansehen genießen: Publizist Jürgen Todenhöfer, Verlegererbe Jakob Augstein, „Handelsblatt“-Chef Gabor Steingart. [….] Das ändert allerdings nichts daran, dass dieser Satz dumm, falsch, zynisch und gefährlich ist.
[….] Als Symbol für Machtausübung gibt es selbstverständlich gute und böse Bomben, und es gab sie auch schon immer. Bomben sind deutlich besser in den Händen jener aufgehoben, die sich Wahlen stellen, Gesetze achten und von einer freien Presse kontrolliert werden (zum Beispiel Obama), als in den Händen von Despoten, die auf Kritik mit Gewalt und Unterdrückung reagieren und niemandem Rechenschaft schuldig sind (zum Beispiel Putin).
Amerikanische Nuklearwaffen waren immer schon besser als russische (oder pakistanische oder chinesische), weil sie von Politikern kontrolliert werden und wurden, die deutlich mehr Achtung für menschliches Leben und den Willen ihrer Wähler haben.
[….] Als politisches und ethisches Konzept gibt es die gerechte Bombe natürlich genauso, wie es den gerechten Krieg gibt. [….]
„Es gibt nicht gute und böse Bomben“ – das Perfide an diesem Satz ist, dass er zunächst so weise, so friedlich, so sanftmütig, so klug klingt. Er ist es nicht. Er ist radikal.
Wer ihn nachplappert, macht sich gemein mit Radikalen. [….] Es ist ein dummer Satz für Feiglinge.

Da ich nicht allzu viele Kraftausdrücke verwenden möchte, verkneife ich mir einen Kommentar und klaue die Titanic-Antwort.

Julian Reichelt, c/o Bild.de!
»O doch, es gibt gute und böse Bomben!« betitelten Sie ein Propagandastück, das selbst einem Dick Cheney ein respektvolles Schnalzen entlockt hätte und in dem Sie erläuterten, daß die Kinder, die in Syrien durch russische Bomben sterben, eben einem bösen Finsterling zum Opfer fallen, während die Kinder, die durch Bomben der amerikanischen Verbündeten sterben, sich im Grunde glücklich schätzen können, für die gute Sache zerfetzt worden zu sein. Aber trotz Ihrer brillanten Ausführungen sind wir doch noch etwas im Zweifel, ob man in diesem Zusammenhang wirklich davon sprechen kann, daß es »gute Bomben« gibt. Vielleicht denken wir aber noch mal drüber nach, wenn eine davon zur Abwechslung mal Sie erwischt.
Jenseits von Gut und Böse: Titanic