Das 2005
vom konservativen Journalisten Wolfram Weimer (WELT/FOCUS) gegründete Magazin „Cicero“
betrachtete ich zunächst mit Sympathie.
Lange
Texte, wenig Buntes, namentliche Meinungsartikel, hochkarätige Gastautoren sind
eine angenehme Alternative zu den ewig aufpoppenden belanglosen Bento-Häppchen,
die durch unsere Onlinewelt appen.
Immerhin
67.000 verkaufte Exemplare beträgt die monatliche Auflage.
Und so
konservativ konnte das Blatt ja auch nicht sein mit Gerhard Schröder im
Ringier-Aufsichtsrat oder dem linken SPD-Mann Michael Naumann als
Chefredakteur.
Ihm folgte
der renommierte Christoph Schwennicke, den ich schon lange aus seiner Zeit bei
der „Süddeutschen Zeitung“ und später beim
„SPIEGEL“ kannte.
Kulturchef
ist der ebenfalls früher bei der SZ engagierte Alexander Kissler.
Das sind
doch liberale Leute. Könnte man denken.
Stimmt
aber nicht. Nicht mehr. Während Schwennnicke kontinuierlich immer Lindneriger
wurde, vollzog Kissler sogar einen strammen Rechtsruck und vertritt als
glühender Katholik problematische klerikale Ansichten, die weit außerhalb der
Mitte liegen.
Aber bereits
beim Cicero angekommen schrieb Schwennicke noch einen meiner liebsten Artikel
der letzten zehn Jahre. Ein mutiges Meisterwerk, das ich seit 2013 immer wieder
gelesen und verteilt habe.
Er
stellt sich der übergroßen Mehrheit der deutschen Fußballfans entgegen. Er
versucht nicht nur die Angelegenheit auf Normalmaß zu schrumpfen – es ist nur
ein Sport; es gibt keinen Grund, daß alle Politiker und Journalisten
ununterbrochen Fußballmetaphern
verwenden müssen, um sich volksnah zu zeigen – sondern zeigt den Mittelfinger.
[….] Ich
finde Fußball doof. Nein, ich finde Fußball grässlich – und ungemein
langweilig. Ein Reigen alter Männer steht am Rand und schreit herum, viele mehr
oder weniger junge Männer rennen auf einer Wiese herum, erst alle nach links,
dann Ballverlust, dann wieder nach rechts, Ballverlust, wieder nach links. [….]
Dieses Spiel ist unästhetisch und
ordinär. Schon der Klang, wenn der Ball getreten wird, macht mich übellaunig.
Es ist ein zutiefst ordinäres Geräusch, es klingt so ähnlich wie die Schläge
von Bud Spencer in den alten Prügelfilmen mit Terence Hill. Die Spieler haben
keine Manieren, tun sich absichtlich weh, sind nicht nur furchtbar verschwitzt,
sondern oft auch noch sehr verdreckt und vom Regen pitschenass und rotzen
dauernd auf die Wiese. Manchmal sogar ins Nackenhaar eines Gegners. Das ist so
unappetitlich.
Viele Spieler sehen
haarsträubend lächerlich aus, obwohl sie sich unwiderstehlich finden. Bei
Bayern München gibt es einen, der hat sich sein glänzendes Hemdchen wie ein
Ganzkörperkondom auf den Leib schneidern lassen, dazu tippelt er mit kleinen,
wichtigen Schrittchen über den Platz, was so hühnerartig aussieht, dass man
sich das Lachen verkneifen muss. Der Mann ist ein Star. Für mich ist er eine
Witzfigur.
Vollends peinlich wird
es, wenn versucht wird, diesem primitiven Sport eine politische oder
philosophische Überhöhung zu geben. Dieser Theweleitismus ist noch schlimmer
als die plumpe Fußballleidenschaft, die nach schalem Bier riechend, am
Wochenende grölend die Bahnabteile füllt. Das ist wenigstens authentisch und
stimmig. [….]
Für
diese wahren Worte werde ich dem CICERO-Chef ewig dankbar sein.
Er hat
so Recht; als Nicht-Fußballer gewinnt man so viel schöne Lebenszeit und erspart
sich all die Frustration und schlechte Laune.
Ähnlich
wie bei der Kirche möchte ich Fußball gar nicht verbieten. Wer das privat
unbedingt betreiben möchte, soll das tun können.
Ich kann
nur nicht einsehen, daß die konfessionsfreien Steuerzahler die Kirche zu großem
Teil mitfinanzieren, Bischofsgehälter und Kirchenrestaurierungen bezahlen,
obwohl die Kirchen selbst unermesslich reich sind.
Beim
Fußball ist es genauso. Die Bundesligaspieler sind allesamt Millionäre, Trainer
verdienen viele Millionen und der Bayern-Chef verspekulierte sogar hunderte
Millionen. Er hat es ja. Und seine FC-Bayern-Fans lieben ihn wie eh und je.
Sollen
sie ihre Millionen haben.
Aber
warum muss ich als Afußballist den Unsinn mitbezahlen, indem der Staat für die
gigantischen Polizeieinsätze bei den notorisch gewalttätigen Bundesligaspielen
aufkommt und indem durch meine Rundfunkgebühren dreistellige Millionenbeträge
an hochkorrupte Fußballfunktionäre von FIFA, UEFA und DFB geleitet werden?
Warum
müssen das die sprichwörtliche Krankenschwester und der Nachwächter
mitbezahlen, während die Fußballspieler selbst nicht nur superreich werden,
gelegentlich für über 100 Millionen Euro weiterbverkauft werden und dann noch
nicht mal Steuern zahlen, sondern raffgierig ihr Vermögen in Steueroasen
verschieben?
Fußballer
sind in der Regel fast ohne Schulbildung furchtbar reich. Das verleitet zu
Doofheit.
Immerhin
bereichern Fußballer-Aussagen die humoristische Szene, wenn sie verkünden „Mailand
oder Madrid – Hauptsache Italien“ oder „wir fliegen irgendwo in den Süden –
nach Kanada vielleicht“.
Als ich
vor vielen Jahren in der ZEIT einen langen Artikel über einen Fußballer namens
Hitzelsperger las, der seine Liebe zu Büchern entdeckte und
autodidaktisch in einem bäuerlich-tumben Umfeld anfing sich die Welt der
Literatur zu erschließen, war ich gerührt. Wie wir einige Jahre später erfuhren
ist der Mann ohnehin nicht der typische Fußballer.
Ein
anderer, Moritz Volz, schrieb sogar selbst ein kurzweiliges Buch über seine
zehn Jahre in England – Unser Mann in London.
Das habe
ich gern gelesen und fragte mich kurzzeitig, ob Fußball wirklich so schlimm
ist, aber deswegen nun extra ein Spiel anzugucken war mir doch zu anstrengend.
Die
beiden sind Ausnahmen. Üblicherweise sind Fußballer blöd.
Das an
sich ist noch nicht das Problem. Viele Menschen sind blöd. Aber die Blödheit
dieser tätowierten Wadensportler wird immer überinterpretiert.
[….]
Nein, ein Fußball-Nationalspieler muss
kein Bekenntnis zu Deutschland ablegen. Er muss auf dem Spielfeld nicht die
Hymne mitsingen. Kein Mensch darf das verlangen. Und ja: Ein Nationalspieler
darf, wenn er Mesut Özil oder İlkay Gündoğan heißt, der Welt zeigen, wie stolz
er auf seine türkischen Wurzeln ist.
Aber darf er
Wahlkampfhilfe leisten für einen türkischen Präsidenten, der demokratische
Rechte in die Tonne tritt, Oppositionelle ins Gefängnis werfen lässt und
deutsche Politiker als Faschisten beschimpft? Auch das darf er natürlich - doch
den Anspruch, dass man ihn als Repräsentanten Deutschlands noch in irgendeiner
Form ernst nimmt, hat er damit erst einmal verwirkt. [….]
(Josef
Kelnberger, SZ, 14.05.2018)
Sämtliche
Zeitungen quellen über mit Meinungen zu Mesut Özil und İlkay Gündoğan.
WARUM?
Haben die irgendeine Relevanz?
Haben die irgendeine Relevanz?
AfD und
rechtsradikale Blogs wie Bergers Pipi-Hetze können ihr Glück nicht fassen;
haben sie doch wieder einmal einen Vorwand nationalistisch zu raunen und gegen
Migranten zu hetzen.
[….]
„Das, was die zwei da vorgelegt haben,
spottet jeder Beschreibung, das geht gar nicht“, meinte der Grünen-Politiker
Cem Özdemir, der entrüstet reagierte. „Der Bundespräsident eines deutschen
Fußball-Nationalspielers heißt Frank-Walter Steinmeier, die Bundeskanzlerin
Angela Merkel und das Parlament heißt Deutscher Bundestag“, sagte er. [….]
(FR,
14.05.2018)
Das ist
auch ein Grund für die Widerlichkeit des Sports. Es ist eine
Mannschaftssportart, bei der die Sympathien nicht individuell verteilt werden,
sondern aufgrund ihrer lokalen oder nationalen Zugehörigkeit.
Deswegen
werden Nationalhymnen vor den Spielen angestimmt und Nationalflaggen geschwenkt.
Und
deswegen kann ich Fußball nicht ausstehen.
Ich kann
mich da nicht positiv emotional einbringen.
Ich mag
einzelne Amerikaner, einzelne Deutsche, einzelne Türken, einzelne Russen.
Ich mag
aber ganz gestimmt keine Gruppe, nur weil sie alle einer Nation angehören und
sich zu einer Hymne, einer Flagge, einem Präsidenten bekennen.
Ich finde
es geradezu unsympathisch das zu tun.