Mittwoch, 16. Dezember 2015

Plädoyer für eine Wahlpflicht.


Dresden hat 525.000 Einwohner; ganz Sachsen vier Millionen.
Wenn Hobby-Hitler Bachmann montags seine braunen Bumsbirnen um sich sammelt, kommt er auf keine 10.000 Teilnehmer seiner Xenophoben-Parade.
Unter zwei Prozent der Dresdner marschieren mit.
 Das entspricht einem Viertelprozent aller Sachsen und 0,1 Promille aller Deutschen.

Da aber fast alle Parteien bei neonazistischen Umtrieben pawlowsch lossabbern, man müsse deren Anliegen unbedingt ernstnehmen und ansprechen, sind die 10.000 debilen Dresdner immer noch tägliches Thema.
Wenn eher linke oder alternative Bürger auf die Straße gehen und es dabei am 10.10.2015 auf 250.000 Menschen gegen TTIP bringen, oder 500.000 gegen Nachrüstung auf die Straße gehen, werden sie von allen etablierten Parteien komplett ignoriert.
Gabriel geht nicht mal privat zur Anti-TTIP-Demo, sondern zu Pegida.
Gauck findet nicht, die Sorgen vor TTIP müsse man ernst nehmen, sondern empfiehlt den Politikern auf die Pegina-Slogans zu hören.

Es ist ein Elend in Deutschland – gehört wird auf einflussreiche Lobbyisten, die Wünsche der Industrie und die braune ausländerfeindliche Pest.
Erheblich größere Mehrheiten werden komplett ignoriert. Die Ablehnung von TTIP ist dafür genauso ein Beispiel wie die überwältigende Zustimmung der Deutschen zur aktiven Sterbehilfe, die politisch überhaupt keine Chance hat.

Die Grässlichen und Lauten und Mächtigen verschaffen sich deswegen Gehör, weil die Deutschen zu tumb und zu faul sind rechtzeitig darüber nachzudenken, was es für Konsequenzen hat nicht zu wählen.

In Thüringen erreichte der völkische Rassist Björn Höcke am 14.09.2014 mit seiner AfD deswegen so spielend 10% bei der Landtagswahl, weil gerade mal 52% der wahlberechtigten Thüringer es schafften ihre Stimme abzugeben.

Am selben Tag zog der völlig in die rechtsextreme Ecke abgedriftete AfD-Vize Alexander Gauland mit 12% in den Brandenburgischen Landtag, weil die Wahlbeteiligung gerade mal bei 47,9% lag.
Die AfD-Brandenburg erhielt 88.300 Erststimmen, bzw 120.077 Zweitstimmen und damit 11 Sitze im Landtag.
Bei einer Bevölkerung von 2,5 Millionen Menschen haben also nur etwa vier Prozent aller Brandenburger für Gauland gestimmt, der aber damit 11 von 88 Sitzen im Parlament belegt.

Wir kennen das Phänomen der machtvollen Durchsetzung von Partikularinteressen von Volksabstimmungen wie dem Gucci-Protest in Hamburg.

2010 waren insbesondere die ärmeren Eltern zu Hause geblieben und verhinderten damit eine von allen Parteien gewünschte Verbesserung der Bildungschancen ihrer Kinder.

Die Hamburger sind heute dumm genug gewesen, um das bestehende sehr schlechte Schulsystem vor Verbesserungen zu schützen.

Scheuerl gewann seinen mit extrem unseriösen Methoden geführten Kampf klar mit 58% zu 42%.

39 % der Hamburger (das sind 492.057) beteiligten sich an dem Volksentscheid.

Davon stimmten 276.304 für die Volksverdummungsinitiative.

Über 60% hatten es gar nicht erst für notwendig erachtet sich an der Abstimmung zu beteiligen.
Rund 760.000 Hamburger konnten sich gar nicht erst aufraffen überhaupt eine Entscheidung zu fällen.

So konnten Scheuerl und Co mit gerade mal 22 % der Wahlberechtigten - einem Fünftel der Hanseaten - sämtliche Bürgerschaftsparteien ausbremsen und verhindern, daß die Hamburger Schulen besser werden und womöglich auch diejenigen eine Chance auf gute Bildung bekommen, deren Eltern nicht reiche Villenbesitzer in den Elbvororten sind.

Nachher ist man immer klüger.

Am 06. Dezember fand der erste Durchgang der Élections régionales françaises de 2015 statt. Nur 50% der Franzosen schleppen sich zur Wahl. Im Ergebnis erhielt Marine Le Pens rechtsradikaler FN mit knapp 28% die meisten Stimmen.

Darüber war offenbar die Mehrheit der Franzosen, die gar nicht zur Wahl gegangen war, dann doch so erschreckt, daß sich zum zweiten Wahlgang eine Woche später immerhin 58,41% der Wahlberechtigten beteiligten und der FN auf den dritten Platz zurück fiel.
Der Preis war freilich, daß sich in verschiedenen Regionen alle Linken den stramm konservativen Republikanern Sarkozys anschlossen, um das größere Übel, den FN, zu verhindern.
In zwei der 13 Regionalräte (Conseils régionaux) sitzen nun nur noch Rechte. Kein einziger Linker, Grüner, Sozialdemokrat oder Liberaler.

Bei den Regionalwahlen in Frankreich konnten die Zuwächse des Front National – 6,7 Millionen Stimmen beim zweiten Wahlgang am Sonntag, 700.000 mehr als beim ersten – nur durch eine Allianz der Demokraten neutralisiert werden; was bedeutet, dass die sozialdemokratische Linke in zwei französischen Regionen überhaupt nicht mehr in den Parlamenten vertreten ist. [….]
Wie wird sie aussehen, die Welt, von der Helmut Kohl einst nur träumen konnte, die Welt ohne „Sozen“? So wie das zukünftige Parlament der Region Nord-Pas-de-Calais-Picardie, wo sich bald republikanische Rechte mit republikanischen Islamhassern über Integrations- und Bildungsfragen streitet.

Die französische Linke war zu dumm, um gleich zur Wahl zu gehen.

Noch übler sind die Folgen des mangelnden Wahlinteresses in Polen.

Am 25. Oktober 2015 wurden beide polnischen Kammern (Sejm und Senat) neu gewählt.
50,92 %, also 15.595.335 Stimmen wurden abgegeben – bei 30.732.398 wahlberechtigten Bürgern (von insgesamt 37.423.576 Einwohner)

Die Sozialdemokraten und Linken (Zjednoczona Lewica, ZL) scheiterten schon an der Sperrklausel. Neben der liberalkonservativen Platforma Obywatelska (PO) erreichte die ultrakonservative Partei Jarosław Kaczyńskis, die Prawo i Sprawiedliwość (PiS) aufgrund der vielen wegfallenden Stimmen mit 37% sagenhafte 235 der 460 Mandate im Sejm und damit die absolute Mehrheit.

Absolute Mehrheit mit 5,7 Millionen Stimmen von gut 37 Millionen Polen.

NUN sind die Polen frustriert über den massiven Rechtsruck, der einem Staatstreich gleichkommt und inzwischen sogar von der EU scharf kritisiert wird.

Jetzt auf einmal gehen 50.000 Polen gegen Beata Szydło auf die Straße.

Mit 2000 Demonstranten hatten sie gerechnet, um gegen die Regierung, für die Unabhängigkeit des Verfassungsgerichts und die damit verbundene Gewaltenteilung zu protestieren. Beide sind aus Sicht vieler Polen bedroht, seit sich die nationalkonservative Regierung der Partei "Recht und Gerechtigkeit" (Pis) unter ihrem Führer Jarosław Kaczyński weigert, rechtmäßig gewählte Verfassungsrichter zu vereidigen und gegen die Regierung ausfallende Urteile des Verfassungsgerichtes zu befolgen.
Doch als der Protest am Samstag begann, kamen statt 2000 etwa 10 000 Menschen. "Wir sind gekommen, weil uns nicht gefällt, was in Polen vor sich geht", rief Mitorganisator Mateusz Kijowski. "Wir sind zum Verfassungsgericht gekommen, das heute am stärksten bedroht ist, wir sind gekommen, um die Unabhängigkeit des Gerichts zu verteidigen." Später zogen die Demonstranten zum Parlament und zum Amtssitz von Präsident Andrzej Duda. Insgesamt nahmen etwa 50 000 Polen an den Protesten teil. Auch in Breslau, Lublin und anderen Städten protestierten Tausende Menschen gegen die neue Regierung.

Too late now.

Wäret Ihr Franzosen, Sachsen, Brandenburger, Hamburger und Polen mal lieber gleich wählen gegangen.

Die Menschen sollten mit einer Wahlpflicht, wie in Belgien oder Griechenland belegt werden.