Freitag, 14. März 2025

Das Glück der Rechten

Wenn Linke regieren, werden die Rechten völlig skrupellos und haben nicht die geringsten Hemmungen, dem eigenen Land massiv zu schaden, damit die verhasste Regierung schlecht aussieht.

Gemeint sind mit „Linke“ in diesem Fall nicht die Reichinnek-Linke, sondern nur die ganz grobe Richtung, also zum Beispiel Labour-Party, US-Demokraten oder Ampel. Sie müssen mit brutalen Störfeuern von Rechts rechnen, da Tories, GOPer oder CDUCSU immer nach dem Motto „Partei vor Land“ verfahren. Sie leben ihren Sadismus aus, indem sie das Leben der Bevölkerung verschlechtern. Je mehr die Bürger leiden, desto besser für die rechte Opposition.

Der Plan, dem eigenen Land zu schaden, indem man die Regierung maximal blockiert und jede konstruktive Mitarbeit verweigert, wurde Ende 1974 als Sonthofen-Strategie bekannt. Franz Josef Strauß hatte bei einer CSU-Klausurtagung in Sonthofen, der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag empfohlen, auf diese Weise dem SPD-Bundeskanzler Schmidt während der internationalen Ölkrise maximal zu schaden. Die Bürger sollten unzufrieden mit der SPD-Regierung werden und bei der Bundestagswahl 1976 Union wählen. Für so ein politisches Vorgehen, braucht es nicht nur enorme Bösartigkeit, sondern auch Heuchelei und Perfidie. Die Idee, Wahlen zu gewinnen, indem man das eigene Volk leiden lässt und die Wirtschaft auf Talfahrt schickt, kommt schließlich ausgerechnet von den selbst ernannten Patrioten, die bei jeder Sonntagsrede vorgeben, das Vaterland zu lieben.

Kanzlerkandidat Helmut Kohl scheiterte 1976 dennoch (knapp), weil Helmut Schmidt ein zu guter Kanzler war.

Der ultrarechte Katholik Newt Gingrich exerzierte die Sonthofen-Strategie, american style, in Reinform von 1995 bis 1999 als Sprecher des Repräsentantenhauses. Er blockierte Bill Clinton, wo er nur konnte, betrieb das lächerliche Impeachmentverfahren gegen den Demokratischen Präsidenten, wegen einer vermeidlichen außerehelichen Affäre, ritt das Land immer wieder in den Shutdown und hetzte Sonderermittler Kenneth Starr auf die Clintons. Auch er prallte an der überragenden Intelligenz Clintons ab, der im Januar 2001 nur abtrat, weil die US-Verfassung keine dritte Amtszeit zulässt. Seine Beliebtheit hing, neben seinem Kommunikationstalent, mit der exzellenten wirtschaftlichen Lage zusammen. Eine dritte Wahl hätte er mit einem Erdrutschsieg gewonnen.

Die nächste Sonthofenerin war Angela Merkel, die im Januar 1999 zusammen mit Roland Koch eine ekelhafte „Wo kann man hier gegen Ausländer unterschreiben?“-Kampagne gegen die frisch gewählte Schröder-Fischer-Bundesregierung startete und sich nach der gewonnenen Hessenwahl zu eisernen „Mrs Njet“ mauserte. Die Sachwarzen verfügten mit Hessen-Hitlers Durchmarsch wieder über eine Bundesratsmehrheit, die Merkel perfide ausnutzte, indem sie ihre CDU im Bundesrat grundsätzlich alles, das von Rotgrün kam, ablehnen ließ. Auch wenn es, wie das neue Einwanderungsrecht, nicht nur vernünftig war, sondern von wirklich jedem außerhalb des Konrad Adenauer-Hauses – Kirchen, Arbeitgeber, Gewerkschaften, Ökonomen – unterstützt wurde. Der CDUCSU ging es aber nur darum, Deutschland auf Talfahrt zu schicken, um Rotgrün zu schaden. Der Plan war 2002 zunächst nicht erfolgreich, weil die Konservativen mit Edmund Stoiber auf den falschen Kanzlerkandidaten gesetzt hatten. Stammel-Ede war im Norden und Osten absolut unvermittelbar. 2005 brachte sie endlich Gerhard Schröder doch zu Fall und wurde selbst Kanzlerin. Vorher hatte sie die radikalsten Wirtschaftsreformen überhaupt gefordert, aber sobald sie gewählt war, trat sie alle ihre Versprechen in die Tonne, weil sie von Schröder gelernt hatte, wie unpopulär Reformen sind. Perfiderweise profitierte ausgerechnet die Hauptblockiererin Merkel dann von der Wirkung der rotgrünen Agendapolitik.

Ein vaterlandsloser Geselle par Excellence wurde der CDU-Partei- und Fraktionsvorsitzende Friedrich Merz, der ab 2021 ebenfalls maximal sonthofenisierte, indem er jedes Ampelgesetz ablehnte, keine konstruktiven Vorschläge einbrachte und insbesondere, hartnäckig die dringenden und überfälligen Zukunftsinvestitionen blockierte.

Dabei hatte er mit seinen hepatitisgelben Homunculi innerhalb der Ampel die entscheidende Hilfe; die FDP-Pest blockierte schon im Kabinett jede sinnvolle Politik.

Wie es aussieht, funktioniert die Destruktivitätsstrategie in diesem Fall. Nach nur dreieinhalb Jahren wurde Scholz abgewählt und Merz zum mutmaßlich nächsten Kanzler erkoren. Mit 28%. Nur 28%.

Um Kanzler zu werden, braucht er die Stimmen der SPD und um handeln zu können, auch noch die Grünen, die ihm jetzt genau das Geld locker machen sollen, das er, Merz, den Grünen hartnäckig verweigerte, als sie in der Regierung waren.

Damit kommen wir zum umgekehrten Fall: Wenn Rechte regieren, zahlen die linken Oppositionellen eben gerade nicht mit gleicher Münze zurück.

Ihnen fehlt die charakterliche Verkommenheit, um mutwillig dem eigenen Volk zu schaden. Außerdem haben sie so fürchterliche Angst davor, als „vaterlandslose Gesellen“ gebrandmarkt zu werden, daß sie vor Patriotismus triefen. Labour, Sozis, Grüne, Demokraten stellen immer das Land über die Partei. Durch die SPD geht ein ehrfürchtiges Raunen, wenn der Terminus „staatspolitische Verantwortung“ fällt. Dann schlucken sie pawlowsch die fettesten und ekelhaftesten Kröten. Stets bereit, sich über alle Maßen zu erniedrigen, um dem Land zu dienen.

Die Grünen sind hundertfach patriotischer als Merzens CDU. Sie schlucken jede Eitelkeit runter, wollen nicht die Blockierer sein und geben mit erstaunlich wenig Gegenwehr das, was sich der Blackrock-Geront wünscht. Brav unterschrieben sie ihm heute den 500-Milliarden-Blankoscheck.

[….] Man muss, bevor es um die Details der Einigung und die Politchecker-Frage geht, wer sich denn nun durchgesetzt hat, einen Schritt zurücktreten und feststellen: Die geplante Grundgesetzänderung ist ein Skandal. Was sich in den vergangenen drei Wochen seit der Bundestagswahl abspielt, schadet dem Vertrauen in die Demokratie.

Erst hat Friedrich Merz, der nicht besonders überzeugend die Bundestagswahl gewonnen hat, angekündigt, das Gegenteil von dem zu tun, was er vor der Wahl behauptet hatte. Und er lässt nun, weil ihm das Wahlergebnis nicht passt, den alten Bundestag innerhalb weniger Tage ein Gesetz mit größtmöglichen Folgen verabschieden.

Wenn die Linke, aber auch die AfD dies als undemokratisch bemängeln, dann muss man sagen: Sie haben recht.

Die Grünen haben das Gesetz nicht rundheraus abgelehnt, das kann man ihnen vorwerfen. So hätten sie die Union zwingen können, mit der Linken im neuen Bundestag über eine komplette Abschaffung der Schuldenbremse zu verhandeln.

Nur, man kann den Grünen viel vorwerfen, aber nicht, dass sie die Grünen sind. Wer sich jahrelang jeden Morgen die „staatspolitische Verantwortung“ ins Müsli rührt, kann nicht plötzlich auf Fundamentalopposition schalten. […]

(taz, 14.03.2025)

Maurice Höfgen räumt ein, daß die Grünen einige Verbesserungen erreicht haben. Sie sind also nicht ganz widerstandslos umgekippt.

Aber sie haben zu schnell nachgegeben und hätten aufgrund ihres enormen Erpressungspotentials, mehr für die Umwelt rausholen müssen.

Auf der anderen Seite des Atlantiks das gleiche Bild: Donald Trump ist nahezu allmächtig. Er kontrolliert ganz allein das ganze Kabinett, die Medien, fast alle Richter und verfügt über GOP-Mehrheiten unter den Gouverneuren, dem House und dem Senat. Eine der ganz wenigen Gelegenheit und letzte Möglichkeit für die Demokraten, Trump gegenüber etwas Macht auszuüben, sind die gegenwärtigen Haushaltsverhandlungen, weil dafür im Senat 60 Stimmen gebraucht werden – sieben mehr als Trumps fanatische Jünger haben. Wir sehen jede Stunde, wie bösartig und hochgefährlich Trump ist, wie dringend er aufgehalten werden muss.

Werden also wenigstens in dieser Ausnahmesituation die Demokraten auch endlich mal etwas sonthofenisieren?

Nein, denn auch sie sind hoffnungslos patriotisch und stellen Landesinteressen immer über die Interessen ihrer Partei. Die demokratischen US-Senatoren knicken heute im Oppositions-Einklang mit den deutschen Grünen ein.

[….] Hätte Chuck Schumer es gewollt, die USA würden ab Samstag weitgehend stillstehen. Dann wäre ab dem Wochenende jener Fall eingetreten, der sich shutdown nennt und bedeutet, dass der Staat Teile seiner Arbeit einstellt, weil diese Arbeit nicht mehr bezahlt wird. Schumer, Minderheitsführer der Demokraten im US-Senat, hätte dafür sorgen können, dass der Haushaltsplan von Donald Trump, Elon Musk und den Republikanern abgelehnt wird. Doch er wollte nicht. Er machte am Freitag offenbar den Weg frei.  Bis Mitternacht musste die Finanzierung geklärt werden. Das Repräsentantenhaus hatte mit republikanischer Mehrheit in dieser Woche dafür gestimmt, jetzt war die andere Kammer im Kongress an der Reihe. 53 der 100 Senatoren und Senatorinnen stellen seit der Wahl 2024 die Republikaner, 60 Stimmen sind nötig. Es sah so aus, als würden in Schumers Auftrag genügend Demokraten helfen. Der republikanische Gesetzentwurf sei „schrecklich“, sagte er am Donnerstag. „Aber ich glaube, dass es eine viel schlimmere Option ist, Donald Trump zu erlauben, durch einen Regierungsstillstand viel mehr Macht zu erlangen.“

Andere haben da ihre Zweifel, der Streit um Zusammenarbeit oder Widerstand zerreißt die Opposition immer mehr. [….] Viele Demokraten haben jetzt beim Blick auf die Etatplanung den Eindruck, dass da vor allem die reichsten Amerikaner und Amerikanerinnen profitieren werden. Unter anderem wächst die Sorge, dass der Kahlschlag auch die Gesundheitsversorgung und Sozialversicherung treffen könnte. Allerdings war da dieser Zwiespalt: Sollten die Demokraten Trump/Musk bremsen, indem sie deren Finanzpläne boykottieren? Oder wäre es, wie ihr Wortführer Schumer meint, noch übler, sich die Blockade vorwerfen zu lassen?

Liberale Teile der Partei hätten Version zwei vorgezogen. Schumers Beschluss sorge für ein „tiefes Gefühl der Empörung und des Verrats“, sagte die Abgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez, die im Repräsentantenhaus wie alle anwesenden Demokraten – mit einer Ausnahme (Jared Golden aus Maine) – gegen den republikanischen Vorschlag stimmte, die Republikaner gewannen 217:213. „Die Demokraten sollten nicht zulassen, dass dieses Chaos weitergeht“, schrieb sie auf X. „Sie können dem morgen ein Ende setzen.“

Wähler sollten ihren Senator oder ihre Senatorin dazu auffordern, das Ausgabengesetz der Republikaner zu verhindern, bat Ocasio-Cortez. [….]

(Peter Burghardt, 14.03.2025)

Was für ein Segen für die Rechten, daß die Linken nicht ansatzweise über die Perfidie und Gewissenlosigkeit verfügen, mit der die Rechten ihnen zusetzen.