Die
ersten Grundzüge des SPD-Wahlprogramms kommen zu spät, sind zu vage?
Unverschämtheit,
ruft die SPD-Generalin Katarina Barley und verweist auf die CDU, die noch vager
und noch später dran wäre.
[….]
"Unser Leitantrag enthält jetzt schon
mehr Inhalte, als CDU und CSU haben verlautbaren lassen", sagte sie. Das
Wahlprogramm der Union, das Politiker der CDU und CSU gerade erarbeiten, nannte
Barley eine "Mogelpackung". [….]
(HuffPo,
22.05.2017)
Barley
ist eine sympathische Frau und selbstverständlich hat sie Recht mit dieser
Einschätzung. Welcher den Sozis wohlgesonnene Wähler ärgert sich nicht über das
Wischiwaschi der CDU-Vorsitzenden?
Gleichzeitig
illustriert Barley aber auch ihr fundamentales Missverständnis der deutschen
Parteienlandschaft und den Anliegen der jeweiligen Wähler.
Sozis
sind im „linken Lager“ (R2G-Sympathisanten) das schwierigste
Klientel.
Sie sind
nicht zufrieden mit dem Status Quo, ihnen reicht nicht Machttaktik, also das Übertrumpfen
des Gegners allein.
Ein
devotes „wenigstens sind wir etwas besser als die CDU“ holt keinen schmollenden
Ex-SPD-Wähler vom Sofa an die Wahlurne.
Konservative
verfügen in Deutschland über einen enormen strategischen Vorteil, weil ihre
Anhänger viel unkritischer sind. CDU-Mitglieder putschen nicht gegen die
Parteiführung, CDU-Abgeordnete votieren nicht gegen die Fraktion und CDU-Wähler
nörgeln nicht, wenn Versprechen gebrochen werden.
CDUler
wollen in erster Linie, daß einer der ihren ganz oben in der Regierung steht,
sie wollen das linke Lager schlagen und begeistern sich daher für Führer wie
Merkel und Kohl, die zwar intellektuell underperformen, keine Diskussionen
anstoßen und als Phlegmaten regieren, aber die Wahlen gewinnen und die Macht
sichern.
Ein
bräsiger Führungsstil, den Merkel noch mehr als Ziehvater Kohl beherrscht –
auch nach 12 Jahren als Kanzlerin weiß niemand wofür sie eigentlich steht – ist
das beste Mittel, um CDU-affine Wähler bei der Stange zu halten. Es ist ein
Erfolgsrezept.
Aber
eben nur für die CDU.
Natürlich
ist es frustrierend für SPD-Chefs zu sehen, daß sie intellektuell viel mehr
leisten müssen, weil ihre Anhänger viel kritischer sind und leicht unzufrieden
sind.
Aber
wenn sie einfach die Vagheit des Konrad-Adenauer-Hauses kopieren, müssen sie
auf die Nase fallen.
Ich
staune wirklich, daß Martin Schulz nach Jahrzehnten in der SPD diesen
grundlegenden Unterschied zwischen SPD- und CDU-Wählern immer noch nicht
erkannt hat und ähnlich wie seine Generalin schmollend auf Merkel zeigt.
[….]
Zur Tagespolitik hatte sich Schulz
wochenlang nur sporadisch geäußert. Egal, ob es um die rechtsextremen
Umtriebe in der Bundeswehr, die Überschüsse im Haushalt oder das Thema
Leitkultur ging: Ins Bild hatten sich zumeist andere SPD-Politiker gedrängt.
Ergebnis: Ralf Stegner und Sigmar Gabriel, Rainer Arnold und Carsten
Schneider kamen in den Medien vor, Martin Schulz nicht.
Als kapitale
Fehleinschätzung erwies sich auch der Glaube, der Kandidat könne wie
die Kanzlerin im Vagen bleiben. Das CDU-Wahlprogramm kommt erst im Juli?
Schulz war das gerade recht. „Solange die nicht konkret werden, werde
ich auch nicht konkret“, konterte er regelmäßig. Und übersah dabei,
dass er der Herausforderer war und Medien, Öffentlichkeit und die eigenen
Mitglieder den Sozialdemokraten traditionell präzisere Vorgaben
abverlangen als der Union.
[….]
(DER
SPIEGEL, 21/2017 s.25 f)
Wenn man
es sich leicht machen will, geht man in eine konservative Partei.
Da
reicht ein vages „Weiter so“, Beschimpfung aller Linksgrünversifften und im
Übrigen kann man das tun, wofür Lobbyisten am meisten zahlen.
Die
Anhänger werden es lieben.
Als Linker
ist man nie zufrieden damit anderen zu schaden und irgendwie an die Macht zu
kommen, oder dort zu bleiben.
Da die gegenwärtige
SPD-Zentrale das nicht versteht, hängt sie nun schon wieder fast 15 Prozentpunkte hinter der CDU/CSU.
Es sieht nach einem sicheren Wahlsieg für Schwarzgelb am 24.09.2017 aus.
R2G-Sympathisanten
erwarten von den ihrigen an der Macht kein statisches Rumwurschteln, sondern
Verbesserungen und deutliche Fortschritte an allen Fronten.
Dabei
sind sie auch noch ungeduldig und erwarten simultane Erfüllung sich
widersprechender Wünsche.
Wird das
Partikularinteresse eines einzelnen SPD-Wählers scheinbar weniger gewürdigt,
als andere, ist der Wähler sofort muksch und wählt die Partei nie wieder.
Daß die
SPD in der aktuellen GroKo nur halb so stark wie CDU und CSU ist und daher
nicht allein alles durchsetzen kann, wollen Sozi-Wähler nicht verstehen.
Daß auf
dem Koalitionsaltar mangels Mehrheit – 75% der Wähler haben 2013 nicht die SPD
gewählt – einige Anliegen geopfert werden mußten, wird der SPD-Spitze
nachhaltig übel genommen. Doppelstaatsbürgerschaft, Mindestlohn, Homoehe, Kindergelderhöhung
– jedem SPD-Wähler ist eins dieser Vorhaben wichtiger als andere.
Diese
unterschiedlichen Ansprüche Rechter und Linker sind nicht nur bei den normalen,
demokratischen Wählern erkennbar, sondern zeigen sich auch bei Links- und
Rechtsextremisten.
Dabei
beziehe ich mich nicht nur auf Gewalttäter sondern auch auf Typen wie den „Antipapst“
Raymond Kardinal Burke, den man aus amerikanisch als „rad trad“ ("radical
traditionalist") bezeichnen würde.
Wolfgang Brosche, der mutige Kämpfer wider die Homophobie und den
Pegida-Sumpf charakterisierte in seinem Aufsatz
über den „Homonationalismus“ sehr schön den Antrieb der
Rechtsextremen.
[….]
Die angeblich neue Rechte ist die alte.
Der lärmende Aufwand, den sie betreibt, um ihre Ansprüche, Antriebe und Ziele
zu rechtfertigen oder zu verschleiern mag andere Formen haben als vor 85
Jahren, seine Stoßrichtung führt jedoch genau wie damals ins
Antizivilisatorische nach unten. Tatsächlich bietet die Rechte – auch wie
damals – keine wirklich politischen Ziele, nichts Konstruktives, keine
Bewältigungsversuche der sozialen, politischen, ökonomischen und ökologischen
Probleme der Gegenwart, sondern nur Destruktion: Zerstörung, Gewalt,
gigantische Fresssucht und letztendlich todessehnsüchtige Vernichtung dessen,
was die Rechten nicht verstehen, geschweige denn meistern können. Die neue wie
die alte Rechte legen eine barbarische Dummheit und ein gewalttätiges
Unvermögen an den Tag, dessen End-Ziel die Beseitigung der Gegner, der
„Anderen“, die mörderische Lust, der Lust-Mord ist. Das Pauken-Getöse um
angeblich alte Werte, Traditionen, Patriotismus und Nationalismus ist nur
Tarnung. Es geht tatsächlich um das primitive „Wir oder sie“, eine Maxime, vor
deren endgültiger Konsequenz ihre Vertreter immer weniger zurückschrecken.
[….]
Rechtsextremisten
suchen sich die Schwächsten als Opfer, Linksextremisten die Stärksten.
(….)
Da Rechtsextrem im Gegensatz zu Linksextremen grundsätzlich amoralisch und
feige agieren, sind ihre Opfer ausschließlich unter den Schwachen zu finden:
Schwule, Flüchtlinge, Behinderte, Obdachlose.
Schwule, Flüchtlinge, Behinderte, Obdachlose.
Opfer,
für die sich auch der Staat offensichtlich kaum interessiert.
Man
stelle sich nur mal vor durch rechtsextreme Gewalt wären im Jahr 2016 schon
1.800 Gewalttaten gegen Millionäre verübt worden. Dann wäre aber Alarm im
Bundesinnenministerium.
Der
Wertekompass des Innenministers befindet sich also offensichtlich in gewaltiger
Schieflage.
Wird
gegen Arme und Schwache Gewalt ausgeübt, weil Rechte meinen damit ihren Werten zu frönen, stört es den wertkonservativen de Maizière scheinbar
wenig.
Erst
die Folgen der Folgen der Folgen, wenn statt der humanistischen Werte auch Sachwerte betroffen sind, wenn
Arbeitgeber um ihre Profite bangen, alarmiert die Bundesregierung. (…..)
Vergleicht
man Linksextremismus und Rechtsextremismus, gibt es sehr klare Unterschiede.
Während sich die Rechten gewalttätig gegen Minderheiten, Schwache,
Verletzliche, Ausgegrenzte und Friedliche wenden, versuchen Linke eben diesen
Personenkreis zu schützen und wenden sich, wenn überhaupt, gegen die Starken.
Wenn
ich also auch Gewalttätigkeit in JEDER Form ablehne, so ist die moralische
Bewertung doch eindeutig: Rechts ist komplett amoralisch, Links nicht.
Das
Aggressionspotential von Rechts- und Linksextremen ist völlig unterschiedlich,
wenn man nicht gerade als Symbol einer gewaltigen Wirtschafts- oder Staatsmacht
auftritt.
Wie
so viele Menschen erlebte ich (insbesondere als Teenager) Situationen, in denen
ich vor rechten Skinheads weglaufen mußte, oder zumindest einen großen Bogen
machen mußte. Einmal wurde ich als 18-Jähriger von Nazis in einer Bahn
verprügelt (mit glimpflichen Ausgang. Der Schock war größer.)
Wenn
man sich hingegen in einer ausdrücklichen „linken Gegend“ bewegt, wie es sie in
Berlin-Kreuzberg zumindest in den 80er Jahren gab und beispielsweise im
Hamburger „Karoviertel“ oder „der Schanze“ (früher Hafenstraße) immer noch
gibt, ist der große Unterschied, daß man dort eben nicht um seine körperliche Unversehrtheit fürchten
muß.
Man
kann sogar schwarz oder offensichtlich schwul sein. Die linke Szene ist
tolerant, die Rechte ist per Definition intolerant und agitiert gegen alles
„Fremde“. (…..)