Einer der Unterschiede zwischen SPD und CDU ist, daß
erstere eine Menge Persönlichkeiten hervorgebracht haben, auf die man als
Parteimitglied wirklich stolz sein kann.
Unglücklicherweise sind in letzter Zeit viele von den
Guten gestorben. Egon Bahr, Helmut Schmidt, Jutta Limbach und Henning
Voscherau.
Das sind Namen, bei denen ich tatsächlich ein Wort
auspacke, welches ich so gut wie nie verwende: Vorbilder.
Haltung, Intellekt, Persönlichkeit.
Als Henning Voscherau 1997 zu meinem größten Bedauern
zugunsten des weit schwächeren und langweiligeren Ortwin Rundes zurücktrat, tat
er das aufgrund des schwachen SPD-Wahlergebnisses von 36,2% und verkündete kurz
und knapp, damit sei seine persönliche Schmerzgrenze unterschritten.
Bei unter 40% konnte man aus seiner Sicht nicht mehr
von einem Vertrauensbeweis für den Bürgermeister sprechen.
Wer hätte damals auch geahnt, daß bei der nächsten
Wahl im Jahr 2001 CDU-Mann von Beust mit 26,2% Bürgermeister wurde, weil er
ungeniert den rechten Spinner Schill ins Boot holte.
Heute nun errang die SPD bei der Berliner Abgeordnetenhauswahl
nach gegenwärtigem Auszählungsstand erbärmliche 21,6%,
für die sich Bürgermeister Müller feiern lässt. „Stärkste Partei, klarer
Regierungsauftrag, Wahlziel erreicht“ – so tönt es heute von
SPD-Spitzenpolitikern.
Beinahe 80% der Wähler konnten sich nicht dazu
durchringen den amtierenden Bürgermeister zu wählen. Bei einer Wahlbeteiligung
von gut 66% entsprechen die Stimmen für Michael Müller kaum mehr als 14% aller
Wahlberechtigten.
Da braucht es eine Menge Suggestionskraft sich das als
„Sieg“ schönzureden.
Zum Glück für die SPD schnitt die CDU noch miserabler ab;
kommt nur auf etwa 17,5% in der Hauptstadt (~11,5% aller Wahlberechtigten).
Die Umfragedaten von ARD und ZDF legen nahe, daß es in
diesem Fall tatsächlich nicht an Merkel liegt. Merkel ist für CDU-Anhänger
immer noch ein sehr großer Antrieb die Partei zu wählen – im Gegensatz zu
Sigmar Gabriel, der potentielle SPD-Freunde eher abschreckt.
Merkels Problem in Berlin ist ein ganz Altes: Die
Hauptstadt-CDU ist traditionell einer der unfähigsten Haufen aller 15
Landesverbände.
Klaus-Rüdiger
Landowsky, Christoph Stölzl, Friedbert Pflüger, Ingo Schmitt und
Frank Steffel sind allesamt pures Urnengift.
Intrigant, provinziell und blöd verkörpern sie eine
zutiefst korrupte alte Westberliner CDU, die habituell so gar nicht zu einer
modernen Großstadt passen will.
[….] Die
Berliner CDU bräuchte Persönlichkeiten an der Spitze wie die
Kulturstaatsministerin im Bundeskanzleramt, Monika Grütters, Mitglied der
Berliner CDU. Aber diese besonders großstädtische Frau haben die Reinecken- und
Zehlendorfer der Partei immer wieder ausgebremst. Für den Altherrenclub
Berliner CDU wäre das zu viel Veränderung. Wie weit die CDU mit der Haltung kommt,
hat sich jetzt gezeigt. [….]
Dazu habe ich ohnehin noch eine Frage an die Berliner:
Was habt Ihr eigentlich für eigenartige Moderatoren
beim RBB? Für die ARD führte Sascha Hingst durch die Wahlsendung. Er kennt aber
die Spitzenpolitiker gar nicht, redet sie mit falschen Namen an oder ordnet sie
falschen Partien zu und im RBB floskelte der ultragegelte Ingo Hoppe ständig
von dem „ungeheuer spannenden Wahlabend“, obwohl es nun alles andere als
spannend war. Es traten genau die prognostizierten Ergebnisse ein. Könnte man
nicht zum Befragen der Politiker irgendwo in Berlin einen Journalisten
ausgraben, der auch so ganz grob ein bißchen was von Politik versteht???
Heute muß ich von meinem üblichen Wählerbashing ein
wenig abrücken und zum Politikerbashing übergehen.
Rückblick: Ende der 1990er/Anfang der 2000er Jahre
hatten die CDU-Strippenzieher Diepgen und Landowski durch Dauermauscheleien den
sogenannten „Berliner Bankenskandal“ ausgelöst, der den Berliner
Landeshaushalt für sehr lange Zeit ruinieren sollte.
Milliarden wurden verzockt.
Das Land Berlin mußte anschließend für 21,6 Milliarden
Euro Immobilienrisiken auf sich nehmen und mehre Milliarden Kapital an die
Landesbanken zuschießen.
Der neue Bürgermeister Klaus Wowereit wurde also durch
die reinen CDU-Altlasten dazu gezwungen „zu sparen bis es quietscht“. In den
rot-roten Jahren mit dem inzwischen leider wahnsinnig gewordenen Finanzsenator
Sarrazin konnte der Haushalt aber tatsächlich einigermaßen ins Lot gebracht
werden.
In den letzten Jahren boomt Berlin. Zehntausende
ziehen dorthin, es gibt eine Gründerszene, Touristenansturm und sogar sinkende
Arbeitslosigkeit, während der Senat Haushalte mit dreistelligen
Millionenüberschüssen produziert.
Die Stadt ist attraktiv, sie wächst und Geld ist
offenbar auch da.
Man könnte nun also eine politische Führung
gebrauchen, die tatsächlich politisch tickt und die Stadt irgendwie gestalten
will.
In Hamburg kennen wir das von unserem ehemaligen
Bürgermeister Henning Voscherau, der mehrere hundert Millionen DM lockermachte,
um prophylaktisch die gesamte Hamburger Kanalisation zu sanieren und Europas
größtes Bauprojekt, die Hamburger Hafencity, ersann.
Hamburg sollte auf Jahrzehnte für die Zukunft gerüstet
sein.
Die Berliner Landespolitiker scheinen mir eher als
Gemeinderatsmitglieder in kleinen Dörfern zu taugen.
Ich kann nicht erkennen wofür Müller oder Henkel
eigentlich stehen sollten.
Die FDP taucht gar als Einthemenpartei wieder auf,
indem sie sich für die Weiterführung des uralten Provinzflughafens Tegel
engagiert. Ein Flughafen, auf dem ich einmal 1992 landete und ihn damals schon
als hoffnungslos provinziell und veraltet ansah.
Müßte man nicht als Hauptstadtpartei irgendwelche
Kandidaten finden, denen es nicht ausreicht mit gerade mal etwas mehr als 20%
mangels Alternative irgendwie weiterregieren zu können?
Vertreter der Linken sagten heute, die Stadt müsse
endlich nicht mehr bloß verwaltet, sondern auch regiert werden. Schön wäre es,
wenn sie wenigstens gut verwaltet worden wäre.
Aber LAGESO und Ämterchaos haben gezeigt, daß die
Landes-GroKo schon mit der Verwaltung völlig überfordert ist.
Mario Czaja, CDU-Sozialsenator und vermutlich größter
Versager Berlins, vermehrt sich nun aber quasi auch noch, indem sein jüngerer
Bruder Sebastian Czaja als Berliner FDP-Chef nun ebenfalls ins Parlament
einzieht.
Berlin versinkt planlos im Boom
Die Hauptstadt erlebt einen faszinierenden Aufschwung. Doch genau daran
scheitert die Berliner Politik, denn einen Zukunftsplan für die Stadt gibt es
nicht.
[….] Die vielen
Gäste sind dabei nur der kleinere Teil der Herausforderung. Zehntausende ziehen
Jahr für Jahr nach Berlin. Es geht auf die Vier-Millionen-Einwohner-Grenze zu.
Wo einst billige Wohnungen leicht zu finden waren, sind heute selbst die teuren
Mangelware. Dieser Anstieg wäre schon für eine organisch gewachsene Stadt
schwer zu organisieren. Berlin aber lebt mit einer verfallenen Infrastruktur.
Zu so einem Wochenende von Berliner Art gehört auch, dass Eltern
Klassenräume in einen zumutbaren Zustand versetzten. Die maroden Schulen stehen
genauso für die andere Seite Berlins wie die notorisch überforderten
Bürgerämter. Berlin boomt und kommt sich selbst dabei nicht mehr hinterher.
Reflexhaft wird die Stadt deshalb von Spöttern zum verwaltungstechnischen
Katastrophengebiet erklärt. [….] Im
Vordergrund stehen Ängste und Sorgen - und das Bemühen der Regierenden, die
Leute zu beruhigen, dass alles nicht so schlimm werde, wenn man sie nur wieder
wählt. Symptomatisch ist der Wahlkampf von Regierungschef Michael Müller, dem
es nur noch darum zu gehen scheint, das Rote Rathaus nach 27 Jahren im Senat
für die SPD zu halten. Im Wahlkampf beginnt jeder seiner Slogans mit dem
Versprechen: "Berlin bleibt . . .". Das ist grotesk in einer Stadt,
die sich dramatisch verändert und verändern muss. [….]
Bei solch verzagten provinziellen Berliner Spitzenpolitikern,
fällt es xenophoben Hetzern wie Andreas Scheuer, der
wieder einmal als AfD-Wahlhelfer Stimmung macht, leicht die Ängste der muffigen
Spießbürger Berlins weiter anzufachen.
[….] CSU-Generalsekretär
Andreas Scheuer hat mit einer abschätzigen Bemerkung über abgelehnte
Asylbewerber aus Afrika Kirchen- und Oppositionsvertreter gegen sich
aufgebracht.
Beim Regensburger Presseclub am Donnerstag sprach Scheuer zum Thema
Flüchtlinge in Deutschland. Zuerst echauffierte sich der CSU-Sprecher über
angebliche "Asylurlauber". Er meinte anerkannte Flüchtlinge, die von
Deutschland aus in ihre alte Heimat reisen, aus der sie zuvor geflohen waren.
Sie sollten "gleich dort bleiben, wo sie hergekommen sind".
Eine Recherche der "Welt am Sonntag" hatte ergeben, dass es
vereinzelt solche Fälle gibt, Zahlen liegen nicht vor. Scheuer sagte dennoch,
es werde "von ganzen Gruppen berichtet, die herumreisen".
Im weiteren Verlauf folgte der Satz, der nun für viel Empörung sorgt:
"Das Schlimmste", sagte Scheuer, "ist ein fußballspielender,
ministrierender Senegalese. Der ist drei Jahre hier - als Wirtschaftsflüchtling.
Den kriegen wir nie wieder los." […..]
Ich nehme an, die CSU hat inzwischen die
Dankesschreiben der Berliner AfD-Vorsitzenden Beatrix Schießbefehl von Storch
erhalten.
Klar, ich hätte in Berlin auch Michael Müller gewählt.
Aber wirklich nur, weil er das kleinste Übel ist.
PS:
Daß die Piraten mit 1,x% aus dem Parlament flogen, kann man nach der sinnlosen Null-Performance der letzten fünf Jahre nur als folgerichtig bezeichnen.
Daß die Piraten mit 1,x% aus dem Parlament flogen, kann man nach der sinnlosen Null-Performance der letzten fünf Jahre nur als folgerichtig bezeichnen.
2017 werden die Deppen auch aus den
verbliebenen Landtagen getilgt.