Mittwoch, 9. März 2016

Rechtsruck!

Der gewaltige Rechtsruck in Westeuropa ist so gegenwärtig, wie das kontinuierliche nach ganz Rechtsaußen-Rutschen der USA, bzw zumindest der US-Republikaner.
Immer wieder werden zu Recht Parallelen zwischen der anti-intellektuellen AfD und der GOP gezogen.
Gerade diejenigen, die von sich behaupten fromme Christen zu sein, haben längst jeden Anstand über Bord geworfen und lügen wie gedruckt – ob es die GOP bei den Primaries oder die AfD im Landtagswahlkampf ist.
Mit dieser Form der Amoral könnte es dem selbst für AfD-Verhältnisse besonders rechtsextremen Landesverband des André Poggenburg am Sonntag gelingen an der SPD vorbei zu ziehen.
Sachsen-Anhalt! Fast so schlimm wie Sachsen, möchte man abwinken.
Aber dieses Rechtsrucken gibt es nicht nur in Deutschland und dem Rest der EU (außer Spanien!), sondern auch in den militär-strategisch so ungeheuer bedeutenden Staaten Türkei und Russland. Auch in den beiden Ländern resultiert der antidemokratische Rechtsdrall aus einer immer stärker werdenden Religion.
Wir kennen das aus Ungarn und Polen; auch dort werden die Demokratie-zersetzenden, antisemitischen, homophoben und xenophoben Regierungen massiv durch die katholische Kirche gestützt.

Wären es spezifisch europäische Ursachen, womöglich im Zusammenhang mit der Abwehrhaltung der satten Bürger gegen Flüchtlinge, könnte man schlecht die ähnlich verlaufende Rechts-Entwicklung in Amerika erklären.
Genauer gesagt in den USA; das flächenmäßig größere Land Nordamerikas, Kanada, hatte vor ein paar Monaten explizit links gewählt und erfreut sich nun an einem jugendlichen multikulturellen, homofreundlichen, Flüchtlings-umarmenden Premier Justin Trudeau.

Anderthalb Dekaden dauerte die Vorherrschaft des linken Lagers in Südamerika.
Links wählte man zwischen Caracas und Ushuaia, um der zuvor erlittenen Ungerechtigkeit der katholisch-faschistischen Regime zu trotzen, aber auch, um der ultrakonservativen außenpolitischen Agenda des George W. Bush den Mittelfinger zu zeigen. Aber das ist Vergangenheit. Wie Europa rückt auch Südamerika insgesamt nach rechts.

Wenn alles mit rechten Dingen zugeht am Sonntag, dann wird die Opposition in Venezuela die Parlamentswahl haushoch gewinnen. [….]
Steht Südamerika nach anderthalb Jahrzehnten linker Vorherrschaft nun vor einem Rechtsruck? Vorletzten Sonntag hat sich in Argentinien der konservative Präsidentschaftskandidat Mauricio Macri knapp gegen den von Präsidentin Cristina Kirchner favorisierten Rivalen durchgesetzt. [….] Nirgendwo wurde Macris Sieg lauter beklatscht als in den Reihen der Opposition Venezuelas. Südamerikanische Konservative sehen einen Domino-Effekt, ebenso wie auf der Linken vom Wiedererstarken des Neoliberalismus geunkt wird. [….]
In Ecuador und Bolivien ist die Diskreditierung der Linkspolitik zwar nicht so schlimm, ganz zu schweigen von Chile. Aber der Messianismus, mit dem linke Politiker vor zehn, fünfzehn Jahren auftraten, ist überall großer Nüchternheit gewichen. [….]

Die Situation im Nahen Osten und den Maghreb-Staaten läßt sich natürlich nicht mit Südamerika vergleichen, da dort Krieg und Bürgerkrieg die politische Agenda bestimmen.
Ein erstaunliches Bild bietet Israel, das von einer außenpolitischen Dauerkrise und einem höchst fragwürdigen Egomanen namens Bibi Netanjahu geprägt ist.
Auch Israel rückt gerade kontinuierlich nach rechts. Dieser Drall wird verstärkt durch den kulturellen Exodus. All die jungen Kulturschaffenden, die genug vom Einfluss der Ultraultraorthodoxen haben, die genervt sind, weil sie nicht einmal staatlich heiraten können und ständige Zensur der religiösen Spinner fürchten, zieht es ins Ausland. Inzwischen steuern junge Israelis in großer Zahl neben Paris und London auch Berlin an.
Der Effekt ist vergleichbar mit dem immer brauner werdenden Sachsen:
All die coolen Leute haben sich längst davon gemacht; zurück bleibt „DDR“ – der doofe Rest; also geistig eher unterbelichtete Männer, sowie denkfaule Geronten, die bei Wahlen gerne Parteien ankreuzen, von denen ich Brechdurchfall bekomme.

In Israel rückt die mehrfach grausam bei Wahlen abgestrafte Arbeiterpartei nach rechts. Damit benimmt sie sich ähnlich wie Gabriels SPD, die aus Angst vor der AfD selbst immer mehr AfD-Positionen übernimmt.

Auf dem Weg nach rechts
[….] Israels Arbeitspartei vollzieht eine Wende im Friedensprozess. Auf einer Versammlung in Tel Aviv genehmigten die Delegierten überraschend einstimmig einen von Parteichef Isaac Herzog vorgelegten Plan, der statt auf Verhandlungen mit den Palästinensern nun auf einseitige Schritte zur Abgrenzung setzt. Diese neue diplomatische Agenda markiert einen Rechtsruck der Partei, deren Führer einst die Friedensverträge von Oslo ausgehandelt haben. Damit verschwimmen zusehends die Positionen zwischen der Opposition und der Regierung von Premierminister Benjamin Netanjahu.
Herzog vollzog den Kurswechsel mit einer Überrumpelungstaktik. Noch bei der Wahl im vergangenen Frühjahr hatte er, um sich als Alternative zu Netanjahus Likud zu positionieren, eine Wiederbelebung des Friedensprozesses versprochen. Die Wahl ging verloren, Herzog versank still in der Opposition - und machte nicht mal Schlagzeilen, als er seine neuen Ideen vor drei Wochen in einer Konferenzrede enthüllte. [….]

Grusel, denn nicht nur, daß sogar die liberalen Parteien nicht mehr für einen Friedensprozess stehen, nein es ist sogar schon so weit, daß in Israel wie in Polen oder Ungarn systematisch die Demokratie angegriffen wird. Pressefreiheit wird aufgegeben, die Gewalten vermischen sich.

Auf der Rangliste der Pressefreiheit von „Reporter ohne Grenzen“ erreicht Israel nur noch Platz 101 von 180.

In Israel gibt es eine umfängliche Pressezensur.

Als einziger demokratischer Staat praktiziert Israel eine Vorzensur. Wenn geplante Veröffentlichungen die Sicherheitsinteressen des Landes berühren, dann wird die Geschichte entschärft - oder sie erscheint nie.
Ob der israelische Enthüllungsjournalist Ronen Bergman auf der richtigen Spur ist, merkt er zuverlässig an einem untrüglichen Zeichen: an dem Umfang der Zensur. Je mehr die Zensurbehörde aus seinen Texten herausstreicht, desto sicherer ist er sich, dass er "die geheimen und besonders empfindlichen Punkte berührt", sagt er. Denn als Korrespondent für Militär und Geheimdienste müssen praktisch alle seine Texte vor ihrer Veröffentlichung der Zensurbehörde vorgelegt werden. [….]

Auch der Parlamentarismus wird schon angefressen.
Stellen (insbesondere arabische) Abgeordnete zu kritische Fragen, läßt der allmächtige Bibi sie neuerdings aus der Knesset ausschließen.

Netanjahu verteidigt umstrittenes Gesetz zum Ausschluss von Abgeordneten
[….] Mit seiner Gesetzesinitiative reagierte der Ministerpräsident auf ein Treffen dreier arabischer Abgeordneter mit Hinterbliebenen von palästinensischen Attentätern Anfang des Monats. Das Vorhaben soll ermöglichen, Abgeordnete aus dem Parlament auszuschließen, wenn 90 der 120 Knessetabgeordneten zustimmen.

Schon länger werden demokratische Elemente im Staat Israel abgeschliffen.

"Die israelische Demokratie ist in einer wirklichen Gefahr"
Israels Regierung will den Charakter des israelischen Nationalstaats als jüdisch per Gesetz festigen. Es sei im Moment eine "sehr unglückliche Zeit für die israelische Demokratie", sagte der Historiker Tom Segev im DLF. Eine ganze Generation von Bürgern und Politikern im Land habe die Demokratie vernachlässigt.
Israel sei in der Vergangenheit immer jüdischer und immer antidemokratischer geworden. Demokratie müsse aber gepflegt werden. Genau das habe man in Israel in den letzten zehn Jahren versäumt. Das liege auch daran, dass die meisten Israelis und Palästinenser nicht mehr an die Politik und den Frieden glauben würden.
So vertrete der israelische Außenminister Avigdor Lieberman im Grunde "eine rassistische Ideologie". Er ist dafür, die Grenzen neu zu ziehen und damit die Araber auszuschließen. Das ist eine "sehr gefährliche Entwicklung", führte der israelische Historiker Tom Segev aus. Schließlich sei jeder fünfte Israeli ein Araber. [….]