Freitag, 7. April 2017

Die Erkenntnis.



Hillary Clinton sollte im Jahr 1993 eine Krankenversicherung für alle Amerikaner schaffen.
Die Topanwältin und Gesundheitsexpertin kniete sich voll rein, arbeitete Tag und Nacht – und scheiterte am Ende. Zu groß war der Widerstand der mächtigen Lobbyorganisationen.
Die US-Demokraten arbeiteten weiter an dem Megathema und dennoch dauerte es weitere 17 Jahre zäher Verhandlungen bis zumindest für 90% der Amerikaner ein Versicherungsschutz erreicht werden konnte.

Der Posten des Gesundheitsministers ist in allen westlichen Demokratien einer der Undankbarsten. Das liegt in der Natur der Sache. Jeder ist betroffen, der medizinische Fortschritt lässt die Kosten explodieren und nirgendwo ist die Lobby so mächtig wie bei Pharmaverbänden, Ärzten und Apothekern.
Es ist natürlich ethisch nicht möglich das Leben der Bürger aufgrund der mangelhaft gefüllten Portemonnaies zu verkürzen, andererseits verführt das ultimative Ziel des Überlebens alle daran beteiligten Firmen die Hand aufzuhalten.
Ein Grundschüler kann sich an drei Fingern ausrechnen, daß Gesundheitspolitik extrem komplex und schwierig ist.

Es gibt vermutlich weltweit nur einen Mann, der so unfassbar dämlich ist das nicht zu wissen. Unglücklicherweise ist eben dieser Typ derzeit US-Präsident.

Erst nach seiner Wahl zum mächtigsten Menschen der Welt machte sich der geistige Phlegmat daran mal zu googeln was dieses „Obamacare“ eigentlich ist, das er stets in Grund und Boden verdammte.

[…..] Speaking to reporters late Friday night, President-elect Donald Trump revealed that he had Googled Obamacare for the first time earlier in the day.
“I Googled it, and, I must say, I was surprised,” he said. “There was a lot in it that really made sense, to be honest.”
He said that he regretted that the frenetic pace of the presidential campaign had prevented him from Googling Obamacare earlier. “You’re always running, running, running,” he said. “There were so many times that I made a mental note to Google Obamacare but I just never got around to it.”
Trump also told the reporters that, now that the campaign was over, he had finally found the time to Google Mexico.
“Really eye-opening,” he said. “A lot of the Mexicans are terrific. They do just terrific things.” [….]

Nach seiner Amtsübernahme beharrte Trump darauf denjenigen Obamacare abschaffen zu lassen, der genau daran schon sieben Jahre in Folge gescheitert war: Paul Ryan.
Natürlich endete der planlose Ryan in einem Desaster; Obamacare ist immer noch in Kraft. Nach dieser Bruchlandung kam der Präsident zu einem erstaunlichen Schluß.

Nobody knew that healthcare could be so complicated,’ erklärte Trump beim National Governors Association meeting im Weißen Haus.


(Nein, das hier ist übrigens kein satirischer Artikel; ich beschreibe nur die Realität.)

Aber was machte es schon mit der Krankenversicherung zu scheitern?
Hernach erklärte der pathologische Lügner einfach, er habe schließlich nie versprochen Obamacare abzuschaffen und zu ersetzen.


Nein, also wenn einer wie Trump im Wahlkampf nur 68 mal eindringlich schwört Obamacare sofort abzuschaffen, kann man wirklich nicht behaupten, er habe das jemals so gesagt.

Das viele Golfen ist natürlich anstrengend und zeitaufwendig, aber nach zweieinhalb Monaten im Amt, hatte Trump doch mal wieder Zeit zu googeln.
Offensichtlich gab er den Suchbegriff „Syrien“ ein und kam zu einer bahnbrechenden Erkenntnis:

Nobody knew that Middle East could be so complicated.

Zum Glück sagte Trump auch niemals, er könne den IS in 30 Tagen besiegen und habe dafür einen großartigen Plan. Später erklärte er seinen Top-generals 30 Tage Zeit zu geben, um ebenfalls einen Plan auszuarbeiten, den er dann mit seinem eigenen abgliche, bevor er zuschlage.

[…..] "We are going to convene my top generals and give them a simple instruction," Trump said on Sept. 6, "They will have 30 days to submit to the Oval Office a plan for soundly and quickly defeating ISIS."
On Jan. 28, 2017, Trump made good with a presidential memorandum. The key line was,"within 30 days, a preliminary draft of the Plan to defeat ISIS shall be submitted to the president by the secretary of defense." [….]

Sehr konkret wurde er nicht, aber eins stellte Trump in einer Kaskade von 24 Tweets schon vor Jahren klar; keinesfalls dürfe der US-Präsident Syrien angreifen, nur weil dort Giftgas eingesetzt werde. Das sei nun wirklich nicht „our business“.

[…..] Donald J. Trump @realDonaldTrump
We should stay the hell out of Syria, the "rebels" are just as bad as the current regime. WHAT WILL WE GET FOR OUR LIVES AND $ BILLIONS?ZERO 2:33 AM - 16 Jun 2013

Donald J. Trump @realDonaldTrump
What will we get for bombing Syria besides more debt and a possible long term conflict? Obama needs Congressional approval. 8:14 PM - 29 Aug 2013

Donald J. Trump @realDonaldTrump
If Obama attacks Syria and innocent civilians are hurt and killed, he and the U.S. will look very bad!   9:26 PM - 30 Aug 2013 […..]


That said, ordnete Trump gestern den Militärschlag an, den er zuvor vehement verurteilt und ausgeschlossen hatte.
59 Marschflugkörper schoß das US-Militär auf Assads Stellungen ab.
Leiten ließ er sich dabei auch vom alten Trumpschen Motto „Legal, illegal, scheißegal.“
Mit hoher Wahrscheinlichkeit hatte der Mann auch noch keine Zeit den Begriff „Völkerrecht“ zu googlen.

[……] Der US-Militärschlag gegen syrische Regierungstruppen war völkerrechtswidrig.
    Die Charta der Vereinten Nationen billigt den Einsatz von Gewalt nur dann, wenn ein angegriffener Staat sich verteidigt oder der UN-Sicherheitsrat den Militärschlag genehmigt.
[…..] Der Angriff der Amerikaner ist vielmehr an der Charta der Vereinten Nationen zu messen. Diese enthält in Artikel 2 Nr. 4 ein striktes Gewaltverbot, das unter dem Eindruck der Weltkriege formuliert wurde.
Die Charta sieht nur wenige Ausnahmen vor. So kann der UN-Sicherheitsrat bei einer Bedrohung oder beim Bruch des Friedens anordnen, militärisch einzugreifen, um den Weltfrieden und die internationale Sicherheit wiederherzustellen. Die Rats-Resolution 2118 aus dem Jahr 2013, die die Vernichtung aller syrischen Chemiewaffen durchsetzen sollte, droht dem Assad-Regime zwar mit dem Einsatz von Gewalt, behält eine Entscheidung darüber aber dem Sicherheitsrat selbst vor. Der Rat ist zurzeit jedoch blockiert, weil Russland Beschlüsse gegen die syrische Regierung per Veto verhindert. […..]

Mit dem Militärschlag pulverisierte Trump gleich mehrere seiner früheren Versprechen.

Er hatte immer wieder betont er wolle mit Russland und Putin zusammenarbeiten, gemeinsam ISIS zerschlagen.

[….. ] “If we could get along with Russia, wouldn’t that be a good thing, instead of a bad thing?" he said in July. "Wouldn't it be nice if we actually got along, as an example, with Russia?” he said a couple days prior in Florida. And a couple days before that in North Carolina: "Wouldn't it be nice if we got together with Russia and knocked the hell out of ISIS?" […..]

Herrn Putin ist Trump nun aber maximal auf die Füße getreten, denn Russland kämpft völkerrechtskonform auf Bitten der syrischen Assad-Regierung an der Seite der Syrischen Armee, die gestern von den Amerikanern bombardiert wurde.

Mit dem Militärschlag konterkariert Trump auch sein Versprechen No Fly Zones in Syrien zu errichten.

[…..]  U.S. President Donald Trump said on Wednesday he "will absolutely do safe zones in Syria" for refugees fleeing violence in the war-torn country.
[…..] "I'll absolutely do safe zones in Syria for the people," he added, without giving details.
[…..] U.S. military officials had long warned that the creation of no-fly zones inside Syria would require a large number of additional resources beyond the fight against Islamic State and it would be difficult to ensure that jihadist insurgents did not infiltrate those areas amid the chaos of Syria's civil war.
[…..] During and after the presidential campaign, Trump called for no-fly zones to harbor Syrian refugees as an alternative to allowing them into the United States. [….]

Bisher galten Flugverbotszonen gegen den IS auch als extrem sinnlos, weil der IS ohnehin über keine Flugzeuge verfügt. Sie würden nur zu einem Konflikt mit russischen Jets führen.

Inzwischen, oh Wunder, besitzt der IS aber eine hochgerüstete ultramoderne Luftwaffe; nämlich die US-Airforce, die sich freundlicherweise gestern in den Dienst des Kalifats stellte und den IS-Hauptgegner Assad wegbombte.

Trump muß wohl noch mal googlen. Vielleicht begreift er ja eines Tages, daß seine Sympathien und Antipathien – Assad doof, Iran doof, IS doof und Russland gut – in Syrien nicht unter einen Hut zu bekommen sind.
Um den IS zu bekämpfen braucht Trump den Schulterschluss mit dem Iran und Assad. Um mit Russland an einem Strang zu ziehen, darf er nicht Assad angreifen und um den IS zu schwächen, darf er nicht die IS-Gegner bombardieren.

[…..] Russlands Premier warnt, der Angriff der USA auf eine syrische Luftwaffenbasis habe beinah zu einer militärischen Auseinandersetzung mit Moskau geführt.
Die syrische Führung nennt den US-Einsatz "rücksichtslos" und "kurzsichtig".
Syrien kündigt an, den Kampf gegen Aufständische verschärfen zu wollen.
Russland will die syrische Luftabwehr verstärken und setzt ein Abkommen mit den USA außer Kraft, das Zusammenstöße im syrischen Luftraum vermeiden soll. […..]

Beindruckenderweise schaffte es Trump auch noch mit der Umgehung des Kongresses nicht nur seine eigenen Versprechen erneut zu brechen, sondern auch noch seine letzten Fans zu verärgern.

[…..] Führende Republikaner und Demokraten loben den Raketenangriff auf einen Stützpunkt der Truppen von Syriens Machthaber Baschar al-Assad. […..] Gleichzeitig hat sich Trump in eine riesige Glaubwürdigkeitsfalle manövriert, die vor allem außerhalb der professionellen Politikblase, im harten Kern seiner Anhängerschaft, Spuren hinterlässt. Trump-Fans wenden sich ab, reagieren empört auf Trumps radikalen Kurswechsel, werfen ihm Wortbruch vor.

Denn bis zu dem Angriff von Chan Scheichin, bei dem ganze Familien ausgelöscht wurden, galt Trump als Gegner einer militärischen Intervention in Syrien.
"Don't attack Syria", brüllte Trump jahrelang in jedes Mikrofon. "Wir müssen uns aus Syrien raushalten, und aus allen anderen Ländern, die uns hassen", twitterte Trump 2013, oder er warnte vor einer "globalen Hölle", die nach einem Syrieneinsatz drohe.
[…..] Ein Teil von Trumps treuesten Anhängern, die im Wahlkampf aggressiv für ihn trommelten, fühlt sich deshalb getäuscht. Websites und Kommentatoren, die sonst stets als Parolenlautsprecher zur Seite standen, verurteilten den Luftschlag scharf.
"Mr. President, mutieren Sie nicht zu Bush III", schreibt die konservative Seite Daily Caller. "Radieren ein paar Bilder unschuldiger Toter wirklich alle Logik aus, die Sie im Wahlkampf an den Tag gelegt haben?"
Paul Joseph Watson, Autor für die ultrarechte Verschwörungstheorie-Seite Infowars, twitterte: "Ich bin offiziell RAUS aus dem Trump-Zug." Die rechtskonservative Publizistin und bisherige Trump-Unterstützerin Ann Coulter zeigte sich fassungslos, warf Trump eine Abkehr seiner Prinzipien vor.
[…..] Auf dem rechtspopulistischen Portal Breitbart kommentieren Zehntausende, darunter viele, die mit Trump brechen wollen. "Trump schuldet uns eine Erklärung. Das ist nicht, wofür ich ihn gewählt habe", schreibt einer, "90 Prozent von uns haben ihn nicht deshalb gewählt", antwortet ein anderer Nutzer, und an Trump gerichtet: "Ich möchte mein Geld zurück, du bescheuerter Idiot." […..]

Im Spiegel stand vor ein paar Wochen ein Kommentar, in dem es sinngemäß hieß, Trump führe die planlose Nahost-Politik seines Vorgängers weiter – nur schlimmer.

Gratulation. Immerhin dieses „nur schlimmer“ kriegt er ja gut hin.