Verfolgt man die Diskussion in den sozialen Netzwerken,
sieht es so aus, als ob sowieso 99% der Basis-Sozen strikt gegen eine Große
Koalition sind.
Hauptsächlich sind es die ewig gleichen Dauernörgler, die
ohnehin gegen alles sind und den Rest der Meute locker mit ihrer Lautstärke
übertönen.
Das ist weniger die Basis der Partei, als der Boden, bzw
Bodensatz.
Er spiegelt durchaus das gesamte Spektrum der
SPD-Programmatik wider. Jeder versteht darunter allerdings etwas anderes.
Die Bodensätzigen sind auf ihre speziellen inhaltlichen
Wünsche fokussiert und halten in einem inversen St-Floriansprinzip alle anderen
Programmpunkte, außer dem ihrigen für verzichtbar.
Diese Sorte SPD-Mitglied begreift den Koalitionsvertrag
als eine Art Kindergeburtstag, bei dem sich jeder etwas wünschen darf. Und wenn
es seinen Lieblingslutscher nicht bekommt, wird eben die Party gesprengt.
Betrachte ich das Parteimitglied Tammox mit seinen
Lieblingsprojekten einmal genauer, muß es ebenfalls auf eine Ablehnung der
Koalitionsvereinbarung hinauslaufen:
Es wird nicht an den Kirchenprivilegien gerüttelt, die feigen und lobbyhörigen Gesundheitspolitiker lassen weiterhin die geschundenen Privatpatienten im Stich und mit der doppelten Staatsbürgerschaft sieht es bisher auch mau aus.
Es wird nicht an den Kirchenprivilegien gerüttelt, die feigen und lobbyhörigen Gesundheitspolitiker lassen weiterhin die geschundenen Privatpatienten im Stich und mit der doppelten Staatsbürgerschaft sieht es bisher auch mau aus.
Dafür wird die CSU wohl ihre xenophobe Maut und die
widersinnige Herdprämie bekommen.
Aus meinem persönlichen Blickwinkel sollte es also ein „Nein“
geben.
Aber auch wenn man versucht das „große Ganze“ zu sehen, es
gut mit seiner Partei meint und bereit ist persönlich zurück zu stecken, gibt
es gewichtige Gründe für ein „Nein“.
Viele SPD-Mitglieder formulieren ihre Bedenken
ausführlich und öffentlich als Online-Diskussionsbeiträge oder Offene Briefe.
Warum ich gegen die große
Koalition bin - offener Brief an
den Parteivorsitzenden der SPD
Lieber Sigmar Gabriel, [….]
dafür, dass ein Alexander Dobrindt Minister in Berlin wird, habe ich
nicht ein Jahr meines Lebens geopfert. [….] Ich werde nun von manchen Genossen, Journalisten, Wählern gefragt,
warum ich will, dass die SPD lieber 100 Prozent ihres Programms nicht
durchsetzen als 50 Prozent durchsetzen solle? Warum ich nicht das Ergebnis der
Koalitionsverhandlungen abwarte? [….] Dass
ich mich schon jetzt einer großen Koalition widersetze, hat prinzipielle
Gründe, die unabhängig vom Verhandlungsergebnis bestehen bleiben. Einer der
einfachsten rührt aus einer im Wahlkampf gemachten Erfahrung: Die ganze
politische Klasse hat beim Volk verschissen. Dessen Stimmung lässt sich auf den
Nenner bringen: „Ihr Politiker seid doch sowieso alle gleichermaßen unfähig,
postengeil, verlogen und korrupt. Es ist völlig egal, wen man wählt, ob man
überhaupt noch wählt, es ändert sich ja doch nichts.“
Diese Stimmung wird durch eine große Koalition nicht abgebaut, sondern
weiter angeheizt. Linke und rechte Populisten werden erstarken.
Ein noch größeres Problem als der Politikverdruss ist der galoppierende
Vertrauensverlust. Es gibt nicht nur eine wachsende Kluft zwischen arm und
reich, sondern auch eine zwischen „denen da oben“ und „denen da unten“. Gerade
hat sich das wieder gezeigt in den überraschten Gesichtern der Politiker,
Funktionäre und Sportbusiness-Manager nach der Ablehnung der Olympiabewerbung.
Volkes Stimmung war gegen Olympia, und „die da oben“ haben das nicht gemerkt,
weil sie in ihrer von Dienstwagen, Referenten, Assistentinnen und Security
abgeschotteten Luxushotel-Sonderwelt längst den Kontakt zur normalen Welt
verloren haben. [….] Im Schwinden
begriffen ist auch das Vertrauen in die Kompetenz der Politik. Seit rund zwei
Jahrzehnten erleben wir, wie die sogenannten Finanzmärkte die gewählten
Politiker vor sich hertreiben und den Staaten ihre Bedingungen diktieren. Wir
erleben, dass Lobbyisten regelmäßig stärker sind als Politiker, ja oft genug an
den Gesetzestexten mitschreiben. Wir erleben die Ohnmacht der Politik gegenüber
milliardenschweren Wirtschaftsinteressen und machen die Erfahrung: Nicht mehr
wir und die gewählten Politiker bestimmen, wie hier gelebt und gearbeitet wird,
sondern anonyme Mächte, Märkte, Lobbyisten, Geschäftemacher. Viele haben sich
daher vor der letzten Bundestagswahl gefragt, warum sie überhaupt noch wählen
sollen. [….][….][….]
Hinzu kommt, daß die ersten Ergebnisse, die unsere
Generalsekretärin durchsickern läßt, nicht nach einer kraftvollen Regierung mit
einer 80%-Mehrheit aussieht, sondern nach einer jämmerlichen labilen Truppe,
die sich an keine Reformen herantraut, sondern ganz wie einst Daniel Bahr von
Lobbyisten getrieben nur an winzigen Stellschräubchen dreht.
Gesundheit und Pflege:
Die lange verschleppte Pflegereform wird jetzt angepackt. Der neue
Pflegebedürftigkeitsbegriff wird in dieser Legislaturperiode umgesetzt. Dafür
soll in einem ersten Schritt der Beitragssatz um 0,3 Prozentpunkte erhöht
werden. Ein kleiner Teil davon wird in einen Vorsorgefonds fließen, um die
Alterung der Gesellschaft bei der Pflege abzufedern.
Der Rest steht vor allem für Leistungsverbesserungen zur Verfügung.
Unter anderem geht es um rund 45.000 zusätzliche Fachkräfte für eine
menschenwürdige Pflege. In einem zweiten Schritt soll dann der Beitrag um weitere
0,2 Prozentpunkte angehoben werden, um die Kosten eines neuen
Pflegebedürftigkeitsbegriffs zu finanzieren.
Geht es noch lächerlicher und ängstlicher?
Ein ähnlich erbärmliches Signal wird den von Priestern
vergewaltigten Kindern, den Hunderttausenden Missbrauchsopfern, denen in
christlichen Heimen Gewalt angetan wurde, geschickt: Nun ist mal gut. Wir
stehen an der Seite der Täter und können die leidige katholische
Kinderficker-Affäre langsam ad acta legen.
Familienpolitiker der Union wollen offenbar die unabhängige Stelle
gegen Kindesmissbrauch abschaffen. Wie der Spiegel berichtet, überraschten
CDU-Unterhändler die SPD mit dem Vorschlag, nur noch einen
'Kinderrechtebeauftragten' einzusetzen, der unter anderem für das Thema
Missbrauch zuständig wäre. [….] Die
Stelle des Missbrauchsbeauftragten [….] entwickelte
sich zum Bündnispartner für Betroffenen-Initiativen und kritisierte mehrmals
die Regierung. Der unabhängige Beauftragte Johannes-Wilhelm Rörig spricht laut
dem Bericht von einem 'unverantwortlichen Signal'.
Das sieht nicht gut aus für ein Tammox’sches „Ja“ zu
einem Vertrag mit der Union.
Allein, es fehlt die Alternative!
Soll ich wirklich dazu beitragen, daß es Neuwahlen gibt und Merkel eine sehr gute Chance bekäme ganz allein zu regieren?
Dann könnten Friedrich, Dobrindt, Steinbach, Klöckner und Co völlig ungehindert ihre xeno- und homophoben Gesetzchen schmieden.
Soll ich wirklich dazu beitragen, daß es Neuwahlen gibt und Merkel eine sehr gute Chance bekäme ganz allein zu regieren?
Dann könnten Friedrich, Dobrindt, Steinbach, Klöckner und Co völlig ungehindert ihre xeno- und homophoben Gesetzchen schmieden.
Oder noch schlimmer: Die FDP, womöglich gar die
bräunliche AfD käme ins Parlament!
Statt Brüderle oder Lucke, könnte ich mit einem „Ja“ zum Koalitionsvertrag wenigstens ein paar
gute SPD-Frauen und Männer in Merkels Regierung bugsieren.
Das ist besser als nichts und würde die wahnsinnigsten
Exzesse aufhalten.