In Hamburg ist so etwas besonders ungünstig, da wir nun mal
die riesige Außenalster mit 7,5 km Umfang mitten im Stadtzentrum haben.
Ich bin nicht James Bond; daher ist mein Auto auch nicht per
Knopfdruck auf Amphibien-Modus umschaltbar. Durch die Alster geht nicht.
Es blieb nur noch ein einziger Umweg durch eine enge Straße
eines Wohngebietes. Außer mir kamen allerdings weitere Millionen Hamburger
auf die Idee diese Strecke zu wählen. Der Weg ist so schmal, daß zwei Autos
meiner Größe gerade eben aneinander vorbei fahren können.
Unglücklicherweise fährt
hier aber jeder zweite SUV; es war wie in einem Cartoon. Eine endlose Reihe von
Helikoptermüttern, die allein in ihren riesigen Panzern, circa anderthalb Meter
über meiner Sitzhöhe hoffnungslos ineinander verkeilt hupten.
Die sind auch verdammt groß, diese Frauen-Hummer.
Nach wie vor bin ich entsetzt über unseren neuen Fahrrad-fanatischen Verkehrssenator Tjarks,
der den Autoverkehr systematisch schikaniert, weil er einfach nicht in der Lage
ist sich vorzustellen, daß es Menschen gibt, die keine topfitten Sportler unter
40 sind wie er, sondern Behinderte, Demente oder Typen wie ich (mit Schrauben
und Nägeln im Knie), die nun mal nicht Radfahren können.
Die sollen offenbar komplett aus dem öffentlichen Leben
verdrängt werden, um Platz für die Mitt-Dreißiger-Muskel-Hipster zu machen.
Es gibt Menschen, die keine Alternative zum Auto haben.
Aber das heißt noch lange nicht, daß es sich dabei immer um
2,5 Tonnen schwere Monster mit 200 bis 600 PS und einem Verbrennungsmotor mit
dem CO2-Wert eines kleinen Braunkohlekraftwerkes handeln muss.
Ich bewundere allerdings die Autoindustrie für ihre
erfolgreiche Lobbyarbeit, die über Kilometergeld, Dienstwagenprivilegien und
Absetzungsmöglichkeit tatsächlich schafft dermaßen viele Cayennes, Q7, Touaregs
und Range Rovers auf die Straße zu bringen.
Die meisten kosten über 100.000 Euro. Was ist denn los mit
den Deutschen? Kein Geld, um ein paar Cent mehr für Biofleisch oder regionales
Gemüse ohne Pestizide auszugeben, aber jeder Zweite fährt SUV…
Offensichtlich versagt der Staat bei seiner Lenkungsfunktion
vollständig und knickt vor den enormen Gewinnmargen der SUV-Produzenten ein.
Schade, gerade dachte man noch, zumindest in der SPD wäre
einige Testikel vorhanden, nachdem die Autobosse mit ihrem Wunsch nach einer
Kaufprämie im Corona-Konjunkturpaket abgeblitzt waren.
(….) Man merkt ganz deutlich
weswegen es so essentiell wichtig ist die SPD in der Groko zu haben; sie
vermochte es nicht nur den Durchmarsch der CDU-KFZ-Lobbyisten aus den Reihen der ehemaligen
Kanzleramts-Staatsminister zu verhindern, die einseitig
Steuerzahlermilliarden an die Topverdiener verschieben wollten, während die Multimilliardäre ihre Milliarden-Dividenden einstreichen
und dennoch Staatshilfen verlangen.
Hört hört, BMW, Mercedes und
Porsche bissen sich die Zähne an den Koalitionären aus.
Wer sich für 80.000 Euro eine
S-Klasse leisten kann, bekommt nicht noch eine
5.000-Euro-Prämie dazu geschenkt. (….)
Aber die Piëchs, Porsches, Quandts und Klattens sollten
nicht allzu enttäuscht von ihrem Abgesandten Scheuer sein.
Die KFZ-Steuerreform ist wieder einmal ein Reförmchen, das
sicher keinen einzigen SUV-Liebhaber vom Kauf so eines Monsters abhält.
[…..] Durch die Neuregelung solle erreicht werden, „dass beim nächsten
Neuwagenkauf von der Kraftfahrzeugsteuer ein stärkerer Anreiz ausgeht, ohne
Verbote und Strafabgabe“. Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Wenn
individueller Bedarf in der Rangfolge vor dem Klimaschutz steht, sieht das so
aus: Ein SUV, nehmen wir den in Deutschland beliebten BMW X3 – zwei Tonnen
schwer, 252 PS, von null auf hundert in sechs Sekunden – kostet mit einem
CO2-Ausstoß von 164 g/km bei der Kfz-Steuer künftig 200 statt 178 Euro – also
22 Euro mehr. Das ist bei einem Kaufpreis von rund 50 000 Euro: nichts. […..]
(Tim Szent-Ivanyi, Mopo,
11.06.2020)
Eine ungeheure Peinlichkeit des Groko-Kabinetts und ein
gewaltiger Lobbyerfolg der Autobosse. Es hat sich wieder einmal gelohnt die
CDU-Staatsminister aus Merkels Kanzleramt einzukaufen.
Es geht aber noch peinlicher und zwar in Form der FDP.
Wir erinnern uns, Lindner hatte gerade erst steuerpolitisch
brilliert.
(…..) Finanzielle Erleichterungen
für Geringverdiener, Aufstocker, Arbeitslose, Grusis und Senioren mit
Mini-Rente?
Da bekommt der passionierte
Rolex-Sammler und Porsche-Fahrer in seinem Extra-Slim-Anzug sofort
Schnappatmung.
[….] "Für eine in der Breite wirksame Reform der Einkommensteuer inklusive
Abschaffung des Solidaritätszuschlags
wäre das viele Geld besser investiert", meint FDP-Chef Christian Lindner. […..]
Die ärmere Hälfte der Bevölkerung
bezahlt gar keine Einkommensteuer, also will Lindner nur die reichere Hälfte
Deutschlands entlasten und zwar gemäß der FDP-DNA – „die Partei der
Besserverdienenden“ – über den Soli überproportional die reichsten 10% der
Deutschen.
Statt also endlich mal in diesem
Land mit der chronischen Importschwäche die Binnenkonjunktur zu stärken, möchte
der FDP-Chef in der Megakrise kräftig von unten nach oben umverteilen.
Endlich mal wirklich frische
Ideen von der garstig-gelben Lobbytruppe. (….)
Lindners Leute schreien angesichts dieses enormen KfZ-Steuer-Aufpreises
von 22 Euro bei einer 100.000-Euro-Kiste wie ein Ferkel bei der betäubungslosen
Kastration.
[…..] Die Opposition rügt die Pläne der Bundesregierung für eine Reform der
Kfz-Steuer. "Die Bundesregierung schnürt ein Paket zur Abwicklung der
Automobilindustrie", sagte der FDP-Verkehrspolitiker Oliver Luksic, dem
Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND/Mittwoch). "Die Erhöhung der
Kaufprämie für E-Autos in Kombination mit einer Kfz-Steuererhöhung für Benziner
und Diesel wird die Krise im Automobil- und Zulieferbau massiv verschärfen und
beschleunigen", warnte Luksic. [….]
Der Klimaschutz, an dem nichts weniger als das Überleben der
Fauna und Flora dieses Planeten hängt, also auch das Überleben der Menschheit,
wird wieder einmal hintan gestellt. Nichts tut die Bundesregierung bei der
KfZ-Steuer, das irgendwie in Richtung klimafreundlichere Autos lenkte.
Aber bei 22 Euro kreischt die FDP schon „Abwicklung der
Autoindustrie“.
Einem Volk, das solche Parteien in Regierungsverantwortung
wählt – die FDP regiert in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein
– weine ich nicht hinterher.