Samstag, 15. Oktober 2022

Völkisch-fascholinks

Als in Europa lebender Amerikaner, der in den frühen 1980ern während der Nachrüstungsdebatte politisiert wurde, war ich immer besonders NATO-kritisch. Noch 40 Jahre später prangere ich die NATO-Doppelmoral an. Die US-Lügen, um Kriege zu beginnen. Die Nichtachtung muslimischer Opfer. Friedens-Nobelpreis für den US-Präsidenten Obama, der bei mehreren hundert illegalen Drohnenangriffen in souveränen Staaten tausende Zivilisten töten ließ. Man stelle sich vor, die pakistanische, nordkoreanische oder iranische Regierung würde umgekehrt mit Drohnen gezielte Tötungen in den USA durchführen und dabei ab und zu mal eine Hochzeitsgesellschaft oder Gottesdienstbesucher auslöschen, die zufällig in der Nähe waren.

Wenn man die moralische Keule schwingt, sollte man immer erst vor seiner eigenen Haustür fegen, bevor man auf andere zeigt. Kluge Außenpolitik bedeutet, sich in andere Völker und Staaten mit anderen Interessen hineinzuversetzen.

Daher wies ich immer wieder darauf hin, wie eingekesselt sich Russland sich fühlt. Zu Recht oder nicht. Das Gefühl ist da. Oder wieso weite Teile der muslimischen Welt großen Hass auf den Westen empfinden.

Zu sehen und zu erklären, weshalb „die sauer auf uns sind“, darf aber nicht in Whataboutism ausarten, der Verbrechen Riads oder Moskaus rechtfertigt.

Die eigenen Missetaten anzuerkennen, kann nicht bedeuten, Missetaten der anderen zu ignorieren.

Ali Al-Dailami, Wahlkreis Gießen, stellvertretender Vorsitzender und verteidigungspolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE im Bundestag und André Hahn, Wahlkreis Sächsische Schweiz, ebenfalls stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Linken, gaben gestern eine Pressemitteilung der Fraktion zum Ukrainekrieg heraus.

Die beiden schlauen Wagenknechte haben nämlich analysiert, wer der Schuldige des grausamen Massensterbens ist: Die NATO.

Und ich Depp hatte seit dem 24.02.2022 gemutmaßt, Russland, bzw Putin, trügen auch ein klitzekleines bißchen Mitschuld an diesem verbrecherischen Krieg. Aber DIE LINKE erwähnt die Begriffe „Russland“ oder „Präsident Putin“ nicht einmal

[….] Kein Frieden mit der NATO. Die NATO machte wieder klar: Am Status quo des Krieges in der Ukraine wird festgehalten. Kein Wort von Diplomatie oder einem Verhandlungsfrieden. Das Militärbündnis setzt auf Konfrontation und Eskalation, liefert immer mehr und schwerere Waffen und schickt noch mehr Truppen an die NATO-Ostflanke. Das ist fatal. [….]  Verteidigungsministerin Lambrecht hat es versäumt, die jüngsten atomaren Drohgebärden entschieden zu verurteilen. Stattdessen wird am Prinzip der gegenseitigen nuklearen Bedrohung festgehalten. Generalsekretär Stoltenberg ist zuzustimmen, wenn er zum Ausgang des Treffens konstatiert, dass ein nuklearer Krieg nicht zu gewinnen sei. Umso schlimmer ist es, dass er daraus nicht die richtigen Schlüsse zieht und unbeirrt verkündet, dass die NATO kommende Woche die Atomwaffenübung Steadfast Noon abhalten wird. Hier probt die Bundeswehr, wie sie im Ernstfall US-Atombomben auf feindliche Stellungen abwirft. Angesichts der realen atomaren Bedrohung ist es jetzt dringend geboten zu deeskalieren und die geplante NATO-Atomübung abzusagen.“ [….] 

(PM, Die Linke, 14.10.2022)

Die Fraktionsvorsitzenden Bartsch und Mohammed Ali lassen diesen hanebüchenen und perfiden Unsinn genauso durchgehen, wie die berüchtigte Wagenknecht-Rede, in der sie im Einklang mit der AfD erklärte, der grüne Vizekanzler habe einen Wirtschaftskrieg gegen Russland angezettelt.

Für so ein Gedankengut des Schwurbel-Schwachsinns gibt es außerhalb der AfD und eines kleinen Kreises um Sahra Sarrazin selbstverständlich keine Zustimmung.

Nachdem die Linke nach der Bundestagswahl (4,9%), weitere viermal bei Landtagswahlen für ihre elende Schwurbelei und Unfähigkeit, sich von der Querfront zu trennen, schwer abgestraft wurde – 27.03. im Saarland 2,6%, 08.05. Schleswig-Holstein 1,7%, 15.05. NRW 2,1%, 09.10. Niedersachsen 2,7% - und bundesweit klar unter 5% entlangkrebst, demonstriert sie weiterhin ihre völlige Politikunfähigkeit. Geradezu erbärmlich, wie sich die einst so stolze Partei von ihrer völkischen AfD-Freundin Sahra Sarrazin und dem doppelten Partei-Zerstörer Lafontaine zerhacken lässt.

Aber auch die Reaktion innerhalb der Linken ist deutlich. Prominente Mitglieder treten demonstrativ aus, mehrere Landesverbände befinden sich in Auflösung. Eine Irre wie Sahra Sarrazin wäre als Parteimitglied auszuhalten, wenn sie denn parteiintern isoliert würde.

Aber sowohl Partei-, als auch Bundestagsfraktionsführung geben dem Nazi-Fangirl Rückendeckung. Mohamed Ali, Bartsch, Wissler und Schirdewan wissen es und lassen die Wagenknechte gewähren. Die Linke ist unrettbar verloren. Wer nicht hören will, muss fühlen. Der rechtsextreme Verschwörungstheoretiker David Berger ging bereits dazu über, Sahra Wagenknechts Youtube-Reden ungekürzt direkt in seiner völkischen Covidiotenseite PP einzubetten.

Selbstverständlich gibt es viele integre und intelligente Linke-Parteimitglieder. Ihnen bleibt nun nur noch der Parteiaustritt. Das RBB-Magazin Kontraste berichtete vorgestern.

[….]  "Das größte Problem ist ihre grandiose Idee, einen beispiellosen Wirtschaftskrieg gegen unseren wichtigsten Energielieferanten vom Zaun zu brechen." (Wagenknecht, 08.09.2022)

Seit diesem Auftritt laufen der Linken die Mitglieder davon. Die Partei geht nach Kontraste exklusiv vorliegenden Zahlen von mindestens 809 Austritten seit der Rede aus und konstatiert:

"Eine solch hohe Zahl der Austritte gab es zu keinem Zeitpunkt zuvor."

Vielfach sei explizit Wagenknecht als Grund genannt worden, hören wir aus der Geschäftsstelle. Wir treffen Bastian Lahrmann, Gemeinderat in Großenkneten. Auch er hat kürzlich sein Parteibuch zurückgegeben – auch er wegen Wagenknecht.

"Russland ist hier das Problem, Russland ist hier der Aggressor. Kein Krieg zu wollen, ist ja richtig, aber man kann ja auch nicht sagen: Ukraine, bitte ergebt euch, ihr macht dit schon, ist ja gar nicht so schlimm, ihr gehörtet ja irgendwann schon mal zur UdSSR, das wird schon werden."

(Bastian Lahrmann, Gemeinderat Großenkneten)  [….]

(KONTRASTE, 13.10.22)

Nach wie vor achte ich einige Mitglieder der LINKEN sehr, aber Martina Renner oder Petra Pau haben den Kampf gegen die Schwurbelspinner ihrer Fraktion – Sahra Wagenknecht nennt sich jetzt selbst „Linkskonservativ“ – verloren.

[….] Gruppe um Martina Renner will Wagenknecht loswerden.  Eine Gruppe um die Bundestagsabgeordnete Martina Renner, die ehemalige Berliner Sozialsenatorin Elke Breitenbach und den Ex-Bundestagsabgeordneten Thomas Nord ruft nun zu einem „bundesweiten Vernetzungstreffen progressiver Linker“ in der Partei auf.   [….]

(MoPo, 14.10.2022)

Aus Angst vor dem Tod (Austritt der Wagenknechte und damit der Verlust des Fraktionsstatus) begeht die Partei kollektiv Selbstmord (Duldung Sahra Sarrazins).

Das kann nicht gut gehen.

[….]  Weg mit der Querfront-Frau!

Gerade in unruhigen Zeiten, in denen die Armen die steigenden Preise bei Lebensmitteln, Energie und Mieten spüren, da braucht es eine linke Partei, die die Interessen derjenigen vertritt, die sonst keine Lobby haben. Und, mal unter uns: Die Ampel-Grünen, die sind schon lange keine wirklich linke Partei mehr. [….] Die Partei Die Linke aber, die die Genossen von der SPD stets an eben jenen sozialen Kern erinnert hat, die wird inzwischen nicht mehr über ihr pazifistisches oder soziales Engagement wahrgenommen. Es ist fast nur noch der Zwist zwischen den Flügeln, den man mit ihr verbindet.

Zum offenen Bruch kam es bisher vor allem wohl aus finanziellen Gründen nicht: Bei einem Austritt von Wagenknecht & Co. wird der Verlust des Fraktionsstatus befürchtet. Und daran hängen viele Privilegien. So wird an einer Frau festgehalten, die sich allen Ernstes selbst als „linkskonservativ“ bezeichnet. Also quasi als „linksrechts“. Und die mit dubiosen Aussagen zu Flüchtlingen, Corona und Russland ihre Querfront-Fanbase verzückt. [….] (Kristian Meyer, 14.10.2022)

Dieser atheistische Wunsch ist auch Vater meines Gedankens, Herr Meyer. Aber die Linke ist schon tot. Da gibt es nichts mehr zu retten. Für die Guten – Jan Korte, Renner, Pau, de Masi, van Aken – muss nun Kevin Kühnert Verantwortung übernehmen und ihnen großzügige Angebote machen, um in der SPD mitzuarbeiten.