Wie vermisse ich die Zeiten als es noch richtig gute
Kabarettisten gab, als man sich schon Tage vorher auf den „Scheibenwischer“ freute.
Ich glaube, es war der frühe Hagen Rether, der nach einer
Wahl in Hessen darüber orakelte wie unsympathisch ihm Flächenbundesländer ohne
Außengrenzen wären.
Was das mit der Bevölkerung mache, wenn man nur von
Deutschland umgeben wäre.
Das trifft bekanntlich nur auf drei Länder zu – Hessen,
Sachsen-Anhalt und Thüringen – und tatsächlich sind die alle ziemlich seltsam.
Hessen hat durch den Frankfurter Flughafen und die
Bankenansiedlungen immerhin so etwas wie einen internationalen Anknüpfungspunkt.
Aber wenn Dörfer wie Magdeburg oder Erfurt schon das Zentrum
des Geschehens bilden, schmort man viel zu sehr im eigenen Saft.
In den AfD-Hochburgen Brandenburg und Sachsen gibt es mit
Potsdam oder Leipzig immerhin urbane Orte, die Zuzug verzeichnen, wo junge Menschen
hinmöchten, die nicht ganz close-minded sind. Daher gibt es in den Bundesländern
auch Grüne Hochburgen.
In Thüringen hingegen nichts.
Die Höhenflug-Grünen, die auf Bundesebene schon davon
träumen stärkste Partei zu werden und mit Robert Habeck den nächsten Bundeskanzler
zu stellen, landeten bei der heutigen Landtagswahl bei gerade
mal 5%.
Eigenartiges Volk, die Thüringer. Fast 60% sind mit der bestehenden
rotrotgrünen Landesregierung „zufrieden“ oder gar „sehr zufrieden“. Aber wählen
wollten sie die Leute, die seit vier Jahren zweifellos erfolgreiche Politik
machen und das Land bei allen Kennzahlen nach vorn brachten, nicht.
Denn da gibt es noch den Faschisten Bernd Höcke, der Hitler
nicht nur mit seiner Gestik imitiert, sondern so konsequent NS-Talking Points
verwendet, daß noch nicht mal wohlmeinende Parteifreunde unterscheiden können,
ob Sätze aus Hitlers „Mein Kampf“ oder der Höcke-Schrift
"Nie zweimal in denselben Fluss“ kommen.
Dabei ist das Odo-Double keineswegs der Thüringische Rächer,
als der er seinen Flügel-Figuren erscheint, sondern ist ein reines
West-Gewächs:
Schon seine Geburt in Lünen (NRW) war ein Aprilscherz: *01.04.2019.
Die Familie siedelte nach Rheinland-Pfalz über, Klein Bernd
besuchte die Braunsburg-Grundschule
in Anhausen (Rheinland-Pfalz, 1.300 Einwohner) und das Gymnasium in Neuwied
(Rheinland-Pfalz, 60.000 Einwohner). Bundeswehr, Lehramtsstudium (Sport und Geschichte) im Hessischen Marburg
und bis 2014 dementsprechend Sport- und Geschichtslehrer in Bad
Sooden-Allendorf (Hessen, 8.000 Einwohner).
Schon sein Vater hatte die Holocaust-leugnende und radikal
antisemitische Zeitschrift Die Bauernschaft abonniert, der junge Provinzling Bernd/Landolf beschäftigte sich
ausführlich mit geschichtsrevisionistischen Volksverhetzern.
Seine Schüler
wußten um seine Vorliebe für die NSdAP.
[….] Er habe oft über Charisma gesprochen und von einem Treffen
seines Großvaters mit Adolf Hitler erzählt. Dessen „unglaublich blaue Augen“
seien für Höcke zentrales Element des Führerkults gewesen. [….]
(Wiki)
Vom Binnen-Bundesland Hessen ins benachbarte
Binnen-Bundesland Thüringen verschlug es den Hobby-Nazi, der unter dem
Pseudonym „Landolf Ladig“ Hetzartikel für die NPD verfasste erst um 2013, als
er dort die AfD mitgründete, für die er 2014 in den Landtag einzog.
[….] Sozialwissenschaftler, Historiker und das Bundesamt für
Verfassungsschutz (BfV) stellen in Höckes Positionen Rechtsextremismus bzw.
Faschismus, Rassismus, Geschichtsrevisionismus, teilweise Antisemitismus und
Übernahme von Sprache und Ideen des Nationalsozialismus fest. [….]
Bernd Höckes faschistische, rassistische und völkische
Überzeugungen sind seit Jahren so wohldokumentiert, daß beim besten Willen niemand
mehr behaupten kann nicht gewußt zu haben wen er heute am 27.10.19 mit
Rekordergebnis ins Parlament schickte.
Es gibt einige interessante Parallelen zum Trumpismus.
Höcke lügt sehr viel, ist genau wie IQ45 unfassbar
weinerlich, beklagt sich fast kontinuierlich darüber schlecht behandelt zu
werden und wird von seinen Anhängern nicht trotz seiner rassistischen
Nazi-Sprüche gewählt, sondern gerade deswegen.
100.000 Stimmen aus dem Nichtwählerlager zog Höcke heute zur
AfD und laut ZDF-Analysedaten geben ¾ der AfD-Wähler an, Höcke eben nicht aus
Protest, sondern wegen der politischen Inhalte gewählt zu haben.
Wie nicht anders zu erwarten, rekrutieren sich die meisten braunen Wähler aus den Dummen
und den abgehängten, schrumpfenden Landesteilen, wo die Deutschen unter sich
sind und niemand mehr hinziehen möchte.
Wie bei allen Landtagswahlen werden wir auch heute mit so
vielen Analysedaten versorgt, daß sich auch die brutal abgestraften Parteien
mit historisch schlechten Ergebnissen irgendetwas herauspicken können, um doch
irgendwie gut dazustehen. Irgendeine Relation lässt sich immer finden, die das
Licht rosiger erscheinen lässt.
Dennoch sind solche Perspektiven nicht falsch.
Die abgestürzten Grünen haben natürlich einen großen
Nachteil in einem schrumpfenden Bundesland ohne urbane Milieus.
Und auch das von allen Verlierern bemühte Argument, es habe
in der Endphase der Wahl eine solche Zuspitzung zwischen dem
Ministerpräsidenten und den Rechtsradikalen gegeben, daß viele vernünftige
Wähler von Grünen und SPD, aber sogar auch der CDU gegeben, die taktisch
Ramelow wählten, damit bloß nicht die AfD stärkste Partei wird.
Das Kalkül ging auf; der konservative und gläubige Ramelow
taugt ohnehin nicht mehr als Bürgerschreck und vereinte sagenhafte 31% auf die Linke.
Rekord. Stärkste Partei. Die CDU wurde mit zehn
Prozentpunkten deutlich überholt.
(FDP 5,0005%! Hätten das nicht 4,9999% werden können?)
Am heutigen Wahlabend schockte die Dreistigkeit der AfD-Frontmänner wieder einmal.
Am heutigen Wahlabend schockte die Dreistigkeit der AfD-Frontmänner wieder einmal.
Der Lacher des Abends war CSU-General Blume, der in der
Berliner Runde behauptete die CSU sei der Stabilitätsanker und Motor der Groko.
Die Scheuer- und Seehofer-Partei, die verfassungswidrige Gaga-Gesetze macht,
Untersuchungsausschüsse provoziert, Milliardenschäden verursacht und darüber
hinaus das größte deutsche Strukturproblem, nämlich das steinzeitliche Internet
verantwortet!
Den größten Fehler machte Paul Ziemiak, der die weitgehend
sozialdemokratische Linke Thüringens, geführt von einem sehr gläubigen Christen
aus dem Westen, die von ihren eigenen Wählern als „Partei der Mitte“ angesehen
wird und die sich 2/3 der CDU-Wähler als Koalitionspartner wünschen, hartnäckig
mit den NS-Sprechern der AfD verglich.
AKKs Wadenbeißer vollführte einen regelrechten Exzess der
Ausschließeritis.
Also genau das, was die Wähler wirklich nicht mehr ertragen
können.
Unnötig zu erwähnen, daß Kanzlerin und CDU-Parteichefin wie
üblich in der Versenkung abgetaucht sind.
Wie es jetzt weiter geht?
Der Thüringer MP hat durch die Verfassung eine sehr starke Position. Er kann einfach im Amt bleiben, wenn sich keine andere Mehrheit findet. Das dürfte Ramelow durch sein ultrastarkes Wahlergebnis und die enormen persönlichen Zustimmungswerte noch leichter fallen.
Der Thüringer MP hat durch die Verfassung eine sehr starke Position. Er kann einfach im Amt bleiben, wenn sich keine andere Mehrheit findet. Das dürfte Ramelow durch sein ultrastarkes Wahlergebnis und die enormen persönlichen Zustimmungswerte noch leichter fallen.
Rechnerisch bleiben nur zwei andere Möglichkeiten: Linke,
SPD, Grüne und FDP (R2G2), bei der die FDP womöglich nur
toleriert. Oder Herr Ziemiak muss seinen Schuh fressen und die CDU wird doch
Juniorpartner der Linken.
All das sind Konstellationen, die sich niemand wünscht, aber
Wahlen in Deutschland sind schon lange kein Wunschkonzert mehr. Insbesondere
nicht in Bundesländern, in denen jeder vierte Wähler bei echten Nazis sein
Kreuz macht.