Dienstag, 16. Februar 2016

Der Russe ist schuld.



Es ist doch schön, daß die Welt immer noch so klar manichäisch zu beschreiben ist.
Wir, Europa, sind die Guten. Dazu gehören auch die USA und die Ukraine. Wir sind immer auf deren Seite.
Wir ergreifen Partei.

Israel versus Palästina? Erstere gut, letztere schlecht.
Iran versus Saudi Arabien? Erstere schlecht, letztere gut.

Türkei versus Kurdistan?
Die Frage muß man ausklammern. Eigentlich unterstützt die Merkel-Regierung militärisch die Kurden, aber das darf man im Moment nicht laut sagen, weil Autokrat Erdogan zu viel Einfluss auf die Flüchtlingsströme hat. Also wird devot geschwiegen und zugesehen, wie die Kurden abgeschlachtet werden.

Assad versus IS?
Die Frage muß man auch ausklammern. Eigentlich unterstützt Merkel den „Kampf gegen den Terror“ und Terror ist Daesh; so viel weiß der deutsche Michel. Gegen den Daesh kämpfen aber Iraner und Assad und für die dürfen wir nicht sein, weil die ihrerseits von Russland unterstützt werden.
Und so viel ist klar: Russland = Kreml = Putin = ganz schlecht.
Der Russe ist unser Universalschuldiger geworden. Putin steckt hinter allem und da muß er nicht nur heimlich schwul, sondern auch noch Päderast sein.
Klar.

Andererseits muss man - wie die Briten - auch erst mal auf die Idee kommen, einen 329-Seiten-starken Bericht zu veröffentlichen, in dem es heißt, Putin habe "wahrscheinlich" die Ermordung des früheren russischen Agenten Litwinenko gebilligt. Es finden sich darin keine Beweise dafür - stattdessen aber Litwinenkos Behauptung, Putin hatte Sex mit kleinen Jungen.

Ich halte es durchaus für möglich, daß Putin auch Erdbeben auslöst und den Zika-Virus gebastelt hat!

Seit September mischen sich AUCH die Russen im Daesh-Gebiet ein, nachdem dort 25 Jahre NATO, Coalition of the willing und die USA rumgerockert haben.

Tatsache ist, daß es in Syrien gegenwärtig schlimmer aussieht denn je. Umso verwerflicher, daß eine der tragenden drei Säulen der Groko, Horst Seehofer, zum Kuscheln mit Putin nach Moskau reist und vehement wie kein anderer aus CDU/CSU und SPD brutale Abschiebungen fordert.

Inzwischen überschlagen sich die Katastrophenmeldungen:
Durch das russische Dauerbombardement auf die Rebellen stünde Assad davor wieder die Kontrolle über Syrien zu erlangen. Bis auf Teile von kurdischen Gebieten, die  gerade in apokalyptischen Ausmaß von unserem NATO-Partner Türkei mit Milliardenhilfen aus Deutschland in die Steinzeit gebombt werden.
Ein stabilisierter Assad wäre natürlich die GAK, die größte anzunehmende Katastrophe, denn jeder westliche Sicherheitspolitiker und Militär wiederholt stündlich das Mantra „kein Zukunft für Assad“.
Wir wollen doch alle Regime-Change. Assad muß weg – so lautet auch der Minimalkonsens der anderen Bürgerkriegsbeteiligten.
Ein Schaudern geht durch die konservative Presse.

Durch das russische Eingreifen ist ein Sieg des Assad-Regimes in Syrien nach Ansicht deutscher Sicherheitsbehörden nicht mehr  aufzuhalten. Das berichtet die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung (F.A.S.). „Das Eingreifen Russlands bedeutet eine Trendwende zugunsten des Regimes in Damaskus, die unumkehrbar ist“, heißt es in den Sicherheitskreisen.
Der bewaffnete Widerstand zersplittere immer mehr, sein Niedergang lasse sich nicht mehr aufhalten. Durch die voraussehbare Einnahme von Aleppo werde die Legitimität des Assad-Regimes wiederhergestellt, der bewaffnete Widerstand werde dann zusammenbrechen. Ein direktes militärisches Eingreifen Saudi-Arabiens oder der Türkei auf Seiten der Anti-Assad-Kräfte gilt als unwahrscheinlich.

Böser Putin.

Allerdings gibt es auch einen Aspekt des Syrien-Bürgerkrieges, der sehr wenig betont wird: Fünf Jahre lang haben uns westliche Militärexperten, Journalisten aller Couleur und Politiker von Merkel bis von der Leyen erklärt, es könne in Syrien keine militärische Lösung geben.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ist gegen ein militärisches Eingreifen im Syrien-Konflikt. «Wir verfolgen nicht den Weg einer militärischen Lösung», betonte ihr Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin.
«Wir glauben nicht, dass das von außen militärisch zu lösen ist, sondern wir glauben, dass eine politische Lösung in Syrien organisiert werden muss», erklärte Seibert.

Ursula von der Leyen hat Forderungen nach einem militärischen Engagement Deutschlands in Syrien zurückgewiesen. "Ich warne vor diesen sehr einfachen Lösungen", sagte sie im ZDF. [….]
Auf internationaler politischer Ebene brauche es zudem "einen großen diplomatischen Rahmen" angesichts der Vielzahl der Konfliktparteien in Syrien, sagte die Ministerin. [….] Mit Blick auf die Uno-Vollversammlung in diesem Monat forderte von der Leyen eine neue diplomatische Initiative. "Es braucht einen Minimalkonsens zunächst einmal diplomatisch", sagte die CDU-Politikerin.

EU-Außenminister gegen militärische Lösung in Syrien.
BRÜSSEL. Der lettische EU-Ratsvorsitzende Außenminister Edgards Rinkevics hat beim Ministerrat am Dienstag in Brüssel eine militärische Lösung in Syrien ausgeschlossen.

Ich werde mich hüten die augenblickliche Lage in Syrien schönzureden.
Offensichtlich gibt es aber sehr wohl eine militärische Lösung.
Aber Tatsache ist, daß der gesamte Westen fünf Jahre lang dem Bürgerkrieg in Syrien und dem Wachsen des IS-Kalifats einfach nur zusah.
Wir haben nichts unternommen, als 11 Millionen Menschen vertrieben und eine halbe Million getötet wurden.

Seit 2011 regiert in Syrien die Gewalt, aus zunächst friedlichen Demonstrationen ist ein komplexer Krieg geworden. Eine Nichtregierungsorganisation veröffentlicht nun erschreckende Zahlen: 11,5 Prozent der syrischen Bevölkerung seien bereits getötet oder verletzt wurden. Dies ergab eine Studie des Syrian Centre for Policy Research (SCPR), aus der der britische "Guardian" exklusiv zitiert.
[….]  Bei den Vereinten Nationen war bisher die Rede von rund 250.000 Todesopfern. SCPR gibt die Zahl nun mit 470.000 fast doppelt so hoch an. Der Großteil starb demnach an direkten Kriegsfolgen, etwa 70.000 Menschen erlagen ihren Verletzungen wegen mangelnder medizinischer Versorgung oder verhungerten.
[….] Den Angaben zufolge wurden 1,9 Millionen Menschen verwundet.

Daß das so nicht weitergehen kann, begreift man im Westen offensichtlich noch nicht mal im Jahr 2016, während die Heimatvertriebenen schon bis in die EU gelaufen sind.

Von der Leyen und ihre Kollegen mit ihrem Mantra „keine militärischen Lösungen“  und „keine Zukunft mit Assad“ haben uns offenbar eine großen Bären aufgebunden.
Es GIBT sehr wohl eine militärische Lösung, die Russland binnen weniger Monate zu erreichen scheint.
Ja, dann wird wohl wieder Assad über den Großteil Syriens herrschen.
Aber das sollte bei schweigenden Waffen 1000 Mal besser sein, als noch mal eine halbe Million Menschen zu töten.
Besser Ende des Krieges mit Putin als den Genozid fortzuführen.

Wäre es nicht an der Zeit für Merkel und Obama zu einem Mea Culpa nach Moskau zu reisen, wenn es Putin tatsächlich gelingen sollte den Krieg zu beenden?

Müssten nicht auch eine Menge deutscher Journalisten zugeben, daß man viel früher hätte auf Putin zugehen sollen?
Man kann es auch noch drastischer ausdrücken, als ich es täte:

[….] Dass unsere selbsternannten „Qualitätszeitungen“ beim Thema Russland noch nicht einmal versuchen, auch nur im Ansatz objektiv zu berichten, ist hinlänglich bekannt. Bei der Kommentierung der Rede des russischen Ministerpräsidenten Dmitri Medwedew auf der Münchner Sicherheitskonferenz manipulieren die Großjournalisten jedoch in einer Art und Weise, die selbst im medialen Niveaulimbo negativrekordverdächtig ist. Wahrscheinlich hätte man Medwedew sogar dann noch Aggressivität unterstellt, wenn er in München die Bergpredigt vorgetragen hätte. Und da wundert sich die Branche ernsthaft, dass sie immer tiefer in der Glaubwürdigkeitskrise versinkt? [….][….][….][….]
Nicht nur der Charakter und die Form, sondern auch der Inhalt von Medwedews Rede wird (nicht nur) in den drei oben verlinkten Artikeln zum Teil grotesk ins Gegenteil verdreht. Medwedew „wettert“ und „droht“ nicht dem Westen, sondern beklagt die aggressive Sicherheitspolitik der NATO. Er zeigt dem Westen nicht die kalte Schulter, sondern lädt den Westen zu mehr Kooperation ein. Er präsentiert Russland nicht als Gegner, sondern als Partner des Westens.
[….][….] Es ist ohnehin unverständlich, wie man diese Rede als etwas Anderes interpretieren kann, als sie ganz offensichtlich ist – eine Forderung, sich endlich wieder zusammen an einen Tisch zu setzen und eine gemeinsame europäisch-atlantische Sicherheitsarchitektur zu entwerfen.
Bezeichnend ist dabei vor allem, dass die Kommentatoren deutscher Zeitungen die konstruktiven Elemente aus Medwedews Rede noch nicht einmal erwähnen. Wer die Rede nicht selbst verfolgt oder zumindest gelesen hat, kann gar nicht anders, als zu dem Urteil kommen, nicht der Westen, sondern Russland verschließe sich jeglicher konstruktiver Debatte. Das ist Meinungsmache und das ist genau so gewollt. [….][….]

Tja, vielleicht wären Millionen Menschen gar nicht erst zur Flucht gezwungen worden, wenn „der Westen“ nicht im blinden Russland-Hass alle Angebote aus Moskau abgelehnt hätte.

Der frühere finnische Präsident Martti Ahtisaari bedauerte im Rückblick, dass der Westen 2012 einen russischen Plan ignoriert habe, nach dem Assad nach Friedensgesprächen mit der Opposition die Macht abgeben sollte. Washington, Paris und London seien so überzeugt vom schnellen Sturz Assads gewesen, dass sie auf Moskaus Vorschlag nicht reagiert hätten, sagte der Friedensnobelpreisträger von 2008 dem „Guardian“.