Montag, 17. August 2020

Mit gleicher Münze heimzahlen.


Angela Merkel ist keine amerikanische Wahlkämpferin, daher äußert sie niemals direkt, was sie von Donald Trump hält, behandelt ihre Telefonate mit ihm vertraulich.

In den vergangenen dreieinhalb Jahren ist aber immer wieder von amerikanischer Seite durchgesickert wie unflätig er sie beschimpft, wie desinformiert er ist, wie ungehalten er ist und mit welcher Ignoranz er reagiert.
Es ist auch bekannt, daß sie stets die Ruhe behält und seine verbalen Attacken an sich abtropfen lässt.
Möglicherweise ist das einer der Gründe dafür weswegen IQ45 die Bundeskanzlerin ganz besonders verachtet und daher, um sie persönlich zu strafen 10.500 US-Soldaten aus Deutschland abziehen lässt.

Aus deutscher Sicht ist es aber recht unbefriedigend ihn immer wieder über die nicht eingehaltenen NATO-Verpflichtungen ätzen zu hören. Bei jeder Gelegenheit pöbelt er, die Deutschen bezahlten ihre NATO-Beiträge nicht. Offenbar glaubt er, es handele sich dabei um einen festen Mitgliedsbeitrag, der in Brüssel entrichtet werden müsse, so wie die Einzelstaaten auch für UN-Programme wie die WHO einzahlen.
Das ist natürlich blanker Unsinn und beruht einmal mehr auf Trumps Borniertheit.

Richtig ist aber, daß es eine Selbstverpflichtungszusage gibt. Demnach strebt Deutschland an zwei Prozent des Bruttoinlandproduktes für die Verteidigung, also das deutsche Militär auszugeben.
Zu gern weisen konservative deutsche Journalisten darauf hin; hier habe Trump einen Punkt. In der Tat gebe die Bundesrepublik zu wenig für das Militär aus.
Von konservativer Seite lässt sich besonders gut auf der Zusage herumhacken, weil sie 2002 unter Schröder (SPD) und Struck (SPD) angedacht und schließlich 2014 in Wales mit dem Segen Merkels (CDU) und Steinemeiers (SPD) festgeschrieben wurde.

[….] Aber nicht Trump dachte sich die Zwei-Prozent-Vorgabe aus. Es handelt sich um ein Ziel, das sich die NATO-Staaten gemeinsam setzten - lange vor Trump und in einer Zeit, als der SPD-Politiker Peter Struck Verteidigungsminister war: zum NATO-Gipfel 2002 in Prag.
Damals wurden die baltischen Staaten, Bulgarien, Rumänien und die Slowakei eingeladen, Mitglieder der Allianz zu werden. Eine Bedingung war es, "genügend Ressourcen" in die Verteidigung zu investieren. Der Richtwert für jeden Aspiranten lautete zwei Prozent seines BIP. Der Gerechtigkeit halber sollten aber auch jene Staaten, die der NATO bereits angehörten, dieses Ziel anstreben.
Festgeschrieben wurde das Zwei-Prozent-Ziel noch einmal 2014 beim NATO-Gipfel in Wales. Das war nach der Annexion der Krim und dem Kriegsausbruch in der Ukraine. Als Bundesaußenminister anwesend war auch SPD-Politiker Frank-Walter Steinmeier.
Konkret wurde in Wales beschlossen, dass die NATO-Staaten "darauf abzielen, sich innerhalb von zehn Jahren auf den Richtwert von zwei Prozent zuzubewegen" und mindestens 20 Prozent davon in "neues Großgerät einschließlich damit zusammenhängender Forschung und Entwicklung" zu investieren.
Für Deutschland bedeutet dies, bis 2024 die Verteidigungsausgaben von derzeit etwa 1,2 Prozent des BIP fast zu verdoppeln. Dann käme - abhängig von der wirtschaftlichen Entwicklung - ein Betrag von etwa 60 Milliarden Euro zustande. […..]

Es war zwar vage formuliert, nicht mit konkreten Zeitangaben und Sanktionen bei Zuwiderhandlungen versehen, aber in der Tat sind die zwei Prozent nicht erreicht worden.

An dieser Stelle liegt Whataboutism besonders nahe.
Denn die Zielvorgaben bei NATO- und G7/8-Abschlusserklärungen werden so gut wie nie eingehalten. Die westlichen Staaten zahlen nicht die 1970 verabredete Entwicklungshilfe von 0,7% des BIP, auch Deutschland verfehlt heute diesen Anspruch.

Deutschland reißt mit Karacho die EU-Ziele zur CO2-Reduzierung und hält sich genauso wenig an die drei Stabilitätsziele der EURO-Einführung von 2002.
Zusagen zur Rüstungsexportreduktion und insbesondere zur humanitären Hilfe werden ohnehin nie eingehalten. Die EU schafft es noch nicht einmal den Hunger in Flüchtlingslagern einzudämmen, weil die Mittel fehlen.

Unangefochtener König der gebrochenen Versprechen und nicht geleisteten internationalen Zahlungen ist aber selbstverständlich die USA des Donald Trump.

Trump war schon sein Leben lang ein Betrüger und Vertragsbrecher, aber als US-Präsident bereitet es ihm ein besonderes Vergnügen geltende Verpflichtungen und Verträge zu zerschmettern. Aus tritt aus der WHO, Iran-Atom-Abkommen, Pariser-Klimaziele.

Im Lichte dieser neuen Vagheit aller Zusagen sollte man doch wenigstens eine geistigen Evaluierungsprozess der militärischen Zusagen von 2002 durchführen.

Dabei kommt man zu einem klaren Ergebnis: Das 2%-Ziel ist obsolet.

[…..] Seit vielen Jahren gilt die Devise, jeder Mitgliedstaat solle zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung ausgeben. Das leuchtet nicht ein. […..] Donald Trump hat für Politik und Diplomatie keinen Sinn. Dass er je ein erfolgreicher Wirtschaftsboss gewesen ist, wird mit guten Gründen bezweifelt. Sein Denken ist simpel: Die Nato-Verbündeten sollen mehr Geld für Waffen ausgeben, weil das nur "fair" sei; auf die amerikanische Führungsrolle in der Welt will er aber nicht verzichten. […..] Längst bevor Trump ins Weiße Haus kam, war es ausgemacht: Alle Nato-Mitglieder sollen zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Aufrüstung ausgeben. Wie man auf zwei Prozent kam, ist ein Rätsel. Die Ziffer Zwei scheint etwas Zauberhaftes an sich zu haben: Erfahrene Leute der Europäischen Zentralbank benennen sie als die gewünschte Inflationsrate. Auch hier stellt sich die Frage, warum es gerade die Zwei sein soll, die den Sicherheitsabstand zu der von den Zentralbankern so gefürchteten Deflation leisten soll. Womöglich wurde das, wie man so sagt, Pi mal Daumen entschieden. Eins, Zwei, Drei? Wir nehmen das gute Mittelmaß: die Zwei. […..] Seit der Antike ist die Rede vom Frieden, den es per Aufrüstung zu bewahren gelte. Vermutlich wird die Menschheit sich eher massakrieren, als dass alle gemeinsam einsähen, wie absurd dieses Argument ist. […..]

Statt sich also stets peinlich berührt weg zu ducken, wenn Trump zur Zwei-Prozent-Schelte ansetzt, sollte Angela Merkel offiziell erklären ‚Lieber Herr Trump, wie Sie ja selbst am besten wissen, kommt man nach einigen Jahren oft zu dem Schluss, daß die von Vorgängerregierungen zugesagten Verpflichtungen nicht mehr zeitgemäß oder gar ganz falsch sind. Daher ziehe ich die Zusage zu dem 2%-Ziel zurück.‘