Samstag, 9. Juni 2012

Die Niebelleuchte.



Mit ein klein wenig Verspätung vermelden heute die Zeitungen, Frau Merkel sei „not amused“ über den neuesten Fettnapf-Volltreffer ihres angeblichen Entwicklungshilfeministers.

Der Vorgang dürfte inzwischen bekannt sein. 
Zoll und Übergepäckgebühren wollte sich der Ex-FDP-General sparen. „Wozu bin ich denn sonst Minister?“

Der FDP-Politiker [hatte] den neun Quadratmeter großen Teppich während einer Dienstreise im März in Kabul für etwa 1400 Dollar (etwa 1000 Euro) gekauft, ihn jedoch in seiner gebuchten Linienmaschine nicht mit nach Hause genommen.
Im Mai war das Stück dann mit dem Jet von BND-Präsident Schindler nach Berlin gebracht worden, wo ihn Niebels Fahrer am Zoll vorbei auf dem Flughafen abholte und zum Haus des Ministers brachte. […]  Die Opposition fordert weitere Aufklärung. "Kein deutscher Minister hat sein Amt jemals so schamlos missbraucht wie Dirk Niebel", erklärte der SPD-Entwicklungspolitiker Sascha Raabe. Erst versorge der FDP-Politiker reihenweise Parteifreunde mit hoch lukrativen öffentlichen Posten, dann stelle er den Personalrat kalt und nun lasse er auf Staatskosten Luxusteppiche einfliegen. "Wie sollen wir glaubhaft gegenüber unseren Partnerländern gute Regierungsführung einfordern, wenn sich ausgerechnet der dafür zuständige Entwicklungsminister wie ein Autokrat aufführt?", fragte Raabe.
Der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen, Volker Beck, forderte von Niebel vollständige Aufklärung und kündigte eine Frage für die Fragestunde im Bundestag an. "Wir erwarten, dass der Minister die Informationen über den Teppichimport vor der Öffentlichkeit und vor dem Parlament offenlegt", sagte er.

Es mag sich dabei um eine eher kleine „Affäre“ handeln, die mit Sicherheit im Fußballrausch untergehen wird.
Sie taugt immerhin für ein paar Witze. 
Auch Unfreiwillige.

Erstaunt gibt sich der enge Mitarbeiter, was den Wirbel um den fliegenden Teppich aus Afghanistan angeht. Und die Verteidigung seines Dienstherrn würzt er mit unfreiwilliger Komik. "Wir kehren nichts unter den Teppich", bleibt [Niebels Sprecher Rolf] Steltemeier gleich im Bilde.

Die Mopo kommentiert:

Eines kann man Dirk Niebel wirklich nicht nachsagen: Sensibilität und Feingefühl. Seit seinem Amtsantritt sorgt er bei Auslandsreisen mit seiner olivgrünen Gebirgsjäger-Schirmmütze von Afrika bis Asien für Befremden. Wie ein Bulldozer zerschlug Niebel die Strukturen in seinem Ministerium und in der Entwicklungshilfe, installierte hier und dort, wo es passte, FDP-Politiker auf der Suche nach Versorgungsposten. […] Der Vorgang [ist] typisch für die verlotterte Selbstbedienungsmentalität einer Egoistenpartei.
(Dierk Rohwedder 09.06.12)

Die SZ portraitiert den Mauschelminister als „Ex-Fallschirmjäger mit Sinn für Fettnäpfchen aller Art“:

Mit seiner Kleiderschrankfigur in meist schlecht sitzenden Sakkos schiebt sich dann Dirk Niebel durch die Schar der Parteigänger und Journalisten, gern mit einem flotten Spruch auf den Lippen, der auch die eigenen Leute nicht schont. Niebels Lebensmotto scheint zu sein: Viel Feind, viel Ehr".  […]
Der 49-Jährige hat ein Talent, in jedes sich bietende Fettnäpfchen zu treten. Wenn jemand sich wegen eines fliegenden Teppichs aus Kabul Ärger einhandeln kann, dann ist es Dirk Niebel.
[…]  Niebel wird das Affärchen aussitzen, er hat schon ähnliche und ganz andere Stürme durchgestanden. Das fing bereits mit seinem Amtsantritt an, hat er doch ein Ministerium übernommen, das die FDP eigentlich abschaffen wollte.
(Peter Blechschmidt 09.06.12)

Alles richtig.

Aber der Kern dieser neuerlichen Niebelaffäre ist ein anderer, der so gut wie gar nicht erwähnt wird.
 Nämlich, daß sie den FDP-Mann als Heuchler entlarvt.
 Einem Mann, dem man nichts glauben darf.

Denn es war Niebel, der sich in der FDP-Heimpostille „BUNTE“ gegenüber Christian Wulff weit aus dem Fenster hängte.

NIEBEL: Politiker müssen sich an Recht und Gesetz halten wie alle anderen auch und haben eine Vorbildfunktion. 
Frage: Was war in Ihren Augen seine schlimmste Verfehlung?
NIEBEL:"Verfehlung" möchte ich in Anführungszeichen setzen, aber Christian Wulff hat im Umgang mit der Presse sicher nicht geschickt agiert. Er hat nicht deutlich gemacht, was konkret Sache ist, nachdem ein Gericht die Einsicht in die Grundbuchakten genehmigt hat. Statt sich dann mit den recherchierenden Redakteuren zusammenzusetzen, hat er taktiert in der Hoffnung, man könnte dem Thema entgehen. Da sagt die Lebenswirklichkeit: Das geht nicht! Nehmen Sie es für Ihren Berufsstand nicht despektierlich: Wenn die Meute mal auf der Hatz ist, kriegt man sie nicht mehr zurück.
Frage: Vermissen Sie Guttenberg, Ihren ehemaligen Kabinettskollegen?
NIEBEL: Ich habe nie Sehnsucht nach anderen Männern gehabt.

Herr Niebel tritt kurioserweise in jeder Hinsicht die moralische Nachfolge Wulffs an. 
Auch bei Wulff addierten die Medien dessen Lügen und kleine Verfehlungen bis die Summe selbst die Kanzlerin überwältigte.

Das größte Problem, seine extreme Heuchelei, die seine Glaubwürdigkeit längst atomisiert hatte, trat dabei in den Hintergrund.

Wie Niebel im Januar gegenüber Wulff, war es nämlich einst Wulff, der sich voller Pathos öffentlich empörte, wenn es um Petitessen-Affären anderer Politiker ging.

Schon als lediglich Gerüchte auftauchten SPD-MP Glogowski könnte einen kostenlosen Urlaub verbracht haben, nölte Wulff los. Er sprach von einer "Verflechtung und Verfilzung", die dringend aufgeklärt werden müsse.


"Mit dem Amt des Ministerpräsidenten nicht vereinbar"
Man erinnert sich nun wieder daran, dass Christian Wulff die Dinge einmal selbst ganz anders bewertet hat. 1999, Wulff war damals Oppositionsführer in Hannover, Niedersachsens Ministerpräsident hieß Gerhard Glogowski, ein SPD-Mann. Glogowski stand unter Druck. Medien hatten berichtet, Glogowski habe Urlaub auf Kosten des Reiseunternehmens TUI gemacht, das in der Landeshauptstadt ihren Firmensitz hat. Es war noch nichts bewiesen, da machte Wulff seinem Widersacher schon schwere Vorwürfe. Solch eine Vorteilsannahme sei „mit dem Amt des Ministerpräsidenten nicht vereinbar“. Glogowski verliere seine Unabhängigkeit und damit seine politische Handlungsfähigkeit. Wenig später musste Glogowski als Regierungschef zurücktreten.
(Welt.de 13.12.11)

Das reichte Wulff aber nicht, er wollte einen Untersuchungsausschuss, denn "der Schein von Abhängigkeiten" sei "ein Problem für die Würde des Amtes", erklärte Wulff damals laut "Hannoverscher Allgemeinen Zeitung".


Durch die Zuwendungen privater Firmen zur Hochzeitsfeier Glogowskis sei der "Schein von Abhängigkeit und der Eindruck entstanden, der Ministerpräsident sei ein Werbeträger", kritisierte der damalige niedersächsische CDU-Chef [Christian Wulff].
(Spon 20.12.11)

Jener Wulff, der 1988 seine erste Hochzeit von Millionär Geerkens in dessen Osnabrücker Luxus-Penthouse ausrichten ließ.

Noch heftiger zeterte Wulff gegen Amtsvorgänger Rau. Er „leide physisch darunter, dass wir keinen unbefangenen Bundespräsidenten haben."


Im Jahr 2000 ging Wulff den damaligen Bundespräsidenten an. Johannes Rau stand wegen einer Flugaffäre unter Druck. Nachdem erneut Vorwürfe gegen Rau bekannt geworden waren, forderte der CDU-Politiker dessen Rücktritt. Wulff erklärte damals im "Focus", die SPD solle "Johannes Rau zurückziehen". Damit attackierte er den Präsidenten weit schärfer als seine Parteifreunde, die sich eher zurückhielten, um das Amt nicht zu beschädigen. Wulff ruderte zurück, nachdem sich andere Unions-Politiker von seiner Rücktrittsforderung distanziert hatten.
[…] Zugleich betonte er aber, dass "wir gerade jetzt einen unbefangenen Bundespräsidenten" bräuchten und "ihn gegenwärtig nicht zur Verfügung haben".
(Tagesschau 20.12.11)

Mit der Wahrheit nimmt es Präsident Wulff nicht so genau, wie wir jetzt alle wissen.

Den Niedersächsischen Landtag hatte er angelogen.
Da passt es ja gut, daß sein Freund Maschmeyer im Jahr 2007 zur Landtagswahl das Wulff-Buch „Besser die Wahrheit“ mit einer 40.000-Euro-Anzeige bewarb.
Das findet Christian Wulff auch heute noch völlig kritikunwürdig.
Jeder darf doch Anzeigen für CDU-Politiker bezahlen!
Anders sieht es aus, wenn DERSELBE Maschmeyer eine Pro-SPD-Anzeige aufgibt.
Wulff verlor nämlich die Wahl von 1998 krachend und tobte nur einen Tag später im Niedersächsischem Landtag theatralisch klagend "Wer war das?", während er die Maschmeyerische Pro-Schröder-Anzeige in die Kameras hielt.

Christian Wulff, der Osnabrücker vom Stamme Nimm, rafft von Krediten, Werbenazeigen, sechs Luxusurlauben für lau bis hin zu kostenlosen Flug-upgrades alles an sich, das er kriegen kann.
Aber wehe ein anderer wagt Ähnliches!!!


Zu Gerhard Schröders Engagement bei Gazprom
2006 wurde bekannt, dass Ex-Kanzler Gerhard Schröder (SPD) einen Posten bei dem russischen Konzern Gazprom annehmen würde und eine Bürgschaft der Bundesregierung mit Gazprom noch während Schröders Amtszeit abgeschlossen wurde. Unter den besonders Empörten war auch der damalige niedersächsische Ministerpräsident Wulff. "Alle Umstände, die dazu geführt haben, müssen restlos aufgeklärt werden." Mitgliedern der Bundesregierung müsse es untersagt sein, kurz nach Amtsende eine Tätigkeit bei einem Unternehmen aufzunehmen, mit dem sie während ihrer Amtszeit zu tun hatten. Zu Schröders wirtschaftlichem Engagement sagte Wulff: "Es muss der Anschein vermieden werden, dass es Interessenkollisionen gibt."

Zu Ulla Schmidts Dienstwagen-Affäre.
Vor zwei Jahren musste sich die damalige Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) wegen ihres Dienstwagengebrauchs an ihrem Ferienort rechtfertigen. Wulff brachte es damals auf die Formel: "Was privat ist, muss privat gezahlt werden."
(Spon 20.12.11)