Und schon wieder einmal zeigt der Kalender eine „1“ - hohe Zeit für mich den Blödmann des Monats zu küren.
Angesichts der historisch einmaligen deutschen Verbrechen an den europäischen Juden, sollte Deutschland auch heute noch international nicht an der Spitze der Israel-Kritiker stehen, im Zweifelsfall etwas leiser auftreten und diese Rolle anderen überlassen. Ganz im Gegensatz zu den Behauptungen deutscher Rechtspopulisten, bedeutet das keinesfalls, daß man nicht Israel kritisieren darf. Das war schon vor gut 20 Jahren eine widerliche Lüge Möllemanns.
Diese aufgebauschten Scheintabus sind ein klassisches Mittel rechtsextremer Demagogen, um sich selbst als mutige Klartextsprecher zu inszenieren.
Dabei hat schon die Regierung Helmut Schmidt in den 1970er Jahren Kritik an der Israelischen Regierung geübt. Gerade die Siedlungspolitik und die zündelnden rechtslastigen Premiers Sharon und Netanjahu, werden in der gesamten Deutschen Presse regelmäßig scharf kritisiert. Ich tue das selbstverständlich auch und verachte Bibi Netanjahu zutiefst. Ich halte die Israelische Politik in den besetzten Gebieten für völlig verkehrt und die ultraorthodoxen Juden mit ihren abenteuerlichen menschenverachtenden Regeln für hochgefährlich.
Gerade als Freund Israels, muss man sich doch zum Wohle der jüdischen Nation sorgen und entsprechend äußern, wenn stramm Rechtsradikale in der Jerusalemer Regierung die Demokratie und den Rechtsstaat beerdigen wollen. Hunderttausende demonstrierende Israelis sind ebenso schockiert über ihre Regierung.
Scharfe Auseinandersetzung über aktuelle Politik der verschiedenen Israelischen Parteiensind nicht nur legitim, sondern auch wünschenswert.
Etwas ganz anderes ist Antisemitismus in Deutschland.
Der ist in schärfster Weise zu ächten, zu verdammen und zu bekämpfen. Es ist, wie viele deutsche Juden immer sagen: Natürlich sind heute lebende Deutsche nicht für den Holocaust verantwortlich zu machen, aber sie haben doch die Verantwortung geerbt, daß das in Deutschland nie wieder geschehen darf.
Meiner Ansicht nach muss dieses Gebot sogar weiter gefasst werden:
1.) Das Deutschland von 2023 hat die Erinnerung an den Holocaust aufrecht zu erhalten.
2.) Das Deutschland von 2023 hat die Pflicht, Antisemitismus einzudämmen und überall auf der Welt anzuprangern.
3.) Das Deutschland von 2023 ist in besonderer Weise dazu verpflichtet, jüdisches Leben hierzulande zu schützen. Niemand darf diskriminiert werden, weil er in Berlin Kippa trägt, kein jüdischer Kindergarten darf rechtsextrem angefeindet werden. In jeder deutschen Synagoge müssen sich die Gläubigen sicher fühlen.
Beschämenderweise versagt Deutschland in allen drei Punkten. Der tiefsitzende Antisemitismus steckt in rund jedem fünften Deutschen. Die Kultus- und Bildungspolitiker nehmen das viel zu achselzuckend hin.
In diese Kategorie des deutschen Totalversagens gehört auf die Nazi-Affäre Aiwanger. Der stellvertretende bayerische Minister war als Schüler der denkbar abscheulichste Hobby-Nazi, sang das Horst-Wessel-Lied, beschmierte die Schultoiletten mit Hakenkreuzen, beschriftete seine Schulmappen mit "Schwarzbraun ist die Negersau", trug Hitlerfrisur und Hitler-Bart, schleppte Hitlers „Mein Kampf“ mit sich rum, verfasste widerlichste antisemitische Hetzschriften, riss judenfeindliche Witze und studierte Hitlers Reden ein. Er sieht sich selbst aber als das Opfer an, weil ihn nun nahezu jede jüdische Organisation Deutschlands scharf verurteilt.
Erkleckliche Teile der bayerischen Wählerschaft feiern Aiwanger auch noch für seine Nazi-Ausfälle. Was für eine Blamage für Bayern und Deutschland!
[….] Nachdem Aiwanger am Donnerstag mehrere Termine in seiner Funktion als Wirtschaftsminister abgesagt hatte, trat er am Abend in seiner Funktion als FW-Vorsitzender in einem Bierzelt in Aschau im Chiemgau auf. Dort bekam er für seine Standard-Wahlkampfrede vom Publikum viel Applaus, zu den Vorwürfen äußerte er sich dort nicht mehr. Josef Lausch, FW-Landtagskandidat im Stimmkreis Rosenheim-West, verteidigte Aiwanger in seiner Begrüßung als "letzten und einzigen Politiker, der sich noch traut, den Mund aufzumachen". [….]
Zur Impudenz des Monats August 2023 erkläre ich die Antisemitismus-Toleranz in diesem Land.
Deutschland ist keine wehrhafte Demokratie mehr, sondern nimmt sowohl in alten Bundesländern wie Bayern, als auch in den neuen Ländern Thüringen, Sachsen-Anhalt und Sachen achselzuckend die Ausbreitung von Rechtsextremismus und Judenhass hin.
[….] Ein Viertel der Ostdeutschen hat geschlossen rassistisches Weltbild
Chauvinistische und rassistische Aussagen würden nur von einer Minderheit der Ostdeutschen abgelehnt, ein Viertel haben ein geschlossen rassistisches Weltbild und die Hälfte der Ostdeutschen, fühlen sich nicht in der Demokratie angekommen. Eine schockierende Studie zum Demokratie-Verständnis in Ostdeutschland. [….]
Würde heute im Bundesland Sachsen gewählt, bekäme die Putin-affine, extrem rechte Kretschmer-CDU 29% und die faschistische AfD 35%. Linke 9%, SPD 7%, Grüne 6%, FDP 5%.
Die Faschisten sind in den ostdeutschen Bundesländer stärkste Partei. Daß es sich dabei (noch) um relative und keine absoluten Mehrheiten handelt, ist kein Grund beruhigt zu sein, da die Nicht-Faschisten in den Bundesländern weit überwiegend indolent sind, sich den Nazis nicht entgegenstellen und die braune Pest auf den Straßen achselzuckend hinnehmen.
[….] Die Netzwerke und die Strategien haben sich weiterentwickelt. Das zeigt sich insbesondere an dieser rechtsextremen Partei: den Freien Sachsen, gegründet 2021. Entscheidende Führungsfigur ist hier wieder er, Martin Kohlmann, der 2018 den rechtsextremen Aufmarsch in Chemnitz mit anführte. Die Freien Sachsen sind vor allem auf der Straße präsent. Man fordert ein Ende der Sanktionen gegen Putin, hetzt gegen Asylsuchende. Statt einer Großdemonstration – wie 2018 – organisiert man jetzt viele kleinere Proteste - Woche für Woche. Wie hier in Bautzen – im Erzgebirge in Grünhain – oder im sächsischen Hirschfelde. Räume besetzen, ein Prinzip, das rechte Gruppierungen nicht nur in Sachsen verfolgen. Wie hoch das rechte Mobilisierungspotential vor allem im Osten Deutschlands ist, zeigen diese Zahlen: allein am vergangenen Montag wurde in Sachsen-Anhalt zu 19 Protesten aufgerufen, in Thüringen waren es insgesamt 61, in Sachsen wurden die meisten rechten Märsche angekündigt, 115. An einem einzigen Tag.
Prof. Beate Küpper, Rechtsextremismusforscherin, Hochschule Niederrhein: "Solche Proteste sind eben auch klassische Raumergreifungsstrategien und Zeigen von Dominanz auf der Straße; sie erzeugen auch Aufmerksamkeit. Zum Zweiten signalisieren sie aber auch, wir sind diejenigen, die die Straße besetzen und auch Angst und Schrecken verbreiten." [….] "Gefährlich ist, dass der Rechtsextremismus seinen Schrecken verliert. Und da haben die Entwicklungen der letzten Jahre ja peu à peu zu beigetragen. Er hat es geschafft, relativ erfolgreich, ganz in breite Milieus der Bevölkerung mit Slogans hineinzusickern, so dass eben auch Gewalttaten gerechtfertigt werden als Widerstand, also es bleibt einem ja nichts anderes übrig. Und auch hierfür sind ja die Slogans zugeliefert worden."
Georg Restle: "Parolen die in Gewalt münden. Im ersten Halbjahr 2023 kam es laut Bundesregierung zu 74 rechtsmotivierten Straftaten gegen Asylunterkünfte. Außerhalb der Unterkünfte zählt die Bundesregierung 600 rechte Straftaten gegen Geflüchtete und Asylsuchende. Die Ausschreitungen in Chemnitz, sie waren ein Schlüsselmoment – für eine Gesellschaft, die sich in weiten Teilen immer stärker radikalisiert - und das zunehmend normal findet." [….]