Donnerstag, 3. November 2016

Bitte nichts anfassen



Fragt man die Wutbürger, Peginesen, Querfrontler und sonstigen Vakuumköppe was sie an Merkel so hassen, dann kommt mit ziemlicher Sicherheit die Antwort „weil sie die Grenzen aufgemacht hat!“.

Fun fact am Rande: Merkel hat mit einer Sache Recht; sie hat natürlich niemals irgendwelche Grenzen geöffnet, sondern die Grenzen waren schon offen. Das ist gerade der Kern der EU, der Kern Schengens: Innerhalb der EU gibt es keine Zoll- und Passgrenzen. Alle EU-Bürger dürfen sich frei innerhalb der EU bewegen ohne kontrolliert zu werden. Das macht die Stärke der Europäischen Wirtschaft aus.
Zwischen Ungarn und Österreich, zwischen Österreich und Deutschland gab es 2015 keine  Grenzanlagen, keine Zäune, keine Schlagbäume. Sogar in Seehofers ominösen Bavarischen Freistaat konnte man ungehindert nach Belieben rein und raus fahren.

Das Problem war, daß Merkel eben nichts tat.
Auch als die vielen Flüchtlinge 2015 nach Deutschland kamen und dringend das Personal in dem BAMF aufgestockt werden mußte, als Unterkünfte finanziert, Deutschkurse organisiert und Integration finanziert zu werden hatten, wurschtelte Merkel desinteressiert im Kanzleramt vor sich hin.
Sie ließ den völlig erratisch agierenden Thomas de Maizière mit seinen Lügentiraden über „falsche Syrer“ im Amt, obwohl er als oberster Dienstherr von Bamf und Lageso die dramatische personelle Unterversorgung nicht nur ausgelöst, sondern auch die dringenden Bitten des Bamf nach neuen Stellen barsch abgelehnt hatte.

Die Wirklichkeit ist aber anders als die Realität; so formulierte es schon Helmut Kohl und das wissen jetzt die Faktenfernen von AfD und Pegida.

In den Köpfen der Blöden setzte sich die absurde Vorstellung fest, Frau Merkel wäre in Aktivitäten verfallen, hätte Grenzen öffnen lassen und aktiv dafür gesorgt Flüchtlinge nach Deutschland zu holen – dabei ist das Gegenteil der Fall. Deutschland schreckt ab, schließt ab und schiebt ab.

Aber allein die Vorstellung davon Merkel sei im Aktivitätsmodus ließ ihre Beliebtheitswerte abstürzen.

Davon hat erholte sich die Bundeskanzlerin auf wundersame Weise, indem sie sich auf ihre alte Stärke besann: Paralyse und Hardcore-Aussitzen.

Aktuelles Beispiel 1:

Erdogan krempelt sein ganzes Land um, läßt zehntausende Journalisten verhaften, schafft die freie Presse ab? Zerrt wieder Jan Böhmermann vor Gericht?
Na und? Merkel denkt gar nicht daran irgendwelche Reaktionen auf ihren wichtigsten Flüchtlingspartner zu zeigen.

[….] Groß angelegte Razzien, willkürliche Massen-Verhaftungen, mundtot gemachte Medien: Dem türkischstämmigen SPD-Bürgerschaftsabgeordneten Kazim Abaci platzt der Kragen angesichts dessen, was der türkische Staatspräsident Erdogan seinem Land antut. Und auch die hilflos agierende Bundesregierung bekommt ihr Fett weg.
„Ich bin vom Verhalten der deutschen Regierung mehr als enttäuscht. Es muss endlich klipp und klar gesagt werden, dass das Vorgehen in der Türkei nicht mit den Werten Europas vereinbar ist“, sagt Abaci. Stattdessen verschanze man sich in Berlin hinter diplomatischen Floskeln. [….] Abaci fordert, dass die Bundesrepublik weitere Gespräche mit der Türkei auf Eis legt – auch über den EU-Beitritt. „Stattdessen muss ein klares Bekenntnis zur Unterstützung der Zivilgesellschaft in der Türkei formuliert werden.“ Viele Menschen hätten Angst, dass „Erdogan eine Diktatur aufbaut“, so Abaci. [….]

Aktuelles Beispiel 2:

Der Klimaschutzplan 2050, der beim Klimagipfel in Marrakesch unterzeichnet werden soll, droht an der Totalblockade der CDU zu scheitern, obwohl Merkel das entsprechende Abkommen in Paris schon unterzeichnet hatte.
Umweltministerin Barbara Hendricks ist schwer genervt und verlangt ein Machtwort der Kanzlerin; sie solle endlich ihre CDU-Bundesminister zur Raison bringen, bevor der internationale Klimaschutz ausgerechnet am Widerstand Deutschlands scheitere.
Merkels Reaktion: „Internationale Politik? Was geht mich das an?“

[….]  Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wies am Mittwoch die Forderung von Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) nach einem Machtwort zurück. "Ich habe heute mit der Ministerin gesprochen. Zuerst müssen auf höchster Ebene zwischen den Ressorts Gespräche stattfinden", forderte Merkel. Bisher hätten die Minister noch gar nicht miteinander geredet. "Erst wenn es dann noch immer keine Einigung gibt, kann das Kanzleramt einschreiten." Hendricks hatte zuvor eine "Blockadehaltung der Union" beim Klimaschutz beklagt und die Kanzlerin zum Einschreiten aufgefordert. Am Dienstag war bekannt geworden, dass Deutschland kommende Woche ohne neue Ziele zum nächsten UN-Klimagipfel in Marrakesch reisen muss. Das gilt als internationale Blamage für den Klimavorreiter. Doch wochenlange Gespräche haben bislang zu keinem Ergebnis geführt. Vor allem das Verkehrsministerium von Alexander Dobrindt (CSU) und das Agrarministerium von Christian Schmidt (CSU) blieben mit ihren Emissionszielen hinter den Erwartungen des Umweltressorts zurück. [….] Das Umweltbundesamt erhöhte unterdessen den Druck auf die Regierung. "Deutschland hat das Klimaabkommen von Paris unterzeichnet. Das Abkommen gilt natürlich nicht nur für das Umweltministerium, sondern verpflichtet ganz Deutschland", sagte die Präsidentin des Umweltbundesamts, Maria Krautzberger. [….]

Die urnenpöbelige Konsequenz aus Merkels totaler Arbeitsverweigerung:

Angela Merkel gewinnt im stern-RTL-Wahltrend weiter an Zustimmung. Mit 46 Prozent liegt sie bei der Kanzlerpräferenz meilenweit vor SPD-Chef Sigmar Gabriel. Und die CDU-Vorsitzende hätte derzeit sogar doppelt so viele Wähler wie die Union. [….]