Freitag, 11. Dezember 2015

Failed State – Teil II



Heute kommen zwei Hauptnachrichten aus Berlin.

Da ist zum einen Sigmar Gabriel, dessen Parteitagsrede erst euphorisch gelobt wurde, der dann aber bei der Wahl zum Parteivorsitzenden richtig was auf die Glocke bekam.

[…..] 74,3 % sind jetzt nicht gerade ein Traumergebnis; auch wenn Sie daraus flugs eine Dreiviertel-Zustimmung machen. Immerhin sollte das ja ein Parteitag der Rückendeckung werden. Rückendeckung für den Syrienkriegseinsatz, Rückendeckung für flaue Flüchtlingskompromisse, für TTIP und Braunkohle-Lobbyismus oder wofür Sie sonst noch stehen - oder auch nicht.
Lassen Sie sich nicht täuschen: Rund 25 % der Delegierten haben gegen Sie gestimmt. 25 % wollen eine andere SPD. 25 % glauben nicht, dass Ihr Kurs zukunftsfähig ist - nicht für die Partei und nicht für das Land. […..]

Zum anderen greift immer mehr Fassungslosigkeit über die Lageso-Schande in Berlin um sich.
Spon-Kommentatorin Anna Reimann titelte gestern über das Behördenchaos „Failed State Berlin“ und erntet dafür heute viel Zustimmung zur Charakterisierung als „Hauptstadt des Versagens.

[…..] Die Reaktionen waren enorm, weit mehr als bei anderen Kommentaren auf SPIEGEL ONLINE. Die meisten Leser, wie auch andere Medien, stimmen der Lageanalyse zu - oder sie zeichnen sogar ein noch schlimmeres Bild. Manche User schrieben der Redaktion, um offenbar jahrelang aufgestauten Frust loszuwerden.
Im einem - natürlich nicht repräsentativen - Vote stimmten innerhalb eines Tages rund 16.000 Leser ab. 70 Prozent davon sind der Meinung, dass Verwaltung und Politik in Berlin versagen. […..]

Auch die SZ bringt auf der „Seite 3“ unter dem Titel „SCHANDE“ eine ganzseitige Abrechnung mit der Hauptstadt.

Wo sonst in Deutschland behandeln die Behörden Flüchtlinge schlimmer als in Berlin? Eindrücke aus einer Hauptstadt, die nicht hip ist. Sondern zum Schämen.

Das ist alles richtig, aber wenn man heute von „Schande“ oder „Failed State“ spricht, sollte man doch noch ein bißchen weiter nach Osten blicken.


Jeden Tag schwappen Horrormeldungen aus dem parteipolitisch rechtesten Bundesland der Bundesrepublik.

[…..] Mehrere Kinder von Asylbewerbern sind in einer Schule im sächsischen Wurzen von Mitschülern angegriffen und verletzt worden. Nach Angaben der Polizeidirektion Leipzig wurden am Mittwoch fünf Kinder von einer Gruppe von Achtklässlern bespuckt, mit Steinen beworfen, geschubst und in einer Tür eingeklemmt.
Ein neunjähriges Mädchen erlitt eine Knochenabsplitterung im rechten Arm. Ihr Arm musste eingegipst werden. Ein 14 Jahre altes Mädchen musste mit Quetschungen am Arm ebenfalls vom Notarzt behandelt werden. […..] Roland Schulz von der Sächsischen Bildungsagentur Leipzig (Schulaufsicht) schilderte der SZ die Vorkommnisse so: In der Pause auf dem Schulhof hätten deutsche Jungen mehrere Flüchtlingsmädchen mit Eicheln und Geldstücken beworfen. Als die Mädchen dann in das Schulgebäude flüchteten, habe sich ein Junge an die Klassenzimmertür geworfen und mit dem Fuß dagegengetreten - und die Schülerinnen so eingeklemmt.
[…..] Polizeisprecher Andreas Loepki sagte dem MDR am Donnerstagabend, dass es "vorher schon verbale und körperliche Angriffe" auf die Flüchtlingskinder gegeben habe, "ohne dass wir die jetzt schon näher kennen würden".[…..]

Ministerpräsident Tillich, einer der Braunsten in der CDU, sieht wie üblich keinen Anlass sich dazu irgendwie zu verhalten.
Es ist ja auch nur der ganz normale Alltag im Mob-Bundesland.

[…..] In Sachsen ist es erneut zu schweren Ausschreitungen vor einer Flüchtlingsunterkunft gekommen. Eine Gruppe von bis zu 30 Menschen griff in Jahnsdorf bei Chemnitz einen Bus mit Asylsuchenden bei der Ankunft an, wie eine Polizeisprecherin mitteilte. Die Stimmung sei aggressiv gewesen. Drei bis sechs Täter hätten aus der Gruppe heraus Steine geworfen und Böller gezündet.
Der Busfahrer wurde durch einen Böller am Fuß verletzt. Auch ein Mitarbeiter des Wachdienstes wurde getroffen, er habe den Feuerwerkskörper aber noch vor der Explosion abwehren können. Eine Fensterscheibe des Busses ging zu Bruch.
[…..] Die Flüchtlinge seien nach dem Anschlag am Donnerstagabend verängstigt gewesen und hätten die Unterkunft anschließend nicht mehr beziehen wollen, sagte eine Polizeisprecherin. Sie hätten daraufhin in einem anderen Quartier übernachtet.
[…..] Integrationsministerin Petra Köpping (SPD) sagte: "Eine kleine radikale und hochgefährliche Minderheit versetzt das ganze Land in Schrecken." Ein Dialog sei sinnlos.
[…..] In Sachsen war es in den vergangenen Monaten immer wieder zu Ausschreitungen vor Asylbewerberunterkünften gekommen, darunter in Freiberg, Freital und Meerane. Besonders heftige Krawalle gab es in Heidenau bei Dresden: Dort hatte ein rechter Mob versucht, den Einzug von Flüchtlingen in einen früheren Baumarkt zu verhindern - und sich eine Straßenschlacht mit der Polizei geliefert.
Nach Angaben der Informationsplattform "Mediendienst Integration" führt Sachsen 2015 mit großem Abstand die Liste ausländerfeindlicher Übergriffe und Aktionen in Deutschland an. Bis Ende November wurde demnach fast ein Viertel aller 2015 registrierten Brandanschläge auf Asylunterkünfte in Sachsen verübt. […..]

Nirgendwo tritt xenophobe Gewalt so massiv auf wie in Sachsen, das wohl nicht zufällig auch politische Heimat Frauke Petrys und Lutz Bachmanns ist.
Was ist eigentlich mit Sachsens Innenminister Markus Ulbig; dem Mann, der sich schon in vorauseilendem Gehorsam an die PEGIDA herangerobbt hatte und Hass gegen Heimatvertriebene schürte?


Über ein Jahr Pegida und es gibt immer mehr rechtsterroristischen Anschläge im Bundesland des Grauens. Die Landesregierung kann oder will offensichtlich nichts dagegen unternehmen.

Am vergangenen Donnerstag hatten ZEIT ONLINE und DIE ZEIT ihre Recherchen zu Gewalttaten gegen Flüchtlingsunterkünfte veröffentlicht. 222 Fälle schwerer Angriffe, aber nur vier Urteile gegen Täter und kaum weitere Tatverdächtige waren das erschreckende Ergebnis.

Hätte Ministerpräsident Stanislaw Tillich einen Funken Anstand, müßte er sich weinend im Staub wälzen und die Welt um Verzeihung bitten für das was in seinem Land unter seiner Führung seit Monaten geschieht.

Die Fakten liegen schließlich auf dem Tisch.
Schon im Sommer äußerte sich Merkels Staatsministerin, die Integrationsbeauftragte Aydan Özoguz klar.

Karsten Kammholz: Die sächsische Integrationsministerin Petra Köpping schämt sich inzwischen auch öffentlich für die fremdenfeindlichen Auswüchse in ihrem Bundesland. Sie spricht vom "blanken Hass" gegen Flüchtlinge. Ist Sachsen ein Sonderfall?

Özoguz: Natürlich gibt es auch dort große Hilfsbereitschaft. Dennoch zeigt sich im Moment in Sachsen eine offene Fremdenfeindlichkeit wie nirgendwo sonst. Ich glaube, wir müssen gerade in Sachsen jetzt die Bevölkerungsteile unterstützen, die weltoffen und engagiert sind.

Karsten Kammholz: Durch Pegida und die Ereignisse von Freital kann man den Eindruck gewinnen, dass da ein Bundesland ein Imageproblem bekommt.

Özoguz: In Sachsen erleben wir besondere Extreme. Dass Mitarbeiter des Roten Kreuzes angegriffen wurden, als sie ein Zeltlager in Dresden errichten wollten, ist ein absoluter Tiefpunkt. Aber Anschläge auf Flüchtlingsunterkünfte gibt es leider in der ganzen Republik.

Sachsen ist ein Failed State.
Nach 25 Jahren Zugehörigkeit braucht man sich in der Tat keine Hoffnungen mehr auf Besserung zu machen.
Die Frage ist nur, wieso die Bundesrepublik keine Konsequenzen zieht, wenn das Land so offensichtlich versagt und alltäglichen Terror gegen Unschuldige achselzuckend hinnimmt.
Wer zusieht und nichts dagegen unternimmt, ist moralisch genauso schuldig.
Der Bund hätte längst einschreiten müssen und für die Durchsetzung der Menschenrechte für alle Bürger auch in Sachsen sorgen müssen.
Durch Merkels und de Maizières Untätigkeit bekommen Pegida, Petry und Tillich jedoch das Signal, sie könnten sich alles erlauben und werden daher immer radikaler.

Eine Ebene höher erleben wir etwas Ähnliches.
Der Rechtsrechtsaußen Viktor Orban tritt seit Jahren die Menschenrechte mit Füßen, läßt den Mob gegen Sinti, Roma und Schwule wüten.
Die EU nimmt das alles tumb zur Kenntnis, reagiert gar nicht auf Maßnahmen wie die Gleichschaltung der Ungarischen Presse und überweist weiterhin die EU-Milliarden nach Budapest.

In der Konsequenz tanzen jetzt weitere EU-Staaten aus der Reihe und führen antidemokratische, faschistoide Methoden ein. Das aktuelle Beispiel ist Polen.
Mit der zahnlosen EU kann man es ja machen.

Die „Wertegemeinschaft EU“ wird nur aktiv durchgesetzt, wenn Kapitalismus und Finanzwirtschaft es verlangen. Dann wird mit brutaler Härte gegen einzelne Mitgliedsstaaten durchgegriffen.
Wenn aber lediglich Menschenrechte und Pressefreiheit abgeschafft werden, interessiert es offensichtlich niemand in Brüssel.