Mittwoch, 15. April 2020

Leben oder beten?


Religiosität ist auch eine Frage der Gewohnheit.
Je einfältiger der Mensch, desto mehr braucht er Strukturen und Rituale.
Man geht in die Kirche, weil man immer hingegangen ist und weil alle anderen auch dahin gehen. Trott, Mitläufertum, Gruppendruck und Denkfaulheit sind die Zutaten, mit denen der Pastor seine zahlenden Schäfchen in die Kirche holt.
Schäfchen, die für eine nachweislich unwirksame Therapie zahlen.
Wenn es drauf ankommt, hat der Glaube noch nie geholfen. Auschwitz hat das gezeigt.
Deswegen montieren Domherren lieber einen Blitzableiter auf den Kirchturm statt auf Gottes Schutz zu vertrauen. Daher fahren Päpste in gepanzerten Limousinen.
Daher betet niemand für das Nachwachsen amputierter Gliedmaßen oder das Wiederauferstehen verstorbener Geliebter – wenn es erst ist, wissen sie, daß ihr angeblich allmächtiger Gott nicht helfen kann.
Das Zünden der stärksten päpstlichen Superwaffe, dem Urbi et Orbi; und der von Trump ausgerufene „nationale Gebetstag gegen Corona“ hatten nicht nur gar keinen Effekt, sondern seitdem stiegen die Fallzahlen der Infizierten und Toten exponentiell an.

Für religiöse Führer sind die leeren Gotteshäuser ein Problem, weil sie erstmals die Gewohnheiten der Gläubigen für längere Zeit unterbrechen.
Dabei könnten sie metaphysisch entwöhnt werden – wie bereits die große Majorität der Menschen, die ohnehin nie in Gottesdienste geht. Man muss den Schritt nur einmal wagen und merkt dann wie viel angenehmer man den Sonntag verbringen kann.
Sonntags in die Messe zu gehen ist wie das STERN-Abonnement, das ich seit Teenagertagen hatte. Man ist so sehr dran gewöhnt donnerstags im neuen Heft zu blättern, daß man sich gar nicht vorstellen kann, daß an dem Tag nur noch die ZEIT allein im Briefkasten liegen soll.
1993, mit dem Erscheinen der „WOCHE“, der linksliberalen Zeit-Alternative vom Manfred Bissinger, die ich von der ersten Ausgabe an abonniert hatte, kündigte ich das STERN-Abo.
Meine Tante, meine Mutter, mein Onkel beglückwünschten mich zwar – du hast ja Recht, man muss den STERN wirklich nicht mehr lesen; das ist doch ein reines Boulevardblatt geworden – trauten sich aber zunächst nicht den Schritt ebenfalls zu gehen, weil sie die Zeitschrift seit Dekaden gewöhnt waren.
Ich war ihr Versuchskaninchen. Mal sehen wie lange es dauert bis der Junge jammert und den STERN zurückwill.
Wie sich herausstellte, war aber nur die Vorstellung nun keinen STERN mehr zu haben so unangenehm, den nächsten Donnerstag vermisste ich ihn noch im Briefkasten, aber nach kürzester Zeit hatte ich das bunte Ding vollkommen vergessen. Aber wenn ich danach gefragt wurde, drängte ich natürlich den Rest der Familie ebenfalls die Abos zu kündigen, weil es so eine Erleichterung und Ersparnis (Geld, Zeit und Altpapier) war.

Pfaffen fürchten sich nun davor, ihrem Schafsherden-Rudiment könnte es genauso gehen.
Daher drängen sie darauf ihre sakralen Geldsammel-Einrichtungen möglichst schnell wieder zu füllen und drängen die Bundes- und Landesregierungen die Kirchen wieder  zu öffnen.
Hier hinkt der STERN-Vergleich dann allerdings sehr. Das Magazin zu lesen oder nicht ist sicher keine Frage des Überlebens. In Zeiten von Corona ist der Kirchgang allerdings potentiell tödlich. Insbesondere wegen der Altersstruktur der Kirchgänger. Auf den Kirchenbänken sitzen weitgehend Grauhaarige, die sehr viel eher an Covid19 sterben.
Angela Merkel, die Pastorentochter von der C-Partei CDU hegt alle Sympathien für die Kirche. Aber sie ist eben auch Bundeskanzlerin, die ihren Amtseid (anders als Trump) so versteht möglichst keine Bürger zu töten und daher bleibt es beim Gottesdienstverbot.

[…..] Kanzlerin Merkel und die Länder haben sich in der Corona-Krise darauf geeinigt, die Kontaktbeschränkungen zu verlängern. Doch die Maßnahmen werden gelockert: Ab Montag sollen mehr Geschäfte wieder öffnen.
Bund und Länder haben sich bei ihren Beratungen auf eine Verlängerung der Kontaktbeschränkungen verständigt. "Es darf jetzt kein falsches Vorpreschen geben", sagte Bundeskanzlerin Merkel nach einer Telefonkonferenz mit den Ministerpräsidenten der Länder. Man habe zwar etwas erreicht - die Krankenhäuser, die Ärzte und die Pflegekräfte seien nicht überlastet worden. Aber das sei nur ein Zwischenerfolg, "ein zerbrechlicher Zwischenerfolg", warnte Merkel. […..]

Vor sie Alternative gestellt die Gläubigen einer tödlichen Seuche auszusetzen und damit einige Schäfchen unter die Erde zu bringen, oder auf ihre Einnahmen zu verzichten, entscheiden sich die Bischöfe anders als die Kanzlerin und Ministerpräsidenten.

Katholiban-Chef Bätzing – „Corona ist ein Glücksfall der Geschichte“ – ist sauer.

[….] Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, der Limburger Bischof Georg Bätzing, äußerte in einer ersten Stellungnahme Unverständnis zu der Entscheidung in Bezug auf öffentliche Gottesdienste. "Die heutigen Beschlüsse der Bundesregierung und der Ministerpräsidenten zum weiteren Vorgehen gegen die Corona-Pandemie haben wir zur Kenntnis genommen. Wir sind den politisch Verantwortlichen dankbar für ihren Einsatz", so Bätzing in einer am Mittwoch veröffentlichten Erklärung.
"Die Ostertage haben gezeigt: Gottesdienste geben vielen Millionen Menschen Orientierung und Halt unter den schwierigen Lebensbedingungen der Krise. Mit Enttäuschung nehme ich allerdings zur Kenntnis, dass das Verbot von öffentlichen Gottesdiensten aller Religionsgemeinschaften derzeit erhalten bleiben soll. Angesichts von ersten Lockerungsmaßnahmen in anderen Bereichen des öffentlichen Lebens kann ich das nicht nachvollziehen, erst recht nicht nach der sehr deutlichen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in der vergangenen Woche zu den schwerwiegenden Eingriffen in die Religionsfreiheit", so der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz weiter. [….]

Ein paar Glaubensgeronten abkratzen zu lassen, weil sie sich in den Gottesdiensten anstecken? Wieso sollte das ein Problem sein, fragen sich auch seine Brüder im Amte.

[…..] Der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer will wieder Gottesdienste mit Gläubigen feiern. […..] Die Kirche habe "große Opfer gebracht und zuletzt an Ostern schmerzhaft auf vieles verzichtet. Jetzt braucht es mit den allgemeinen Lockerungen auch ein behutsames und schrittweises Öffnen der Gottesdienste für die Teilnahme von Gläubigen, die das Ganze bisher mit Geduld und Verständnis mitgetragen haben", mahnte der Bischof am Dienstag. [….]

[…..] Kardinal Woelki lässt öffentliche Gottesdienste vorbereiten "Wir haben eine Botschaft für die Menschen"
[…..] Sollte eine Lockerung der Corona-Maßnahmen eintreten, so müssten auf jeden Fall auch die Kirchen wieder für öffentliche Gottesdienste geöffnet werden. Das hat der Kölner Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki im Nachrichtensender Phoenix an diesem Mittwoch gefordert.
[…..] Er betonte das Grundrecht eines Kirchengangs und verwies auf die jüngste Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts: "Das ist ein Menschenrecht, ein Freiheitsrecht, ein Recht auf freie Religionsausübung, das ist von der Verfassung her garantiert." [….]

Leben und den Bedeutungsverlust der Kirchen riskieren oder lieber den Tod riskieren, damit die Bischöfe sich weiterhin reich und mächtig fühlen können?
Da wählen organisierte Christen die toxische Option!
Die menschliche Dummheit ist unendlich.

[….] In der gegenwärtigen Corona-Krise hat man schon allerhand Erstaunliches gelesen, doch die jüngste Stellungnahme von CDU-Gesundheitspolitiker Alexander Krauß sollte man sich keinesfalls entgehen lassen. Am Montag postete der CDU-Bundestagsabgeordnete aus dem Erzgebirge auf seiner Homepage einen Text mit der Überschrift: "Gottesdienste stärken Immunsystem - Beschränkungen zuerst aufheben". Krauß erklärte in dem Text, dass Gottesdienste alsbald wieder erlaubt werden sollten. "Die gravierende Einschränkung der Religionsfreiheit sei zwar derzeit gerechtfertigt, müsse aber so bald als möglich aufgehoben werden." Soweit so gut. Das entspricht ziemlich genau dem, was das Bundesverfassungsgericht erklärte, als es vor einigen Tagen über das coronabedingte Verbot von Gottesdiensten entschieden hatte.
Doch Krauß, der neben Politik- und Kommunikationswissenschaften auch evangelische Theologie studiert hat und zeitweise Mitarbeiter für Öffentlichkeitsarbeit bei der Stadtmission Zwickau war, reichte es nicht, auf die Grundsätze der Religionsfreiheit hinzuweisen. Gerade kirchliche Angebote müssten bei einer beginnenden Lockerung der Corona-Maßnahmen wieder zugelassen werden, so Krauß, denn "zudem stärken Seelsorge und Gottesdienste das Immunsystem, sind also per se eine Anti-Corona-Maßnahme". "Derzeit werde unterschätzt", so der CDU-Politiker, "welchen großen Beitrag die Kirchen zur seelischen Gesundheit leisteten. Gebete und Gemeinschaft im Gottesdienst stärkten die Abwehrkräfte des Körpers und seien daher in einem doppelten Sinne heilsam". Die wissenschaftliche Quelle, auf der seine Aussage fußt, bleibt Krauß schuldig. [….]  Dass die Einschätzung von Gottesdiensten als Anti-Corona-Maßnahme ausgerechnet von einem Mitglied im Ausschuss für Gesundheit des Deutschen Bundestages kommt, der noch dazu "Berichterstatter der CDU/CSU-Bundestagsfraktion für ambulante ärztliche Versorgung, MVZ´s (Medizinische Versorgungszentren) und DMP´s (Disseas[sic!]-Management-Programme)" ist, ist höchst bedenklich. [….]