Dienstag, 28. August 2018

Amerikanischer Habitus.


Das habe ich wohl irgendwie von meiner Mutter aus den Prä-Internetzeiten übernommen.
Sie war so begeistert in Deutschland endlich wieder amerikanische Newssender sehen zu können, als hierzulande das Kabelfernsehen eingeführt wurde, daß sie ständig CNN guckte.
Ich bin mir gar nicht völlig bewußt über meine technischen Möglichkeiten. Vermutlich könnte ich mit anderen Bezahl-Paketen oder streamend auch andere amerikanische Sender empfangen.
Aber nun bin ich so lange an CNN gewöhnt, das auch so praktisch und kostenlos über mein analoges TV-Kabel eingespeist wird.
Nachts Anderson Cooper, Chris Cuomo, Don Lemon hintereinander. Und anschließend checken, wen Christiane Amanpour zu Gast hat. Die machen das nicht so schlecht und „pressen“ ihre politischen Interview-Gäste durchaus. So lahm-gemütlich wie bei Willmaisch/Plasberger/Illanz kommen Minister nicht davon in den USA.
Einiges nervt mich immer noch ungeheuerlich. Die endlosen lauten Werbeblöcke mit der enervierende Kreischstimme Richards Quests. Wie ich diese Business-Trailer hasse, bei denen er Pennys aufklaubt („JUST A PENNY?“), oder in einem Labyrinth rumläuft.
Und dieser bis zum Exzess durchgezogene „einer links, einer rechts“-Wahn. Das soll Neutralität zeigen, klar, aber wenn sich jemand so abgrundtief falsch und verlogen wie Trump verhält, ist es schlicht und ergreifend unredlich seinen speichelleckenden Claqueuren 50% Sendezeit einzuräumen, um das nicht zu Verteidigende zu verteidigen. Wie ich Jason Miller, Rick Santorum, Steve Cortes, Paris Dennard, Jack Kingston und André Bauer verabscheue!

Der einzige Trost ist zu ahnen wie sehr Trump Fans von den vielen CNN-Moderatoren und Analysten genervt sind, die ich teils durch Gewöhnung, teils aus Überzeugung durchaus schätze:
Paul Begala, Kate Bolduan, Jim Acosta, Van Jones, Dana Bash, Erin Burnett, Matthew Chance, Chris Cillizza, David Axelrod, Peter Beinart, Ben Ferguson, Kirsten Powers, Hilary Rosen, Angela Rye, Tara Setmayer, Bakari Sellers, Peter Bergen, Michael Hayden, Juliette Kayyem, John King, Jeanne Moos, Ana Navarro, Jim Sciutto, Brian Stelter, Jake Tapper, Jeffrey Toobin, Cyril Vanier, John Vause, Fareed Zakaria, Jeff Zeleny, James Clapper, April Ryan, Eric Swalwell, Michael Avenatti, Frank Bruni, Carl Bernstein, Charles M. Blow, Max Boot, Nicholas Kristof, Philip Mudd, Maria Cardona, Michael D'Antonio, Matthew Rosenberg, Joshua Green, Nia-Malika Henderson, Mike Shields, Norman L. Eisen, Maggie Haberman, Brian Karem, Robert Reich, Adam Schiff, David Swerdlick, Michael Wolff.

Der grenzenlose Hass, mit dem #45 CNN überzieht spricht dafür, daß die Jungs einiges richtig machen.
Gerade die eingeladenen Print-Korrespondenten der großen Zeitungen – Blow, Kristof, Boot oder Swerdlick – halten sich mit ihren Meinungen nicht zurück.
Man kann das also durchaus ansehen und sich dabei vorstellen, wie Trump in seinem Schlafzimmer vor der TV-Video-Wand schäumt, wenn er Don Lemons Take zuhört.
Nicht nur, daß Lemon es wagt ihm zu widersprechen, nein der Typ ist auch noch schwarz und schwul!

Aber dann passieren nationale Tragödien wie der Tod Barbara Bushs oder John McCains und mir fällt wieder auf, was ich am US-Fernsehen gar nicht mag:
Der grenzenlose nationale Pathos von links bis rechts.
Alles wird in den Nationalfarben blau, rot und weiß gehalten, in jedem zweiten Satz fallen die Worte „service“, „hero“, „greatest nation“ und „patriotism“.
Es gibt einen 100%-Grundkonsens, daß man das Land liebt, die Armee verehrt und den Soldaten dankbar ist.

Da merke ich wie europäisch ich geworden bin, wie ich mich vom amerikanischen common sense entfernt habe.
Ich habe zwar einen amerikanischen Pass, ja. Aber ich käme nie auf die Idee allein deswegen die USA als größte und beste Nation der Welt zu preisen. Niemals würde ich einen Stars-and-Stripes-Anstecker tragen und schon gar nicht fiele mir ein im ehrfürchtigen Kotau zu versinken, wenn von amerikanischen Soldaten die Rede ist.
Ich verstehe das Wort „Held“ gar nicht; das fällt nicht in meinen Konnotationsbereich, wenn ich an Panzer, Drohnen oder Marschflugkörper denke.
Heldenhaft sind für mich ganz andere Personen. Zum Beispiel Pflegekräfte in der Geriatrie oder der Durchschnittsbürger, der sich in Sachsen dem tobenden Mob entgegenstellt und sich für Flüchtlinge engagiert.

Die grenzenlose Glorifizierung John McCains geht mir auf die Nerven. Ich verstehe ohnehin nicht, wieso man angesichts des Todes einen Konservativen, der böse Dinge tat, auf einmal grenzenlos loben sollte.
Kardinal Lehmann war netter als andere Kardinäle, ja. Aber deswegen vergesse ich nicht, wie er sich für Kinderficker einsetzte.

Wenn man so unendlich tief im moralischen Keller hockt wie Trump, ist die moralische Fallhöhe gegenüber John McCain natürlich gewaltig.
Das stimmt.
Verglichen mit den allermeisten aktiven GOP-Senatoren war John McCain durchaus gebildet und anständig.




Aber nur weil er einmal einer tobenden Anhängerin, die Barack Obama für einen bösartigen schwulen Muslim hielt, sagte, sie müsse sich nicht vor #44 fürchten, ist er keine politische Ikone.
McCain ist viel besser als #45 und dieser demonstrierte seine ganze Borniertheit, indem er wie ein garstiges Balg schmollend die Arme vor der Brust verschränkte und sich weigerte McCain nach seinem Tod auch nur zur erwähnen.





Trump ist eben, wie wir alle wissen und jeden Tag bestätigt bekommen, der allerletzte menschliche Abschaum ohne das geringste Gefühl dafür was sich gehört und was eigentlich seine Aufgaben als Präsident sind.
Besonders widerlich-grotesk wird es, wenn er, der sich mit „Bone Spurs“ um die Kriegsdienst in Vietnam drückte, sich als größter Militärfreund inszeniert.
 (Fersensporn. Hatte ich auch schon mal. Tut weh am Fuß. Dann muss man ein paar Wochen lang Einlagen tragen)






Aber mit Verlaub, Vietnam war keine Heldengeschichte.
Darauf wäre ich nicht besonders stolz. Und wenn es nicht gerade Trump ist, habe ich großes Verständnis dafür sich (wie auch Bill Clinton und George W. Bush) um den Militärdienst zu drücken.

Soldat zu sein ist anders als auf CNN dargestellt, nicht grundsätzlich eine heldenhafte Angelegenheit, für die man endlose Bewunderung und Verehrung zu erwarten hat.

Am Tag nach John McCains Tod gebietet es die Pietät nicht über ihn herzuziehen.
Aber man muss auch nicht wie die US-Fernsehsender so tun, als ob er Jesus, Mutter Teresa, Einstein und Herkules gleichzeitig war.

Er war ein sehr konservativer US-Politiker, der immerhin einiges außenpolitisches Verständnis mitbrachte.
Aber er war auch ein Falke, der weltweit Militäreinsätze befürwortete.
Der es 2008 für eine gute Idee hielt Sarah Palin zur US-Vizepräsidentin zu machen.

John McCains Abschiedsbrief gefällt, weil er eine Anklage an Donald Trump ist.
Aber ich bekäme deswegen nicht beim Verlesen vor Rührung und Ehrfurcht Tränen in die Augen wie CNN-Anchor Chris Cuomo.

Der Brief trieft vor nationalem Pathos.

 [….] “‘Fellow Americans’ – that association has meant more to me than any other. I lived and died a proud American. We are citizens of the world’s greatest republic, a nation of ideals, not blood and soil. We are blessed and are a blessing to humanity when we uphold and advance those ideals at home and in the world. We have helped liberate more people from tyranny and poverty than ever before in history. We have acquired great wealth and power in the process. [….] “Do not despair of our present difficulties but believe always in the promise and greatness of America, because nothing is inevitable here. Americans never quit. We never surrender. We never hide from history. We make history.
“Farewell, fellow Americans. God bless you, and God bless America.” [….]

Jaja, Amerikaner stehen drauf.
Ich aber nicht.
Gott gibt es nicht und meiner Ansicht nach sind Island oder Spanien mindestens genauso nett wie die USA.

McCain ist hingegen immer noch der Senator, der nach 2008, um seinen Sitz zu retten zu einem der sieben konservativsten Senatoren wurde, sich mit den Teebeutlern arrangierte. Er unterstützte den Irakkrieg und sprach sich dafür aus auch den Iran zu bombardieren. Er setzte sich für eine Kriminalisierung der Schwangerschaftsunterbrechung ein, focht stets für einen mehr privaten Waffenbesitz und gegen jede Einschränkungen im Waffenrecht. Er sprach sich gegen offen lebende Lesben und Schwule in der US-Armee aus, befürwortete stark die Todesstrafe, Atomkraft und Ölbohrungen in Naturschutzgebieten.
So einer ist jedenfalls nicht mein politischer Held.