Das habe ich wohl irgendwie von meiner Mutter aus den Prä-Internetzeiten übernommen.
Sie war
so begeistert in Deutschland endlich wieder amerikanische Newssender sehen zu
können, als hierzulande das Kabelfernsehen eingeführt wurde, daß sie ständig
CNN guckte.
Ich bin
mir gar nicht völlig bewußt über meine technischen Möglichkeiten. Vermutlich
könnte ich mit anderen Bezahl-Paketen oder streamend auch andere amerikanische
Sender empfangen.
Aber nun
bin ich so lange an CNN gewöhnt, das auch so praktisch und kostenlos über mein
analoges TV-Kabel eingespeist wird.
Nachts
Anderson Cooper, Chris Cuomo, Don Lemon hintereinander. Und anschließend
checken, wen Christiane Amanpour zu Gast hat. Die machen das nicht so schlecht
und „pressen“ ihre politischen Interview-Gäste durchaus. So lahm-gemütlich wie
bei Willmaisch/Plasberger/Illanz kommen Minister nicht davon in den USA.
Einiges
nervt mich immer noch ungeheuerlich. Die endlosen lauten Werbeblöcke mit der
enervierende Kreischstimme Richards Quests. Wie ich diese Business-Trailer
hasse, bei denen er Pennys aufklaubt („JUST A PENNY?“), oder in einem Labyrinth
rumläuft.
Und
dieser bis zum Exzess durchgezogene „einer links, einer rechts“-Wahn. Das soll
Neutralität zeigen, klar, aber wenn sich jemand so abgrundtief falsch und
verlogen wie Trump verhält, ist es schlicht und ergreifend unredlich seinen
speichelleckenden Claqueuren 50% Sendezeit einzuräumen, um das nicht zu Verteidigende
zu verteidigen. Wie ich Jason Miller, Rick Santorum, Steve Cortes, Paris Dennard, Jack
Kingston und André Bauer verabscheue!
Der
einzige Trost ist zu ahnen wie sehr Trump Fans von den vielen CNN-Moderatoren
und Analysten genervt sind, die ich teils durch Gewöhnung, teils aus
Überzeugung durchaus schätze:
Paul
Begala, Kate Bolduan, Jim Acosta, Van Jones, Dana Bash, Erin Burnett, Matthew
Chance, Chris Cillizza, David Axelrod, Peter Beinart, Ben Ferguson, Kirsten Powers, Hilary Rosen, Angela Rye, Tara Setmayer, Bakari
Sellers, Peter Bergen, Michael Hayden, Juliette Kayyem, John King, Jeanne Moos,
Ana Navarro, Jim Sciutto, Brian Stelter, Jake Tapper, Jeffrey Toobin, Cyril
Vanier, John Vause, Fareed Zakaria, Jeff Zeleny, James Clapper, April Ryan, Eric
Swalwell, Michael Avenatti, Frank Bruni, Carl Bernstein, Charles M. Blow, Max
Boot, Nicholas Kristof, Philip Mudd, Maria Cardona, Michael D'Antonio, Matthew
Rosenberg, Joshua Green, Nia-Malika Henderson, Mike Shields, Norman L. Eisen, Maggie
Haberman, Brian Karem, Robert Reich, Adam Schiff, David Swerdlick, Michael
Wolff.
Der
grenzenlose Hass, mit dem #45 CNN überzieht spricht dafür, daß die Jungs
einiges richtig machen.
Gerade
die eingeladenen Print-Korrespondenten der großen Zeitungen – Blow, Kristof,
Boot oder Swerdlick – halten sich mit ihren Meinungen nicht zurück.
Man kann
das also durchaus ansehen und sich dabei vorstellen, wie Trump in seinem
Schlafzimmer vor der TV-Video-Wand schäumt, wenn er Don Lemons Take zuhört.
Nicht
nur, daß Lemon es wagt ihm zu widersprechen, nein der Typ ist auch noch schwarz
und schwul!
Aber
dann passieren nationale Tragödien wie der Tod Barbara Bushs oder John McCains
und mir fällt wieder auf, was ich am US-Fernsehen gar nicht mag:
Der
grenzenlose nationale Pathos von links bis rechts.
Alles
wird in den Nationalfarben blau, rot und weiß gehalten, in jedem zweiten Satz
fallen die Worte „service“, „hero“, „greatest nation“ und „patriotism“.
Es gibt
einen 100%-Grundkonsens, daß man das Land liebt, die Armee verehrt und den
Soldaten dankbar ist.
Da merke
ich wie europäisch ich geworden bin, wie ich mich vom amerikanischen common
sense entfernt habe.
Ich habe
zwar einen amerikanischen Pass, ja. Aber ich käme nie auf die Idee allein
deswegen die USA als größte und beste Nation der Welt zu preisen. Niemals würde
ich einen Stars-and-Stripes-Anstecker tragen und schon gar nicht fiele mir ein
im ehrfürchtigen Kotau zu versinken, wenn von amerikanischen Soldaten die Rede
ist.
Ich
verstehe das Wort „Held“ gar nicht; das fällt nicht in meinen
Konnotationsbereich, wenn ich an Panzer, Drohnen oder Marschflugkörper denke.
Heldenhaft sind für mich ganz andere Personen.
Zum Beispiel Pflegekräfte in der Geriatrie oder der Durchschnittsbürger, der
sich in Sachsen dem tobenden Mob entgegenstellt und sich für Flüchtlinge
engagiert.
Die
grenzenlose Glorifizierung John McCains geht mir auf die Nerven. Ich verstehe
ohnehin nicht, wieso man angesichts des Todes einen Konservativen, der böse Dinge
tat, auf einmal grenzenlos loben sollte.
Kardinal
Lehmann war netter als andere Kardinäle, ja. Aber deswegen vergesse ich nicht, wie er sich für Kinderficker einsetzte.
Wenn man
so unendlich tief im moralischen Keller hockt wie Trump, ist die moralische
Fallhöhe gegenüber John McCain natürlich gewaltig.
Das
stimmt.
Verglichen
mit den allermeisten aktiven GOP-Senatoren war John McCain durchaus gebildet
und anständig.
Aber nur
weil er einmal einer tobenden Anhängerin, die Barack Obama für einen bösartigen
schwulen Muslim hielt, sagte, sie müsse sich nicht vor #44 fürchten, ist er
keine politische Ikone.
McCain
ist viel besser als #45 und dieser demonstrierte seine ganze Borniertheit,
indem er wie ein garstiges Balg schmollend die Arme vor der Brust verschränkte
und sich weigerte McCain nach seinem Tod auch nur zur erwähnen.
Trump
ist eben, wie wir alle wissen und jeden Tag bestätigt bekommen, der allerletzte
menschliche Abschaum ohne das geringste Gefühl dafür was sich gehört und was
eigentlich seine Aufgaben als Präsident sind.
Besonders
widerlich-grotesk wird es, wenn er, der sich mit „Bone Spurs“ um die Kriegsdienst
in Vietnam drückte, sich als größter Militärfreund inszeniert.
(Fersensporn. Hatte ich auch schon mal. Tut
weh am Fuß. Dann muss man ein paar Wochen lang Einlagen tragen)
Aber mit
Verlaub, Vietnam war keine Heldengeschichte.
Darauf
wäre ich nicht besonders stolz. Und wenn es nicht gerade Trump ist, habe ich
großes Verständnis dafür sich (wie auch Bill Clinton und George W. Bush) um den
Militärdienst zu drücken.
Soldat
zu sein ist anders als auf CNN dargestellt, nicht grundsätzlich eine
heldenhafte Angelegenheit, für die man endlose Bewunderung und Verehrung zu
erwarten hat.
Am Tag
nach John McCains Tod gebietet es die Pietät nicht über ihn herzuziehen.
Aber man
muss auch nicht wie die US-Fernsehsender so tun, als ob er Jesus, Mutter
Teresa, Einstein und Herkules gleichzeitig war.
Er war
ein sehr konservativer US-Politiker, der immerhin einiges außenpolitisches
Verständnis mitbrachte.
Aber er
war auch ein Falke, der weltweit Militäreinsätze befürwortete.
Der es
2008 für eine gute Idee hielt Sarah Palin zur US-Vizepräsidentin zu machen.
John McCains Abschiedsbrief gefällt, weil er eine Anklage an Donald Trump
ist.
Aber ich
bekäme deswegen nicht beim Verlesen vor Rührung und Ehrfurcht Tränen in die
Augen wie CNN-Anchor Chris Cuomo.
Der Brief trieft vor nationalem Pathos.
[….] “‘Fellow Americans’ – that association has
meant more to me than any other. I lived and died a proud American. We are
citizens of the world’s greatest republic, a nation of ideals, not blood and
soil. We are blessed and are a blessing to humanity when we uphold and advance
those ideals at home and in the world. We have helped liberate more people from
tyranny and poverty than ever before in history. We have acquired great wealth
and power in the process. [….] “Do
not despair of our present difficulties but believe always in the promise and
greatness of America, because nothing is inevitable here. Americans never quit.
We never surrender. We never hide from history. We make history.
“Farewell, fellow Americans. God bless you, and God bless America.” [….]
Jaja, Amerikaner stehen drauf.
Ich aber nicht.
Gott
gibt es nicht und meiner Ansicht nach sind Island oder Spanien mindestens
genauso nett wie die USA.
McCain
ist hingegen immer noch der Senator, der nach 2008, um seinen Sitz zu retten zu
einem der sieben konservativsten Senatoren wurde, sich mit den Teebeutlern
arrangierte. Er unterstützte den Irakkrieg und sprach sich dafür aus auch den
Iran zu bombardieren. Er setzte sich für eine Kriminalisierung der Schwangerschaftsunterbrechung
ein, focht stets für einen mehr privaten Waffenbesitz und gegen jede
Einschränkungen im Waffenrecht. Er sprach sich gegen offen lebende Lesben und
Schwule in der US-Armee aus, befürwortete stark die Todesstrafe, Atomkraft und
Ölbohrungen in Naturschutzgebieten.
So einer
ist jedenfalls nicht mein politischer Held.