Dienstag, 16. August 2016

Falsche Weichenstellung.



In kaum einem europäischen Land gibt es einen höheren Anteil Mieter als in Deutschland.
Mieten ist auch eine feine Sache. Man kann seine monatlichen Fixkosten sicher übersehen, muß nicht damit rechnen, daß urplötzlich mal ein paar Tausend oder Zehntausend Euro für eine Sonderumlage fällig sind, weil das Dach energetisch erneuert werden  muß, ein Legionellenbefund neue Trinkwasseranlagen notwendig macht, die alten Steigleitungen den Geist aufgeben, oder die asbesthaltigen Eternit-Platten der Hausfassade entsorgt werden müssen.
Das braucht einen Mieter alles nicht zu kümmern. Der Vermieter muß zahlen.
Wenn die Wohnung kalt ist, ruft man den Vermieter an. Tropft der Wasserhahn? Vermieter anrufen. Die Fenster sind undicht? Die Kloschüssel hat einen Sprung? Der Vermieter sorgt immer für die Reparatur und bezahlt den Handwerker.
Ich bin gern Mieter. In der Theorie jedenfalls.
Einen Nachteil hat das Mieterdasein. Wohnt man in einer schönen Gegend, einer hippen Großstadt, sind die Mieten gewaltig. München liegt bei durchschnittlich 16 Euro Kaltmiete pro Quadratmeter, Hamburg ist fast genauso teuer.
Der Anstieg der Mieten spiegelt den Wohnungsmangel wider.
Braucht man eine neue Wohnung zeigt sich das Mieter-Dasein von der unangenehmsten Seite. Möglicherweise sucht man Jahre, muß sich immer wieder in demütigend lange Schlangen bei offenen Wohnungsbesichtigungen einreihen.
Zimperlichkeit ist das fehl am Platze. Möchte der Makler einen geblasen haben, tut man das besser ohne zu zögern.
Wenn man durch Hamburg fährt, fragt man sich, wieso überhaupt Wohnungsmangel existierten kann. Nagelneue Häuser schießen wie Pilze aus der Erde. Alle 50m gibt es Baustellen. In einigen Straßen sieht man mehr Baugerüste als Hausfassaden.
Daß es dennoch Wohnungsmangel gibt, hat mehrere Ursachen.

1.   In den zehn Jahren CDU-Regierung unter Ole von Beust (2001-2011) wurde der soziale Wohnungsbau komplett eingestellt. Erst mit Bürgermeister Scholz wird seit 2012 wieder gebaut, aber der Rückstand ist gewaltig.
2.   Hamburg geht es dank der besseren Weichenstellungen unter der SPD ökonomisch wieder sehr gut; es gibt weniger Arbeitslose und die Menschen verdienen mehr. Wer mehr Geld hat, möchte eine schönere Wohnung oder kann seine Kinder früher aus dem Haus werfen und bei der ersten eigenen Wohnung helfen. Es entsteht mehr Bedarf.
3.   Millionenstädte sind attraktiv. Auch Hamburg wächst. Eine zahlreichere Bevölkerung braucht mehr Wohnungen.
4.   Langsam drängen auch die Kriegsvertriebenen aus Syrien und Afghanistan auf den normalen Wohnmarkt.
5.   Es werden viel zu wenig günstige und kleine Wohnungen gebaut, weil die Renditen bei Luxuswohnungen mit Elbblick größer sind.
6.   Statt Wohnraum wird trotz des Büroleerstands immer noch auf gewerblich nutzbare Immobilien gesetzt, weil man dort höhere Mieten kassiert.

Die Mieter, die sich „etwas fürs Alter zurückgelegt“ haben, die private Rentenvorsorge wie politisch propagiert in Form von Anleihen oder Wertpapieren oder Lebensversicherungen, betrieben haben, stehen vor einem finanziellen Scherbenhaufen. Es gibt nirgendwo noch Zinsen. Im Gegenteil, es droht sogar eine Strafgebühr, wenn man 20.000,- oder 40.000,- angespart hat.
Was liegt also angesichts der Misere auf dem Mietmarkt und der Null-Prozent-Zinsen näher als sich selbst eine Eigentumswohnung anzuschaffen?
Schön wäre eine Neubauwohnung, weil man da mutmaßlich für Jahrzehnte keine großen Sanierungen vor sich hat und im Fall, daß man sie selbst vermieten möchte, von der Mietpreisbremse ausgenommen ist.
In der Praxis ist das aber für Normalsterbliche nicht möglich, weil Neubauten auch aufgrund der vielen Bauauflagen unfassbar teuer sind.
Normalverdiener müssen Bestandsimmobilien aus den 1960ern oder 1970ern ins Auge fassen. Also die hässlichen Dinger, die alle noch teure energetische Dämmungen vor sich haben.
Die Wohnungen, die man als Nichtmillionär gerade nicht kaufen sollte, weil sie sich als üble Kostengräber entpuppen können.
Aber selbst das geht oft nicht, weil EU und Bundesregierung die Regeln bei der Immobilienkreditvergabe so angepasst haben, daß de facto nur noch diejenigen Geld von den Banken bekommen, die ohnehin schon einen Batzen davon haben.
Bei Merkel gilt weiterhin das Motto „der Teufel scheißt immer auf den größten Haufen“.

[…] Die neue Immobilienkredit-Richtlinie hilft niemandem
Im Gegenteil: Sie erschwert die Finanzierung eines Eigenheims für genau diejenigen, die es besonders nötig hätten. […] Der 21. März 2016 könnte sich für viele Bundesbürger nachträglich als Schwarzer Montag herausstellen. An dem Tag trat, weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit, eine neue Richtlinie zu Immobilienkrediten in Kraft. Seitdem sind erst acht Wochen vergangen. Es gibt noch keine gesicherte Datenbasis, erste Berichte aber lassen Schlimmes befürchten: Die Richtlinie könnte dazu führen, dass viele Deutsche das gewünschte Eigenheim oder dessen Renovierung nicht mehr finanzieren können - und zwar gerade jene, die es besonders nötig hätten: Durchschnittsverdiener und Rentner.
[…] Vor allem zwei Dinge sind es, die Immobilienkredite künftig erschweren. […][…]
Die Quote der Immobilienbesitzer ist in Deutschland deutlich geringer als im europäischen Vergleich, etwa in Spanien oder Italien. Jetzt holen die Deutschen auf. Das liegt auch an der Geldpolitik: In Zeiten, in denen erspartes Geld auf der Bank keine Zinsen mehr bringt, legen die Bürger es lieber in Wohneigentum an. Hinzu kommt, dass eine abbezahlte Immobilie eine der besten Formen der Altersvorsorge ist, weil im Alter keine Miete mehr anfällt.
Es müsste deshalb gesellschaftlich gewünscht sein, dass die Bundesbürger zu mehr Wohneigentum kommen. Die neue Richtlinie zu Immobilienkrediten erschwert dies aber, anstatt es zu erleichtern. […]

Man muß im Merkeldeutschland schon Vermögen haben, um weiteres Vermögen anzuhäufen. So erklärt sich das politisch offenbar gewollte immer weitere Aufklaffen der sozialen Schere.
Normal- und Geringverdiener werden von der GroKo alleingelassen. Das ist eine vollkommen falsche politische Weichenstellung.
Darum profitieren nur wenige Menschen vom Immobilien-Boom.

[…] Obwohl die Bauzinsen seit Jahren sinken, obwohl so viele Menschen in Arbeit sind wie nie zuvor, obwohl die Löhne steigen, ändert sich nichts an der sogenannten Wohneigentumsquote: Nur 44 Prozent aller Haushalte bundesweit leben in eigenen vier Wänden. Die restlichen 56 Prozent wohnen zur Miete. In keinem anderen Euro-Land ist der Anteil der Eigentümer so niedrig. […] Es sind vor allem wohlhabende Menschen, die in Immobilien investieren; der Boom geht an der breiten Masse vorbei. So rechnet das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) vor: Seit 2010 ist die Eigentumsquote vor allem im reichsten Fünftel der Bevölkerung gestiegen, auf knapp 70 Prozent. "In den anderen Einkommensgruppen gab es hingegen kaum Veränderungen", sagt Michael Voigtländer, Immobilienexperte des Instituts.
[…] Das ist ein ungesunder Befund in Zeiten, in denen die Ungleichheit größer und die Altersvorsorge unsicherer wird. Denn wer im Alter mietfrei im abbezahlten Haus leben kann, genießt einen finanziellen Vorteil, den man heute kaum beziffern kann. Wer weiß schon, wie stark die Mieten in den Ballungszentren noch steigen werden.
[…] Mit den Preisen steigt der Betrag, den man mindestens auf der hohen Kante haben muss, um überhaupt kaufen zu können. "Viele Banken verlangen 20 Prozent Eigenkapital, wenn sie ein Haus oder eine Wohnung finanzieren sollen", sagt IW-Experte Voigtländer. Hinzu kommen Notarkosten und Grunderwerbsteuer, die man nicht kreditfinanzieren kann. Je höher der Kaufpreis, desto höher diese Nebenkosten. "Das macht es Menschen mit niedrigem Einkommen nahezu unmöglich, zum Eigentümer zu werden", sagt Voigtländer. […]

Wenn man ohnehin schon so reich ist, daß man mehrere Wohnungen hat, wird man auch noch zusätzlich von Schäuble mit Geld überhäuft, indem man Reparaturen als Werbungskosten erstattet kriegt.
Wer ganz wenig Kohle hat und sich gerade mal eine Wohnung leisten kann, die er auch selbst bewohnt, kann er nichts absetzen und muß alles selbst zahlen.
Selbst wenn sich ein Durchschnittsverdiener ganz erheblich streckt, um eine Einzimmerwohnung zu kaufen und zu vermieten (Stichwort "private Alterssicherung") wird er noch mal gegenüber den Reichen benachteiligt, weil er zwar theoretisch Werbungskosten absetzen kann, aber gar nicht genug Steuern zahlt um in diesen Genuss zu kommen.

Diese drastische Ungerechtigkeit zu Gunsten der Reichen wollen CDU und CSU nun noch einmal verschärfen statt für die weniger Betuchten, die es viel nötiger hätten, Hilfen bereit zu stellen.

In der Union wächst der Druck auf die Bundesregierung, für eine Steuererleichterung der Bürger zu sorgen. Nach Bayerns Finanzminister Markus Söder fordert auch der Wirtschaftsflügel von CDU und CSU, die Bürger bis zum Jahr 2020 um rund 30 Milliarden Euro zu entlasten. Die Mittelstandsvereinigung (MIT) stellte dafür ein Steuermodell vor, das für die Jahre 2018 bis 2020 drei Reformstufen vorsieht.
Zunächst soll 2018 die Werbungskosten-Pauschale von 1000 auf 2000 Euro erhöht werden.
(NTV, 08.08.2016)

Der SPD, die mit in der GroKo sitzt, kann man in diesem Fall schwerlich einen Vorwurf machen. Sie stemmt sich gegen diese Politik, unterliegt aber der Unionsmehrheit.
Um der von der Union gewollten Vermögenskonzentration am Immobilienmarkt mildernd entgegen zu wirken, bekam die SPD die „Mietpreisbremse“.
Das von Haiko Maas maßgeblich formulierte Gesetz ist nun ein gutes Jahr in Kraft und bringt vielleicht nicht nichts, weil man nicht weiß wie die Mieten ohne das Gesetz gestiegen wären.
Der Mietanstieg ist womöglich gebremst, aber die Mieten steigen dennoch weiter an.

Der Grund dafür sind Verwässerungen zu Gunsten der Vermieter, die Merkels Mannen in das Gesetz gepresst haben, um es unwirksam zu machen.

Über die Mietpreisbremse können Vermieter nur lachen
[…] So werden in diesem Sommer etwa in Hamburg, München und Köln Wohnungen zu sechs Prozent höheren Mieten angeboten als vor einem Jahr. […] Hier versagt die große Koalition: SPD-Minister Maas hat ein wirkungsloses Gesetz entworfen. Unter anderem, weil die Union auf viele Ausnahmen besteht.
Der größte Fehler: Dem Vermieter, der sich nicht an das Gesetz hält, drohen keine Strafen. Schlimmstenfalls muss er die zu viel bezahlte Miete zurückzahlen; Bußgelder gibt es nicht. Es kostet Vermietern nichts, den Rechtsbruch auszuprobieren.
[…] Ursprünglich hatte die SPD gefordert, die ortsübliche Miete solle künftig auf der Grundlage von Verträgen der vergangenen zehn Jahre ermittelt werden. Bislang ziehen Mietspiegel nur die vergangenen vier Jahre heran; das ist genau die Zeit der starken Preissteigerungen. Der jüngste Gesetzentwurf beziffert den Zeitraum nur noch mit acht Jahren. Gut möglich, dass sich die Koalition letztlich auf sechs Jahre einigen wird. Der Effekt wäre: nahe null.
Bleibt - Stand jetzt - noch, die Mieterhöhungen nach Modernisierungen zu begrenzen. […] Doch auch mit dieser Idee stößt die SPD auf Widerstand. So argumentiert etwa die Union, Vermieter bräuchten weiterhin einen Anreiz, in zeitgemäße und energieeffiziente Wohnungen zu investieren. […]

Für die SPD, die sich mal wieder sagenhaft schlecht vermarktet ist die Wohnungspolitik ein Desaster.
Maas muß jetzt nachbessern und versuchen die Vermieter doch ein bißchen mehr zu piesacken. Der Schwarze Peter liegt also im Bundesjustizministerium, während CDU, CSU und Immobilienlobby feixend daneben stehen.

Mir ist es unverständlich wieso Gabriel, Nahles (lebt die eigentlich noch?) und Hendricks nicht aus vollen Rohren auf Merkel schießen und dem Volk erklären, daß sie, die SPD alles versucht haben, um den Mietanstieg zu bremsen, daß aber die CDU massiv zu Gunsten der Vermieter eingriff.
Wer günstigere Wohnungen haben möchte sollte also besser nicht CDU oder CSU wählen.