Daß
einem unter Stress stehenden Bundesminister, der 24 Stunden am Tag unter
Beobachtung steht, gelegentlich auch mal ein richtig blöder Satz rausrutscht,
kann ich verzeihen.
Das kann
man entweder jovial-pampig wie einst FJ Strauß wegwischen – was schert mich mein dummes Geschwätz von
gestern? – oder aber man versucht es als intellektuellen Weiterbildungsprozess
zu kaschieren – auch ich war nicht immer
so klug wie jetzt, auch ich lerne dazu.
Ein
Verballapsus kann auch im Handumdrehen mit einem Nebensatz getilgt werden;
entschuldigen Sie bitte meine gestrige Bemerkung; da habe ich Unsinn geredet.
Auch das
wäre souverän.
Mir ist
unklar wieso Merkel sich aufgrund ihres eigenen Fehlers, nämlich der Bewertung des Böhmermann-Textes als „bewußt
verletzend“, über zwei Wochen hartnäckig weiter in den
Sumpf reitet, statt einfach ihren ZDF-Seibert erklären zu lassen „die
Bundeskanzlerin räumt ein versehentlich eine Vorverurteilung vorgenommen zu
haben, so daß nun leider Ermittlungen nach § 103 StGB nicht mehr möglich sind.“
Aber
nein, sie will nicht zugeben sich auch irren zu können und so wird sie nun zum
Gespött der internationalen Presse, muß sich abertausende Karikaturen gefallen
lassen, die sie beim Kriechen vor Erdogan zeigen.
Durch
ihr elendes Geiere bietet sie hundert mal so viel Angriffsfläche als es das
schlichte Zugeben eines Fehlers geboten hätte.
Der
König des Rumeierns ist aber Sigmar Gabriel.
Nach den
Koalitionsverhandlungen des Herbstes 2013 verkündete er der skeptischen
SPD-Basis er habe sich in allen Punkten durchgesetzt.
Ich
erinnere mich, wie er stolz die neuralgischen Punkte Doppelpass und Homoehe als
Erfolg verbuchte.
Als
Homos dann feststellten, daß sie immer noch nicht richtig heiraten und immer
noch nicht Kinder adoptieren können, als Ausländer (wie ich) feststellten, daß
zwar für wenige junge Ausländer die Optionspflicht wegfällt, daß aber den
meisten Doppelstaatsbürgerschaft doch blockiert bleibt (ich kann noch nicht mal
Deutscher werden!), wollte Gabriel partout nicht als Trickser dastehen.
Nein, er
hätte nicht übertrieben, der größte Schritt sei ja gemacht, für den Rest sei es
nur noch eine Frage der Zeit.
Gabriel,
das nervt!
Ich
hätte es gut verstanden, wenn die SPD sachlich erklärt hätte, daß man aufgrund
der Mehrheitsverhältnisse leider nur einen Anfang machen konnte, aber die
eigentliche Homoehe und der eigentliche Doppelpass am Widerstand von CDU und
CSU gescheitert sei. Die Union hat nun einmal fast doppelt so viele Sitze wie die
SPD; da begreift es jeder Depp, daß das Regierungsprogramm nicht völlig
kongruent mit dem SPD-Wahlprogramm ist.
Was ich
nicht verstehe ist allerdings wieso sich die SPD-Spitze rühmt etwas
durchgesetzt zu haben, das de facto eben nicht durchgesetzt ist.
Es gibt
keine deutsche Staatsbürgerschaft für Tammox.
TTIP
passt da bestens ins Bild.
Zunächst
war Gabriel wie Merkel und Obama ein großer Befürworter des Abkommens – und zwar
während unter größter Geheimhaltung verhandelt wurde, was offenbar kein Journalist
und kein Bürger erfahren dürfen.
Nachdem
der Widerstand in seiner eigenen Partei anschwoll, war Gabriel angeblich auch
einer der Kritiker, der Sonderrechte für Konzerne und geheime
Klagemöglichkeiten verhindern wollte.
Das war
wieder nicht sehr glaubwürdig. Wie soll man drauf vertrauen, daß nicht solche
Dinge ausgeheckt werden, wenn die Vertragstexte so hermetisch von der
Öffentlichkeit abgeschirmt werden?
Wie eierte
sich der Wirtschaftsminister aus der Affäre, indem er verkündete selbst für
Transparenz zu sorgen. Er ließ den jetzt schon legendären „Leseraum“ in seinem
Ministerium einrichten. Ein echter Schildbürgerstreich, denn
wer ihn einmal betreten hat, darf überhaupt nicht mehr über TTIP reden, noch
nicht einmal über das was er schon vorher wußte.
Nun
glaubt niemand mehr dem Vizekanzler.
Wieso
hat er sich in diese Situation geeiert, statt einfach zuzugeben, daß er keine
volle Transparenz durchsetzen konnte und dann zu benennen wer genau eigentlich die Geheimhaltung verlangt.
Angeblich
„die Amerikaner“ – allerdings höre ich aus Amerika, daß sie genauso skeptisch
sind und sich über die verstockten Europäer ärgern.
Gestern
gab es wieder einen typischen Gabriel.
Er
befindet sich auf einem großen Nord-Afrika-Trip, konferierte mit dem ägyptischen
Präsidenten Sisi.
So weit, so richtig. Sisi ist wichtig, es ist
elementar notwendig mit Kairo im Gespräch zu sein.
Menschlich
völlig verständlich wie der mächtige Vizekanzler es genießt im Ausland hofiert
zu werden, wenn ihn zu Hause niemand mehr leiden kann.
Im
Überschwang erklärte er Sisi zu einem „beeindruckenden Präsidenten“.
Das,
allerdings, war überflüssig.
General
Abd al-Fattah as-Sisi (*1954) hatte sich 2013 gegen die demokratisch gewählte
Regierung Mursi an die Macht geputscht und ist nicht gerade ein
Menschenrechtsaktivist.
Zunächst
ließ er sich selbst zum Feldmarschall befördern und begann dann radikal
politische Gegner auszuschalten.
Hunderte
Demonstranten in Kairo und Gizeh wurden einfach erschossen, gegen 500 weitere
verhängte Präsident Sisi Todesurteile. Er schaltete alle Medien gleich, setzte
Freiheitsrechte aus und verfolgt jeden Kritiker als Terrorist.
Nicht sehr
verwunderlich, daß Gabriels Einschätzung der Mann sein „beeindruckend“
verwundert.
Grünen-Chef Cem
Özdemir hat Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) für seinen Umgang mit Ägyptens
Präsident Abdel Fattah el-Sisi gerügt. "Ich weiß nicht, was Herrn Gabriel
beeindruckt hat an Präsident Sisi - ist es die Folter, ist es die
Unterdrückung, ist es die Zensur, ist es der Umgang mit deutschen
Stiftungen?", sagte Özdemir am Montag im ARD-"Morgenmagazin".
Gabriel hatte bei
einer Pressekonferenz in der ägyptischen Hauptstadt Kairo am Sonntag gesagt:
"Ich finde, Sie haben einen beeindruckenden Präsidenten."
Die Bundesregierung
habe ein Problem beim Umgang mit autoritären Herrschern, sagte Özdemir. Das sei
auch am Verhältnis zum türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan sichtbar. Es
brauche keine Unterwerfungsgesten, sondern Kritik. "Ein starkes Ägypten
gibt es nur als demokratisches Ägypten", sagte Özdemir. […..]
Özdemir
hat leicht reden von seiner Oppositionsbank aus.
Nicht
überall herrschen demokratische Verhältnisse nach westeuropäischem Vorbild und aussuchen
kann man sich nicht mit wem man spricht.
Gabriel
sollte bei so einem brutalen Machthaber wie el-Sisi aber auch nicht unbedingt
in Schwärmerei verfallen; insbesondere wenn es 48 h nachdem die Kanzlerin vor
Erdogan kroch, geschieht.
Statt
aber zu erklären, daß die Gäule in dem Moment ein bißchen mit ihm durchgegangen
wären und er das Lob „beeindruckender Präsident“ zurücknähme, eiert Gabriel
natürlich wieder rum.
Nein, so
wie es jeder verstanden habe, wäre es gar nicht gemeint gewesen.
[…..] Wirtschaftsminister
Gabriel, zurzeit auf Delegationsreise in Ägypten, war am Sonntag mit Sisi
zusammengetroffen. […..] Der Gast aus
Berlin war offenbar so angetan von der Offenheit, in der Sisi über diese Themen
sprach, dass er am Ende seiner Äußerungen sagte: "Ich finde, Sie haben
einen beeindruckenden Präsidenten."
[…..]
Aber so ist das mit der freien Rede,
insbesondere bei einem Schnellredner und -denker wie Gabriel: Sein Satz ging
mächtig daneben.
[…..]
Dabei hatte der Wirtschaftsminister schon
vor seinem Besuch in Ägypten die schlechte Menschenrechtslage dort kritisiert
und Verbesserungen für Nichtregierungsorganisationen, Gewerkschafter, Presse
und ausländische Stiftungen angesprochen; […..] Auch in der Vergangenheit hatte der SPD-Politiker bei Besuchen in
autoritären Ländern mitunter Menschenrechtsverletzungen so offen angesprochen,
dass man im Auswärtigen Amt schlucken musste. Unter anderem deshalb hält
Gabriel die aktuelle Kritik für unangemessen. "Es soll gelegentlich
vorkommen, dass Zitate, die aus dem Zusammenhang gerissen werden, Anlass zu
Missverständnissen geben", sagte Gabriels Ministeriumssprecher. […..]
Herr
Gabriel, Sie müssen doch nicht unfehlbar sein wie der Papst.
Jeder haut
mal einen dummen Satz raus. Dann bittet man um Entschuldigung und korrigiert
sich.
Das ist
menschlich, macht womöglich sogar sympathisch.
Großer
Mist ist es aber öffentlich Fehler zu machen und anschließend hartnäckig darauf
zu bestehen, man sei nur missverstanden worden, alle anderen hätten also den
Fehler gemacht. Womöglich gar zu schmollen und andere deswegen zu beschimpfen.
Das
kommt nicht gut an bei der Sozi-Basis.